Titel: Ueber die Baumwollwaaren-Fabrication in Frankreich.
Fundstelle: Band 62, Jahrgang 1836, Nr. XIII., S. 66
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XIII. Ueber die Baumwollwaaren-Fabrication in Frankreich. (Fortsezung von Bd. LXI, H. 6, S. 471.) Ueber die Baumwollwaaren-Fabrication in Frankreich. 5. Auszuͤge aus den Aussagen des Hrn. Caumont, Praͤsidenten der Handelskammer in Rouen. Den Angaben des Hrn. Barbet, eines unserer ersten Fabrikanten, vollkommen beistimmend, beschraͤnke ich mich auf einige allgemeine Betrachtungen. Im J. 1786 wetteiferte unsere Industrie an Thaͤtigkeit mit jenen der uͤbrigen Staaten; allein das Ministerium Vergennes schloß ungluͤklicher Weise einen Handelsvertrag mit England, der unsere Fabriken ruinirte, und der hiedurch nicht wenig mit zur Revolution beitrug. Im J. 1791 bestand dieser Vertrag nicht mehr, und schon nach den ersten Jahren der Revolution erhob sich die Baumwollwaaren-Fabrication wieder, um unter dem Consulate und unter dem Kaiserreiche einen hohen Aufschwung zu erreichen. Die Sieger von 1814 wollten uns begreiflich machen, daß Frankreich nicht laͤnger mehr ein Fabrikstaat bleiben koͤnne, sondern sich mit der Landwirthschaft begnuͤgen muͤsse; unsere Fabriken standen daher still, bis die Regierung, die fuͤr sie daraus erwachsenden Gefahren einsehend, sich ermannte und dem stolzen Sieger entgegen das Einfuhrverbot proclamirte. Unter diesem machte die Industrie reißende Fortschritte; das vom J. 1827 bis 1829 herrschende Mißbehagen war, wie die Regierung selbst eingestand, hauptsaͤchlich der Ausdehnung zuzuschreiben, welche der Schmuggelhandel erreicht hatte. Die von der Regierung damals angeordnete Handelsuntersuchung fuͤhrte zu keinem Resultate. Die Juliusrevolution kam; die Unruhe, in der man uͤber deren Folgen schwebte, hemmten 18 Monate lang alle Geschaͤfte; in Rouen allein lebten 3000 kraͤftige Arbeiter bloß von Unterstuͤzung. In den drei lezten Jahren der Ruhe hingegen sind unsere Fabriken wieder maͤchtig aufgebluͤht; sie erreichten eine hoͤhere Stufe, als sie je einnahmen, um auf dieser nunmehr durch neue Maßregeln bedroht zu werden. Nach einer am Schlusse des J. 1833 von Hrn. Lelong erhobenen Statistik waren im Departement der unteren Seine 250 Baumwollspinnereien mit einer Million Spindeln und 21,000 Arbeitern in Gang; 5000 Arbeiter fanden in den mechanischen Werkstaͤtten Beschaͤftigung; 65,000 in den Webereien, 5000 in den Faͤrbereien, 9000 in den Indiennenfabriken, 2000 in der Kardenfabrication; rechnete man hiezu noch die Bleichereien, Appretiranstalten, Farbmuͤhlen, Gießereien, und alle uͤbrigen einschlaͤgigen Gewerbe, so konnte man sagen, daß die Baumwollwaaren-Fabrication im J. 1833 in unserem Departement allein 150,000 Familien oder 400,000 Individuen beschaͤftigte und ernaͤhrte. – Bedenkt man nun, welchen Einfluß die Baumwoll- und Wollenwaaren-Fabrication auf die Consumtion der unserem Boden abgewonnenen Producte haben muͤsse; bedenkt man, daß in 40 unserer Departements das industrielle Interesse das Ueberwiegende ist; daß es in 20 anderen Departements dem agricolen das Gleichgewicht