Titel: Skizzirte Uebersicht des gegenwärtigen Standes und der Leistungen von Böhmens Gewerbs- und Fabriksindustrie in ihren vorzüglichsten Zweigen. Ein Versuch von K. J. Kreutzberg in Prag.
Autor: Karl Joseph Kreutzberg [GND]
Fundstelle: Band 60, Jahrgang 1836, Nr. XLIV., S. 223
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XLIV. Skizzirte Uebersicht des gegenwaͤrtigen Standes und der Leistungen von Boͤhmens Gewerbs- und Fabriksindustrie in ihren vorzuͤglichsten Zweigen. Ein Versuch von K. J. Kreutzberg in Prag. (Fortsezung von Bd. LX. H. 1, S. 72.) Kreutzberg, uͤber Boͤhmens Gewerbs- und Fabriksindustrie. Gewoͤhnlichen Getreide-, Bier- und Obstessig liefern 9 Etablissements, die jedoch in keinem großen Maaßstabe arbeiten; Holzessig und Bleizuker fabriciren 5 Fabriken. Das groͤßte Quantum Holzessig erzeugt jene des Hrn. Richter in Koͤnigssaal, naͤmlich ungefaͤhr 2000 Cntr. jaͤhrlich, in Oefen von seltener Groͤße à 80 Klafter Holz, die sich in Roßmital befinden. Die Fabrication von Bleizuker, wovon im Durchschnitte jaͤhrlich gegen 6000 Cntr. im Werthe von 160,000 fl. fruͤher erzeugt wurden, hat zwar in der lezten Zeit durch die Concurrenz auslaͤndischer Fabriken bei uns einiger Maßen abgenommen; die jezt wieder eingetretene Nachfrage zu bedeutend gesteigerten Preisen laͤßt jedoch den vorigen Erzeugungsstand hoffen, da unsere einheimischen Fabrikanten durch den Frachtbetrag und einen Zollsaz von 5 fl. per Centner hinreichend geschuͤzt seyn duͤrften. Bemerkenswerth ist noch die Holzessigfabrik des Hrn. M. Prohaska vor dem Prager Reichsthore; der in 2 gut construirten Thermooͤfen fuͤr 10 1/2 Klafter 5/4 elligen Buchenholzes dargestellte Holzessig wird hier zur Bereitung von holzsaurem Kalk, holzsaurem Eisen, fluͤssigem Bleizuker und basisch holzsaurem Blei, auch zur sogenannten Mandelbrauncomposition (durch Zersezung des Eisenvitriols mit Bleizuker) verwendet; das basische holzsaure Blei benuzt man naͤmlich in den Prager Kattunfabriken zum Abstumpfen mehrerer Salze, z.B. des schwefelsauren Mangans und des salzsauren Eisenoxyduls u.s.w. Knochenmehl als Duͤngungsmittel liefert seit Kurzem eine in großem Maßstabe angelegte Fabrik naͤchst Mies mit Beisezung noch einiger anderen Substanzen. Das Gedeihen dieser Anstalt wird wohl sehr davon abhaͤngen, ob die Knochenausfuhr noch ferner gestattet bleibt oder nicht; indessen wird wohl der staͤrkere Verbrauch der Knochenkohle in unseren Ruͤbenzukerfabriken haͤufigere Nachfrage und eine Preiserhoͤhung bewirken, die der Ausfuhr derselben ohnehin ein Ziel sezen muß. Seifensiederei wird in Verbindung mit dem Kerzenziehen in allen Landstaͤdten betrieben; Prag zaͤhlt 13 Meister. In der Richter'schen Fabrik in Koͤnigssaal werden zum Fabrications- sowohl als Hausbedarf bedeutende Quantitaͤten Talg-, Oehl- und feinere Waschseife erzeugt. Sehr wichtig duͤrfte die vom Hrn. G. Schlesinger in Prag neu begruͤndete Fabrik zur Erzeugung fluͤssiger Seife werden, indem dieses Product gleich dem British scouring and washing Fluid in der Schafwollenfabrication und Walkerei, bei dem Schoͤnen gedrukter Kattunaden, dem Degummiren und Faͤrben der Seide, der Linnenbleiche, zur Reinigung der Waͤsche und des menschlichen Koͤrpers, dann beim Scheuern der Dielen, Fenster