Titel: Einiges über die Fabrication der Obstmoste oder der Cider. Von Hrn. J. Odolant-Desnos.
Fundstelle: Band 61, Jahrgang 1836, Nr. LXV., S. 299
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LXV. Einiges uͤber die Fabrication der Obstmoste oder der Cider. Von Hrn. J. Odolant-Desnos.Hrn. Odolant-Desnos verdanken wir das beste Werk uͤber die Ciderbereitung; es erschien unter dem Titel: Traité spécial de la fabrication des Cidres,“ und hat bereits zwei Auflagen erlebt. Wir glauben daher, daß die neueren Mittheilungen des geschaͤzten Verfassers guͤnstige Aufnahme finden, und auch bei uns etwas zu der beinahe gaͤnzlich vernachlaͤssigten Verbreitung dieser Fabrication beitragen duͤrfte. A. d. R. Aus dem Journal des connaissances usuelles. Oktober 1835, S. 163. Odolant-Desnos's Fabrication der Obstmoste. Ungeachtet der allgemein anerkannten Wahrheit der Klage, daß in den vielen bestehenden Vorurtheilen das groͤßte Hinderniß gegen die Fortschritte und die Aufklaͤrung der Landwirthschaft gelegen ist, versaͤumen die Praktiker dennoch fortwaͤhrend diesen Vorurtheilen dadurch zu steuern, daß sie sich an die Wissenschaft wenden, damit diese sie auf die wahre Bahn des Vorschreitens zuruͤkfuͤhre. So beklagt sich denn auch der Bewohner der Normandie taͤglich uͤber die Maͤngel seines Hauptgetraͤnkes, des Ciders, waͤhrend er sich andererseits darauf beschraͤnkt, sich in dem durch Irrthuͤmer und Unwissenheit gezogenen Kreise des Schlendrians herumzudrehen. Man erlaube daher mir, der sich die Ciderfabrication zum besonderen Studium gemacht hat, und der eben so die Anwendung der Chemie auf die Kuͤnste seit 15 Jahren eifrig verfolgt, hier die Principien dieser Fabrication zu eroͤrtern, indem deren Beachtung wesentlich zur Verbesserung eines Getraͤnkes beitragen duͤrfte, welches, wenn es gut ist, eben so angenehm, als im entgegengesezten Falle unangenehm, widerlich und ungesund ist. Einsammlung der Fruͤchte, wenn sie vom Stamme zu fallen begannen; Verwandlung derselben in einen ziemlich diken Brei, sobald am Ausgange des Herbstes die Feldarbeiten hinlaͤngliche Zeit hiezu ließen; Auspressen des Saftes aus diesem Brei mittelst irgend einer hinreichend kraͤftigen Presse; Verfuͤllen dieses Saftes in Faͤsser, welche 7 bis 800 Liter fassen und die in einem Speisekeller untergebracht sind; Gaͤhrung der Fluͤssigkeit unter Offenlassen des Spundloches; und endlich Zuspunden des Fasses, um es in Vergessenheit liegen zu lassen, bis es geleert werden muß, oder bis es durch taͤgliches Abziehen einiger Liter leer geworden ist: dieß ist das gewoͤhnliche Verfahren, nach welchem man in der Normandie das alltaͤgliche Getraͤnk behandelt und verbraucht. Ich will nun zeigen, welche Sorgfalt in dieser Hinsicht beobachtet werden sollte, und welche Verbesserungen sich anwenden ließen. Wenn die Aepfel und Birnen zu reifen anfangen, so ist es sowohl aus Vorsicht fuͤr die Gesundheit der Thiere, als auch aus oͤkonomischen Gruͤnden noͤthig, die Thiere an dem Auffressen der taͤglich abfallenden Fruͤchte zu hindern. Die Reife der Fruͤchte erfolgt vom Monat September bis zum November, und gibt sich durch deren Farbe, ihren angenehmen Geruch, das freiwillige, nicht durch Sturmwinde hervorgebrachte Abfallen, und durch die schoͤnen schwarzen Kerne zu erkennen. Sobald diese Reife eingetreten ist, hat die Ernte bei schoͤner, trokener, sonniger Witterung von 10 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends zu geschehen. Das Ernten geschieht, indem man auf die Baͤume