haͤlt; und daß die uͤbrigen rein agricolen Departements von dem Verbrauche der Industrie großen Nuzen ziehen, so wird es Niemand einfallen, Frankreich fuͤr einen Agriculturstaat erklaͤren zu wollen. Und warum wollte man nunmehr ein System aufgeben, welches uns auf die Stufe brachte, auf der wir stehen, um es durch das System der Schuzzoͤlle zu ersezen, bei welchem, wie die Handelskammer in Rouen nachgewiesen hat, die fremde Concurrenz dennoch die inlaͤndische Industrie zu Grunde richten wuͤrde? Mein Haus hat sich mehrere Jahre mit Ausfuhr unserer Fabricate beschaͤftigt und ich kann daher Einiges hieruͤber mittheilen. Unsere ersten Versendungen waren nach Brasilien, Suͤd-Amerika und den Vereinigten Staaten gerichtet; der Erfolg war guͤnstig, weil man die bessere Qualitaͤt, die aͤchte Faͤrbung unserer Fabricate zu schaͤzen wußte. Bald wurden diese Maͤrkte aber mit leichteren falsch faͤrbigen Fabricaten uͤberschwemmt, gegen die wir nur mit Verlust verkaufen konnten; und als man auf unsere gut faͤrbigen, mit unseren Vignetten versehene Waaren zuruͤkkam, sezten unsere Gegner auf ihre falsch faͤrbigen Waaren nachgemachte Vignetten. Dabei uͤberschwemmten sie die Maͤrkte dergestalt, daß wir endlich davon abstehen mußten dahin zu handeln. Nicht vergessen darf man uͤbrigens, daß sich unsere Consuls und Diplomaten, was die Wahrung unseres Handelsinteresses betrifft, beinahe uͤberall uͤberfluͤgeln ließen. Unsere Ausfuhr beschraͤnkt sich daher gegenwaͤrtig beinahe auf unsere Colonien, und selbst da haben wir durch den Schmuggelhandel sehr viel zu leiden. Bei der Reduction der Ausfuhrpraͤmie auf 25 Fr. ist der Zoll, den wir auf die verschiedenen zu unserer Fabrication gehoͤrigen Rohstoffe zahlen muͤssen, bei Weitem nicht mehr ausgeglichen. Ich schließe mit der Erklaͤrung, daß gegenwaͤrtige Frage eine Lebensfrage fuͤr Unsere Industrie ist; daß es sehr unklug war dieselbe nur zu erheben; und daß schon eine laͤngere Discussion hieruͤber uns großen Schaden bringen muß. Das Verlangen der Englaͤnder nach einem Handelsvertrage ist der beste Beweis fuͤr den Nachtheil, der fuͤr uns daraus erwachsen muß; und was die Englaͤnder verlangen, kann Frankreich nie anders als mit Furcht zugestehen. 6. Auszuͤge aus den Aussagen des Hrn. Isarn, Abgeordneten der Handelskammer in Rouen. Die Ausfuhr unserer Fabricate ist nur nach unseren Colonien und nach Spanien von Bedeutung; die erstere wuͤrde durch Aufhebung des Einfuhrverbotes vernichtet werden, da sie jezt schon durch den Schmuggelhandel in empfindlichen Nachtheil gebracht wird, und da bei den Schuzzoͤllen die Schmuggelei immer bedeutend erleichtert ist. Nach den Vereinigten Staaten ist unsere Ausfuhr gering und nur auf einige Artikel beschraͤnkt; die englische Concurrenz und jene der Schweiz druͤkt uns in allen niedrigeren Artikeln. Nach Mexico und Brasilien machten mehrere Haͤuser fruͤher gute Geschaͤfte; allein die Schweiz, welche die dahin gehenden Artikel wohlfeiler fabriciren soll, als wir, steht auf dem Punkte uns auch hier zu verdraͤngen. Ich weiß wenigstens zuverlaͤssig, daß ein großes mexicanisches Haus, welches sich bisher von