etc. dieselben Dienste leistet, wie die bisher hiezu benuzten Seifengattungen und zwar ohne daß man davon mehr bedarf, waͤhrend ein Pfund davon nur auf 6 kr. zu stehen kommt. Parfuͤmerien werden in Prag durch die HH. A. Bruhta und A. D. Corda erzeugt; sie vermochten aber troz ihrer guten Qualitaͤt nicht den Bezug auswaͤrtiger Fabricate dieser Art (denen freilich oft nur das Vorurtheil eingebildete Vorzuͤge verleiht) zu beseitigen. Bierbrauerei und Branntweinbrennerei sind, wenn auch mehr landwirthschaftliche Gewerbe, doch von zu großer Wichtigkeit, um nicht hier in dem Gesammtbilde unserer Industrie wenigstens kurz besprochen zu werden. Brauereien sind wenigstens 1500 im Lande, wovon 60 in Prag. Vier ist das gewoͤhnliche Getraͤnk in Boͤhmen und die Consumtion desselben ist besonders in den Fabrikgegenden sehr bedeutend; obgleich wir aber im Lande selbst den besten Hopfen und eine eben so schoͤne als wohlfeile Gerste haben, so bleibt doch in vielen Gegenden sowohl hinsichtlich der Qualitaͤt als des Preises dieses der arbeitenden Classe so sehr zum Beduͤrfniß gewordenen Getraͤnks noch Vieles zu wuͤnschen uͤbrig, besonders wegen der haͤufig unmoͤglichen Concurrenz, da die Biererzeugung zu den staͤdtischen und obrigkeitlichen Regalien gehoͤrt. Indessen faͤngt doch die Nachbarschaft Bayerns an, auf unsere Brauereien vortheilhaft zuruͤkzuwirken, und mehrere derselben sind auch in jeder Beziehung nachahmungswuͤrdige Musteranstalten, wie z.B. die durch den dortigen Hrn. Oberfoͤrster Rietsch eben so umsichtig eingerichtete als geleitete fuͤrstlich Oettingen'sche Bierbrauerei in Koͤnigssaal. Die Anzahl der Brennereien, welche ebenfalls als obrigkeitliches Regal von Paͤchtern betrieben werden, duͤrfte nicht viel geringer seyn, als die der Brauereien; Prag zaͤhlt 66 Brennereien, die sich meist durch zwekmaͤßigen Betrieb auszeichnen und hier sowohl als auf dem Lande, faͤngt die Anwendung des Dampfes und die Einfuͤhrung vortheilhafterer Apparate an, die besten Fruͤchte zu tragen. Ihre Production uͤbertrifft gegenwaͤrtig den Landesbedarf, obgleich er in der lezten Zeit durch den haͤufigeren Verbrauch von Weingeist bedeutender als je wurde; man bezieht auch selbst fuͤr Liqueure und Parfumerien nur noch sehr wenig Weingeist mehr vom Auslande. Liqueure und Rosoglio werden in 16 Fabriken, wovon 12 in Prag, und in 18 kleineren Anstalten erzeugt; diese deken auch zum Theil den Bedarf einiger der uͤbrigen Provinzen der Monarchie. Eine groͤßere Verbreitung verdienen die vorzuͤglichen Fabricate der HH. Foͤdisch und Hanke in Prag, welche durch ihre Reinheit, Guͤte und Billigkeit bei uns die meisten auswaͤrtigen Erzeugnisse dieser Art verdraͤngt haben, und den feinsten, oft zu unmaͤßigen Preisen bezahlten franzoͤsischen und deutschen Liqueuren außerhalb Boͤhmen die Concurrenz streitig zu machen anfangen. Besonders ist bei den 43 Sorten Liqueuren, den Punschessenzen, Cognacs, aromatischen Wassern und Chocoladen, welche dieses Haus erzeugt, die Sorgfalt der Erzeugung und Vermeidung aller der Gesundheit oder der Soliditaͤt des Products schaͤdlichen Beimengungen, sehr ruͤhmenswerth. Die in neuerer Zeit so zahlreich gewordenen Producte aus Staͤrkmehl und den verwandten Substanzen, werden bei uns noch