Titel: Ueber die Anwendung der Eisenbahnen auf den gewöhnlichen Straßen mit unregelmäßigem Niveau, Bergingenieur.
Fundstelle: Band 60, Jahrgang 1836, Nr. LXII., S. 330
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LXII. Ueber die Anwendung der Eisenbahnen auf den gewoͤhnlichen Straßen mit unregelmaͤßigem Niveau, Bergingenieur.Die Société d'encouragement hat in ihrer Generalversammlung vom 24. Decbr. 1834 Hrn. Brard die goldene Medaille fuͤr die sinnreiche Art, auf welche er die Anwendung der Eisenbahnen an den gewoͤhnlichen nicht nivellirten Straßen erfaßt hat, und fuͤr die Herstellung einer Art von Eisenbahn im Departement du Gard zuerkannt.A. d. O. (Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. November 1835, S. 516.) Mit Abbildungen auf Tab. VI. Brard, uͤber Eisenbahnen. Man behauptet, daß das einzige Mittel die Eisenbahnen in Frankreich in einem den Beduͤrfnissen unserer Industrie entsprechenden Maße zu vermehren, in einer Vereinfachung ihres Baues und folglich in einer Verminderung ihrer Kosten gelegen ist. Allein diese Vereinfachung und diese Ersparniß ist weit weniger in der Staͤrke des Eisens und in der Befestigungsweise desselben an dem Boden, als vielmehr in der Anlage der neuen Straßen oder Bahnen zu suchen; denn die gezwungenen Expropriationen, die Zertruͤmmerung des Grundeigenthumes bringen nothwendig mit sich, daß man den Grund und Boden um das Doppelte und Dreifache seines wirklichen Werthes bezahlen muß, ohne daß deßhalb die Unzufriedenheit derjenigen, die ihr Eigenthum abtreten, oder die Bahn durch dasselbe fuͤhren lassen muͤssen, beseitigt wuͤrde. Die Société d'encouragement hat auch die Vortheile, die daraus erwachsen muͤßten, wenn die Eisenbahnen auf unseren gewoͤhnlichen Straßen gelegt werden koͤnnten, so sehr gefuͤhlt und erfaßt, daß sie einen Preis auf die Loͤsung der diesem Plane im Wege stehenden Hindernisse ausschrieb. Die uͤbermaͤßige Breite der meisten unserer Landstraßen ist so allgemein anerkannt, daß es wahrlich uͤberfluͤssig waͤre hierauf zuruͤkzukommen, wenn nicht gerade dieser Mißbrauch selbst gegenwaͤrtig zur Herstellung eines Transportsystemes dienen koͤnnte, welches gewiß einer allgemeinen Anwendung entgegensehen darf, sobald man ein Mal die Ueberzeugung gewonnen haben wird, daß hierin allein das Mittel gelegen ist, den Staat von der Unterhaltung unserer alten gepflasterten Straßen zu befreien. Da kein Interesse dabei gefaͤhrdet wird, so stuͤnde der Benuzung dieser Straßen zur Anlage von Eisenbahnen kein Hinderniß entgegen, wenn die Gegenden, durch welche sie fuͤhren, vollkommen horizontal waͤren. Da dem jedoch nicht so ist, so muß man zu der Anwendung jener Mittel greifen, die uns die Mechanik und die Erfahrung bietet, und die bei unseren Nachbarn in voller Thaͤtigkeit zu treffen sind. Denn am Ende handelt es sich nur darum Rampen oder schiefe FlaͤchenWir haben den von Crelle vorgeschlagenen Ausdruk Rampe anstatt schief an- oder absteigender Flaͤche, wenn er gleich nicht deutschen Ursprunges ist, dennoch angenommen, indem hiedurch mit einem einzigen Worte das hinreichend bezeichnet ist, wozu sonst eine kleine Umschreibung noͤthig war.A. d. R. zu uͤbersteigen, an denen