Rouen aus versorgte, Heuer (1834) seinen Bedarf aus der Schweiz bezog, und diesen Transito durch Frankreich gehen ließ, um ihn zu Havre einzuschiffen! Wir fabriciren daher in Rouen hauptsaͤchlich fuͤr den Bedarf im Inlande, und namentlich fuͤr jenen der mittleren und niedrigeren Classe. Wer mit unseren Fabricationsmitteln und deren fortwaͤhrenden Vermehrung durch Erweiterung der Etablissements und Maschinen bekannt ist, wird nicht daran zweifeln, daß jaͤhrlich mehr erzeugt, als verbraucht wird. Unter solchen Umstaͤnden koͤnnen unsere Maͤrkte dem Auslande nur zu unserem Ruine geoͤffnet werden. 7. Auszuͤge aus den Aussagen des Hrn. Ad. Caignard, Abgeordneten von Rouen. Die Normandie fabricirt jaͤhrlich fuͤr 105 Mill. Fr. sogenannte Rouennerien, wovon 24 bis 25 Mill. auf Calicos kommen. Das in dem Mobiliar stekende Capital ist, da die Fabrication unter vielen Haͤnden vertheilt ist, nicht bedeutend; doch laͤßt sichs fuͤr 600 Fabriken auf 3 Mill. Fr. anschlagen. Das Betriebskapital belaͤuft sich zu gewoͤhnlichen Zeiten auf 35 Mill.; gegenwaͤrtig hingegen, wo der Verkauf langsam geht, muß es wenigstens zu 50 Mill. Fr. angenommen werden. Wuͤrde dieses Hinderniß noch zunehmen, so muͤßte die Fabrication beschraͤnkt oder das Capital noch mehr vergroͤßert werden. Der Fabrikant der Rouennerien bedarf keiner so großen Bauplaͤze, wie der Baumwollspinner, der Faͤrber, der Druker; ein Haus, worin hinlaͤnglicher Raum zum Zetteln und Sieden der Kette, so wie auch zum Aufbewahren der Fabrikate reicht ihm hin, indem jeder Arbeiter seinen Webstuhl besizt. Nur einige mechanische Webereien machen hievon eine Ausnahme. Gegen 60,000 Webstuͤhle erzeugen Rouennerien; beilaͤufig 20,000 erzeugen Calicos; erstere verbrauchen jaͤhrlich 7 1/2, leztere 4 Mill. Kilogr. Baumwolle. Auf die Rouennerien kommen fuͤr 30 Mill. Fr. rohe Baumwolle und fuͤr 22 1/2 Mill. Fr. Farbstoffe; auf die Calicos fuͤr 18 Mill. Fr. Baumwolle. Zu den groben Zeugen nehmen wir Garn von Nr. 8 bis 20; zu den gewoͤhnlichen von Nr. 24 bis 40; ersteres zahlen wir zu 2 Fr. das halbe Kilogramm. Gewoͤhnliches Gespinnst von Nr. 24 fuͤr die Kette und Nr. 32 fuͤr den Einschuß gilt 2 Fr. 25 Cent., und wenn es fuͤr starke Farben bestimmt ist, 2 Fr. 50 Cent, das halbe Kilogr. Vor 10 Jahren standen diese Preise wie gegenwaͤrtig; im J. 1825 stiegen sie auf 3 1/2 Fr.; im J. 1831 zahlten wir aber von demselben Garne das halbe Kilogramm um 75 Cent. wohlfeiler. Im J. 1831 mußten die meisten unserer aͤlteren Spinnereien ihre Geschaͤfte einstellen, da sie mit den neu errichteten vollkommneren nicht Concurrenz halten konnten. Gegen 20,000 Weber erzeugen Calicos; gegen 60,000 Rouennerien; gegen 49,170 Individuen sind mit den uͤbrigen hierauf bezuͤglichen Arbeiten beschaͤftigt. Diese Leute arbeiten beinahe saͤmmtlich nach der Façon. Die Façon fuͤr ein Stuͤk Calico von 3/4 Breite, 3000 Faden im Zettel und 110 bis 120 Ellen Laͤnge betraͤgt 20 Fr.; im J. 1831, wo das groͤßte Elend herrschte, war sie bis auf 8 Fr. gesunken. Bei dem gegenwaͤrtigen Arbeitslohne und dem niedrigeren Preise der Lebensmittel koͤnnen die Arbeiter gut leben. Gegenwaͤrtig