Titel: Bericht des Hrn. Vauvilliers über eine Abhandlung des Hrn. Thomassin, in welcher mit Steinmörtel gebaute Bahnen als vorzüglicher als die Eisenbahnen gepriesen werden.
Fundstelle: Band 58, Jahrgang 1835, Nr. XXXIVXXXIII., S. 225
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XXXIVXXXIII. Bericht des Hrn. Vauvilliers uͤber eine Abhandlung des Hrn. Thomassin, in welcher mit Steinmoͤrtel gebaute Bahnen als vorzuͤglicher als die Eisenbahnen gepriesen werdenDie Abhandlung des Hrn. Thomassin erschien im Jahre 1834 in Straßburg in 8. unter dem Titel: De la Superiorité des chemins de béton sur les chemins de fer,“ und hat auch bereits zu einigen Gegenschriften Anlaß gegeben.A. d. R.. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement, Mai 1835, S. 227. Vauvilliers Bericht uͤber mit Steinmoͤrtel gebaute Bahnen. Hr. Thomassin schlaͤgt in seiner Abhandlung vor, auf einem Theile der Oberflaͤche der gewoͤhnlichen Straßen einen oder zwei Streifen oder Zonen aus Steinmoͤrtel zu bauen, und auf diesen dann die zum Transporte bestimmten Fuhrwerke entweder durch Dampf oder durch Zugthiere fortzuschaffen. Ein solcher aus Steinmoͤrtel bestehender Streifen muͤßte nach seiner Angabe 2,30 Meter Breite und 0,30 Meter Dike haben, wobei die Laͤngenstreke eines Meters seinen Berechnungen nach auf 12 Franken zu stehen kaͤme. Der Steinmoͤrtel wuͤrde nach drei Monaten eine solche Haͤrte erlangen, daß er weder von der Witterung angegriffen werden, noch durch die Reibung und die Erschuͤtterungen, die die Fuhrwerke veranlassen, Schaden leiden wuͤrde. Die zum Ziehen noͤthige Kraft wuͤrde, wenn die Bahn waagerecht waͤre, auf 0,0140 der fortzuschaffenden Last vermindert werden. Diese Kraft wird auf den Eisenbahnen auf 0,0050; auf den Steinpflastern bei dem Zustande, in welchem sie sich noch allgemein befinden, auf 0,0695; und auf den guten Steinpflastern auf 0,0200 geschaͤzt. Dampf als Triebkraft benuzt kaͤme bei einer Geschwindigkeit von 4000 Metern in der Zeitstunde um die Haͤlfte wohlfeiler zu stehen, als die Zugkraft der Pferde. Es draͤngen sich mir nun bei Pruͤfung des Vorschlages des Hrn. Thomassin folgende Betrachtungen auf. In den meisten Gegenden trifft man in der Naͤhe keine Materialien, die zur Bereitung eines harten Steinmoͤrtels geeignet waͤren; man muß dieselben daher aus mehr oder minder großen Entfernungen herbeischaffen, wodurch der Meter in vielen Gegenden weit hoͤher zu stehen kommt, als Hr. Thomassin annimmt. Die von ihm vorgeschlagenen Bahnstreifen sind zu schmal; denn die Fuhrwerke lassen sich gewiß nur hoͤchst schwer darauf erhalten, wenn die Raͤder zu beiden Seiten nur 0,22 Meter Spielraum haben. Man koͤnnte uͤberdieß weder vorfahren, noch auf die Bahn, aus der man gekommen, zuruͤkkehren, ohne daß dieß mit einer sehr großen Erhoͤhung der Triebkraft verbunden waͤre. Wenn daher der Verkehr auf der Straße nach zweien entgegengesezten Richtungen Statt finden soll, so brauchte man entweder zwei Bahnstreifen, oder diese Streifen muͤßten so erweitert werden, daß die Fuhrwerke ungehindert an einander voruͤber gelangen koͤnnten. Wie dauerhaft man auch den Steinmoͤrtel zu bereiten vermag, so wird er doch immer durch die Reibung der Raͤder, durch die Hufe der Pferde und durch die Einwirkung der Witterung Schaden leiden. Dadurch wird der Widerstand gegen die Zugkraft erhoͤht werden, was hier um so mehr zu betrachten kommt, als die Reparaturen sehr schwierig sind, und die Straßen hiebei lange Zeit unbrauchbar werden, damit der Steinmoͤrtel wieder gehoͤrig erhaͤrten und sich mit der primitiven Masse verbinden kann, wenn dieß ja moͤglich seyn sollte. Bei einem fortwaͤhrenden groͤßeren Verkehre waͤren demnach doppelte oder vielmehr vierfache Bahnstreifen nothwendig, wodurch die Kosten der ersten Anlage verhaͤltnißmaͤßig erhoͤht wuͤrden; auch wuͤrde es auf unseren gewoͤhnlichen Straßen an Raum zur Unterbringung solcher vierfacher Bahnstreifen fehlen. So lange die Steinmoͤrtelbahnen hart und eben bleiben, ließe sich der Verkehr auf denselben nicht wohl mit Zugthieren bewerkstelligen; denn die Thiere koͤnnten unmoͤglich Fuß darauf fassen, wenn sie auch nur die Kraft ausuͤben sollten, die man auf den gewoͤhnlichen Straßen von ihnen fordert; um viel weniger waͤre dieß aber moͤglich, wenn sie nach Hrn. Thomassin auf diesen Bahnen eine 4 1/2 Mal groͤßere Last zu ziehen haͤtten. Man koͤnnte daher auf diesen