Titel: Ueber die Vortheile des neuen nach dem Circulationsprincipe gebauten Dampfkessels des Hrn. J. Perkins. Auszug aus einer Abhandlung des Erfinders.
Fundstelle: Band 60, Jahrgang 1836, Nr. XLVI., S. 242
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XLVI. Ueber die Vortheile des neuen nach dem Circulationsprincipe gebauten Dampfkessels des Hrn. J. Perkins. Auszug aus einer Abhandlung des Erfinders.Die erste Nachricht von dem Perkins'schen Dampfkessel, dessen Vortheile sowohl als Neuheit mannigfach angegriffen wurden, haben wir bereits im Polytechn. Journale Bd. XLIV. S. 249 gegeben. Das zweite Patent, welches Perkins auf die Modifikation seines Kessels nahm, um die es sich hier handelt, wurde seither noch in keiner Zeitschrift bekannt gemacht. Hr. Perkins soll aufgefordert worden seyn, einige der alten Dampfkessel der Locomotivmaschinen an der Liverpool-Manchester-Eisenbahn nach seinen Principien auszubessern, bei dieser Gelegenheit aber erklaͤrt haben, daß hier nur durch eine radicale Veraͤnderung des bisherigen Systems geholfen werden koͤnne. Auf eine solche Veraͤnderung ging man jedoch bisher noch nicht ein.A. d. R. Aus dem Magazine of Popular Science No. 1, im Mechanics' Magazine, No. 653. Ueber Perkins's neuen Dampfkessel Ich habe an dem Patente, welches ich im Jahre 1832 auf einen von mir erfundenen Dampfkessel nahm, eine neue Modification angebracht, in Folge deren mein Kessel nun folgende Vortheile gewaͤhrt: 1) faͤllt alle Gefahr von Explosion weg. 2) ergibt sich eine große Ersparniß an Brennmaterial. 3) bedarf der Kessel bei viel geringerem Gewichte eines weit kleineren Raumes. 4) betraͤgt der Bedarf au Wasser nicht den dritten Theil von dem Wasserbedarfe bei den gegenwaͤrtig gebraͤuchlichen Kesseln. 5) kann sich in den Dampferzeugern kein Bodensaz bilden. 6) entsteht kein Ueberzug in dem Kessel, indem der Bodensaz, welcher sich allenfalls bildet, sich immer an einem fuͤr denselben bestimmten Orte absezt, und nach Belieben ausgeblasen werden kann. 7) werden die Dampferzeuger immer auf dem Verdampfungspunkte erhalten. 8) ist es unmoͤglich, irgend einen Theil des Kessels oder der Dampferzeuger selbst bei der staͤrksten Hize auszubrennen. 9) der Kessel und die Dampferzeuger werden wegen der eigenthuͤmlichen Einrichtung der lezteren nicht im Geringsten durch Ausdehnung und Zusammenziehung beeintraͤchtigt. 10) die Abscheidung des Dampfes vom Wasser und von sonstigen fremdartigen Substanzen geschieht auf eine vollkommene und einfache Art und Weise. 11) der Dampf kann in der Haͤlfte der bisher dazu erforderlich gewesenen Zeit erzeugt werden. 12) der Kessel ist sehr einfach gebaut und leicht auszubessern. 13) es findet bei Anwendung von Anthracitkohle keine Zerstoͤrung des Kessels durch Verbrennung Statt, wenn auch das Feuer auf den hoͤchsten Grad von Intensitaͤt gebracht wird. Alle diese Angaben sind nicht bloß theoretisch, sondern auch praktisch erwiesen, wovon man sich taͤglich an einem in der National Gallery in London aufgestellten arbeitenden Modelle dieses Kessels uͤberzeugen kann. Ich erlaube mir alle diese angedeuteten Vortheile einzeln naͤher zu erlaͤutern. 