gilt die Elle Calico von 3/4 Breite und 3000 Faden im Zettel 75 bis 80 Cent.; von den blauen Tuͤchern von gleicher Breite gilt die Elle 75 bis 85 Cent.; im J. 1831 betrug der Preis der ersteren 45 bis 55 und jener der lezteren 60 bis 65 Cent. per Elle, wobei jedoch immer mit Verlust verkauft werden mußte. Wir liefern dem in der Stadt wohnenden Arbeiter das zubereitete Material, und zahlen ihm das Gewebe nach der Elle oder nach dem Stuͤke; dem auf dem Lande wohnenden Arbeiter senden wir das Material durch sogenannte Traͤger (porteurs), welche uns die Gewebe bringen, und denen wir 3 bis 4 Fr. per Stuͤk bewilligen. In entfernteren Gegenden halten wir Agenten, denen wir die Preise fixiren, denen wir das zubereitete Material zusenden, und denen wir Commissions-Gebuͤhren bewilligen. Ein einfacher Webstuhl kostet bei uns 20 Fr.; es gibt deren aber auch mit mehreren Schuͤzen, wovon einer auf 50 Fr. kommt. Wir und unsere Arbeiter brennen meistens nur Holz und Holzkohlen. Ein Weber mit seiner Frau und zwei Kindern zahlt gewoͤhnlich 80 Fr. Miethzins, und fuͤr den Plaz seines Webstuhles gewoͤhnlich noch 20 Fr. Eine Familie besizt selten uͤber zwei Stuͤhle. Ein Arbeiter kann in der Stadt nicht wohl unter 50 Sous des Tages leben; auf dem Lande lebt er wohlfeiler und wohnt besser; auch gehoͤrt er daselbst 4 bis 5 Monate des Jahres uͤber der Landwirthschaft an. Unter diesen Umstaͤnden kann der Arbeiter in der Stadt mit jenem auf dem Lande nur dadurch Concurrenz halten, daß er gewoͤhnlich groͤßere Gewandtheit besizt, und daß ihm theils deßhalb, theils wegen der leichter moͤglichen Beaufsichtigung schwierigere Arbeiten, die groͤßeren Lohn abwerfen, anvertraut werden; uͤberdieß gewinnt ersterer einen Theil der Transportkosten, die wir bei lezterem in Anschlag bringen muͤssen. Ein Stuͤk guter Calico von 32 bis 33 Ellen, 33 Zoll Breite und 3000 Faden im Zettel kann 3 1/2 bis 4 Kilogr. waͤgen. Was unseren Absaz betrifft, so koͤnnen wir nur auf jenen im Inlande rechnen, da unsere Ausfuhr nicht immer gute Resultate gab, und daher sehr an Wichtigkeit verlor. Wohin die Ausfuhr Statt findet, wissen wir nicht, da wir nur an Handelshaͤuser verkaufen. Wir fuͤhren gewoͤhnlich nur dann aus, wenn unsere Magazine uͤberfuͤllt sind, wenn wir zu Opfern gezwungen sind, und wenn wir veraltete Waaren haben, die wohlfeil weggegeben werden muͤssen. Diese Ausfuhr schadete aber dem Rufe der franzoͤsischen Fabricate; denn England und die Schweiz, welche beide wohlfeiler fabriciren als wir, liefern eine dem Geschmake des Auslandes angepaßte Waare fuͤr einen verhaͤltnißmaͤßig wohlfeilen Preis. Mit den Preisen des Auslandes kann ich keine genaue Vergleichung anstellen; wir machen naͤmlich nur selten Reisen, da wir bei unserer Fabrication nur wenig Maschinen brauchen und mithin auch nur wenige Methoden zu studiren haben. Daß wir dessen ungeachtet große Fortschritt zum allgemeinen Besten machten, geht aus dem Sinken der Preise hervor; denn wir verkaufen dermalen die Elle eines blau und weißen Zeuges, welcher im J. 1816 2 Fr. 50 Cent. galt, jezt nur mehr zu 50 Cent. Das Ausland arbeitet in Hinsicht auf