nicht in verdienter Ausdehnung dargestellt. Außer den 10 Staͤrkemachern in Prag, verdient hier nur die Fabrik des Hrn. A. Becher in Muͤnchengraͤtz angefuͤhrt zu werden, welche vorzuͤgliche Waizenstaͤrke, gewoͤhnliche sowohl als gebrannte (Gummisurrogat), ferner Staͤrkeleim (Kleber), gleich dem aus thierischen Substanzen erzeugten Leim verwendbar, dann Biscuit oder Kraftmehl sehr rein und in großen Quantitaͤten erzeugt. Die Verdikungsmittel, welche in neuerer Zeit von englischen Reisenden unter der Benennung british Gummi haͤufig angeboten werden, sind nichts Anderes als mittelst Dampf geroͤstete Staͤrke. Schuhwichse nach englischer Art wird hie und da im Kleinen, in sehr großer Quantitaͤt aber in der Fabrik der HH. Gebruͤder Loͤwy in Prag dargestellt. Bei einem Verbrauch von 500 Cntrn. Runkelruͤbensyrup und eben so viel Knochenkohlen verschleißt diese Anstalt jaͤhrlich an 2 Millionen Schachteln und Zetteln Wichse nach allen Theilen der Monarchie und 1/3 hievon in fremde Staaten. – Von den 3 Siegellakfabriken in Prag ist die der ebengenannten Fabrikanten ebenfalls die ausgedehnteste und in Hinsicht des ausgebreiteten Absazes ihrer Erzeugnisse von den mittleren bis zu den feinsten Sorten sowohl (er betraͤgt uͤber 200 Cntr. jaͤhrlich) als deren Vorzuͤglichkeit gleich bemerkenswerth; die nach franzoͤsischer Art in verschiedenen Farben und Nuͤancirungen dargestellten sogenannten Damenlake zeichnen sich besonders durch leichte Schmelzbarkeit und Reinheit aus. Des Zusammenhanges wegen moͤge auch die in diesem Etablissement betriebene Bereitung der Federkiele nach Hamburger Art hier erwaͤhnt werden. Waͤhrend fruͤher dieser Artikel in großer Quantitaͤt vom Auslande bezogen wurde, ist er durch die HH. Loͤwy ein Gegenstand der Ausfuhr nach Deutschland, Belgien und Italien geworden. In ihrer Fabrik bereiten sie jaͤhrlich 3 1/2 Millionen Schreibfedern aller Art, welche in rohem Zustande groͤßten Theils aus Polen und Ungarn bezogen werden; sie bedienen sich zum Erweichen derselben mit großem Vortheil eines Dampfapparats statt der fruͤher gebraͤuchlich gewesenen Kohle und Asche; die vollendeten Federn werden auch durch eine Maschine in Buͤschel gebunden. Diese Production ist um so auffallender, wenn man bedenkt, daß selbst die mit ungleich groͤßeren Mitteln ausgeruͤsteten aͤlteren Londoner Haͤuser nur 6 Millionen Spulen jaͤhrlich verarbeiten, waͤhrend die englische Einfuhr in den lezten 6 Jahren durchschnittlich 20 Millionen betrug. Die Stahlfedern, welche in England in so großer Menge (am besten von John Perry) erzeugt werden, scheinen mehr fuͤr den auswaͤrtigen Markt berechnet, da die dortige Einfuhr von Kielen fortwaͤhrend im Zunehmen ist und es auch wohl bleiben wird, weil die Stahlfedern, so nothwendig sie auch fuͤr das Zeichnen und Schreiben in der Lithographie sind, doch beim Schreiben auf Papier die Elasticitaͤt und Leichtigkeit guter Gaͤnsekiele nie ersezen. Cichorienkaffee fabriciren 13 Etablissements, deren Gesammtproduction nicht uͤber 36,000 Cntr. im Werthe von 100,000 fl. betragen duͤrfte. Jede dieser Fabriken beschaͤftigt im Durchschnitte 20 Menschen. Zukerfabrication. Die Raffinirung des westindischen Rohzukers wurde bereits verlaͤngst in den Fabriken der HH. E. H. Herz in Prag und