das Maximum des Gefaͤlles 6 bis 7 Hunderttheile betraͤgt: eine Aufgabe, die man in Bergwerken, wo man mit weit mehr Schwierigkeiten zu kaͤmpfen hat, als in freier Luft, und wo das Gefaͤll oft weit groͤßer ist, taͤglich zu loͤsen hat. Dessen ungeachtet glaube ich, daß man vor Allem als Grundsaz anerkennen muß, daß es gebirgige Laͤnder gibt, in welchen die Eisenbahnen eben so unthunlich sind, als Canaͤle, ohne dieses vortreffliche System deßhalb, weil es nicht uͤberall anwendbar ist, auch nur im Geringsten geringer schaͤzen zu wollen. Eben so muß voraus anerkannt werden, daß es unmoͤglich ist, unter allen Localverhaͤltnissen dieselben Mittel in Anwendung zu bringen; daß man dieselben vielmehr im Gegentheile jedes Mal modificiren oder veraͤndern muß, so oft es diese Verhaͤltnisse erfordern. Um in die Mittel, welche zur Uebersteigung der unregelmaͤßigen Rampen unserer Straßen vorgeschlagen wurden, mehr Ordnung zu bringen, wollen wir diese Rampen je nach den Schwierigkeiten, die sie darbieten, folgender Maßen classificiren. 1) Gleichfoͤrmige, continuirliche Rampen von einem Punkte zu einem anderen in der Ausdehnung einer gewoͤhnlichen Tagreise und daruͤber. 2) Steile Rampen, welche zwei Flaͤchen oder zwei schwache und gleichfoͤrmige Rampen von einander trennen. 3) Anstoßende Rampen und Gegenrampen, welche gleichsam Spannen bilden, oder die nur durch horizontale Ruheplaͤze von geringer Ausdehnung von einander geschieden sind. 4) Steile Rampen mit vielen Windungen und Biegungen von kleinem Radius. 5) Aufeinanderfolgende, mehr oder minder steile Rampen, welche sich mit oder ohne horizontale Ruheplaͤze an einander reihen und durch ein gebirgiges Land fuͤhren. Unter diese Rubriken lassen sich so ziemlich alle die Unebenheiten bringen, welche unsere Straßen darbieten. Was einige besondere Faͤlle betrifft, wie z.B. die engen, gewundenen Straßen einiger kleineren Staͤdte, gewisse Bruͤken, die so schmal sind, daß auf ihnen zwei Wagen einander nicht ausweichen koͤnnen, so muͤssen diese bei der Anlage gewoͤhnlicher Straßen eben so vermieden werden, wie bei der Anlage von Eisenbahnen. Diese wahrhaft schlechten Punkte vermindern sich auch fortwaͤhrend, und wuͤrden bei der Anlage der neuen Wege ganz verschwinden: auf dem Wege von Paris nach Bordeaux uͤber Limoges findet man nur mehr einen einzigen solchen. Welches sind nun die Mittel, die man anwenden muͤßte, damit die auf den Eisenschienen fortrollenden Wagen auch uͤber die groͤßten Rampen unserer gewoͤhnlichen Straßen hinweggeschafft werden koͤnnten, und durch welche Arbeiten sollte die Zahl und die Steilheit dieser Rampen vermindert werden? Jedes Mal so oft es thunlich waͤre, das Profil unserer alten Straßen so zu veraͤndern, daß die Zahl und der Abhang der Rampen dadurch vermindert wuͤrde, ohne daß deßhalb neuer Grund und Boden in Anspruch genommen und eine neue Linie gezogen zu werden brauchte, waͤre dieß das beste und dauerhafteste Verfahren. Immer ließe sich dieß dadurch erreichen, daß man die Straßen gleich Wasserleitungen auf Bogen, wie man sie in Fig. 47 und 49 bei A sieht, oder in unterirdischen Staͤllen, wie man sie in den Bergwerken hat und wie sie in Fig. 47 und 48 bei B