1) Den groͤßten Eintrag thaten der so hoͤchst wichtigen Erfindung der Dampfschifffahrt die durch Explosion der Kessel hervorgebrachten Ungluͤksfaͤlle. Die vielen Versuche, welche ich innerhalb der lezten 10 Jahre anstellte, beweisen, daß, wenn der Dampf in roͤhrenfoͤrmigen Kesseln erzeugt wird, aus der Explosion dieser lezteren keine Gefahr erwachsen kann; allein es gibt viele andere, beinahe nicht zu beseitigende Einwendungen gegen diese roͤhrenfoͤrmigen Kessel, und besonders gegen deren Anwendung auf die Dampfschifffahrt. Der Kessel, um den es sich hier handelt, besizt, wie mir scheint, alle die Eigenschaften, nach welchen man bisher strebte; um jedoch zu zeigen, warum derselbe keinen Explosionen ausgesezt ist, muͤssen vorher die Ursachen dieser lezteren, deren es wenigstens drei gibt, angedeutet werden. Die erste und gewoͤhnlichste Ursache ist in dem Druke des gewoͤhnlichen Dampfes gelegen. Unter gewoͤhnlichem oder reinem Dampfe versteht man solchen, der nicht ploͤzlich hoͤher erhizt oder durch ungeeignete Leitung des Kessels mit einem explodirbaren Gemenge vermischt worden ist. Diese erste Art von Explosion ist ganz unschaͤdlich, indem hier der Kessel lediglich an der schwaͤchsten Stelle nachgibt: diese mag durch Abnuͤzung oder durch einen Fehler im Materiale entstanden seyn. Die zweite Ursache, welche vor einigen Jahren zufaͤllig von mir entdekt, und seither von Arago als richtig erkannt wurde, besteht in einem zu tiefen Sinken des Wassers im Kessel. Das Feuer bewirkt dann, indem es auf den uͤber dem Wasser befindlichen Theil des Kessels wirkt, daß dieser zum Rothgluͤhen kommt, und daß die Temperatur des Dampfes, der sich oben im Kessel ansammelt, weit hoͤher steigt, als durch dessen Druk angedeutet ist. Wird nun in diesem Zustande des Kessels das Sicherheitsventil ploͤzlich gehoben, so wird der Druk des Dampfes auf das Wasser aufhoͤren, und das Wasser so in den Dampf emporsprizen, daß dieser leztere seinen gehoͤrigen Gehalt an Wasser mitgetheilt erhaͤlt. Zugleich wird aber auch jener Theil des Kessels, dessen Temperatur so sehr erhoͤht worden ist, seine Waͤrme an das solcher Maßen emporgeschleuderte Wasser abgeben, so daß auf diese Weise augenbliklich Dampf von einer Kraft, der kein Kessel zu widerstehen vermag, erzeugt wird. Diese Art von Explosion kam in lezten Jahren sehr haͤufig vor, und erzeugte namentlich in Nordamerika bedeutende Ungluͤksfaͤlle. Die dritte, seltenste, zugleich aber auch fuͤrchterlichste Art von Explosion ist unstreitig jene, welche durch Bildung eines explodirenden Gasgemenges im Kessel erzeugt wird.Diese Theorie wurde meines Wissens fruͤher noch nie bekannt gemacht, und bis auf die neueste Zeit wußte auch ich nicht, wie die atmosphaͤrische Luft ihren Weg in den Kessel finden konnte. In meinem neuen Kessel kann keine Explosion dieser Art Statt haben, indem kein Wasserstoffgas in demselben erzeugt wird; denn nur der Boden allein wird dem Feuer ausgesezt, und dieser wird gewiß auf einer Temperatur erhalten, welche eben so niedrig ist, wie jene des Wassers, welches sich im Kessel befindet und welches die Dampferzeuger umgibt. Ich habe mir nun eine 12jaͤhrige Erfahrung in der Erzeugung von Dampf von hohem Druke, und zwar 1500 Pfd. per Zoll an abwaͤrts, eigen gemacht, ich habe mich uͤberzeugt, daß ungeachtet mehrere Explosionen Statt fanden, doch keine nachtheiligen Resultate daraus erwuchsen, und daß ich alle in der Ausfuͤhrung sich ergebenden Schwierigkeiten gluͤklich uͤberwunden; ich glaube nach allem diesem dem Publicum nunmehr ein System der Dampferzeugung vorschlagen zu koͤnnen, womit man nicht nur jede beliebige Kraft erzeugen kann, sondern welches bei großer Ersparniß auch vollkommene Sicherheit darbietet.A. d. O. Es ist laͤngst bekannt, daß durch Ueberhizung des Kessels, dieselbe