Titel: Ueber die Harz- und Theergewinnung in den Haidländern um Bordeaux.
Fundstelle: Band 62, Jahrgang 1836, Nr. XXVIII., S. 140
Download: XML
XXVIII. Ueber die Harz- und Theergewinnung in den Haidlaͤndern um Bordeaux. Aus dem Journal des connaissances usuelles. Septbr. 1835, S. 110. Ueber die Harz- und Theergewinnung in den Haidlaͤndern um Bordeaux. Die auf den Haidlaͤndern um Bordeaux wachsende Kiefer oder Foͤhre, die sogenannte Meerstrandsfichte (Pinus maritima) kommt beilaͤufig im 30sten Jahre ihres Alters, oder wenn ihr Stamm eine solche Dike erreicht hat, daß ihn ein Mann mit seinem Arme so umklammern kann, daß er kaum seine Fingerspizen sieht, unter die Hake des Pechlers, welcher dabei auf folgende Weise verfaͤhrt. Vom 20. Januar bis 1. Februar wird dem Baume beilaͤufig 2 Fuß hoch uͤber dem Boden an der Suͤdseite die rauhe Rinde im vierten Theile des Umfanges des Stammes genommen, ohne jedoch dabei das Lebendige zu verlezen. Die Absicht hiebei ist: durch die Einwirkung der Sonne auf die entbloͤßte Stelle einen groͤßeren Saͤftezufluß nach dieser zu erzeugen. Wenn die Sonne mehr Kraft gewonnen hat, gewoͤhnlich vom 25. Maͤrz bis zum 1. Mai, beginnt man das Anhauen der blosgelegten Stelle, und zwar mit einer kleinen Hake, deren Schneide die Form eines Hohlmeißels hat. Mit diesem Instrumente wird naͤmlich an der entbloͤßten Stelle ein Span von beilaͤufig 3 Zoll Laͤnge auf 3 Linien Dike so ausgehauen, daß das Lebendige selbst dadurch angegriffen wird. Kaum ist dieß geschehen, so schwizt aus der verlezten Stelle in kleinen durchsichtigen Tropfen eine Fluͤssigkeit aus, welche laͤngs des Stammes herablaͤuft und in einem Gefaͤße aufgefangen wird, welches man im Voraus am Fuße des Baumes zwischen den Wurzeln angebracht hat. Das gesammelte Product, welches man mit dem Namen Jungfernpech (résine vierge géme) zu bezeichnen pflegt, wird alle Monate oder wenigstens 4 Mal im Sommer entfernt, und in einen Behaͤlter gebracht, der sich in der Mitte des Waldes befindet, und in welchem es gegen Witterung und Unreinigkeiten geschuͤzt ist. Das Anhauen wird woͤchentlich ein Mal wiederholt und bis zu Ende Septembers fortgesezt. Die Witterung uͤbt einen sehr großen Einfluß auf die Ernte; bei anhaltendem Suͤdwinde faͤllt sie viel reichlicher aus, als dann, wenn die Poren des Holzes durch herrschende Nordwinde verengert werden. Abgesehen von dem Jungfernpeche werden auch noch mehrere andere Producte gesammelt. Das Harz verliert naͤmlich, indem es der Sonne ausgesezt an dem Stamme in den erwaͤhnten Behaͤlter herabfließt, den fluͤchtigsten seiner Bestandtheile, wird dadurch so dik, daß es nicht mehr fließen kann, und bleibt mithin in tropfsteinartigen Massen, welche durch die nachfolgenden Tropfen immer diker und diker werden, an der Rinde kleben. Diese Klumpen, welche an Farbe einer mit Schwefelblumen angeruͤhrten Milch gleichen, werden mit der Hand abgeloͤst, und bilden das weiße Foͤhrenharz (barras oder galipos) von erster Qualitaͤt, welches von den Wachsziehern hauptsaͤchlich unter die Kerzen genommen wird. Dieselbe Substanz, aber von zweiter Qualitaͤt, erhaͤlt man, indem man jene Harztheile, die mit der Hand nicht abgeloͤst werden konnten, mit einer eisernen Rakel abkrazt. Wenn die Baͤume nicht vollkommen gerade