A. Richter in Koͤnigssaal betrieben; bei der, alle neuen Erfahrungen und Verbesserungen in den chemischen und mechanischen Operationen ausfassenden Umsicht, welche in den verschiedenen Fabricationszweigen des leztgenannten, eine Zierde unserer Industrie bildenden Etablissements vorherrscht, muß ein großer Theil der Verdienste um die wohlthaͤtige Entwiklung dieses Industriezweiges dem seltenen, selbst die groͤßten Opfer nicht scheuenden Unternehmungsgeiste des Hrn. Richter zugeschrieben werden. Fuͤr ein jaͤhrliches Quantum von 30,000 Cntrn. Rohzuker eingerichtet, befindet sich daselbst in Verbindung mit einer Dampfmaschine von 14 Pferdekraͤften ein Raffinirapparat nach dem Howard'schen Principe, der mit unter die besten gehoͤrt, da der Besizer mehrere zwekmaͤßige Abaͤnderungen und Verbesserungen hinzufuͤgte, sowohl in der Dampfbeheizung, wo die Temperatur fortwaͤhrend auf 45° R. erhalten und auch sonst nach Bedarf leicht regulirt werden kann, als in dem Kesselapparate zum Verkochen, Abdampfen und Austroknen im luftleeren Raume, und in dem Baue der Abkuͤhler. In 12 verschiedenen Sorten werden daselbst uͤber 12,000 Cntr. raffinirter Zuker jaͤhrlich geliefert, einen großen Theil des Landesverbrauchs dekend, der hier, im Entgegenhalt der Populationsverhaͤltnisse, und wenn auch 1/4 der Bevoͤlkerung außer Berechnung bleibt, und die uͤbrigen 5/4 zu 1 1/2 Pfd. per Kopf jaͤhrlich (in Frankreich von der ganzen Bevoͤlkerung 4 1/2 Pfd., in Preußen 4 3/4 Pfd. und in England 16 Pfd. per Kopf) angenommen werden, 45,000 Cntr. betraͤgt, und daher am wenigsten nach den fruͤheren Zollregistern geschaͤzt werden darf; da es erst in neuerer Zeit der Sorgsamkeit einer verbesserten Douane in Verbindung mit einer juͤngst verflossenen gesezlichen Controllvorschrift moͤglich wurde, die indirecte Einfuhr von Raffinaden hintanzuhalten. – Auf eine ehrenvolle Weise steht diesem Etablissement jenes des Hrn. Herz zur Seite. Die uͤbrigens auch auf einige andere Provinzen des Kaiserstaates sich erstrekenden Productionen der beiden genannten Fabriken, befinden sich jedoch seit einiger Zeit in einer groͤßeren Ausdehnung begriffen, durch das rasche Gedeihen, welches die Runkelruͤbenzuker-Fabrication, diese schoͤnste Frucht des Continentalsystems, bei uns findet. Der unsterbliche Schoͤpfer derselben, Margraff, konnte die Verlegenheiten nicht voraussehen, welche die jezige Ausbreitung dieses Industriezweiges in Frankreich, durch den Ausfall des Douanenertrags, dem Finanzminister schafft, indem sie die franzoͤsischen Colonien mit dem Untergange ihrer bisherigen Kulturart bedroht, waͤhrend bei uns nichts den Gewinn verkuͤmmert, der schon factisch sicher gestellt, und wenn auch noch nicht so brillant, wie ihn die Eingebungen von auf illusorische Berechnungen sich stuͤzenden Nebenabsichten darstellen moͤchten und ausposaunen – die eben so leicht unzeitige Unternehmungssucht im Innern anhaͤufen als den Ruf dieses Industriezweiges bei unseren, die Gestaltung desselben sorgsam berechnenden und bewachenden Nachbarn gefaͤhrden koͤnnte – so doch in oͤkonomischer und industrieller Beziehung jezt schon so bedeutend ist, daß bei unseren hiezu besonders guͤnstigen Landesverhaͤltnissen ein gesteigerter Wohlstand verbuͤrgt ist, abgesehen