mag durch unzwekmaͤßige Feuerung oder durch unterbrochene Speisung veranlaßt seyn, nicht selten Wasserstoffgas erzeugt wurde; allein dieses Gas kann fuͤr sich allein nicht explodiren, und woher die atmosphaͤrische Luft kommen sollte, die zur Erzeugung des explodirenden Gemenges absolut nothwendig ist, wußte man nicht wohl zu erklaͤren. Man darf jedoch nur eine luftziehende Speisungspumpe betrachten, um zu sehen, woher die Luft kommt. Es ist naͤmlich nicht selten der Fall, daß die Speisungspumpe Luft zieht; und in je hoͤherem Maaße dieß geschieht, um so weniger Wasser wird in den Kessel eingetrieben.Wenn die Speisungspumpe mit Wasser umgeben ist, wie dieß an den Verdichtungsmaschinen, deren man sich in England bei der Dampfschifffahrt durchaus bedient, nothwendig der Fall ist, so kann keine atmosphaͤrische Luft in den Kessel gelangen. In Amerika hingegen ist beinahe keine der Speisungspumpen außen mit Wasser umgeben, und darin liegt unstreitig eine der vorzuͤglichsten Ursachen, warum die Explosionen in Amerika um so viel haͤufiger sind, als in England.A. d. O. Die Folge hievon ist dann, daß ein immer groͤßer und groͤßer werdender Theil des Kessels dem Feuer ausgesezt wird; daß die erhizten Theile oxydirt werden und rasch Wasserstoff entbinden; und daß, wenn durch die Pumpe so viel Luft eingetrieben worden als noͤthig ist, um mit dem entbundenen Wasserstoffgase ein explodirendes Gasgemenge zu bilden, dieses sich an einer der uͤberhizten Stellen des Kessels entzuͤndet, und eine fuͤrchterliche Explosion erzeugt. Bevor ich nunmehr zur Beschreibung des neuen Kessels uͤbergehe, muß ich auch noch einen Augenblik bei den Einwendungen stehen bleiben, welche gegen den roͤhrenfoͤrmigen, den zusammengeseztroͤhrenfoͤrmigen und den gewoͤhnlichen Kessel gemacht werden koͤnnen; man wird dann die Mittel, die ich zur Abhuͤlfe dieser Maͤngel anwendete, leichter erfassen. Die beiden hauptsaͤchlichsten Fehler des roͤhrenfoͤrmigen Kessels sind die, daß er sich innen uͤberzieht, und daß er ausbrennt. Nach großem Verluste an Geld und Zeit uͤberzeugte ich mich, daß diese beiden Fehler, wenn sie nicht beseitigt werden koͤnnten, diesen Kessel in allen Faͤllen, ausgenommen bei der Dampfartillerie zur wohlfeilen Dampferzeugung ungeeignet machen muͤßten. Ich war jedoch endlich so gluͤklich, eine Modification desselben ausfindig zu machen, welche allen diesen Maͤngeln vollkommen abhilft, und welche ich nunmehr sogleich beschreiben will. Der neue Kessel ist aus Dampferzeugungsroͤhren und aus dem gewoͤhnlichen flachbodigen Kessel der Dampfkarren (flat-bottom waggon-boiler) zusammengesezt. Von dem flachen Boden aus haͤngt senkrecht uͤber dem Feuer und in dasselbe hinein eine Reihe von Roͤhren, welche je nach der Groͤße des Kessels 1 bis 2 Fuß Laͤnge und 2 bis 3 Zoll im Durchmesser haben. An der oberen Seite dieses flachen Bodens befindet sich eine Fortsezung dieser Roͤhren, welche eben so weit in das Wasser des Kessels hineinragt. Im Inneren der in dem Feuer haͤngenden Roͤhren ist eine duͤnne Roͤhre von 2 Zoll im Durchmesser befestigt. Wenn die Roͤhre 3 Zoll im Lichten und 10 Zoll Laͤnge hat, und unten und oben offen ist, so steht diese Roͤhre auf drei Fuͤßen von 1 Zoll Laͤnge; das Wasser steht auf gleicher Hoͤhe mit dem Scheitel dieser Roͤhre. Diese Dampferzeugungsroͤhren sind hermetisch verschlossen, so daß der im Inneren der oberen Haͤlfte der Roͤhre entwikelte Dampf nicht entweichen kann. Die Wirkung der Circulation erhellt an