sind, so gelangt der ausfließende Saft nicht immer in das fuͤr ihn bestimmte Gefaͤß, sondern er faͤllt auf den Boden und klebt daselbst mit Blaͤttern, Sand etc. zusammen; die hiedurch entstehenden Klumpen, so wie das, was aus den Gefaͤßen uͤberlaͤuft, wenn sie nicht recht zeitig geleert wurden, werden gleichfalls gesammelt, und geben das Foͤhrenharz dritter Qualitaͤt, Terras genannt. Nach Beendigung der Ernte schmilzt der Pechler das in die Pechhuͤtte gebrachte Jungfernpech in einem kupfernen Kessel, wobei das Feuer so geleitet werden muß, daß das Schmelzen nicht uͤbereilt wird, und daß die Masse am Boden nicht anbrennen kann. Nach vollbrachter Schmelzung und waͤhrend die Masse noch heiß ist, bereitet man sich aus dicht neben einander gelegten, faustdiken Strohbuͤndeln, die nicht zu fest gebunden seyn duͤrfen, eine Art von Filter, auf welches das geschmolzene Pech mit Loͤffeln ausgegossen wird. Das durchgelaufene, und auf diese Weise von den beigemengten fremdartigen Substanzen gereinigte Harz wird unter dem Namen Terpenthinbrei (térépenthine en pâte) in den Handel gebracht; das Faß zu beilaͤufig 300 Kilogr. gilt gewoͤhnlich 80–90 Fr. Aus diesem Terpenthinbreie wird das Terpenthinoͤhl (essence de térébenthine) gewonnen, indem man ihn in einem gewoͤhnlichen Kolben lebhaft erhizt, wobei nach beilaͤufig einer Stunde Zeit das Oehl uͤbergeht. Nach beendigter Destillation findet man im Kolben als Ruͤkstand eine dunkelschwarze Substanz, welche man das trokene Pech (brai sec) nennt, und welches man, wenn man es in diesem Zustande verkaufen will, noch siedend durch Strohbuͤndel den obigen aͤhnlich in Formen von verschiedener Groͤße gießt. Das Terpenthinoͤhl kommt in Faͤssern zu 300 bis 350 Kilogr. in den Handel und gilt 46 bis 50 Fr. die 50 Kilogr.; das trokene Harz gilt in Broden, welche mit Matten umwikelt werden, 8 1/2 bis 9 Fr. die 50 Kil. Zur Gewinnung des Pechharzes oder eigentlichen Peches (poix-résine, pègle) bedient man sich eines zukerhutfoͤrmigen Ofens aus Baksteinen, in welchem man in der ganzen Ausdehnung der Grundflaͤche eine Grundlage aus Holz oder Theer (goudron) anbringt. Auf diese Grundlage werden die Strohbuͤndel, welche zum Filtriren des Terpenthinbreies und des trokenen Harzes gedient haben, und welche von den franzoͤsischen Pechlern grachons genannt werden, regelmaͤßig geschichtet, worauf man den Ofen bis zum Giebel empor fuͤllt. Vor dem Fuͤllen des Kessels hat man dafuͤr zu sorgen, daß ein kleiner, vom Mittelpunkte bis zu dem einen Ende des Ofens fuͤhrender, und zum Ausflusse dienender Canal durch kleine eingelegte Holzstuͤkchen offen erhalten wird. In dem Ofen selbst, der beilaͤufig zur Haͤlfte in die Erde vergraben ist, ist in gleicher Hoͤhe mit dem Erdboden ein kleines vierekiges Thuͤrchen angebracht, welches, wenn der Ofen leer ist, zu dessen Reinigung dient, waͤhrend es, wenn der Ofen arbeitet, Luft zufuͤhrt. Wenn der Ofen gefuͤllt und die Seitenthuͤr mit Lehm verstrichen worden ist, so wird der Ofen von Oben angezuͤndet; wuͤrde er schwer anbrennen, so muͤßte man zur Befoͤrderung der Entzuͤndung das kleine Thuͤrchen etwas oͤffnen, jedoch sogleich wieder verkitten. Die fest eingeschichtete Masse brennt natuͤrlich nur langsam, und diese Langsamkeit ist nothwendig, weil bei