Spinnerei und Faͤrberei um Vieles wohlfeiler als wir. In Hinsicht auf die Handweberei koͤnnen wir freilich nicht klagen; allein die Weber auf dem Lande arbeiten nur 7 bis 8 Monate und dadurch verlieren wir, abgesehen von den Transportkosten, auch noch viel an Zeit. Das Einfuhrverbot ist uns noͤthig, und darf nicht geschmaͤlert werden, wenn man uns nicht ruiniren will; schon gegenwaͤrtige Untersuchung allein hat die weitere Entwikelung unserer Industrie gehindert. Wie kann man auch fuͤr Artikel, bis in Hinsicht auf Gewicht, Feinheit, Farbe, Dessin so sehr abweichen, und deren Werth hauptsaͤchlich ein relativer ist, den wir Fabrikanten selbst oft nicht zu bestimmen vermoͤgen, einen entsprechenden Schuzzoll ermitteln? Allein selbst wenn ein solcher Schuzzoll moͤglich waͤre, und wenn alle Schmuggelei verhuͤtet werden koͤnnte, wuͤrden durch die Erlaubniß der Einfuhr allein unsere Maͤrkte so uͤberschwemmt werden, daß sich unsere Industrie wohl nie mehr von dem ihr zugefuͤgten Schlage erholen koͤnnte. 8. Auszuͤge aus den Angaben des Hrn. Lemarchand, Faͤrber in Rouen. Man zaͤhlt in Rouen und in den benachbarten Thaͤlern 87 Faͤrbereien, wovon 42 lediglich gutfaͤrbige und die uͤbrigen falschfaͤrbige Waaren liefern. Erstere liefern im Durchschnitte woͤchentlich 33,000 Kilogr. gefaͤrbte Baumwolle, leztere 15,000 Kilogr.; im Ganzen mag sich die Quantitaͤt jaͤhrlich auf 2,496,000 Kil. belaufen. Sowohl bei den aͤcht- als bei den falschfaͤrbigen Fabricaten kommen ungefaͤhr 6 uns 7 Proc. der Fabricationskosten auf Mauthgefaͤlle; als Beispiel hiefuͤr mag dienen, daß das Faͤrben von 100 Kilogr. Adrianopelroth-Garn auf 438 Fr. kommt, wovon 27 Fr. 99 Cent. auf Rechnung der Mauthkosten zu sezen sind. Wir benuzen als Brennmaterial Steinkohlen von Mons und aus England, und Rouen mit der Umgegend verbraucht davon jaͤhrlich gegen 300,000 Hectol., den Hectoliter zu 3 Fr. 50 Cent. bis zu 3 Fr. 75 Cent. Waͤre fuͤr Canaͤle gesorgt, so kaͤme dieser Brennstoff weit wohlfeiler. Die Weberei zerfaͤllt in zwei Haupttheile; ein Theil verarbeitet das Baumwollgespinnst unmittelbar zu Calicos; ein anderer Theil verarbeitet gefaͤrbtes Garn zu den sogenannten Rouennerien. Viele Faͤrbereien faͤrben bloß fuͤr die Fabrikanten; andere faͤrben auf eigene Rechnung und verkaufen die gefaͤrbte Waare, und in diesem lezteren Falle stehen sie mit den Spinnereien in directem Verkehre; wieder andere betreiben beiderlei Geschaͤfte. Die Preise sind sehr verschieden; fuͤr ein gutes Adrianopelroth wird z.B. 4 1/2 bis 5 Fr. per Kilogr. bezahlt. In unserem Bezirke mag sich die Zahl der in unseren Faͤrbereien beschaͤftigten Maͤnner, Weiber und Kinder beinahe auf 3500 belaufen; das ganze Jahr hindurch verdient ein Mann im Durchschnitte taͤglich 2 Fr. bis 2 Fr. 25 Cent.; ein Weib und ein Kind taͤglich 1 Fr. 25 Cent. Wir faͤrben nicht nur Garne, sondern auch viele Zeuge:, namentlich in Blau und Schwarz. Adrianopelroth auf Zeuge wird jedoch gegenwaͤrtig nur in zwei Anstalten gefaͤrbt. Ich selbst, der ich fuͤr Hrn. Oberkampf im I. 1818 die schoͤnen Zeuge faͤrbte, die bei der damaligen Ausstellung so große Anerkennung fanden, habe