steigt, deren Zweige schuͤttelt, und mit 12 bis 15 Fuß langen Stangen daran schlaͤgt. Das Anschlagen mit lezteren darf jedoch nicht zu heftig geschehen, namentlich nicht in schlechten Jahren, indem sonst die Tragknospen des naͤchsten Jahres Schaden leiden und die Baͤume gezwungen wuͤrden mehr in das Holz zu treiben als Fruͤchte zu tragen. Das Anschlagen mit den Stangen hat aber auch noch den Nachtheil, daß die Fruͤchte dadurch noch weit mehr Schaden leiden, als durch das Herabfallen auf den Boden, und folglich schnell in faule Gaͤhrung uͤbergehen. Einige Theoretiker haben, um auch den durch das Abfallen entstehenden Beschaͤdigungen vorzubeugen, verschiedene Mittel vorgeschlagen, die sich jedoch im Großen saͤmmtlich als unausfuͤhrbar zu erkennen gaben. Dazu gehoͤrt z.B. das Auffangen der Fruͤchte auf Tuͤchern. Die abgeschuͤttelten Fruͤchte werden endlich in Saͤke aufgelesen, und auf die Speicher der Landhaͤuser gebracht, oder auch in freier Luft in Haufen aufgeschichtet, oder auf Haͤngeboden nach den Sorten abgetheilt. Die Abtheilungen lassen sich ins Unendliche vermehren: jedenfalls aber muͤssen die Aepfel von den Birnen und von beiden die herben von den sauren, die suͤßen von den bitteren und die fruͤhreifen von den spaͤtreifen geschieden werden. Sind Froͤste zu befuͤrchten, so soll man die Fruͤchte einen Schuh hoch mit Stroh bedeken, indem die gefrornen Fruͤchte einen faden und zur geistigen Gaͤhrung nicht geeigneten Saft geben. Die Qualitaͤt des Ciders haͤngt so wie jene des Weines von der Art der dazu verwendeten Fruͤchte, und von dem Boden, auf welchem diese wuchsen, ab; es gibt demnach beinahe eben so viele Cidersorten, als es Aepfel- und Birnsorten gibt. Dessen ungeachtet kann man es als feststehende Regel betrachten, daß die saͤuerlichen Aepfel zwar vielen Saft, aber einen nicht sehr angenehmen Cider von geringer Kraft geben, einen Cider, der sich, wie man zu sagen pflegt, umbringt (setue), d.h. der an der Luft schwarz wird; daß die suͤßen Aepfel einen klaren, angenehmen, aber etwas faden und kraftlosen Syrup geben; daß man aus den dem Geschmake nach bitterlichen und herben Aepfeln einen diken, syrupartigen, stark gefaͤrbten, kraͤftigen Cider, der sich lange aufbewahren laͤßt, erhaͤlt; daß auf schwerem, hoch gelegenen, von den Seewinden entfernten Boden ein stark gefaͤrbter, weingeistreicher und sehr haltbarer Cider waͤchst; daß schwerer, aber nicht sehr tiefer Boden einen weniger starken, minder gefaͤrbten und minder haltbaren Cider abwirft; daß der aus nassem Boden und in tiefen Thaͤlern gezogene Cider nach dem Boden schmekt, wenig geistig ist, und leicht umschlaͤgt, obschon er immer dik bleibt; daß der auf leichtem, steinigen Boden und an den Meereskuͤsten erzeugte Cider zwar angenehm, aber leicht und dem Sauerwerden ausgesezt ist; daß Cider, welcher auf Mergel- oder Kreideboden gezogen, fast immer nach dem Boden schmekt; daß endlich jener Cider, den man in hoch-, aber gegen Suͤden gelegenen Gegenden mit kiesigem Boden gewinne, der angenehmste und schmakhafteste ist, und bei einer gewissen Leichtigkeit dennoch reich an Alkohol und daher sehr haltbar ist, besonders wenn gute Obstsorten zu seiner Bereitung verwendet worden sind. Das Alter hat gleichfalls großen Einfluß auf die Guͤte des Ciders; gewoͤhnlich wird dieses Getraͤnk jedoch mit der Zeit nicht besser, sondern eher schlechter; doch braucht sehr starker, in Thaͤlern gewonnener Cider oft einige Jahre, bevor er trinkbar wird. Im Allgemeinen sind 2 bis 3 Jahre