einem zu starken Feuer die Masse verbrennen wuͤrde. Die langsam von Oben herab dringende Hize durchwaͤrmt den ganzen Ofen, und in Folge dieser Erwaͤrmung fließt die geschmolzene Masse ab; wenn dann der ganze Inhalt des Ofens in Fluß gerathen ist, so laͤßt man die Fluͤssigkeit durch den erwaͤhnten Canal in ein unterhalb in den Boden gegrabenes Loch abfließen. Es geschieht hiebei nicht selten, daß sich der Canal verlegt; in diesem Falle macht man ihn mit einer rothgluͤhenden Eisenstange wieder durchgaͤngig. Das ausgeflossene Pech enthaͤlt viel Wasser, und besizt weder die gehoͤrige Consistenz, noch die beliebte Farbe; es wird daher sogleich in einen gußeisernen Kessel, den man den Zukerkessel nennt, und der in einen Ofen eingemauert ist, gebracht, und in diesem bei maͤßigem Feuer bis zum Sieden erhizt. Wenn das Sieden gegen eine Stunde gedauert hat, und die waͤsserigen Theile groͤßten Theils verfluͤchtigt sind, was man an dem Aufschaͤumen der Masse erkennt, so loͤscht man das Feuer aus, und gibt die nunmehr dunkelbraun gewordene Substanz sogleich und noch heiß in Formen, in welchen sie zu Broden von 125 Kilogr. geformt wird, oder auch in Faͤsser. In diesem Zustande dient die Substanz als Schiffspech oder fettes Pech (brai gras); es ist jedoch zu troken, und wird daher von den Schiffsbaumeistern und Seefahrern, nachdem es geschmolzen ist, mit einer bestimmten Quantitaͤt Theer versezt. Es wird hiedurch allerdings welcher, immer aber fehlt es ihm noch an Geschmeidigkeit, weßhalb es sich auch in kurzer Zeit abblaͤttert. Diese Art von Pech, die unter dem Namen pegle oder mauvais brai gras in den Handel kommt, wird zu 8 bis 9 Fr. die 90 Kilogr. verkauft. Eine andere Art von trokenem, wenig versottenem Harze, aus welchem das Terpenthinoͤhl nicht ausgezogen wurde, ist das Colophonium oder Geigenharz. Man laͤßt, um dieß zu erzeugen, frisch gesammeltes Foͤhrenharz bei gelindem Feuer in einem kupfernen Kessel schmelzen. Das Versieden darf nicht zu lange dauern, weil sonst zu viel von dem aͤtherischen verfluͤchtigt wird, so daß sich die gewonnene Masse zu sehr dem trokenen Harze annaͤhert. Nach vollendeter Schmelzung wird das Colophonium in Faͤsser gegossen, da es sich wegen seiner zu geringen Consistenz nicht wohl in Brode formen laͤßt. Colophonium von erster Qualitaͤt ist schoͤn schwarz mit einem Schiller von Gold; es ist stark durchscheinend und besizt einen solchen Glanz, daß man auf den Bruchflaͤchen sein Bild wie in einem Spiegel sieht. Mit Terpenthinoͤhl und Knoblauch gibt es einen schoͤnen Firniß. Die 50 Kilogr. gelten 11 bis 12 Fr. Wenn die Foͤhre aus Alter abstirbt; wenn sie von Sturmwinden entwurzelt wird; oder endlich, wenn sie durch lange fortgeseztes Entziehen der harzigen Saͤfte so geschwaͤcht worden ist, daß man nicht hoffen darf, daß ihre Vegetationskraft nach einigen Jahren Ruhe wieder auflebe; dann ist es Zeit den Baum zu faͤllen, um die lezten Producte aus ihm zu gewinnen. Will man mit dem Faͤllen so lange warten, bis der Baum ganz alt geworden ist, so wird es ungefaͤhr 120 Jahre nach dem ersten Anhauen desselben mit der Pechlerhaue vorgenommen. Gewoͤhnlich, und zwar namentlich in der Naͤhe der Heerstraßen und der schiffbaren Fluͤsse, wird jedoch die Foͤhre nicht so alt, sondern der