Titel: Bericht des Hrn. Héricart de Thury über die Glätt- und Polirsteinfabrik des Hrn. Hutin in Paris, rue des Vieux-Augustins, No. 39
Fundstelle: Band 60, Jahrgang 1836, Nr. LIX., S. 294
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LIX. Bericht des Hrn. Héricart de Thury uͤber die Glaͤtt- und Polirsteinfabrik des Hrn. Hutin in Paris, rue des Vieux-Augustins, No. 39Der Artikel, den wir hier aus einer der geachtetsten technischen Zeitschriften Frankreichs entlehnen, gibt einen sprechenden Beweis dafuͤr, wie wenig man auf erworbene und anscheinend von der Natur selbst beguͤnstigte Monopole suͤndigen darf. Wir wollen hoffen, daß unsere deutschen Brunirstein-Fabrikanten durch die in einem Nachbarstaate muͤhevoll errungenen Vortheile veranlaßt werden, ihrerseits ihr Streben zu verdoppeln und das wieder zu erringen, was sie sich aus Sorglosigkeit und Mangel an industriellem Fortschreiten entreißen ließen.A. d. R. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. Februar 1836, S. 45. Bericht uͤber eine Glaͤtt- und Polirsteinfabrik. Frankreich bezog die Glaͤtt- oder Brunirsteine, deren die Vergolder, Buchbinder, Porcellanfabrikanten, Gold- und Silberarbeiter, Juweliere etc. beduͤrfen, so wie die Polir- oder Glaͤttsteine der Zeugglaͤtter, Buntpapier-Fabrikanten etc. bis in die neuesten Zeiten saͤmmtlich aus Deutschland. Wie wichtig diese Instrumente auch wirklich fuͤr diese Gewerbe sind, erhellt daraus, daß mancher Arbeiter seinen Brunirstein auf 50, 60 und mehr Franken schaͤzt, waͤhrend ihn sein Vater fuͤr 2 oder 4 Fr. kaufte; und daß andere ihre Glaͤttsteine zu 4, 5, 600 Fr. anschlagen, obschon sie urspruͤnglich und bevor deren Guͤte durch lange Praxis erprobt wurde, nur zu 5 und 6 Fr. angekauft worden sind. Man hat in Frankreich zu verschiedenen Zeiten gleichfalls solche Brunir- und Glaͤttsteine zu fabriciren versucht, und in Ermangelung von Achat dieselben aus Kiesel verfertigen wollen. Als dieß mißlang, ließ man aus Deutschland Achat kommen, um diesen bei uns in die fraglichen Instrumente umzuwandeln. Alle diese Versuche fuͤhrten jedoch zu so wenig guͤnstigen Resultaten, daß unsere Gewerbsleute fortwaͤhrend den achatenen Brunirsteinen von Ydar, Forbach, Oberstein und Kaiserslautern, so wie den Glaͤttsteinen von Ydar und Oberstein und jenen aus dem blauen Kiesel von Sonnenberg bei Coburg den Vorzug gaben. Da die Einfuhr der erwaͤhnten Instrumente nicht unbedeutend war, so hieß es Frankreich von einem Tribute befreien, wenn man es in dieser Hinsicht von Deutschland unabhaͤngig machte. Diese Befreiung verdanken wir dem Zeugnisse der besten Vergolder und Gold- und Silberarbeiter gemaͤß Hrn. Hutin in Paris, einem ehemaligen Trompeter der Lanciers, der es ohne alle Anleitung lediglich durch das Studium der dazu dienenden Materialien und durch seine Ausdauer dahin brachte, aus franzoͤsischem Kiesel oder Quarze Brunir- und Glattsteine zu erzeugen, welche vor den deutschen den Vorzug verdienen. Hr. Hutin verlangte im Jahre 1830 die Erlaubniß auf der Seine eine Schiffmuͤhle anbringen zu duͤrfen, um damit 6 Muͤhlsteine, mit denen er den Achat, den er aus dem Groben gehauen aus Deutschland bezog, zu Brunir- und Glattsteinen verarbeiten wollte, in Bewegung sezen zu koͤnnen. Da er diese Erlaubniß nicht erhielt, so verpflanzte er seine Industrie nach Deutschland, wo sie nur zu gut aufgenommen wurde. Er verlangte, indem er sein Verfahren dem Auslande mittheilte, daß dieses ihm dagegen grob gehauene Steine zur Vollendung senden sollte; allein auch dieß geschah nicht, denn Deutschland befuͤrchtete eine Fabrication zu verlieren, in deren ausschließlichem Besize es sich bisher wegen seines Reichthumes an Achat befand. Es blieb Hrn. Hutin unter diesen Umstaͤnden nichts uͤbrig, als sich in Frankreich nach einem fuͤr seine Fabrication geeigneten Materiale umzusehen. Er versuchte sich zuerst an dem Feuersteine der Kreidenlager von Bougival und Mendon, und schon nach den ersten Versuchen zweifelte er nicht an dem Gelingen, wenn er statt des grauen und schwarzen Kiesels oder Feuersteines, dessen Farbe den Vergoldern, Porcellanfabrikanten etc. mißfiel, einen gelben oder noch blasseren, durchscheinenden ausfindig zu