die hoͤchste vernuͤnftige Dauer fuͤr die Aufbewahrung des Ciders; spaͤter erleidet er fast immer eine solche Veraͤnderung, daß er selbst fuͤr solche, die bestaͤndig an dieses Getraͤnk gewoͤhnt sind, etwas Unangenehmes bekommt. Die Temperatur aͤußert gleichfalls ihre Wirkung auf den Cider, so wie es denn auch bekannt ist, daß kalte regnerische Jahre nur ein schwaches Gewaͤchs liefern. Aus dem Gesagten erhellt, daß es von großer Wichtigkeit ist, zuerst die Fruͤchte zu sortiren, und zu wissen, welche Qualitaͤt jede Sorte gibt; die Erfahrung ergibt dieß bald. Uebrigens findet man in meiner Abhandlung uͤber die Ciderfabrikation auch eine Tabelle, in der von allen in der Normandie gezogenen Aepfel- und Birnsorten angegeben ist, welche Art von Cider sie liefern. Sehr kommt es darauf an, daß man von saͤmmtlichen geernteten Fruͤchten den moͤglich besten Gebrauch mache: d.h. daß man dieselben so vermenge, daß die guten Eigenschaften der einen die schlechten der anderen Sorte neutralisiren. Vor Allem machen wir aber darauf aufmerksam, daß es dringend nothwendig ist, das eingewurzelte Vorurtheil, gemaͤß welchem faule Aepfel den Cider besser machen sollen, zu verbannen, Unter keiner Bedingung ist es richtig und gut, wenn man zur Ciderbereitung den dritten, oder auch nur den vierten Theil fauler Fruͤchte nimmt, wie dieß erst neuerlich wieder verfuͤhrerischer Weise empfohlen wurde; je sorgfaͤltiger man im Gegentheil die faulen Stuͤke ausmerzt, um so besser wird der Cider werden, und um so weniger wird er von jenem unangenehmen Geschmak bekommen, der so viele von dem Genusse dieses Getraͤnkes abschrekt. Welchen Vorwand man auch immer fuͤr diese durchaus verwerfliche Praxis nehmen mag, so ist sie nie zu billigen; denn das Gute, was man ihr zuschreibt, laͤßt sich besser auf andere Weise erzielen. Wir besizen zwar bis auf den heutigen Tag keine positive und vollkommen genaue Analyse irgend einer Cidersorte, die ich zur Unterstuͤzung meiner Behauptung anfuͤhren koͤnnte; allein das Resultat dreier vergleichender Analysen, welche Hr. Bérard mit den Fruͤchten vornahm, und welches wir hier anfuͤhren wollen, duͤrfte genuͤgen. Bestandtheile: Frische reife   Fruͤchte. Aufbewahrte   Fruͤchte. Weiche oderfaule Fruͤchte. Harzartiges Chlorophyll     0,38       0,01        0,04 Zuker     6,45     11,52        8,77 Gummi     3,17       2,07        2,62 Vegetabilische Faser     3,80       2,19        1,85 Vegetabilisches Eiweiß oder Kleber     0,08       0,21        0,23 Aepfelsaͤure     0,11       0,08        0,61 Kalk     0,03       0,04     Spuren Wasser   86,28     83,88      62,73 Pektiksaͤure, Gerbstoff und aͤpfelsaures Kali     Spuren –––––––––––––––––––––––––––––– Kohlensaͤure sehr verschieden 100,00   100,00      76,85 Aus dieser Analyse ergibt sich also: 1) daß die frisch gesammelten Fruͤchte keine so guͤnstige Zusammensezung darbieten, wie jene, welche einige Zeit uͤber aufbewahrt worden sind. 2) daß die weich gewordenen, und in den ersten Grad der Faͤulniß uͤbergegangenen Fruͤchte, ungeachtet des Vorurtheiles, welches selbst unter den unterrichtetsten Landwirthen verbreitet ist, am wenigsten zur Ciderfabrication geeignet sind, indem sie nicht nur 23 Proc. ihrer Fluͤssigkeit verloren, sondern indem in ihnen auch noch 2 Proc. jener Elemente zersezt wurden, die durchaus nothwendig sind, um der Gaͤhrung des Saftes einen regelmaͤßigen Gang zu geben. Die Fehler, welche der Cider durch die zu Gebot stehenden Obstsorten bekommen koͤnnte, sind demnach nicht