Eigenthuͤmer rechnet, daß der Baum nach 30- bis 40jaͤhriger Harzgewinnung 60 bis 70 Fuß Hoͤhe erreicht hat, und daß sich von dieser Laͤnge 10 Fuß zur Theergewinnung, 48 bis 50 zu Brettern, Schiffsverkleidungen und anderem Bauholze eignen, waͤhrend der Rest und die Aeste auf Kohlen benuzt werden koͤnnen. Unter diesen Umstaͤnden nimmt man daher keinen Anstand zum Faͤllen zu schreiten, indem dieß einen groͤßeren Ertrag sichert, als eine fortgesezte Harzgewinnung. Nicht alle Foͤhren geben jedoch guten Theer; im Allgemeinen verwirft man zu diesem Behufe jene Baͤume, deren Wachsthum schwaͤchlich war, und welche nur mittelmaͤßige Harze lieferten. Die zur Theergewinnung bestimmten Baͤume werden vom 15. September zum 1. November gefaͤllt, und werden, so wie sie liegen, beilaͤufig 12 Fuß uͤber den Wurzeln, d.h. am Ende der vom Anhauen der Pechler herruͤhrenden Narben abgeschnitten. Die unteren, gegen 12 Fuß langen Stuͤke, welche allein auf Theer benuzt werden, laͤßt man den ganzen Winter uͤber im Freien liegen, bis sie im Fruͤhjahre entzweigeschnitten, und beide Stuͤke dann in je acht Scheite gespalten werden. Diese Scheite werden wie Gewehre aufgestellt, und den ganzen Sommer uͤber zum Behufe des Troknens so belassen. Im September, d.h. zur Zeit der Destillation oder des sogenannten Schwelens (dépassage), werden die Scheite abermals entzweigesaͤgt und dann der Laͤnge nach in zolldike Stuͤke gespalten; sie troknen hiebei, und waͤhrend des Transportes an die Theerschwelerei noch vollends aus. Es ist zu bemerken, daß der unterste im Boden zuruͤkgebliebene Theil der Staͤmme, die sogenannten Stoͤke, die groͤßte Menge des schoͤnsten und reinsten Theeres geben; sie muͤssen aber, bevor man zum Schwelen schreitet, 3–4 Jahre lang im Boden bleiben, damit saͤmmtlicher, die Holztheile umgebender Splint durch Faͤulniß zerstoͤrt werde. Der Grad der Austroknung des Holzes ist auf das Sorgfaͤltigste zu beruͤksichtigen, weil hauptsaͤchlich hiedurch der gute Erfolg der Destillation bedingt ist. Die oben angegebene Zeit ist natuͤrlich nach klimatischen und Witterungsverhaͤltnissen vielen Abweichungen ausgesezt; bestimmte Zeichen der gehoͤrigen Austroknung lassen sich nicht aufstellen; die Erfahrung allein muß hierin den Theerschweler leiten. Der Theerofen wird an einer von Wohngebaͤuden entfernten Stelle und in solcher Entfernung von dem Walde aufgefuͤhrt, daß keine Gefahr eines Brandes entstehen kann. Er besteht aus dem Heerde oder der Sohle (aire), aus der Grube (cave, récipient) und aus dem Ablaufcanale (gouttiére). Die Sohle, welche etwas concav ist, und 10 bis 15 Meter im Umfange hat, befindet sich auf einer beilaͤufig 2 Meter messenden Erhoͤhung. Sie ist in der Mitte bis auf 2/3 ihres Flaͤchenraumes, selten im ganzen Umfange, mit Baksteinen gepflastert; um diese Pflasterung herum und in einer Breite von beilaͤufig 3/4 Meter ist sie bis zu den aͤußersten Raͤndern mit Lehm beschlagen. In ihrer Mitte ist eine runde Oeffnung gelassen, welche dem Ablaufcanale, in dem der Theer in die Grube fließt, entspricht. Diese Grube bildet ein Rechtek von beilaͤufig einem Meter Tiefe und von einem mit der Groͤße des Ofens im Verhaͤltnisse stehenden Rauminhalte; sie laͤuft vom Mittelpunkte aus beginnend gegen den Umfang der Sohle hin, und