angedeutet sind, fortleitete. Ich finde hierin nichts Außerordentliches; denn man muß ja auch bei der Anlage neuer Straßen haͤufig Thaͤler ausfuͤllen, Bruͤken schlagen und Berge durchgraben, um einen gleichfoͤrmigen Abhang zu erzielen; ich verlange daher nichts weiter, als daß man dieselben Arbeiten auch an den bereits bestehenden Straßen vollbringe, und daß die Stollen, welche durch Umgehung der Windungen die Straßenlaͤnge oft bedeutend abkuͤrzen wuͤrden, immer wieder in die alte Straße ausmuͤnden sollen. An jenen Rampen, die man auf keine andere Weise leicht uͤbersteigen koͤnnte, muͤßten Zahnstangen und in dieselben eingreifende Gabelstuͤzen angebracht werden, damit das Zuruͤkrollen der Wagen verhuͤtet und den Pferden gestattet wuͤrde, so oft auszuathmen, als es fuͤr noͤthig befunden wird. Die Zahnstange muͤßte aus einer gezahnten Schiene aus Schmied- oder Gußeisen, wie man sie in Fig. 50 bei a sieht, bestehen, und flach in der Mitte zwischen den Bahnschienen gelegt werden. Ueber sie muͤßte die gleichfalls verzahnte Gabelstuͤze b hingleiten, welche, indem sie in die Zahnstange eingriffe, das Ruͤkwaͤrtsrollen der Wagen verhuͤtete; gleichwie man in der Schweiz und in anderen Laͤndern auch auf den gewoͤhnlichen Straßen ruͤkwaͤrts an den Wagen aͤhnliche Gabelstuͤzen anzubringen pflegt, die, indem sie in den Boden eindringen, ein solches Zuruͤkrollen hindern. Vorrichtungen dieser Art eignen sich fuͤr kurze jaͤhe Anhoͤhen. Wenn unmittelbar auf einen Abhang eine Anhoͤhe folgt, oder wenn sie beide nur durch einen Ruheplaz von geringer Ausdehnung getrennt sind, so soll man, wie ich glaube, nicht anstehen von der Wirkung des Gegengewichtes Nuzen zu ziehen: d.h. man soll die Last, die meiner Ansicht nach immer auf mehrere, zweiraͤderige, aneinander gehaͤngte Wagen oder Karren geladen seyn soll, in zwei Theile theilen, den ersten Theil bis zu der horizontalen Ruhestelle emporschaffen, und in dem Augenblike, in welchem das vorne am Wagenzuge befindliche Pferd bergab zu gehen beginnt, an den am Anfange der Anhoͤhe zuruͤkgebliebenen Wagen ein Seil, welches an die oberen Wagen fuͤhrt, befestigen. Die Zugkraft, welche das Pferd bergab auszuuͤben fortfaͤhrt gleich als ob es bergan zoͤge, wird im Vereine mit der Gewalt, mit welcher die ersteren Wagen uͤber den Abhang hinabzurollen streben, gewiß mehr als genuͤgen, um den zweiten oder zuruͤkgelassenen Theil der Wagen gleichfalls emporzuschaffen. Ich spreche hier aus Erfahrung, und weiß, daß man auf diese Weise das Ausspannen, das Zuruͤkkehren des Pferdes zum Heraufschaffen der zweiten Fuhr, und das abermalige Ausspannen und Anspannen des Pferdes oben auf dem horizontalen Ruheplaze erspart. Der Fall, in welchem eine Anhoͤhe an einen Abhang von gleicher Hoͤhe graͤnzt, ist nicht so selten, als man meinen sollte; und man kann sich in einem solchen Falle immer der von mir vorgeschlagenen Methode bedienen, bis man sich entschlossen das Niveau durch einen Schacht, wie man ihn in Fig. 51 sieht, herzustellen. Fig. 52 zeigt die Situation des Wagenzuges in der ersten Zeitperiode: d.h. in dem Augenblike, in welchem die Theilung der Wagen vorgeht. In Fig. 53 ist die zweite Zeitperiode angedeutet, in