wie man vermeint, dadurch zu corrigiren, daß man die guten Fruͤchte mit faulen vermengt, und dem ganzen Getraͤnke einen schlechten faulen Geschmak verschafft, sondern lediglich dadurch, daß man diesem Getraͤnke jene Elemente zusezt, welche nicht in hinreichender Menge von den Fruͤchten selbst geliefert worden sind. Wenn daher die sauren Fruͤchte einen Cider geben, der sich toͤdtet, so seze man ihm vor der Gaͤhrung per Faß von 7 bis 800 Liter, 10 bis 12 Liter eines Mostes zu, den man durch rasches Einsieden auf den sechsten Theil eingedikt hat, oder man waͤhle einen Zusaz von 7 bis 8 Unzen Rohzuker und 2 Unzen Gummi. Auf diese Weise wird dem Cider das gegeben werden, was ihm an Zuker und Schleim fehlte, und die Folge wird seyn, daß er sich nicht umbringt. Ich wiederhole daher, daß die Benuzung von faulen Fruͤchten durchaus verwerflich ist, und daß diese vielmehr so sorgfaͤltig als nur moͤglich zu beseitigen sind, indem sie dem Cider und dem Beutel des Landwirthes nur schaͤdlich werden. Wenn die Fruͤchte nach den Gesezen einer guten Theorie und folglich ihrer Natur gemaͤß gemengt worden sind, so schreitet man zum Zerquetschen derselben, um dann den hieraus sich ergebenden Brei in die Presse bringen zu koͤnnen. Diese Arbeit beginnt in der Normandie gewoͤhnlich Mitte Septembers mit den fruͤhreifen Fruͤchten, und endet Ende Novembers mit den spaͤtreifen. Die gewonnenen Cider werden jedoch hiebei nicht mit einander vermengt. Das Zerquetschen geschieht in der Normandie auf großen Muͤhlen; diese bestehen aus einem großen kreisrunden Troge von 18 bis 20 Meter (54 bis 60 Fuß) im Umfange, einem Fuß Tiefe, und einer Breite, welche am Grunde 6, oben hingegen 52 Zoll betraͤgt. In diesem Troge, der aus Granit, nicht aber aus Kalkstein gehauen seyn darf, treibt ein Pferd einen senkrechten Muͤhlstein aus Granit oder besser aus Ulmenholz von 5 Fuß Hoͤhe auf 6 Zoll Dike um, so daß die in den Trog gebrachten Fruͤchte auf solche Weise zerquetscht werden. In der Picardie verrichtet man dasselbe Geschaͤft bisweilen mit cannelirten oder gerieften Cylindern, uͤber denen Messer angebracht sind, damit die Fruͤchte zuerst in große Stuͤke zerschnitten werden, und als solche dann durch einen Trichter zwischen die Cylinder gelangen, um von diesen in Brei verwandelt zu werden. Da bei diesen beiden Methoden jedoch auch die Kerne großen Theils zerquetscht werden, so geschieht es nicht selten, daß das Mark von dem wesentlichen Oehle der Kerne einen empyreumatischen und unangenehmen Geschmak mitgetheilt erhaͤlt. Ob aus diesem oder irgend einem anderen Grunde haͤlt man in der Normandie auch jenen Cider fuͤr den besten, zu welchem die Fruͤchte in hoͤlzernen Troͤgen mit hoͤlzernen Stampfen zerstoßen worden sind. Da die eisernen Cylinder dem Cider uͤberdieß einen unangenehmen Eisengeschmak mittheilen, so waͤre es sehr wuͤnschenswerth, daß dieselben aus Holz verfertigt wuͤrden. Hr. Rose, Fabrikant von Akerbaugeraͤthen in Paris, liefert auch wirklich bereits solche hoͤlzerne Cylindermuͤhlen, mit denen ein einziger Arbeiter in 10 Minuten einen Hectoliter Aepfel zerquetschen kann. Wenn die Fruͤchte so zerquetscht worden sind, daß sie einen diken Brei bilden, in welchem die groͤßten Stuͤke nur die Groͤße einer Haselnuß haben, so laͤßt man diesen zuerst, wenn man es fuͤr noͤthig findet, 6 bis 12 Stunden lang stehen, waͤhrend man ihn von Stunde zu Stunde umruͤhrt. Die Dauer dieses Stehenlassens richtet sich nach der mehr oder minder dunklen Farbe, die man dem Cider geben