von den Einwirkungen, welche das daraus folgende rationellere System der Landwirtschaft, die Erhoͤhung des Viehstandes durch Verwandlung der Abfaͤlle in Futter, und das mit der hiedurch vermehrten Duͤngergewinnung gesteigerte Bodenertraͤgniß spaͤter noch hervorbringen muß, besonders wenn die von Beaujeu vorgeschlagene Filtration mit ununterbrochener Circulation die versprochenen Erfolge gewaͤhren, und die in oͤffentlichen Blaͤttern unlaͤngst verheißene franzoͤsische Erfindung in Erfuͤllung gehen sollte, nach welcher es bereits im Großen gelungen seyn soll, den ganzen krystallisirbaren Zukergehalt der Runkelruͤbe ohne Hinterlassung von Melassen auszuscheiden.Es wurde bereits im Polytechnischen Journal Bd. LX. S. 79 bemerkt daß diese Nachricht auf einem Irrthum beruht und bis jezt wenigstens ein solches Resultat noch nicht erreicht worden ist.A. d. R. Das groͤßte Verdienst um die Einfuͤhrung dieses Industriezweiges und seine Verbreitung in Boͤhmen gebuͤhrt unstreitig dem Fuͤrsten Karl Anselm von Thurn und Taxis. Bei den Wechselfaͤllen und den traurigen Verlusten, welche dieser Zweig fruͤher allenthalben erfahren hatte, bei den vielfachen Schwierigkeiten die hinwegzuraͤumen, und bei den hartnaͤkigen Vorurtheilen, die zu besiegen waren, konnte der, nur den Eingebungen des Patriotismus und der vaͤterlichen Sorge um das Wohl seiner Unterthanen folgende Sinn des genannten hohen Menschenfreundes sich zu einem solchen mit bedeutenden oͤkonomischen und technischen Vorkehrungen verbundenen Unternehmen ermuthigt fuͤhlen. Dem gegebenen edlen Impulse folgend, reihten sich bald der ersten f. Taxis'schen Fabrik in Daubrawitz jene des Hrn. Oppelt zu Swinarz und des Fuͤrsten Oettingen in Koͤnigssaal an. Mit dem Wunsche diesen Industriezweig in Boͤhmen zu verbreiten, wurde so wie in der erstgenannten, auch in den beiden lezteren Anstalten jungen Leuten, welche sich demselben widmen wollten, bereitwillig und unentgeldlich Unterweisung ertheilt, und dieser Wunsch eben so bald als erfreulich verwirklicht, indem bereits i. J. 1834 9 Fabriken uͤber 200,000 Cntr. Ruͤben verarbeiteten, deren Syrup und Rohzuker mit lobenswerthem Eifer um das Gedeihen des Ganzen, in der Raffinerie des Hrn. Richter veredelt wurde, da man sich bald auch hier von der Zwekmaͤßigkeit der Theilung der Arbeit mit dem Raffineur uͤberzeugt hatte, und es nach den gemachten Erfahrungen meist vorzog, die beigeschafften Raffinirapparate unbenuzt und dieses Geschaͤft mit mehr Sicherheit und Vortheil von dem Raffineur, welchem Zukersaft oder Rohzuker fuͤr gewisse Preise uͤberlassen wurden, verrichten zu lassen. Den erfreulichsten Beweis fuͤr den bisherigen Ertrag dieses Fabricationszweiges, und seiner durch zwekmaͤßigen Betrieb herbeigefuͤhrten Ausbreitung duͤrfte die Thatsache liefern, daß nicht nur einige der bereits bestandenen obigen 9 Fabriken (nachdem die Schwierigkeiten der ersten Jahre mit ruͤhmlicher Beharrlichkeit uͤberwunden worden) das Erzeugungsquantum bedeutend vermehren, so daß z.B. die des Fuͤrsten Taxis fuͤr kuͤnftig auf 100,000, und die beiden in Koͤnigssaal, so wie jene in Stromka auf 30 bis 40,000 Cntr. Ruͤben ausgedehnt wurden, sondern im Jahre 1835 noch 8 neue Fabriken zusammen fuͤr einen Verbrauch von 260 bis 