ist innen mit vierekigen, roh zusammengefuͤgten Balken ausgefuͤttert; ihre Deke besteht aus dachfoͤrmig verbundenen starken, nach der Laͤnge gelegten, und mit Erde bedekten Bohlen, und hat einen Theil des Heerdes oder der Sohle zu tragen. Der Ablaufcanal, der, wie schon gesagt, in der Mitte der Sohle unter der Pflasterung entspringt, hat zu Oberst eine Fuͤtterung aus Haidekraut; von dieser laͤuft dann in senkrechter Richtung nach Abwaͤrts eine hoͤlzerne Roͤhre, die mit einer zweiten derlei Roͤhre unter einem stumpfen Winkel verbunden wird. Leztere fuͤhrt durch den Ruͤken des Gebaͤlkes der Grube, und ragt beilaͤufig 15 Centimeter in diese hinein; an dem Ende, an welchem der Theer in die Grube ablaͤuft, hat sie 6 bis 7 Centimeter im Durchmesser. Diese Muͤndung kann von Außen nach Belieben des Theerschwelers geoͤffnet und geschlossen werden, und zwar mittelst einer Stange, deren Ende einen der Roͤhre entsprechenden Stoͤpsel bildet, und an der eine Schnur angebracht ist, welche nach Außen in den Bereich des Theerschwelers fuͤhrt. Zu dieser Vorrichtung, welche eigentlich nur ein sehr mangelhafter Destillirapparat ist, gehoͤren als Werkzeuge nur noch Besen, Hauen, Haken, eiserne Rechen, Eimer, Trichter, Faͤsser ohne Boden fuͤr das Wasser, leere Faͤsser zur Aufnahme des Theeres etc. Wenn das Schwelen beginnen soll und das dazu bestimmte Holz an den Ofen geschafft worden ist, so wird der Ofen auf folgende Weise eingerichtet. Man pflanzt an der Muͤndung, welche den Theer in den Abzugscanal leitet, eine lange Foͤhrenstange, aus der noch kein Harz gewonnen worden ist, senkrecht in dem Heerde auf, und legt die ausgetrokneten Scheite in folgender Ordnung an. Man stellt außen herum laͤngs der Waͤnde des Ofens und dem Umfange desselben eine Reihe aufrechter Scheite, und laͤßt hierauf zur Unterstuͤzung dieser eine Schichte liegender Scheite folgen; auf dieselbe Weise faͤhrt man dann fort, bis der ganze Oͤfen gefuͤllt ist. Ist der Meiler sofort gebildet, so laͤßt man ihn einige Tage ruhen, damit er sich seze; dieß ist hoͤchst nothwendig; denn wuͤrde die Kroͤnung sogleich vorgenommen werden, so wuͤrde die Senkung erst spaͤter erfolgen, und die Krone oder Deke bekaͤme Spruͤnge, durch welche Luft dringen koͤnnte, so daß eine lebhafte Verbrennung des Theeres eintreten und ein vollkommenes Mißlingen der Operation Statt finden wuͤrde. Nach vollkommener Senkung des Meilers schreitet man zu dessen Kroͤnung, welche vorgenommen wird, indem man ihn mit den bei den fruͤheren Operationen gewonnenen Holzspaͤnen, dann mit trokenem Laube oder selbst mit Stroh und endlich mit vierekigen Rasenstuͤken bedekt. Einige Stellen laͤßt man jedoch in gehoͤrigen Entfernungen von einander unbedekt, damit man den Meiler auch von hier aus anzuͤnden kann, im Falle das Feuer bethaͤtigt werden muͤßte. Nach Beendigung der Kroͤnung laͤßt man den Meiler noch 24 Stunden lang stehen, bevor man ihn anstekt. Wenn das Feuer angezuͤndet ist, dann beginnt eine der wichtigsten Operationen, indem es sich darum handelt, ihm die gehoͤrige Richtung zu geben. Man stellt daher um den Meiler herum 8 bis 10 Mann auf, welche mit Schaufeln, Hauen, Stangen etc. versehen seyn muͤssen, um jedes Mal gleich die gehoͤrige Huͤlfe leisten zu koͤnnen. Ist der Brand einmal