will. Nach Verlauf dieser Zeit bringt man den Brei in die Presse: von welcher Art und Form diese ist, daran ist wenig gelegen, wenn nur Vorsorge getroffen ist, daß man gradweise mit ihr arbeiten kann, daß man anfangs einen gelinden und zulezt einen so starken Druk einwirken lassen kann, daß das Mark dadurch gehoͤrig troken gelegt wird. In der Normandie pflegt man das Mark in Form einer abgestuzten Pyramide von 4 Fuß Hoͤhe auf die Preßtafel zu bringen, und diese Pyramide dadurch zu bilden, daß man mehrere Schichten von 6 bis 8 Zoll Dike auf einander, und zwischen jede derselben eine Lage Roggenstroh bringt. Das Stroh, welches auf beiden Seiten beinahe um einen Schuh uͤber die Markschichte hinausragt, wird uͤber jeder Schichte eingebogen, und durch die naͤchstfolgende Schichte niedergehalten. In England und Nordamerika bringt man das auszupressende Mark in Saͤke oder zwischen Gewebe aus Haar, deren Raͤnder gleichfalls aufgeschlagen werden; manchmal bedient man sich jedoch auch einfacher, an allen Seiten durchloͤcherter Faͤsser, die man mit Stroh ausfuͤttert, und in welchen man den Druk mittelst einer Art von Kolben ausuͤbt. Wenn diese Pyramide fest zu werden anfaͤngt, und von selbst Saft abfließen laͤßt, so filtrirt man diesen durch einen mit Stroh gefuͤllten Korb oder auch durch ein Haarsieb, welches uͤber einem großen Bottich aufgehaͤngt ist. Dann ruͤhrt man das zum Theil getroknete Mark mit der ersten Portion Wasser an, wozu man auf 100 Kilogramm (200 Pfd.) Fruͤchte 25 Liter reines klares Wasser nimmt. Kaum wird man es glaublich finden, daß man in der Gegend von Rouen das schaͤndliche Vorurtheil hegt, daß sich zu diesem Anruͤhren anstatt Wasser weit besser Pfuͤzenwasser oder Mistjauche eigne. Wenn das Mark nach diesem Anruͤhren abermals ausgepreßt worden ist, so bringt man es mit 35 Liter Wasser angeruͤhrt neuerdings in die Presse. Das Product aller drei Pressen wird zusammengegossen; in einigen Gegenden verkauft man jedoch den Vorlauf, waͤhrend man den Ruͤkstand nur ein Mal mit 25 Liter Wasser anruͤhrt, und das Product der zweiten Presse dann zum Hausbedarf verwendet. Man rechnet gewoͤhnlich, daß 2340 Kilogramm Aepfel 1000 Liter reinen Cider und 600 Liter mit Wasser versezten Cider abwerfen; beide zusammen geben 1600 Liter eines sehr guten Obstmostes. In schlechten nassen Jahren gibt dieselbe Quantitaͤt Aepfel bis gegen 3000 Liter eines sehr mittelmaͤßigen Ciders. Dem Volumen nach gerechnet geben 6 Maaß Aepfel ein Maaß reinen Cider und 3 bis 4 Maaß derselben Aepfel noch 1 Maaß gewasserten Cider. Der ausgepreßte Saft wird aus den Bottichen in Faͤssern von 7 bis 800 Liter gebracht, deren Spundloch man bloß mit einem befeuchteten Tuche verschließt. Nach einigen Tagen tritt die sogenannte tumultuarische Gaͤhrung ein, in Folge deren das Tuch weggehoben und alle unreinen Stoffe hinausgeschleudert werden. Nach und nach wird die Gaͤhrung ruhiger und es bildet sich ein sogenannter Hut, den man nicht stoͤren darf, indem sonst die Fluͤssigkeit sauer werden wuͤrde. Auf diese erste folgt eine zweite langsame Gaͤhrung. Manchmal gehen diese Gaͤhrungen nicht gehoͤrig von Statten, besonders wenn die Aepfel sauer oder suͤß, oder aus nassem Boden gewachsen sind. Da ein Cider dieser Art dem Schwarzwerden sehr ausgesezt ist, so muß diesem Uebel vorgebeugt werden. Am besten geschieht dieß nach Hrn. Mercier, ehemaligen Deputirten aus der Gegend von Alençon, indem man den Most in Faͤsser bringt, welche man mit frischen gruͤnen Buchenhobelspaͤnen