dieser Modification des Kessels augenscheinlicher, als an irgend einer anderen der von mir versuchten Modificationen. Der obere oder zur Verdampfung bestimmte Theil der luftdicht verschlossenen Roͤhre enthaͤlt Dampf, der, wenn dessen Erzeugung bei dem gewoͤhnlichen atmosphaͤrischen Druke von Statten geht, eine Temperatur von 80° F. uͤber dem Siedpunkte besizt; geschieht die Dampferzeugung unter einem hoͤheren Druke, so steigt der Verdampfungspunkt in geometrischem Verhaͤltnisse hiemit. Dieser Theil der Roͤhre, der mit Wasser umgeben ist, ist mir einer sehr duͤnnen, oben und unten offenen Roͤhre umschlossen, und in dieser geht die Circulation des Wassers so rasch von Statten, daß man gewiß seyn kann, daß die Hize so schnell beseitigt wird, daß der in dem oberen Theile der Roͤhre befindliche Dampf immer auf der Verdampfungstemperatur erhalten wird. Versuche zeigen, daß, wenn sich ein Mal der Dampf zu entwikeln beginnt, nicht bloß der in dem Feuer befindliche Theil der Roͤhre, sondern auch der zur Verdampfung dienende Theil derselben, welcher in dem Kessel enthalten ist, keine hoͤhere Temperatur mehr erlangt: ja daß diese Temperatur nicht ein Mal mehr um einen Grad steigt, was offenbar den großen Vortheil der raschen Circulation beweist. Das Wasser ist bekanntlich, und namentlich nach Abwaͤrts einer der schlechtesten Waͤrmeleiter; zugleich besizt das Wasser aber auch die Eigenschaft den Waͤrmestoff emporzuleiten in einem hoͤheren Grade, als irgend ein anderer Koͤrper. Von dieser lezteren Eigenschaft oder Kraft des Wassers wird nun hier Vortheil gezogen; und indem man die Roͤhre zu 1/3 mit Wasser fuͤllt, wird der erzeugte Dampf am Scheitel der inneren Roͤhre austreten, und die Verdampfungskammer bestaͤndig mit einem Dampfe erfuͤllt halten, dessen Temperatur mit der Dichtheit des Dampfes im Kessel im Verhaͤltnisse sieht. Die staͤrkste Hize wird bloß eine raschere Dampfentwikelung bedingen, ohne daß deßhalb die Temperatur in irgend einem Theile des Kessels, der Dampferzeugungsroͤhren oder des Dampfes selbst stiege. Ohne Circulation hingegen wuͤrde der Kessel, wie dieß sonst oͤfter geschieht, zum Rothgluͤhen kommen und weniger Dampf erzeugen, indem das Wasser hiedurch außer Beruͤhrung mit den Kesselwaͤnden gebracht wird; zugleich wuͤrde in diesem lezteren Falle der Kessel auch wesentlich Schaden leiden. So lange sich auf dem Boden des Kessels so viel Wasser befindet, daß dasselbe uͤber dem Boden der Circulationsroͤhre steht, d.h. so lange es eine Hoͤhe von 2 Zoll hat, kann keine Unordnung in der Roͤhre Statt finden; indem der Dampf und das Wasser, obwohl es 12 Zoll hoch emporsteigen muß, der Verdampfungsroͤhre so viel Waͤrme entziehen, daß keine Explosion derselben eintreten kann. Eine solche Explosion wuͤrde, im Falle der Kessel leer oder troken wird, nothwendig erfolgen, wenn nicht in die Mitte des zu deren Verschließung dienenden Pfropfes ein kleinerer metallener Pfropf genietet waͤre, der zum Schmelzen kommt, ehe der Dampf die zum Zersprengen der Roͤhre noͤthige Kraft erlangt hat. Da sich fuͤr den Dienst der Dampfboote und Dampfwagen wegen seines Gewichtes sowohl, als wegen des Raumes, den es einnimmt, kein Mauerwerk eignet, so muß das Feuer innerhalb des Kessels angebracht werden. Meine neue Modification ist nun auch in dieser Hinsicht sehr gut berechnet; denn man braucht die aͤußere Roͤhrenreihe nur bis an die Roststangen herab zu verlaͤngern, um die geeignetste und oͤkonomischste Heizkammer zu erzielen. 