im Gange, so reicht ein Schweler mit einem Gehuͤlfen hin, um ihn gehoͤrig zu Ende zu fuͤhren. Die Leitung des Feuers erfordert große Erfahrung und ununterbrochene Aufmerksamkeit. Ein zu lebhaftes Feuer verbrennt einen Theil der Substanzen; eine zu starke Hize bringt zwar nicht denselben Nachtheil, allein sie bedingt doch eine bedeutende Verfluͤchtigung und einen zu trokenen Theer; eine concentrirte und schwache Hize dagegen wuͤrde nicht alle harzigen Theile aus dem Holze austreiben und zur Verfluͤchtigung der waͤsserigen Theile nicht ausreichen. Man muß im Laufe der Operation, besonders waͤhrend des ersten und zweiten Tages, je nach der Heftigkeit des Feuers und um dessen Richtung gehoͤrig reguliren zu koͤnnen, nach und nach die verschiedenen unbedekt gelassenen Stellen anzuͤnden, so daß der Ofen am Ende der Arbeit beinahe immer mit einem Feuerrade gekroͤnt ist. Ist die Operation so weit gediehen, so oͤffnet der Schweler den Abzugscanal, um zu sehen, wie es mit dem Theere steht; laͤuft er fett und rothbraun (rousse), d.h. pechartig, so ist dieß ein Beweis, daß er noch nicht gehoͤrig versotten ist, und daß daher die Oeffnung sogleich wieder verschlossen werden muß. Nach 10 bis 12 Stunden wird dann die Probe wiederholt, und nach Ablauf dieser Zeit besizt der Theer beinahe immer die noͤthigen Eigenschaften; ist dieß der Fall, so laͤßt man ihn ablaufen so lange er fließt, oder bis das Ablaufende nicht mehr die gehoͤrigen Eigenschaften besizt. Gewoͤhnlich rechnet man waͤhrend des 4 bis 5 Tage dauernden Schwelens auf 3 bis 4maliges Ablaufenlassen, wobei von einem zum anderen gegen 24 Stunden verfließen. Der Schweler darf nicht vergessen im Laufe der Operation mit einer hoͤlzernen Stange oͤfter leise auf die Deke des Meilers zu schlagen, indem sonst in Folge der Verbrennung leere Raͤume bleiben wuͤrden, die ein zu lebhaftes Feuer bewirken muͤßten. Auf den ersten Blik duͤrfte dieses Verfahren fehlerhaft erscheinen, so daß man glauben koͤnnte, ein ganz entgegengesezter, den gewoͤhnlichen Destillationsprocessen analoger Gang muͤßte bessere Resultate geben. Allein, da es sich hier nicht um eine einfache Destillation handelt, sondern da hier die Ausziehung der verlangten Substanz mit einem gehoͤrigen Versieden derselben und mit der Verfluͤchtigung der waͤsserigen in dem Holze enthaltenen Theile verbunden werden muß, so kann nicht fuͤglich anders verfahren werden. Zur Erzielung dieses dreifachen Zwekes gestattet man naͤmlich, daß sich eine bestimmte Quantitaͤt Theer auf der Sohle des Ofens ansammle und daselbst der Einwirkung des Feuers so lange ausgesezt bleibe, bis sie die gehoͤrige Beschaffenheit erlangt hat. Das erste Oeffnen des Abzugscanales wird erst nach 60 bis 72stuͤndiger Feuerung vorgenommen, weil der fruͤher der Luft und der Witterung ausgesezte Ofen viele Feuchtigkeit enthaͤlt, weil der Meiler anfangs den groͤßten Theil der in ihm enthaltenen waͤsserigen Theile fahren laͤßt, und weil die Verfluͤchtigung folglich nothwendig langsamer von Statten geht. Die spaͤteren Abzapfungen koͤnnen aus diesem Grunde natuͤrlich in kuͤrzeren Zwischenzeiten auf einander folgen, indem das Holz nur wenig Feuchtigkeit mehr abgibt, und indem das Feuer immer mehr und mehr an Intensitaͤt zunimmt. Wenn die beschriebene