gefuͤllt hat, und in demman den Most auf diesen Spaͤnen 8 bis 14 Tage lang stehen laͤßt, bis er endlich klar bei dem Hahne ablauft. Nach Ablauf dieser Zeit muß man den Cider, so lange er klar laͤuft, in ein anderes Faß abziehen; wollte man ihn in Flaschen fuͤllen, so muͤßte er in dem zweiten Fasse einen Monat ruhig liegen, wo er dann wie Wein abgezogen werden koͤnnte. Kann man keine Buchenspaͤne haben, so soll man in jedes Faß von 7 bis 800 Liter 50 bis 60 Liter Most gießen, die man durch rasches Eindampfen bis auf den sechsten Theil eingedikt hat. Denselben Zwek kann, man auch durch einen Zusaz von 7 bis 8 Unzen Rohzuker und 2 Unzen Gummi erreichen. Am Ende der ersten Gaͤhrung, d.h. nach 14 Tagen, muß der Cider abgezogen werden; sollte man dieß nicht fuͤr rathsam halten, so ist der Grund hievon immer in einem Mangel an gehoͤriger Leitung des Ganges der tumultuarischen Gaͤhrung gelegen. Nach diesem Abziehen sezt man den Spund auf, und laͤßt nur ganz in der Nahe desselben eine kleine Oeffnung von zwei Linien im Durchmesser. Einen Monat nach dem ersten Abziehen muß der Most noch ein Mal abgezogen werden. Um dieselbe Zeit verfuͤllt man ihn auch in Flaschen, wo er dann gleich Champagner getrunken wird. Gewoͤhnlich bewahrt man ihn in gut verschlossenen Faͤssern auf, aus denen dann der taͤgliche Bedarf abgezogen wird. Da diese Methode, wie von selbst erhellt, eine der schlechtesten ist, so ist es um so noͤthiger, daß man den Gang der ersten Gaͤhrung auch nicht einen Augenblik unbeobachtet lasse, damit der Cider so viel Geist bekomme, und doch zugleich so viel Schleim beibehalte, als er bedarf, um ohne gar zu großen Nachtheil den schaͤdlichen Einfluß zu ertragen, der nothwendig dadurch ausgeuͤbt wird, daß die Oberflaͤche des Ciders fortwaͤhrend der in dem Fasse enthaltenen Luftschichte ausgesezt ist. Aus diesem Grunde waͤren auch kleine Faͤsser von 200 bis hoͤchstens 250 Liter weit zwekmaͤßiger, als die groͤßeren, deren man sich gleichfalls eines hergebrachten Vorurtheiles wegen gegenwaͤrtig allgemein bedient. Das Resultat aller dieser Manipulationen ist nun ein Cider, der, wie gesagt, je nach der Art der angewendeten Fruͤchte, je nach dem Boden, auf dem sie gewachsen, und je nach der Quantitaͤt Wasser, die man zum Anruͤhren des Markes genommen, mehr oder weniger geistig ist. In der Normandie ist Cider von mittlerer Guͤte das taͤgliche Getraͤnk; allein man findet ihn daselbst nur dann trinkbar, wenn an die Stelle seines von uͤberschuͤssiger Kohlensaͤure herruͤhrenden, hinterher aber suͤßlichen Geschmakes, wegen welchem er den Fremden am meisten mundet, ein mehr alkoholischer, etwas herber, stechender und ein klein wenig saͤuerlicher Geschmak getreten. Diesen lezteren erhaͤlt er drei bis vier Monate nach dem Beginne der zweiten Gaͤhrung. Fuͤr die Normandie sind aus diesem Grunde im Allgemeinen die vielen Methoden, die man vorschlug, um dem Cider seinen zukerigen Geschmak zu erhalten, von geringem Werthe. Da man jedoch den Cider auch in Frankreich, so wie in England in Flaschen nach Art eines suͤßen Weines und hauptsaͤchlich wie Champagner servirt, so duͤrfte es gut seyn, sich in dieser Hinsicht das englische, und namentlich das amerikanische, neuerlich von Payen eingefuͤhrte Verfahren anzueignen. Lezteres besteht, wie schon oben gesagt, darin, daß man den Cider nach Vollendung der tumultuarischen Gaͤhrung mit Cider versezt, welcher durch Eindampfen eingedikt worden ist. Die in England namentlich allgemein befolgte Methode, dem Cider