280,000 Cntr. Ruͤben eingerichtet wurden, so daß die Arbeitsperiode dieses Jahres bei einer durchschnittlichen Ausbeute von 6 Proc. Zuker und je nach dem Unterschiede des Raffinirungsgrades von 2 1/2 bis 3 Proc. Melasse, die Quantitaͤt von 15,000 Cntr. einheimisch erzeugten Ruͤbenzukers, also ungefaͤhr 1/40 der Produktion Frankreichs, im Werthe von wenigstens 600,000 fl., Futterabfaͤllen und Syrup ungerechnet, erreichen duͤrfte, wovon etwa 1/6 fuͤr die waͤhrend der 6 bis 7 monatlichen Arbeitsperiode bei der Fabrikation beschaͤftigten, sich meist Morgens und Abends abloͤsenden 1200 Menschen als Arbeitslohn gerechnet werden kann. – Man wuͤrde uͤbrigens irren, wollte man die Entwiklung dieses Industriezweiges dem Zoll auf auswaͤrtigen Zuker zuschreiben. Die ungleich hoͤhere Abgabe in England, welches von seinen jaͤhrlich verbrauchten 3 1/2 Millionen Centnern beinahe 49 Millionen Gulden an Zoll bezahlt und von der Ausfuhr von ungefaͤhr 1 Million Centner Raffinaden uͤber 14,000,000 fl. Ausfuhrpraͤmie bezieht, waͤre gewiß ein groͤßeres Schuzmittel, und dennoch hat sich dort die Ruͤbenzukerfabrication, die Mac-Culloch ein zweifelhaftes Gewerbe nennt, nie uͤber Versuche erhoben. Was soll man aber von dessen Handelsfreiheits-Predigten denken, wenn er seinen Landsleuten raͤth, keine Zeit zu verlieren, sondern ernstliche Maßregeln zu ergreifen, um diesem – in England – neu beginnenden Gewerbe alle Nahrung zu entziehen, weil – ein Ausfall in der Zolleinnahme sonst entstehen wuͤrde. – (M. f. Handbuch fuͤr Kaufleute u.s.w. Bd. II. S. 1061.) Die guͤnstigen Verhaͤltnisse des Bodens an und fuͤr sich sowohl als in seiner Vertheilung, der fuͤr das Gemeinnuͤzige empfaͤngliche Geist unserer Gutsbesizer, die patriotischen Bestrebungen der ersten Unternehmer dieses Industriezweiges, seine weitere Ausbreitung allgemeiner zu machen, und die bald eingefuͤhrte Theilung der Arbeit in die mehr landwirthschaftliche Beschaͤftigung der Erzeugung des concentrirten Saftes, und in die weitere Verarbeitung der von mehreren Etablissements gewonnenen Quantitaͤt desselben, waren eben so sehr geeignet dessen vortheilhafte Entwiklung zu beschleunigen, als die einfache, wenig kostspielige und doch sehr zwekmaͤßige Einrichtung der ersten Fabriken, so wie die in den meisten derselben eingefuͤhrte sehr vervollkommnete Verfahrungsweise, die mit praktischer Kennerumsicht von Hrn. K. Weinrich in der Daubrawitzer Fabrik zuerst eingerichtet und spaͤter in den meisten uͤbrigen bis jezt befolgt wurde. Durch diese Methode wurde es nach Bedarf auch moͤglich mit hoͤchst einfachen Apparaten aus dem Ruͤbensafte gleich bei der ersten Krystallisation raffinirten Zuker darzustellen. Die Vorzuͤge, welche dieses Verfahren vor der franzoͤsischen, Colonial- und Achard'schen Methode unterscheiden, die hiedurch bei einer einfachen, jeder einzelnen Laͤuterung vorhergehenden Probe, erzielte Sicherheit im richtigen Verhaͤltnisse des Kalkzusazes, so wie die Modifikation des Filtrirens mit Anwendung ganz seinen Kohlenpulvers sind in einer eigenen Schrift beschrieben;Weinrich's, die neuesten in den boͤhmischen Ruͤbenzukerfabriken eingefuͤhrten Verbesserungen. Prag 1835. Vergl. Dr. Kodweis in Schweigger's Journal Jahrgang 1854, Bd. III. S. 350. seit dem