machen im Stande waͤre; denn schon jezt hatten seine Brunirsteine sowohl der Form nach, als in der Politur Vorzuͤge vor den deutschen. Es gelang ihm wirklich einen solchen in den Feuersteinbruͤchen des Berry und der Departements de l'Indre und de Loire et Cher zu entdeken, und damit sogleich auch solche ausgezeichnete Resultate zu erzielen, daß die hellen, durchscheinenden Feuersteine in Kuͤrze selbst von den Juwelieren benuzt werden duͤrften. Er hat demnach den deutschen Achat vollkommen aufgegeben; denn seine aus franzoͤsischem Materiale erzeugten Fabricate haben in Hinsicht auf Form und Politur solche Vorzuͤge vor den deutschen, daß sie bereits allgemein gesucht werden, obschon sie beinahe um das Doppelte hoͤher zu stehen kommen. Die Ursachen dieses hoͤheren Preises liegen 1) darin, daß die Brunirsteine des Hrn. Hutin der Form nach jeder einzelnen Arbeit angepaßt sind, so daß die Arbeiter sie nunmehr beliebig bestellen koͤnnen, waͤhrend sie sie fruͤher in der Form verwenden mußten, in welcher sie aus Deutschland gesendet wurden. 2) darin, daß sie einen hoͤheren Grad von Politur besizen. 3) endlich darin, daß der Arbeitslohn in Paris so lange hoͤher kommen wird als in Deutschland, bis Hrn. Hutin die Moͤglichkeit gegeben seyn wird seine Instrumente mechanisch oder mit Maschinen zu erzeugen, und ein Triebwerk zu errichten. Bedenkt man, daß die Goldarbeiter und Vergolder auf Metall achterlei der Form und der Staͤrke nach verschiedene Brunirsteine brauchen; daß die Vergolder auf Holz vier Formen von Brunirsteinen aus Achat, Jaspis und Quarz anwenden; daß die Buchbinder mit dreierlei Formen arbeiten; daß die Porcellanfabrikanten viererlei Brunirsteine aus Achat und Quarz benuzen; daß die Glaͤtter gleichfalls mehrere Arten von Glattsteinen beduͤrfen, und daß der Bedarf mehrerer anderer Gewerbszweige eben so mannigfaltig ist, so mag hieraus die Wichtigkeit dieses Fabricationszweiges genuͤgend erhellen. Eben so gibt dieß aber auch einen Beweis dafuͤr, wie nothwendig es fuͤr Hrn. Hutin war, wenn er es den deutschen Fabrikanten zuvorthun wollte, seinen Instrumenten nicht nur eine hoͤhere Vollendung zu geben, sondern sich auch in Hinsicht auf Form und Dimensionen nach den Anforderungen der einzelnen Gewerbsleute zu richten. Da wir hier nicht auf alle Details der Fabrication eingehen koͤnnen, so beschraͤnken wir uns darauf zu bemerken, daß, nachdem die durch Gleichheit der Masse, Farbe und Durchscheinenheit (auf welche besonders die Vergolder sehr viel halten) ausgezeichnetsten Feuersteinstuͤke ausgewaͤhlt worden sind, auf diese mittelst einer kupfernen Patrone die Form des Glaͤttsteines gezeichnet wird; daß man sie dann mit dem Hammer aus dem Groben haut, was schnell von Statten geht, wozu aber große Gewandtheit und Handgriffe, die man sich nur durch lange Uebung eigen macht, erforderlich sind; und daß man sie endlich mit verschiedenen Modeln abschrupt und schleift, um ihnen endlich mit verschiedenen Praͤparaten die feinste Politur zu geben. Da der Achat eine reinere Quarzsorte ist als der Feuerstein, so waren Einige der Ansicht, daß die Brunir- und Glaͤttsteine aus Achat jenen aus Feuerstein vorgezogen werden muͤßten; die Erfahrung, der groͤßte Lehrmeister, hat jedoch gezeigt, daß der Feuerstein wegen seiner groͤßeren Haͤrte und auch deßwegen vor dem Achate den Vorzug verdient, weil er weniger bruͤchig ist, nicht so leicht springt und nicht so glatt ist. Was die Politur betrifft, so hat es Hr. Hutin hierin zu einer solchen Vollendung gebracht, daß zwischen der Politur des Achates und jener des Feuersteines auch nicht mehr der geringste Unterschied zu entdeken ist. Hr. Hutin hat uns, wie gesagt, nicht nur von dem Tribute befreit, den Frankreich bisher in dem fraglichen Fabricationszweige an Deutschland zahlte, sondern des hoͤheren Preises ungeachtet werden seine Instrumente bereits nach Spanien, Portugal, Italien, Rußland und Amerika verfuͤhrt. Ich muß daher im Namen der Commission vorschlagen, daß die Gesellschaft Hrn. Hutin fuͤr seine großen Verdienste eine ihrer Medaillen zuerkennen, und den Hrn. Praͤfecten angehen moͤchte, demselben, wo moͤglich, die Errichtung einer Schiffmuͤhle an der Seine zu gestatten.