Titel: Ueber die Stahlbereitung; von Hrn. Louis Sebastian Le-Normand, Professor der Technologie.
Fundstelle: Band 59, Jahrgang 1836, Nr. XLII., S. 271
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XLII. Ueber die Stahlbereitung; von Hrn. Louis Sebastian Le-Normand, Professor der Technologie. Aus dem Journal des connaissances usuelles. December 1835, S. 270. Le-Normand, uͤber die Stahlbereitung. Nach dreißigjaͤhrigen Versuchen, denen ich mich unterzog, um die Fabrikation eines Stahles zu ermitteln, welcher die vollkommensten Schneidinstrumente liefert, erreichte ich endlich im Jahre 1823 das erstrebte Ziel. Ich legte bei der damaligen Industrieausstellung Rasirmesser, Grabstichel u. dergl. vor, die aus meinem verbesserten Stahle verfertigt worden sind. Die Jury erkannte deren vorzuͤgliche Gute an, und machte ehrenvolle Erwaͤhnung meiner Leistungen. Héron de Villefosse namentlich konnte diese Instrumente nicht genug loben, und der Instrumentenmacher Lasserre konnte nicht genug Rasirmesser aus meinem Stahle erzeugen. Bei der Ausstellung im Jahre 1827 wurde mir gleiche Auszeichnung zu Theil, so daß mir beinahe alle Messerschmide von Paris deßhalb aufsaͤssig wurden. Da ich mich nun am Ende meiner Laufbahn befinde, so will ich mein Verfahren allgemein bekannt machen, damit dasselbe nicht fuͤr die Industrie verloren gehe. Ich bemerke vorlaͤufig nur, daß ich bei meinen Untersuchungen gesunden hatte, daß aller kaͤufliche Stahl eine zu große Menge Kohlenstoff enthalte; ich erkannte das Maaß dieses Ueberschusses und verfertigte danach Stahl mir bestimmten Verhaͤltnissen Kohlenstoff. Ich suchte nach den von verschiedenen Autoren angegebenen Verhaͤltnissen Legirungen des Stahles mit Silber, Gold, Platin etc. zu erzeugen, erkannte jedoch mir Huͤlfe eines vortrefflichen Mikroskopes gar bald, daß sich der Stahl eigentlich mit keinem dieser Metalle legire, sondern daß sich die Molecule lezterer hoͤchst fein zertheilt zwischen die Stahlmolecule lagern. Wenn man daher die Schneide eines solchen Gemenges wezt, so bemerkt man unter der Luppe eine Menge feine Streifen des beigemengten Metalles, wodurch die Schneide gleichsam das Aussehen einer grobzaͤhnigen staͤhlernen Saͤge bekommt. Welchen Hizgrad ich auch immer anwenden mochte, so war ich doch nie im Stande den Stahl solcher Maßen mit dem Metalle zu legiren, daß beide vollkommen verschmolzen und verkoͤrpert waren. Zur Fabrikation meines Stahles oder zur Reinigung des kaͤuflichen Stahles sind folgende drei Substanzen erforderlich: 1) Thierische Kohle, welche in verschlossenen Gefaͤßen aus alten Schuhen, Schuhmacher- und Sattlerabfaͤllen etc. bereitet worden ist, und die man gut gepuͤlvert, gut gesiebt, in sorgfaͤltig verschlossenen glaͤsernen oder irdenen Gefaͤßen gegen den Zutritt der Luft und des Lichtes geschuͤzt aufbewahrt. 2) Sehr fein zerriebene und durch ein Seidensieb gesiebte Kieselerde, welche man sich in jeder Porzellan- und Fayencefabrik verschaffen kann. Auch sie muß man gleich der thierischen Kohle in gut verschlossenen Gefaͤßen aufbewahren; am besten in Flaschen mit eingeriebenem Stoͤpsel, welche man an einem dunklen Orte halten soll, da das Licht nachtheilig darauf einwirkt. Die Kieselerde muß gleich der thierischen Kohle vollkommen troken seyn. 3) endlich Aezkalk, den man im Augenblike, wo man seiner bedarf, fein pulvert und siebt. Dieser Substanzen bedient man sich auf folgende Weise. Man wiegt genau 97 Unzen von der Lederkohle ab, und sezt ihr zwei Unzen Kieselerde und eine Unze Aezkalk, welche, wie gesagt, hoͤchst fein gepulvert seyn muͤssen, zu. Damit die Vermengung vollkommen gleichmaͤßig geschehe, ruͤhrt man die Masse eine gute Viertelstunde lang um. Verschließt man dieses Gemenge in glaͤsernen Flaschen mit gut eingeriebenem Stoͤpsel, und schuͤzt man diese gegen die Einwirkung des Lichtes, so kann man die Mischung ohne allen Nachtheil uͤber ein Jahr lang aufbewahren. Es mag sich um die Verwandlung von Eisen in Stahl, oder um Reinigung des kaͤuflichen Stahles handeln, so ist die Operation dieselbe. Ich will annehmen, man arbeite im Kleinen. Man nimmt einen Tiegel, der um zwei Zoll hoͤher ist, als die Metallstuͤke, bringt auf dessen Boden eine zollhohe Schichte von dem angegebenen Gemenge und druͤkt es ein. Dann sezt man die Metallstuͤke aufrecht und ohne daß sie einander beruͤhren, in den Tiegel, und fuͤllt diesen nach und nach mit obigem Gemenge, welches man sachte eindruͤkt. Obenauf gibt man noch eine zollhohe Schichte von dem Gemenge, worauf man den Dekel auf den Tiegel bringt, und ihn mit weichem Thone verkittet. Wenn der Kitt getroknet ist, verstreicht man die entstandenen Spruͤnge in demselben, und nach abermaligem vollkommenem Troknen sezt man den Tiegel in einen gut ziehenden Windofen, bis er durch und durch gut rothgluͤhend geworden ist. Auf dieser Temperatur unterhaͤlt man ihn eine gute Stunde lang, worauf man das Feuer ausgehen laͤßt und den Tiegel nicht eher beruͤhrt, als bis er vollkommen abgekuͤhlt ist. Wenn dieß geschehen ist, wozu jedoch wenigstens 24 Stunden erforderlich sind, nimmt man den Tiegel aus dem Ofen und oͤffnet ihn. Arbeitet man im Großen, so nimmt man die Operation in Behaͤltern aus Eisenblech oder Gußeisen vor. Der auf diese Weise behandelte Stahl braucht nur mehr gearbeitet zu werden.