welcher die erste Abtheilung die zweite nachzuziehen beginnt. In Fig. 54 ersieht man die dritte Periode, mit deren Beginn die zweite Abtheilung auf der horizontalen Ruheflaͤche angelangt ist. Fig. 55 endlich zeigt die vierte Periode in dem Augenblike, in welchem die zweite Wagenabtheilung, nachdem deren Raͤder gesperrt worden sind, uͤber den Abhang hinabzugleiten beginnt, um die erste. Abtheilung einzuholen, und dann wie zuerst mit dieser fortgezogen zu werden. Was das Sperren der Raͤder betrifft, so duͤrften die verschiedenen auf den gewoͤhnlichen Straßen gebraͤuchlichen Mittel auch auf den Eisenbahnen in Anwendung kommen. Diese Mittel wirken bekanntlich dadurch, daß sie der Kraft, welche die Wagen mit zu großer Geschwindigkeit fortzutreiben strebt, Reibung entgegensezen. Die verschiedenen Arten von Zaͤumen, deren man sich bedient, koͤnnten eben so gut an den Karren, als an den Wagen angebracht werden, und zwar gleich den oben erwaͤhnten Gabelstuͤzen nur momentan; denn die Ketten und Taue, so wie alles fuͤr den Dienst dieser Art von Eisenbahnen noͤthige Geraͤth muͤßte sich bei den Straßenaufsehern in Vorrath befinden, gleichwie man bei den Schleusenwaͤchtern alles auf den Canaldienst Bezuͤgliche trifft. Wollte oder koͤnnte der Fuhrmann eines kleinen Wagenzuges die durch Abnuͤzung der Taue, Rollen, Gabelstuͤzen etc. verursachten Unkosten nicht tragen, so koͤnnte er seinen Wagenzug (denn ich nehme immer an, daß die von einem Pferde gezogene Last auf mehrere Karren vertheilt ist) abtheilen, und nachdem er die erste Abtheilung emporgeschafft, die zweite nachholen: gleichwie dieß die mit einander fahrenden Fuhrleute auf den gewoͤhnlichen Straßen zu thun pflegen, um den Vorspann zu ersparen. Die Mittel zur Uebersteigung der unregelmaͤßigen Rampen unserer gewoͤhnlichen, aber mit Eisenschienen belegten Straßen zerfallen demnach natuͤrlich in zwei Classen, naͤmlich: 1) in die Bauten, unterirdischen Arbeiten und fixirten Maschinen; und 2) in die Locomotivmaschinen und beweglichen Mechanismen. Zu den ersteren gehoͤren die Rectification der Rampen, die auf Bogen gefuͤhrten Straßen, die Stollen, die Daͤmme, welche wie an einigen unserer Straßen mit Brustwehren und eisernen Gelaͤndern versehen werden muͤßten, die Zahnstangen und endlich die fixirten Dampfmaschinen. Zu den zweiten gehoͤren die Taue, die Ketten, die Walzen, die Zaͤume, die Gabelstuͤzen und die Locomotivmaschinen, deren Benuzung in dem Zolle begriffen waͤre, und deren Dienst nach einem gleichmaͤßigen oder proportionirten Tarife taxirt wuͤrde, beinahe so wie dieß bei der Bezahlung des Lootsengeldes gehalten zu werden pflegt. Man denke sich uͤbrigens ja nicht, daß die Wagenzuͤge gezwungen waͤren, alle Augenblike anzuhalten, um zu allen diesen Maschinen ihre Zuflucht zu nehmen; nein, diese kommen nur an starken steilen Rampen in Anwendung, indem ein Pferd auf einer Eisenbahn mit 2 bis 3 Hunderttheilen Gefaͤll immer noch 5 bis 6 Mal mehr ziehen kann, als auf dem gewoͤhnlichen harten Erdboden, waͤhrend es an den horizontalen Bahnstellen im Trotte laufend beinahe gar nichts zu ziehen hat. Ich spreche auch hier aus der Erfahrung, und bin uͤberzeugt, daß die Zeit kommen wird, in