2) Es ist zwar noch nicht genau ermittelt, wie groß die Ersparniß an Brennmaterial ist, wenn man sich des neuen Kessels bedient; allein nach zahlreichen Versuchen bin ich uͤberzeugt, daß sich diese Ersparniß im Vergleiche mit den besten Kesseln der gegenwaͤrtigen Dampfboote auf ein Drittheil belaͤuft. 3) Der Kesselraum laͤßt eine bedeutende Verkleinerung zu; denn die verdampfende Oberflaͤche ist an dem neuen Kessel um Vieles groͤßer. Aus demselben Grunde wird auch eine Verminderung des Gewichtes moͤglich. 4) Da das Innere des Kessels mit den Verdampfungsroͤhren, die eine große Menge Wasser aus der Stelle treiben, erfuͤllt ist, und da der Kessel selbst, wie gesagt, eine geringere Groͤße besizt, so ist es gewiß nicht zu viel gesagt, wenn ich behaupte, daß der neue Kessel um ein Drittheil weniger Wasser bedarf, als dieß gewoͤhnlich der Fall ist. 5) Da aus den luftdicht geschlossenen Roͤhren nicht wohl Dampf entweichen kann, so kann auch kein Bodensaz entstehen; denn es wird in dem Dampferzeuger immer wieder mit demselben Wasser gearbeitet. 6) Die Ueberziehung der inneren Kesselwaͤnde mit einer Kruste wird durch die langsame Circulation des Wassers im Kessel und durch die auf den Boden des Kessels wirkende außerordentliche Hize bewirkt. Die gezwungene staͤrkere Circulation hingegen nimmt nicht nur diese Hize weg, sondern sie haͤlt auch saͤmmtliche fremde Substanzen in Bewegung; und da die Circulation an dem dem Feuer zunaͤchst liegenden Ende des Kessels weit rascher von Statten geht, als an dem anderen Ende, so gelangen alle die Stoffe, die sich sonst absezen und fixiren wuͤrden, an das andere Ende, an welchem sie nach Belieben mittelst eines Hahnes abgelassen werden koͤnnen. 7) Der Dampferzeuger kann nicht uͤber den VerdampfungspunktUm die Temperatur zu ermitteln, welche sich am besten zur Dampfentwikelung eignet, ließ ich mir zu diesem Behufe einen massiven gußeisernen Becher gießen. Diesen ließ ich zum Weißgluͤhen erhizen, und in ihn wurden, waͤhrend seines allmaͤhlichen Abkuͤhlens nach einander und sobald die naͤchst vorhergehende Portion verdampft war, mehrere gleiche Portionen Wasser eingetragen. Die erste Portion brauchte 90, die zweite 80 und die dritte 59 Minuten zum Verdampfen. Von hier an begann der Dampf sichtbar zu werden; bei den naͤchstfolgenden Portionen wurde er es immer mehr und mehr. Die vierte Portion verdampfte in 30, die fuͤnfte in 20, die sechste in 12 Minuten; die siebente Portion zeigte den eigentlichen Verdampfungspunkt: denn bei ihr erhob sich der Dampf als dichter Nebel, so daß die Verdampfung in 6 Minuten beendigt war. Die achte Portion brauchte schon wieder 10, die neunte 20, die zehnte 32 Minuten, und die eilfte kam gar nicht mehr zum Sieden. Die erste Portion Wasser kam offenbar nicht mit der Oberflaͤche des weißgluͤhenden Metalles in Beruͤhrung, sondern wurde davon zuruͤkgetrieben, so daß sie sich frei nach allen Richtungen hin und her bewegte. Unter diesen Umstaͤnden erfolgte die Verdampfung langsam; so wie das Metall hingegen nach und nach dem Verdampfungspunkte naͤher kam, war dessen Beruͤhrung mit dem Wasser immer inniger, und die Verdampfung stieg im Verhaͤltnisse von 90 zu 6, oder von 15 zu 1; oder mit anderen Worten: eine und dieselbe Quantitaͤt Wasser ward bei einer maͤßigen Hize 15 Mal schneller verdampft, als bei einer sehr intensiven Hize.A. d. O. erhizt werden, indem alle uͤberschuͤssige Hize mit Sicherheit durch die rasche Circulation entzogen