Operation gehoͤrig geleitet worden ist, wenn das Feuer nie unterbrochen wurde und auch nicht von der ihm gegebenen Richtung abwich, besonders aber, wenn kein Regen eintrat, so kann man mit Zuversicht erwarten, daß man guten Theer als Product erhaͤlt. Der beim ersten Oeffnen des Abzugscanales ablaufende Theer ist am fettesten, am wenigsten versotten und folglich auch am schlechtesten; der bei der zweiten und zum Theil auch bei der dritten Abzapfung gewonnene ist der beste; der vierte endlich ist mager, schwarz, verbrannt und zu fluͤssig. Waͤre die Grube geraͤumig genug, um das Product eines ganzen Brandes zu fassen, so wuͤrden alle drei Portionen zusammen gewiß ein vortreffliches Ganzes geben, so aber faßt sie gewoͤhnlich nur den vierten Theil, so daß man gezwungen ist, sie nach jeder Abzapfung zu leeren und das gewonnene Product in Faͤsser zu bringen. Dieß ist uͤbrigens nicht der einzige Fehler, der sich an den Apparaten und den Operationen der Theerschweler auffinden laͤßt. Der auf die beschriebene Weise gewonnene Theer, den man goudron de gaze nennt, hat eine nußbraune oder goldaͤhnliche Farbe und fuͤhlt sich sanft an. Den Grad der Fluͤssigkeit, den er haben soll, bestimmt man auf folgende Weise: man bringt naͤmlich an die Spundoͤffnung eines damit gefuͤllten Fasses einen hoͤlzernen Stab von der Dike eines Flintenlaufes und von beilaͤufig einem Meter Laͤnge; dieser Stab muß vermoͤge seiner eigenen Schwere langsam bis auf den Boden einsinken; beim Herausziehen darf er durch die ihm anklebende Theermasse hoͤchstens um das Doppelte diker geworden seyn, und dieser anklebende Theil muß in 2 bis 3 Minuten wieder gaͤnzlich ablaufen. Man bringt den Theer gewoͤhnlich in Faͤsser zu 300 oder 100 Kilogr., und verkauft ihn zu 9 bis 10 Fr. die 50 Kilogr. Wenn der Ofen keinen Theer mehr gibt, d.h. wenn beim Oeffnen des Abzugscanales nichts mehr abfließt, so ist noch die Kohle zu gewinnen. Man bedekt daher den Scheitel des Ofens mit Erde, um das Feuer auszuloͤschen. Zum vollkommenen Auskuͤhlen des Meilers sind 8 Tage Zeit erforderlich; nach Ablauf dieser oͤffnet man ihn und schafft die Kohle heraus, welche zwar klein, aber von den Schmieden geschaͤzt ist. Ein gewoͤhnlicher Ofen gibt beilaͤufig 15 Faͤsser Theer zu 300 Pfd. und 220 bis 240 Hectoliter Kohlen; zu dessen Fuͤllung braucht man 45 Karren Holz, jeden zu beilaͤufig 500 Pfd. Dem Theerschweler wird gewoͤhnlich die Haͤlfte des Theeres und der Kohle uͤberlassen; er hat aber dafuͤr vom Faͤllen des Holzes bis zum Abbrechen des Meilers Alles zu besorgen. Wenn der Theerofen bis an das Ende des Processes gut geht, so darf man allerdings immer ein Product erster Qualitaͤt erwarten; allein ein einziger Mißgriff, eine einzige Unachtsamkeit von einem Augenblike kann auch die nachtheiligsten Folgen haben. Laͤßt man den Theer z.B. in zu großer Menge auf der Sohle des Ofens ansammeln, so kann er Feuer fangen, wo dann nur mehr ein verbranntes, alles Fettigen und des aͤtherischen Oehles beraubtes Product zuruͤkbleibt. Tritt Regen ein, so wird der Nachtheil um so groͤßer seyn, je fruͤher er nach Anzuͤndung des Meilers beginnt, je haͤufiger und je anhaltender er faͤllt; wirklich unberechenbar ist das Uebel, wenn gleich von Anfang Regen eintritt und waͤhrend der ganzen