Erscheinen derselben hat jedoch Hr. Weinrich (gemeinschaftlich mit den HH. Krug und Baͤrenreiter in der Errichtung einer Centralfabrik begriffen, welche den bis zu einem gewissen Grade concentrirten Ruͤbensaft mehrerer Etablissements zusammen verarbeitet, fuͤrs erste Jahr auf die taͤgliche Verwendung von 200 Cntr. 30graͤdigen Saftes und spaͤter allenfalls noͤthig werdende Erweiterung eingerichtet) dieses Verfahren auf eine Weise verbessert, die in der gegenwaͤrtigen Arbeitssaison (1835 – 36) bereits in mehreren Fabriken in Ausuͤbung und zu interessant ist, um nicht wenigstens in den wesentlichsten Momenten hier angedeutet zu werden. Die Laͤuterung (Défécation) des Saftes wird hienach sehr einfach mit einem großen Kalkuͤberschusse im kalten Zustande, ohne Laͤuterkessel, ausgefuͤhrt. Der Zukergehalt der Ruͤben wird durch heißes Wasser mittelst eines dem von Beaujeu construirten aͤhnlichen, aber einfacheren Apparats (ohne Zwischenwaͤrmer) extrahirt. Der im kalten Zustande gelaͤuterte und bei niedriger Temperatur (40 – 55° R.) auf 25 – 30° B. concentrirte Saft wird in einem hohen Thurme behandelt, in den er durch Gurten ohne Ende gelangt, welche in die flachen Pfannen eintauchen, den Saft aufnehmen und durch ein Drehwerk uͤber bewegliche horizontale Cylinder an den oberen Theil des Thurmes und wieder herunter leiten; er ist so einem Strome von warmer Luft ausgesezt und auf eine große Oberflaͤche vertheilt, welche die waͤsserigen Theile verfluͤchtigt, und zugleich den Kalkgehalt des Saftes abscheidet, der bis auf 30° eingedikt, dann nach der oben erwaͤhnten Beschreibung des Hrn. Weinrich behandelt wird. Das groͤßte, und wie erwaͤhnt aͤlteste Etablissement ist die fuͤrstl. Taxis'sche Runkelruͤbenzuker-Fabrik in Daubrawitz, deren Errichtung uͤber 40,000 fl. kostete; unter der Leitung des Hrn. Zdeborsky und noch zweier verrechnenden Fabriksbeamten beschaͤftigt dieselbe gegenwaͤrtig an 220 Menschen verschiedenen Alters und beiderlei Geschlechts, die, weil die Arbeit Tag und Nacht im Gange ist, einander Morgens und Abends abloͤsen, und im Verlaufe der oben erwaͤhnten Arbeitssaison einen Taglohn von circa 5600 fl. verdienen, außer den vielen Handwerkern, welche fuͤr diese Fabrik arbeiten, die auf den zunehmenden Wohlstand der dortigen Gegend einen sichtlich wohlthaͤtigen Einfluß uͤbt. Fuͤr die seit der ersten Einrichtung noch wenig geaͤnderte Manipulation sind im Wesentlichen folgende Apparate dort in Anwendung: eine Reibmaschine mit 2 Doppelcylindern von 18 Zoll Durchmesser, die mittelst eines Goͤpels in Bewegung gesezt, im Stande ist in 22 Arbeitsstunden 8 bis 900 Cntr. Ruͤben zu verreiben. Die vorhandenen 10 doppelten Schraubenpressen bringen den Saft heraus, der in ein Reservoir zusammenfließt und von da sogleich mittelst eines großen Schoͤpfapparates auf einen der 8 Laͤuterkessel gehoben wird, von welchen er nach vorgenommener Laͤuterung – die nach der in der oben citirten Schrift des Hrn. Weinrich beschriebenen Methode, mit Schwefelsaͤure und Kalk geschieht – durch daran angebrachte Leinwandfilter auf die 8 Abdampfkessel geleitet wird, um hier uͤber offenem Feuer bis auf 30° B. abzudampfen. Nachdem der im Safte niedergeschlagene Kalk durch das Taylor'sche Filter abgeschieden worden