wird. 8) Die Erfahrung zeigt, daß wo immer eine thaͤtige Circulation Statt findet, die Hize nie uͤber den Verdampfungspunkt steigen kann, wie stark auch das Feuer seyn mag.Es ist eine merkwuͤrdige Thatsache, daß es gegenwaͤrtig mehrere Kessel gibt, die bereits mehr dann 50 Jahre bestaͤndig in Gebrauch sind. Der Grund hievon liegt darin, daß diese Kessel so groß sind, daß sie allen den noͤthigen Dampf erzeugen koͤnnen, ohne daß sie uͤbertrieben zu werden brauchen. Dieß ist jedoch nur mit einem großen Aufwande an Brennmaterial moͤglich; seitdem es aber noͤthig geworden ist auf die Ersparniß an solchem zu denken, wurde die Groͤße der Kessel sehr vermindert und deren Form so veraͤndert, daß viele Theile der Ueberhizung ausgesezt sind. Es ist gewiß, daß solche Kessel mit derselben Quantitaͤt Brennmaterial weit mehr Dampf erzeugen; unstreitig ist hiebei auch die Ersparniß an Brennmaterial groͤßer, als der Verlust, welcher sich aus der schnelleren Abnuͤzung des Kessels ergibt.A. d. O. Der neue Kessel ist aber so gebaut, daß kein Theil desselben einer starken Hize ausgesezt wird, an dem nicht zugleich auch eine rasche Circulation von Statten ginge; folglich kann hier keine Ueberhizung eintreten. Es ist Thatsache, daß der Dampf keine uͤberschuͤssige Hize bekommen kann, indem es nicht moͤglich ist, daß uͤber dem Wasser, wie niedrig dieß auch herabsinken mag, Hize in den Kessel uͤbergehen kann. 9) Die Roͤhren der Kessel, deren man sich gegenwaͤrtig allgemein fuͤr die Locomotivmaschinen bedient, sind an beiden Enden angenietet; und da fuͤr die Wirkungen der Ausdehnung und Zusammenziehung kein Spielraum gelassen ist, so ist nothwendig die Abnuͤzung enorm. An dem neuen Kessel hingegen sind die Roͤhren in der Mitte verbunden, so daß sich jede Haͤlfte ungehindert zusammenziehen und ausdehnen kann. 10) Um den Dampf von dem Wasser und den sonstigen fremdartigen Substanzen zu scheiden, ist an dem Scheitel des gegen den Ofen zu gelegenen Theiles des Kessels eine kleine Dampfkammer angebracht. Von dem Scheitel des Kessels laͤuft an den Boden dieser Dampfkammer eine Roͤhre, welche etwas groͤßer ist, als die Dampfroͤhre. Unmittelbar uͤber dieser Roͤhre ist eine Kuppel fixirt, welche drei Viertheile des Durchmessers der Kammer mißt, und deren Tiefe etwas groͤßer ist, als jene einer Halbkugel von gleichem Durchmesser. An dem Boden der Kammer ist eine Roͤhre befestigt, welche halb so groß ist als die Dampfroͤhre, und welche bis auf 2 Zoll von dem Boden des Kessels hinabreicht. Dieser Apparat arbeitet auf folgende Weise. Wenn der Dampf in die Kammer einstroͤmt, fuͤhrt er eine mehr oder minder große Quantitaͤt Wasser und fremdartige Bestandtheile mit sich, was man im Englischen mit dem Kunstausdruke priming bezeichnet; er schlaͤgt in diesem Zustande an die Concavitaͤt der Kuppel, von der das Wasser und die fremdartigen Substanzen auf den Boden der Kammer niedergeschlagen werden, waͤhrend der Dampf in reinem Zustande durch die Dampfroͤhre entweicht. Das unreine Wasser kehrt durch die Ruͤklaufroͤhre auf den Boden des Kessels zuruͤk. 11) Der zum Beginnen der Arbeit noͤthige Dampf laͤßt sich in weit kuͤrzerer Zeit, als in irgend einer anderen Art von Kessel erzeugen, weil die Verdampfungsoberflaͤche weit groͤßer und die Quantitaͤt des Wassers im Kessel weit geringer ist. 12) Der Bau dieser neuen Art von Kessel ist sehr einfach. Wenn naͤmlich in die Bodenplatte Loͤcher von gehoͤriger Groͤße geschlagen worden sind, werden weibliche