mich mehrmals an diese Fabrication gemacht, konnte aber in ihr weder die Concurrenz mit Glasgow, noch jene mit Zuͤrich und Elberfeld aushalten. Ich glaube nicht ein Mal, daß Elsaß, welches doch in mancher Beziehung besser gelegen ist als Rouen, hierin dem Auslande gewachsen ist. Die Ursache hievon liegt hauptsaͤchlich in dem wohlfeileren Arbeitslohne und in dem wohlfeileren Preise des Rohstoffes. Folgendes mag dieß beweisen. Ein einfaches Gewebe von 36 1/2 Zoll Breite, von 88 Faden auf den Zoll, kostet in England 71 Fr. per Elle; in Elsaß hingegen bei etwas geringerer Qualitaͤt im Durchschnitte 1 Fr. per Elle. Ein aͤhnliches Gewebe von 72 Faden auf den Zoll kostet in England 61 3/2, in Frankreich 92 1/2 Cent. per Elle. Hieraus ergibt sich fuͤr den ersten Fall ein Unterschied von 30, fuͤr den lezteren einer von 34 Proc.; dasselbe Verhaͤltniß gilt fuͤr alle Breiten. Ein croisirter Zeug mit 4 Gaͤngen, 37 Zoll Breite und 80 Faden auf den Zoll kostet in England 92 Cent., in Frankreich bei ohne Vergleich geringerer Qualitaͤt 1 Fr. 25 Cent. Ein leichterer Zeug der Art von 33 Zoll Breite, welcher in England auf 73 Centimen die Elle kommt, kostet in Frankreich 1 Fr. 10 Cent. Rechnet man hiezu noch den hoͤheren Preis unseres Brennmateriales und unsere Zoͤlle, so faͤrben wir, was das Adrianopelroth betrifft, um 36 Proc. theurer als England; bei der Schweiz ist die Differenz etwas geringer. Die Faͤrberei selbst wird, wenn man den hohen Preis des Brennmateriales abrechnet, dessen ungeachtet nirgend in der Welt wohlfeiler besorgt als in Frankreich. In Hinsicht auf den Krapp haben wir vor England und der Schweiz keinen Vortheil voraus; denn wir kaufen ihn in Concurrenz mit beiden Staaten in Avignon, und der Transport nach Rouen kostet nicht weniger als jener nach Liverpool. Ich habe im J. 1832 mit Hrn. Rondeaux im Einverstaͤndnisse versucht gefaͤrbte Baumwollengarne nach Petersburg zu senden; unsere Preise stellten sich jedoch bedeutend hoͤher, als jene der englischen und Elberfelder-Garne. Die Farbe selbst fand man schoͤner; nur schien das Garn den Petersburgern etwas zu sehr mit Farbstoff gesaͤttigt und zu dik. Haͤtten wir eben so wohlfeiles Garn wie England und Elberfeld, so bestuͤnde fuͤr uns kein Hinderniß mehr; und ich zweifle nicht, daß wir Elberfeld in Rußland verdraͤngen koͤnnten, wenn die Regierung gestattete fremdes Garn zum Behufe der Faͤrberei und der Wiederausfuhr als Tuͤrkischgarn einzufuͤhren. Ich muß noch bemerken, daß mir in den mehr als zehn Jahren, waͤhrend deren ich dieß Geschaͤft trieb, kein feineres franzoͤsisches Garn als solches von Nr. 42 vorgekommen ist, welches die Faͤrbung ausgehalten haͤtte. Nach meinen Berechnungen sowohl, als nach jenen anderer besteht zwischen der englischen und franzoͤsischen Fabrication ein Unterschied von 30 bis 33 Procent. Zu diesem ganz materiellen Unterschiede kommt aber auch noch ein idealer, welcher auf der Qualitaͤt und der arithmetisch hergestellten Textur des Gewebes beruht; dieser leztere ist nach einer sorgfaͤltigen Untersuchung, der ich viele englische Fabricate unterwarf, so bedeutend, daß ich keinen