der man wissen wird, daß auf diese oder jene Straße eine Schienenbahn gelegt ward, auf der man einem Pferde 2 und 3 Mal mehr aufladen kann, als auf einer Landstraße von gleichem Gefaͤlle; daß auf dieser oder jener anderen Straße eine Schienenbahn besteht, auf der man das Fuͤnf- und Sechsfache laden kann; daß an diesem oder jenem Punkte eine Maschine zu Huͤlfe genommen werden muß, welche so und so viel kostet; und daß man auf diesen Bahnen taͤglich eine bestimmte Anzahl von Myriametern zuruͤklegen kann. Hienach koͤnnen die Commissionaͤre, wenn mehrere Straßen an einen Ort fuͤhren, leicht die entsprechendste waͤhlen, und auf solche Weise wuͤrde eine Concurrenz entstehen, deren Vortheile fuͤr den Handel sich in wenigen Jahren zeigen muͤßten. Was die Locomotivmaschinen betrifft, die gewiß auf manchen Bahnstreken in Anwendung kommen duͤrften, so laͤßt sich deren Kraft leicht je nach dem Gefaͤlle der Rampen durch staͤrkere oder geringere Belastung der Ventile und durch Vermehrung oder Verminderung des Zuges in der Heizkammer vermehren oder vermindern. Ein gleichfoͤrmiges Gefaͤll, eine vollkommen horizontale Bahn verdient zwar allerdings den Vorzug vor allen diesen kuͤnstlichen Mitteln; eine solche ist aber auch der Culminationspunkt der Vollkommenheit des Transportes zu Land und zu Wasser; ein schoͤnes Ideal, welches sich oft nur durch weise gezogene Bahnlinien, durch die aber die Entfernung von einem Punkte zum anderen bedeutend erhoͤht wird, durch Ausfuͤhrung hoͤchst kostspieliger unterirdischer Arbeiten, dadurch, daß man dem Akerbau große Streken kostbaren Bodens entzieht, und dadurch daß man der Mutter aller Industrie, der Landwirthschaft, neue Opfer abnoͤthigt, erreichen laͤßt. Man wird zwar sagen, daß die daraus folgende Erleichterung des Transportes und die damit verknuͤpften Resultate endlich fuͤr diese Opfer entschaͤdigen werden; man wird sagen, daß man auf einer nicht nivellirten Bahn im Detail so viel zahlen wird, daß dadurch die groͤßeren Kosten einer neuen horizontalen Bahn ebenfalls ausgeglichen wuͤrden, und daß man dann am Ende doch nur ein unvollkommenes Communicationsmittel haben wuͤrde. Ich gebe alles dieß zu, allein man wird mir dagegen auch zugestehen muͤssen, daß man nicht aller Orten diese großen Errichtungskosten zu tragen im Stande ist, und daß man vor Allem berechnen muͤsse, ob der zwischen zwei Punkten Statt findende Verkehr je die Interessen des Capitals, welches zur Anlage einer Bahn mit gleichem Gefaͤlle erforderlich ist, abbezahlen kann; und ob es nicht schon genug ist, wenn sich fuͤr geringe Ausgaben der Nuzeffect der Pferde vervierfachen laͤßt, und wenn dem Staate außerdem ein großer Theil der Kosten, die er jaͤhrlich auf Straßenunterhaltung verwendet, erspart wird. Dieser mittlere Zustand zwischen der hoͤchsten Vollkommenheit der horizontalen Bahnen und der gegenwaͤrtigen Transportmethode auf unseren Straßen duͤrfte sich gewiß sehr gut fuͤr die große Menge von Orten eignen, die der ersteren vielleicht fuͤr immer beraubt seyn werden, weil sie die Interessen des großen zur Herstellung von horizontalen Bahnen erforderlichen Capitales nicht aufzutreiben vermoͤgen. Denn, gleichwie man sich wohl