den suͤßlichen Geschmak zu bewahren, besteht darin, daß man die Gaͤhrung so viel als moͤglich unterbricht, damit der in der Fluͤssigkeit enthaltene Zukerstoff nicht ganz zerstoͤrt und in Alkohol verwandelt wird. Man fuͤllt zu diesem Behufen die Fluͤssigkeit unmittelbar nachdem sie die tumultuarische Gaͤhrung durchgemacht, in ein anderes Faß um. Es geschieht dieß zuerst nach verlauf von 15 Stunden, und in dem Augenblike, in welchem ein in den leeren Raum des Fasses eingefuͤhrtes brennendes Kerzenlicht verlischt; 24 Stunden spaͤter wiederholt man denselben Versuch mit dem Kerzenlichte, und eben so im Momente des Verloͤschens desselben das Umfuͤllen. Derselbe Versuch und das Umfuͤllen wird dann alle 14 Tage oder drei Wochen, so oft der Cider neuerdings wieder in Gaͤhrung treten will, wiederholt. Dem Eintritte dieser Gaͤhrung steuert man uͤbrigens noch mehr dadurch, daß man vor dem ersten Abziehen in jenem Geschirre, in welches die Fluͤssigkeit uͤbergefuͤllt werden soll, einen Schwefeleinschlag oder auch wohl etwas Weingeist abbrennt. Um diesem in der Gaͤhrung gehemmten Cider noch mehr Syrupartiges zu geben, sezt man demselben nach der amerikanischen Methode vor dem ersten Abziehen so viel eingekochten Ciders zu, als man fuͤr geeignet haͤlt. Dieser Zusaz mag uͤbrigens geschehen seyn oder nicht, so zieht man den Cider einen Monat nach dem ersten Umfuͤllen in Flaschen ab, in denen man ihn 24 Stunden lang unverkorkt stehen laͤßt, um ihn nach Ablauf dieser Zeit gut zu verschließen und zuzubinden. Nach einem Monate kann man den auf diese Weise behandelten Syrup bereits gleich Champagner genießen. Sezt man dem Cider so lange Kreidenpulver oder Asche zu, als noch ein Aufbrausen erfolgt, und bringt man die Fluͤssigkeit, nachdem sie filtrirt worden ist, in Flaschen, so bekommt sie, nachdem sie einige Monate gelegen, einen Geschmak, der mit jenem des Malaga große Aehnlichkeit hat, oder sie schmekt wenigstens wie eine eigenthuͤmliche Art suͤßen Weines. Die nach Mercier empfohlene Anwendung frischer Buchenspaͤne macht endlich den Cider nicht nur reicher an Zukerstoff, sondern sie beguͤnstigt besonders seine Klaͤrung; uͤbrigens ist zu bemerken, daß der Cider bei diesem Verfahren so gehaltreich und bei laͤngerem Aufbewahren so reich an Alkohol wird, daß er sich kaum mehr als gewoͤhnliches Getraͤnk eignen duͤrfte, besonders in Laͤndern, in welchen man dem leichten Cider als solches den Vorzug gibt. Der Vorwurf, daß sich der Cider nicht lange genug haͤlt, ruͤhrt hauptsaͤchlich davon her, daß man ihn zu lange in halbleeren Faͤssern und auf der Neige stehen laͤßt; und daß man in ihm nicht fortwaͤhrend jene langsame Gaͤhrung unterhaͤlt, deren er sehr bedarf, wenn er gut bleiben soll. Hrn. Mercier ist es dadurch, daß er aus jedem Fasse aͤlteren Ciders jaͤhrlich 50 Liter herausnimmt, und dafuͤr neuen jungen Cider hineinbringt, gelungen, den Cider 8 bis 10 Jahre lang vollkommen gut, durchsichtig und angenehm zu erhalten; nur wurde er sehr geistig, was sich durch die fortwaͤhrende Gaͤhrung sehr wohl erklaͤrt. Ueber die kuͤnstlichen Cider will ich hier nicht sprechen, dagegen bemerke ich noch, daß man Aepfelmost, Pommé, und Birnenmost, Poiré unterscheidet. Leztere Mostarten sind minder gefaͤrbt und geistiger; sie enthalten manchmal bis gegen den zehnten Theil ihre Volumens Weingeist von 20 bis 22°, waͤhrend dieser Gehalt in den besten Aepfelmosten nur 7 bis 8 Proc. betraͤgt. Man gibt daher dem Birnmoste zum Behufe des Branntweinbrennens den Vorzug; so