Augenblik zweifle, daß die englische Waare selbst bei einem Zolle von 40 Proc. die franzoͤsische in kurzer Zeit verdraͤngen wuͤrde. Ich bin daher gegenwaͤrtig gegen alle Abaͤnderung des Prohibitivsystemes. Wie lange es uns noch noͤthig seyn duͤrfte, weiß ich nicht; wahrscheinlich aber eine lange Zeit, wenn man bedenkt, daß im J. 1834 die erste Maschine zum Druke mit drei Farben aus der Werkstaͤtte eines franzoͤsischen Mechanikers kam, waͤhrend jene, die als Modell diente, schon seit dem J. 1820 bei Hrn. Parkinson in England arbeitete; wenn man erwaͤgt, daß unsere mechanischen Webstuͤhle dieselben sind, wie jene, welche Bargnies im J. 1819 in seinem Werke uͤber Mechanik beschrieb; wenn man beruͤksichtigt, daß es noch lange hergehen duͤrfte, bevor Frankreich selbstthaͤtige Mulejennies von der Erfindung des Hrn. Roberts besizt, mit denen taͤglich und mit Huͤlfe eines einzigen Stuͤklers 56 Pfd. Kettengarn von Nr. 32 und 62 Pfd. Einschußgarn fuͤr einen weit niedrigeren Preis als bisher erzeugt werden koͤnnen, und bevor unsere Spinnstuͤhle mit ihren 216 und 240 Spindeln, mit den neueren in Manchester, welche ihrer 600 und 800 fuͤhren, in Concurrenz treten koͤnnen. Nach meinem Dafuͤrhalten sollte man die Differenz zwischen dem franzoͤsischen und dem englischen Gestehungspreise dermalen bestimmen, und sie so abtheilen, daß sie in einer bestimmten Zeit allmaͤhlich verschwaͤnde. Wir lassen hier zum Schlusse des Ueberblikes, den die gepflogene Untersuchung uͤber den dermaligen Zustand mehrerer der wichtigsten Industriezweige Frankreichs gewaͤhrte, noch Auszuͤge aus den Aussagen zweier ausgezeichneter Maͤnner folgen: naͤmlich aus jenen des Hrn. Pihet, beruͤhmten Maschinen-Fabrikanten in Paris, und aus jenen des bekannten Hrn. Horace Gay in Paris. 1. Aussagen des Hrn. Pihet. Ich fabricire alle Arten von Maschinen, hauptsaͤchlich aber jene fuͤr die Baumwoll- und Wollenspinnerei. Seit 8 Jahren, besonders seit der Anwendung des Gußeisens anstatt des Holzes, wurden diese Maschinen bei uns so sehr verbessert, daß sich unsere Spinnerei- und Weberei-Besizer ihren Bedarf an Maschinen gaͤnzlich in Frankreich verschaffen koͤnnen. Der Verbrauch an Schmiedeisen ist hiebei beinahe derselbe geblieben; jener an Gußeisen hat sich dagegen außerordentlich gesteigert, denn das Gestell, welches ehemals aus Holz gebaut wurde, besteht jezt aus Gußeisen. Der Preis ist hiedurch nicht sehr gestiegen; denn die hoͤlzernen Mulejennies kosteten 6 bis 7 Fr. per Spindel, waͤhrend die eisernen 8 bis 9 Fr. kosten. Die englischen Maschinen sind wegen des niedrigeren Preises des Eisens in England etwas wohlfeiler als die franzoͤsischen; doch ist der Unterschied nicht bedeutend. In Belgien sind die Preise beinahe wie in Frankreich. Vor dem J. 1830 lieferten wir viele Maschinen nach Belgien, Rußland, Preußen und Spanien; seit dem J. 1833 haben sich diese Verbindungen wieder erneuert; doch haben sie die fruͤhere Ausdehnung noch nicht erlangt. Wie sehr der Bedarf an Maschinen bei uns in Frankreich zugenommen, ergibt sich aus folgender Zusammenstellung dessen, was unser Etablissement seit dem J. 1822 lieferte. Im