huͤten muß, auf solchen Straßen, auf denen der Verkehr nicht so groß ist, daß dadurch die Interessen abgezahlt und das Capital geloͤscht wird, Eisenbahnen anzulegen; eben so muß die Vollkommenheit dieser Bahnen dem wahrscheinlich darauf zu verfahrenden Quantum angemessen werden. Denn wenn der Ertrag nur 10 Proc. ist, waͤhrend zur Dekung der Kosten 12 Proc. noͤthig sind, so muß man der Unternehmung entweder ganz entsagen, oder man muß dieselbe auf eine minder vollkommene, aber auch minder kostspielige Art und Weise auszufuͤhren suchen. Das Unangenehmste und Nachteiligste bei derlei Arbeiten, denen man die hoͤchste Vollendung geben will, ist, daß man ihrer oft Jahrhunderte lang entbehren muß, oder daß sie wohl gar nicht zur Ausfuͤhrung kommen. Eine Drahtdruͤke ist weder so monumental, noch so dauerhaft als eine steinerne; allein erstere kostet auch zehn Mal weniger und ist in wenigen Wochen fertig. Eben so duͤrfte es sich in Frankreich mit den Eisenbahnen verhalten, wenn man durchaus auf der Herstellung gleichfoͤrmiger Gefaͤlle besteht, und wenn man sich nicht zur Anwendung von Bahnen mit verschiedenen Gefaͤllen und darnach eingerichteten Maschinen entschließen will. Der Dienst dieser lezteren ist nicht neu; sie befinden sich in England, wo man die Vortheile der horizontalen Bahnen und gleichfoͤrmigen Gefaͤlle gewiß eben so gut zu wuͤrdigen weiß, wie bei uns, schon seit laͤngerer Zeit in voller Thaͤtigkeit. Das Maximum der unregelmaͤßigen Rampen an jenen unserer Straßen, an denen es sich um das Legen von Schienenbahnen handelt, betraͤgt 6 bis 7 Hunderttheile, waͤhrend sich in Derbyshire die Eisenbahnen von Cromford und Peak-Forest an mehreren Stellen um 8 und selbst 13 Hunderttheile erheben, und waͤhrend sich die Wagen dieser Steilheit ungeachtet mittelst Dampfmaschinen und Ketten, die uͤber Rollen laufen, mit einer Geschwindigkeit von vier englischen Meilen in der Stunde bewegen. Warum thun wir bei uns in Frankreich nicht ein Gleiches, und warum benuzen wir nicht, so oft es moͤglich ist, den Raum, den unsere schoͤnen Straßen bieten, um an deren Seiten auf Holz oder auf Steine oder zuweilen selbst auf den Erdboden mehr oder minder starke Schienen aus Schmied- oder Gußeisen zu legen? Warum sollen wir uns zu unserem Ruine in die Anlage neuer Bahnen stuͤrzen, deren Ermittelung allein schon so viel Zeit und Geld kostet, als zur Anlage mehrerer 1000 Meter anderer Bahnen genuͤgen wuͤrde, und die dennoch sehr haͤufig bloße Projecte bleiben? Meine Absicht ist es hier nicht neue Mittel anzugeben, oder alle die bereits bekannten aufzuzaͤhlen; man erfindet keine Kraft, und dem Ermessen der Ingenieure wird es uͤberlassen bleiben, ob an diesem oder jenem Orte ein Damm, ein Stollen oder eine Rectification der Bahn vor einer fixirten Dampfmaschine oder einer Locomotivmaschine den Vorzug verdient. Hier handelt es sich um eine Zahlenfrage, deren Elemente in dem Vergleiche der Kosten mit dem moͤglichen Ertrage gelegen sind. Der Weisheit der Unternehmer kommt es uͤbrigens auch noch zu, von den Kunstarbeiten, welche die Ausfuͤhrung ihrer Eisenbahn erheischt, den moͤglich groͤßten Vortheil zu ziehen. So werden z.B. die hohen Bahnen, welche ich