ist, gelangt der klare, ziemlich neutrale Saft auf die Kohlen- oder Dumont'sche Filter, und wird nun ziemlich entfaͤrbt, sodann auf den vorhandenen 10 kupfernen Eindikkesseln bis zum Krystallisationspunkte verdampft. Die Dichtheit des ausgepreßten Ruͤbensaftes variirt zwischen 8 bis 10° B. Dieses Etablissement hat seit seinem Bestehen, und zwar in den ersten vier Betriebsjahren von der jaͤhrlich hiezu gewidmeten Flaͤche pr. 300 n. oͤ. Mezen verarbeitet: im Jahre 1831 11,000 Cntr. Ruͤben.    – 1832 12,000   –    –    – 1833 25,000   –    – von 600 Mezen    – 1834 40,200   –    – –––––– 88,200 Cntr. Ruͤben und daraus gewonnen 1726 Cntr. 58 Pfd. verschiedene Zukergattungen   980   –   – verschiedene Syrupgattungen und 3738   –   – 30graͤdigen Zukersyrup, der zur weiteren Verarbeitung der Richter'schen Fabrik in Koͤnigssaal kaͤuflich uͤberlassen wurde. Nebst dem sind uͤber 4500 Melisformen, 800 Basterformen und 240 Bottiche hievon mit Zuker impraͤgnirt worden. Im Jahre 1835 wurden daselbst 900 Mezen Landes mit Ruͤben bebaut, und selbst bei der im Sommer geherrschten Trokenheit, von 1 n. oͤ. Mezen Landes im Durchschnitte 85 Cntr., somit im Ganzen 76,500 Cntr. Ruͤben geerntet, woraus nach Schaͤzung der Fabriksverwaltung gegen 10,000 Cntr. Ruͤbensaft à 30° erhalten werden duͤrften, die ebenfalls zum festgesezten Preise der bereits erwaͤhnten Raffinerie uͤberlassen werden. Der Zuker hat uͤbrigens laͤngst aufgehoͤrt ein Gegenstand der feineren Genuͤsse zu seyn; Gewohnheit und Lebensweise haben demselben einen Plaz unter die im Allgemeinen nothwendigen Beduͤrfnisse des menschlichen Lebens angewiesen. (Wenn auch nicht in dem Maaße wie in England, wo in den Arbeitshaͤusern auf ein Individuum 34 Pfd., und in den Haushaltungen auf einen Dienstboten wenigstens 50 Pfd. jaͤhrlich gerechnet werden.) Den hie und da sich kundgebenden Besorgnissen, wegen einer zu schnell herbeigefuͤhrten uͤbermaͤßigen Ausdehnung dieses Industriezweiges koͤnnen wir jedoch keineswegs beistimmen, da die Macht der Concurrenz den Fabrikanten zwar druͤken kann, aber nur momentan und zu seinem Vortheile, denn sie erwekt und staͤhlt seine Spannkraft. Noch dekt uͤbrigens die einheimische Erzeugung lange nicht den Bedarf; mit der Zunahme der ersteren und der hiedurch nothwendig folgenden Preisverminderung wird auch lezterer im steigenden Verhaͤltnisse sich vermehren, denn wie schon bei Modeartikeln, so noch mehr bei den dem Wechsel weniger unterworfenen Verbrauchsgegenstaͤnden hat das Fallen der Preise stets groͤßere Nachfrage erzeugt, die besonders dann nicht ausbleiben kann, wenn das jezt schon in Preis und Verwendbarkeit mit dem Rohrzuker concurrirende Ruͤbenproduct ersteren noch an groͤßerer Billigkeit uͤbertreffen wird. Mehrere Theile des oͤsterreichischen ausgebreiteten Staatenverbandes duͤrften uͤbrigens schwerlich diesen Industriezweig ihren Localverhaͤltnissen angemessen und es vortheilhafter finden, die Mehrerzeugung, welche seiner Zeit andere Provinzen liefern koͤnnen, abzunehmen. Unter diesen Umstaͤnden, und bei den die Nationalwohlfahrt so sehr beguͤnstigenden Maximen unserer erleuchteten Regierung wird die kuͤnftige Entwikelung dieses Industriezweiges die erfreuliche Gestaltung der Gegenwart nur noch uͤbertreffen.