J. 1822 fuͤr      39,816 Fr. 08 C. 1823  –      68,900  – 28  – 1824  –    100,383  – 30  – 1825  –    319,234  – 62  – 1826  –    559,715  – 70  – 1827  –    447,812  – 28  – 1828  –    623,067  – 54  – 1829  –    716,099  – 88  – 1830  –    898,483  – 56  – 1831  – 1,389,933  – 57  – 1832  – 2,340,208  –   2  – 1833  – 2,526,665  – 88  – Diese Maschinen waren weniger fuͤr neue Fabriken, sondern fast durchaus fuͤr alte, die ihr Geraͤth verbesserten, bestimmt. Mechanische Webstuͤhle werden noch wenig bei uns gesucht, indem die Errichtung mechanischer Webereien sehr große Capitalien erfordert. Ich habe englische Maschinen in meinen Werkstaͤtten und kann versichern, daß sich die unserigen nur in Hinsicht auf den Preis, keineswegs aber in Hinsicht auf die Vollkommenheit von ihnen unterscheiden. Wir besizen in Frankreich Schmiedeisen von jeder Art und zu jedem Bedarfe; Gußeisen muͤssen wir aber des ungeheuren Zolles ungeachtet aus England kommen lassen, indem wir dessen nicht entbehren koͤnnen. Das Gußeisen gilt in England 30 bis 33 Fr. die 100 Kilogr.; in Frankreich 55 bis 60 Fr. Da nun die Maschinen wenigstens zu 40 Proc. aus Gußeisen bestehen, so erwaͤchst hieraus allein ein Unterschied von 20 Proc. im Gestehungspreise der Maschinen. In Hinsicht auf den Arbeitslohn besteht zwischen Frankreich und England kein Unterschied; auch arbeiten wir mit denselben Instrumenten wie die Englaͤnder. Ich besize eine Dampfmaschine von 16 Pferdekraͤften, und brenne Steinkohlen aus dem Norden, welche ich zu 45 Fr. die 100 Kilogr. zahlen muß. Paris allein erhebt hievon einen Zoll von 7 Fr.: eine Summe, welche den Gesammtwerthe der Steinkohle zu Manchester gleichkommt! Ein Spinnstuhl von 240 bis zu 300 Spindeln wiegt 14 bis 1500 Kilogr., wovon beilaͤufig 1000 Kilogr. auf Gußeisen; 200 bis 250 Kil. auf Schmiedeisen, und das Uebrige auf Messing, etwas Stahl und auf das Holz des Wagens kommen. Wir folgen allen Verbesserungen, welche erfunden werden; allein die Hauptsorgfalt muß sich auf die Fabrication selbst richten, indem man keine besseren Baumwollspinnereien wuͤnschen kann, als wir sie gegenwaͤrtig besizen. Ich glaube nicht, daß irgend ein Industriezweig so sehr mißhandelt wurde, als der unserige; denn, waͤhrend wir fuͤr die fremden Rohstoffe, deren wir durchaus beduͤrfen, 75 bis 80 Proc. Zoll zahlen, ist auf die Maschinen selbst nur ein Zoll von 15 bis 30 Proc. gelegt. Gaͤbe man das Eisen, den Stahl und die Steinkohlen frei, so brauchten wir gar keinen Zoll auf die Maschinen, und unsere Ausfuhr wuͤrde auch ohne alle Praͤmie, womit man unsere Industrie ohnedieß nie bedachte, sehr zunehmen. Vor dem J. 1830 mußten wir aber sogar einen Ausfuhrzoll bezahlen! Noch darf man nicht vergessen, daß das schwedische Eisen, dessen man durchaus zur Erzeugung von Cementstahl bedarf, in England gar keinen, bei uns aber einen Zoll von 19 Fr. fuͤr 100 Kilogr. bezahlt. Hieraus erwaͤchst nicht nur abermals eine Erschwerung der Concurrenz, sondern dieß beguͤnstigt auch die Einfuhr englischen und deutschen Stahles und der daraus verfertigten Werkzeuge nach Frankreich. (Beschluß im naͤchsten Hefte.)