in Vorschlag brachte um kleine Thaͤler zu durchschneiden, sehr gut auch als Wasserleitungen und zur Bewaͤsserung von Ebenen und Gefilden dienen koͤnnen, die bisher einer solchen entbehren mußten. Ebendieß gilt auch von den Stollen, die zur Vermeidung zu steiler Rampen und zu vielfacher Windungen gebaut werden duͤrften. Diese Idee ist jedoch nicht mein Eigenthum, sondern dem Vorschlage entnommen, welchen Hr. Talabot zur Herstellung einer Eisenbahn von Alais nach Nêmes machte, und welcher nicht nur ein leichtes Communicationsmittel zu schaffen, sondern leztere Stadt auch auf eine Weise mit Wasser zu versehen verspricht, die den Bestrebungen der Roͤmer, welche aus der Wasserleitung am Gard ersichtbar sind, an die Seite gestellt werden koͤnnte. Ich wuͤnschte, daß den fixirten Dampfmaschinen eine doppelte Anwendung gegeben wuͤrde, denn hiedurch wuͤrde ein Theil der Kosten der Eisenbahnen von diesen abgewaͤlzt oder vielmehr der Ertrag jener Bahnen, die nicht ununterbrochen in Anspruch genommen sind, wesentlich erhoͤht werden. Ich will hiemit sagen, daß wenn man gezwungen ist, an irgend einer Rampe eine fixirte Dampfmaschine zu errichten, diese jeder Zeit eine bleibende Anwendung haben, und so eingerichtet seyn sollte, daß man ihre Kraft in jedem Augenblike ganz oder zum Theil fuͤr den Dienst der Bahn entlehnen koͤnnte. Eine Mahl-, Oehl-, Loh-, Gyps- oder Saͤgemuͤhle, ein Hammer- oder Strekwerk oder irgend eine andere Fabrik dieser Art koͤnnte die Maschine waͤhrend jener Zeit benuzen, waͤhrend welcher die Bahn ihre Thaͤtigkeit nicht in Anspruch nimmt; auch ließe sich die Maschine wahrscheinlich, in manchen Gegenden wenigstens, die Nacht uͤber zur Bewaͤsserung oder auch dazu verwenden, benachbarte Orte, denen es an Wasser gebricht, mit diesem Lebensbeduͤrfnisse zu versehen; indem hiezu nur ein Mehrbedarf an Brennmaterial und ein Heizer mehr erforderlich waͤre. Diesen doppelten Dienst koͤnnten uͤbrigens auch alle Dampfmaschinen, die sich in Staͤdten finden, zu welchen Zweken sie auch am Tage bestimmt seyn moͤgen, leisten. Schließlich erlaube ich mir zu bemerken, daß die Idee die gewoͤhnlichen Straßen zum Legen von Eisenbahnen zu benuzen, in Alais im Departement du Gard an einem Eisenwerke, in welchem der Eisenschmelzproceß nach englischer Methode betrieben wird, in der Streke von einigen hundert Metern bereits in Ausfuͤhrung gebracht worden ist. Dieser schwache und nichts weniger als vollkommene Versuch hat wenigstens das Verdienst der Neuheit und der Wohlfeilheit; denn der Meter dieser Bahn, welche man in einer kleinen Abhandlung beschrieben findetDer Titel dieser Abhandlung ist: Essai sur les moyens de multiplier les chemins de fer en France et de diminuer l'entretien des grandes routes; par M. Brard.“ , kam nicht ein Mal auf 11 Fr. zu stehen; und obschon die Bahn nicht horizontal ist, so zieht ein einziges Pferd auf derselben doch 4000 Kilogr. oder das Fuͤnffache der auf gewoͤhnlichen Straßen uͤblichen Ladung. Ich glaube daher, daß dieses System in vielen Gegenden, in denen der Verkehr die Interessen eines großen Capitales nicht abwirft, vorteilhaft benuzt werden koͤnnte.

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