Bindungs- oder Verkuppelungsschrauben in dieselben genietet. Die unteren Haͤlften der Roͤhren, welche beilaͤufig 2 Zoll weit von ihren Enden um den dritten Theil duͤnner sind, bilden die maͤnnlichen Schrauben, welche in die weiblichen Bindungsschrauben passen. Diese maͤnnlichen Schrauben muͤssen eine vollkommen ebene Flaͤche haben, und so eingeschraubt werden, daß deren Schulter mir dem Boden des Kessels in inniger Beruͤhrung steht. Die oberen Haͤlften werden auf gleiche Weise eingeschraubt; doch ist die Oberflaͤche dieser Schraube abgerundet, damit sie, wenn sie mir der ebenen Oberflaͤche der unteren Haͤlfte in Beruͤhrung kommt, ein um so vollkommeneres Gefuͤge damit bildet. Die obere Haͤlfte darf lediglich nur die ebene Oberflaͤche der unteren Roͤhrenhaͤlfte beruͤhren. Durch den Pfropf, womit die Roͤhre luftdicht verschlossen werden soll, ist in der Mitte ein Loch von 1/8 Zoll im Durchmesser gebohrt, welches mit leichtfluͤssigem Metalle ausgefuͤllt ist. Dieses leztere wuͤrde ausgetrieben werden, bevor noch die Roͤhre nachgaͤbe: dieser Fall selbst koͤnnte nur dann eintreten, wenn das Wasser aus dem Kessel entweichen sollte. Der fuͤr Dampfkarren bestimmte Kessel (waggon-boiler) gilt als die schwaͤchste Form; der neue Kessel ist jedoch etwas modificirt. Der Boden ist vollkommen flach anstatt concav; auch die Seitenwaͤnde sind flach, waͤhrend der Scheitel einen Halbkreis bildet. Die weiblichen Bindungsschrauben tragen unstreitig sehr viel dazu bei, dem flachen Boden mehr Staͤrke zu geben. Der Kessel muß aber uͤberdieß noch mit Bindebolzen versehen seyn, welche von dem Scheitel aus senkrecht zwischen den Roͤhren herabsteigend in den flachen Boden des Kessels eingelassen sind, und deren Zahl von der Kraft des zu erzeugenden Dampfes abhaͤngt. Ebensolcher Binde- oder Spannungsbolzen bedient man sich auch, um das Ausbauchen der flachen Seitenwaͤnde zu verhuͤten, wenn Dampf von hohem Druke erzeugt wird. Keine der Schraubenmuttern dieser Bolzen ist dem Feuer ausgesezt, so daß in dieser Hinsicht keine Einwendungen gemacht werden koͤnnen. Man kann diesem Kessel wegen seiner geringeren Groͤße eine viel groͤßere Staͤrke geben, als irgend einer anderen Art von Kessel; da jedoch die zweite und dritte Art von Explosion an demselben nicht moͤglich sind, so kann man den flachen Enden des Kessels durch einige Rippen hinlaͤngliche Staͤrke geben. Der Kessel kann in der That als vollkommen sicher gelten; denn es kann nur die erste Art von Explosion, welche unschaͤdlich ist, daran Statt finden. Endlich ist die Leichtigkeit, womit Reparaturen daran vorgenommen werden koͤnnen, auch noch ein Vorzug, welcher nicht uͤbergangen werden darf. Wenn man naͤmlich immer fuͤr einige vorraͤthige Roͤhren sorgt, so kann, wenn ja eine der Kesselroͤhren aus irgend einem Grunde zum Bersten kommt, statt dieser leicht eine neue eingesezt werden. 13) Jedermann, der mit der Benuzung der Anthracitkohle als Brennmaterial bekannt ist, weiß, daß dieselbe, wenn man den Zug gehoͤrig verstaͤrkt, eine Hize von solcher Intensitaͤt gibt, daß selbst die besten Ziegel dadurch schnell geschmolzen werden. Aus diesem Grunde konnte dieses Brennmaterial daher auch nur von einigen wenigen sehr sorgfaͤltigen Heizern zur Dampferzeugung benuzt werden. In dem neuen Kessel kann die Hize nicht leicht zu groß werden, und folglich kommt die hier moͤgliche Heizung mit Anthracit, den man in Wallis in jeder beliebigen Quantitaͤt haben kann, unstreitig am wohlfeilsten.