Operation fortwaͤhrt. Das Feuer muß naͤmlich uͤber die Maßen gesteigert werden, damit das Regenwasser verdampft werden kann; die hiedurch entstehende heftige und ungleiche Hize verfluͤchtigt alles aͤtherische Oehl, und man erhaͤlt nur ein ganz schlechtes, verbranntes und dennoch nicht gar gekochtes Product, welches gleichwohl in den Handel gebracht und fuͤr niedrigen Preis weggegeben wird. Diese beiden Arten von schlechtem Theere, von denen ersterer zu stark verkocht ist und seine Fluͤssigkeit so wie das Milde verloren hat, waͤhrend lezterer verbrannt, unversotten, und mit Wasser uͤberladen ist (welches Wasser um so schwerer zu entfernen ist, als es sich durch das Sieden mit den fetten Theilen des Theeres gleichsam identificirt hat), haben, da sie dennoch immer in den Handel gebracht werden, dem Rufe der franzoͤsischen Theere bedeutend geschadet. Dazu kommt noch, daß die Bewohner der Foͤhrenwaldungen in der Gegend von Bordeaux, meinend, daß man in dieser Seestadt ihre Erzeugnisse kaufen muͤsse, und durch eine verderbliche Habgier geleitet, einen sogenannten Theer fabriciren, der vollends dazu geeignet ist, dem im Norden erzeugten Theere vor dem franzoͤsischen den Vorzug zu verschaffen. Diese Leute arbeiten mit einem Ofen, der dem oben beschriebenen durchaus nicht aͤhnlich ist, sondern vielmehr jenem gleichkommt, dessen man sich laͤngs der Kuͤste bis Bayonne zur Darstellung des Peches (pégle) bedient, und den wir oben gleichfalls beschrieben haben. In diesen Ofen bringen sie nur wenig Holz, sondern sie fuͤllen ihn mit Kienspaͤnen, welche sie in den Waͤldern zusammenrafften, mit dem Foͤhrenharze dritter Qualitaͤt (terras), und mit den gebrauchten Strohfiltern; wenn das Harz zweiter Qualitaͤt wohlfeiler ist als der Theer, wie dieß in Bordeaux beinahe immer der Fall ist, so wird auch eine bedeutende Quantitaͤt von diesem in den Ofen geworfen. Durch das Schwelen dieses Gemenges erhaͤlt man eine Substanz, die eigentlich gar kein Theer, sondern nur ein fettes fluͤssiges Harz oder Schiffspech ist. Sie ist zu fett, fuͤhlt sich nicht markig an, und hat eine solche Consistenz, daß man den Probirstab stark mit der Hand eindruͤken muß, um ihn bis auf den Boden des Fasses niederzubringen, und daß beim Zuruͤkziehen des Stabes so viel von dem angeblichen Theere daran haͤngen bleibt, daß die Masse nicht durch das Spundloch gehen kann. Abgesehen von den eben angefuͤhrten Fehlern in der Fabrication lassen sich die kleinen Pechler uͤberdieß auch noch eine Menge Verfaͤlschungen zu Schulden kommen. Schließlich haben wir noch zu bemerken, daß die Theeroͤfen haͤufig nur Loͤcher sind, welche man in den Sand gegraben und innen mit einer duͤnnen Thonschichte ausgeschlagen hat; daß die Grube, in welche man den Theer laufen laͤßt, auch nur ein unvollkommen mit Bohlen aus Foͤhrenholz ausgefuͤttertes Loch ist; daß man das Loch, durch welches der Theer aus dem Ofen ablaͤuft, gewoͤhnlich mit einem Kieselsteine verstopft, um keine Kohlenstuͤke durchzulassen; daß endlich der ganze Apparat waͤhrend der Ruhezeiten allen Unbilden der Witterung ausgesezt gelassen wird. Man wird sich also nicht wundern, wenn die unter solchen Umstaͤnden gewonnenen Producte mit Wasser, Sand, Kohlen und manchen anderen Substanzen verunreinigt sind.