Bahnen nur mit Locomotivdampfmaschinen fahren. Da aber die Steinmoͤrtelbahnen auf den gewoͤhnlichen undulirenden Straßen angebracht werden sollen, so kommt hier in Betracht, daß die Vortheile der harten und ebenen Bahnen da, wo diese Bahnen bergan steigen, verschwinden; denn es handelt sich hier nicht mehr um Ueberwindung der Reibung, sondern um das Emporschaffen des Gewichtes der Ladung. Man bedarf hiezu einer Kraft, welche gleich ist, von welcher Beschaffenheit auch die Straße seyn mag, und zu der noch die zur Ueberwindung der Reibung erforderliche Kraft hinzugerechnet werden muß. Es erhellt daher offenbar, daß eine gewoͤhnliche Eisenbahn, aͤhnlich jenen, auf denen man eine so große Geschwindigkeit erzielt, nicht hoͤher zu stehen kommen wuͤrde, als die von Thomassin vorgeschlagenen Steinmoͤrtelbahnen. Hr. Thomassin hat auch wirklich bei der Vergleichung, die er zwischen den Kosten anstellt, bei der Eisenbahn die Kosten der Terrassirung und sonstigen Erdbauten, welche bekanntlich am theuersten zu stehen kommen, in Anschlag gebracht; waͤhrend er seine Steinmoͤrtelbahnen auf den gewoͤhnlichen Straßen, wo alles dieß schon vorhanden ist und keine weiteren Kosten mehr hiefuͤr erfordert werden, anbringen will. Ich hatte Gelegenheit die kurze Probebahn, welche Hr. Thomassin in Straßburg erbaute, zu untersuchen. Der Steinmoͤrtel an derselben ist sehr gut, denn man hatte fuͤr wohlfeilen Preis die besten Materialien zu Gebot; allein dennoch, und obschon das Gewicht der Lasten, die zur Probe hin und her geschafft wurden, bei weitem nicht so groß war, als das Gewicht, welches auf einer Straße bei lebhaftem Verkehre hin und her gezogen wird, wurden einige Reparaturen noͤthig, bei denen man seine Zuflucht zu dem Straß von Andernach nehmen mußte. Auch uͤberzeugte ich mich bei dieser Gelegenheit, wie schwer die Pferde auf diesen Straßen gehoͤrigen Halt fuͤr ihre Hufe gewinnen. Hr. Thomassin hat sein System dadurch zu verbessern gesucht, daß er an jenen Stellen, an denen die Raͤder gewoͤhnlich zu laufen pflegen, mit Eisenblech beschlagene hoͤlzerne Balken anbringt, und diese mit Steinmoͤrtel uͤberzieht. Allein diese Art von Bahnen scheint mir noch schlechter als die einfachen Steinmoͤrtelbahnen; denn die Zugthiere koͤnnen auch hier nicht Dienste leisten, und bei der ungleichen Ausdehnbarkeit, Zusammendruͤkbarkeit und Hygroskopicitaͤt der verschiedenen Materialien, aus denen diese zusammengesezte Bahn besteht, duͤrften die Wirkungen der auf die Bahn wirkenden Gewalten und Einfluͤsse nur noch groͤßer werden. Ich glaube daher mein Urtheil folgender Maßen zusammenfassen zu muͤssen. Hr. Thomassin hat keine Methode ausfindig gemacht, nach welcher sich auf den gewoͤhnlichen Straßen eine wohlfeile, ebene, feste und dauerhafte Bahn herstellen ließe. Wenn aber auch die Steinmoͤrtelbahnen wirklich diese Eigenschaften besaͤßen, so waͤren sie doch nicht fuͤr die Anwendung von Zugthieren geeignet, auch bieten sie in Hinsicht auf ihr Laͤngenprofil keineswegs jene Bedingungen dar, welche bei den harten Steinbahnen unumgaͤnglich noͤthig sind, wenn sich Locomotivdampfmaschinen auf ihnen bewegen sollen. Die vorgeschlagenen Steinmoͤrtelbahnen sind ferner nicht so gebaut, daß das Abweichen der Wagen von ihnen verhindert waͤre; und wollte man zu diesem Behufe Vorkehrungen treffen, so wuͤrde dieß außerordentliche Kosten veranlassen. In vielen Gegenden muͤßte man die Materialien aus großen Entfernungen herbeischaffen, wenn man einen Steinmoͤrtel von solcher Haͤrte herstellen wollte, wie ihn jener besaß, womit Hr. Thomassin seine Versuche anstellte. Der Verkehr auf den an die Steinmoͤrtelbahn graͤnzenden Straßenstreken waͤre durch diese Bahnen genirt; und umgekehrt wuͤrde der Verkehr auf den Bahnen durch jenen auf den Straßen genirt werden. Eine feste und dauerhafte Eisenbahn wuͤrde, auf den gewoͤhnlichen Straßen angebracht, kaum hoͤher zu stehen kommen, als eine Steinmoͤrtelbahn, und den Betrieb mit Zugthieren zulassen. Wenn es aber schon nicht von Vortheil ist, auf den gewoͤhnlichen Straßen Eisenbahnen zu legen, so duͤrfte es noch viel weniger Vortheil bringen, wenn man Steinmoͤrtelbahnen auf ihnen bauen wuͤrde; denn die Locomotivdampfmaschinen sind immer noch nicht so weit gediehen, daß man mit ihnen mit Vortheil und Kostenersparniß die Unebenheiten im Niveau, welche sich an den gewoͤhnlichen Straßen vorfinden, uͤbersteigen koͤnnte.