wie man ihn auch lieber schaͤumend servirt, da er gehoͤrig behandelt dem Champagner wirklich sehr aͤhnlich wird. Wenn die zur Most- oder Cidererzeugung noͤthigen Elemente nicht in vollkommener Harmonie vorhanden sind, so entstehen hieraus verschiedene Krankheiten dieses Getraͤnkes. Die eine, welche beinahe unheilbar ist, wenn man sie nicht schon waͤhrend der Gaͤhrung vorausgesehen und ihr entgegengewirkt hat, ist das sogenannte Schwarzwerden, d.h. der Most bringt sich um. Eine zweite Krankheit ist der sogenannte Schmer, der bekanntlich auch bei den Weinen vorkommt, und den man zuweilen beseitigen kann, wenn man auf 7 bis 800 Liter Cider 7 Unzen Cachomgummi oder Zuker, oder 14 bis 21 Liter Birnensaft zusezt. Die unheilbarste Krankheit des Ciders ist jedoch jene Saͤure, die er in Folge des taͤglichen Abziehens bekommt, und auf welche nicht selten schnell die faule Gaͤhrung folgt, wenn die Fluͤssigkeit nicht abgezogen worden ist, und sich dem auf dem Boden befindlichen Gelaͤger naͤhert. Diese Saͤure hindert uͤbrigens den an sie gewoͤhnten Bauer der Normandie nicht an ihrem Genusse. Anhang. Ein anderer Correspondent des Journal des connaissances usuelles empfiehlt im Wesentlichen folgendes Verfahren bei der Ciderbereitung. Die Fruͤchte werden sorgfaͤltig gesammelt; nach 14 bis 20taͤgigem Liegen an einem trokenen und geschuͤzten Orte sucht man die faulen aus, und bringt die guten auf die Presse, auf der man sie so stark als moͤglich zerquetscht und auspreßt. Den ausgepreßten Saft bringt man sogleich in Faͤsser, welche vorher gereinigt worden sind, und nachdem er in diesen die ersten Unreinigkeiten abgesezt hat, zieht man die klarere Fluͤssigkeit, bevor noch die heftige Waͤhrung eingetreten, in Faͤsser ab, welche vorher mit Veilcheneinschlag behandelt worden sind. Wenn der abgezogene Cider neuerdings in Gaͤhrung tritt, was je nach der Temperatur in 5 bis 6 Tagen oder auch fruͤher erfolgt, und vor dem Aufbrausen nimmt man aus jedem Fasse 40 bis 50 Liter, kocht diese 12 bis 15 Stunden lang mit einem halben Pfunde Klatschrosen, und fuͤllt mit diesem Absude und ungekochtem Cider die Faͤsser auf. Der auf diese Weise behandelte Most gelangt nach einiger Ruhe neuerdings in Gaͤhrung, wo man ihn dann nur mehr klar abzuziehen braucht. Da, um dem Cider seinen suͤßen, angenehmen und prikelnden Geschmak zu erhalten, die heftige Gaͤhrung nothwendig aufgehalten werden muß, so muͤssen alle die eben angegebenen Manipulationen vorgenommen werden, wenn man am Spundloche die Schaum- und Blasenbildung bemerkt. Das bei dieser Behandlung sich ergebende Gelaͤger wird in ein Faß gesammelt, und gibt nach vollendeter Gaͤhrung und klarem Abziehen einen starken, besonders auf dem Lande beliebten Cider. Der Ruͤkstand dient als Schweinefutter. Was das beim Pressen zuruͤkbleibende Mark betrifft, so soll man dieses einige Tage lang mit einer hinreichenden Menge Wasser maceriren lassen und dann neuerdings auf die Muͤhle und in die Presse bringen, wo man noch eine ansehnliche Quantitaͤt Cider erhaͤlt, der zwar beinahe eben so gut schmekt, als der Vorlauf, allein in kurzer Zeit verbraucht werden muß, indem er sich nicht lange haͤlt, und leicht umschlaͤgt. Der suͤße Cider haͤlt sich in gut verwahrten und aufgefuͤllten Faͤssern einige Jahre lang, und gibt eines der angenehmsten Getraͤnke; man kann ihn uͤbrigens auch sogleich oder im Maͤrz in Flaschen abziehen, nachdem man ihm, um ihn vollends zu klaren, auf 240 Liter ein Viertelpfund Alaunpulver als Schoͤne zugesezt hat.