Titel: Ueber einige Eigenschaften der Gallussäure und einen rothen Farbstoff, welcher bei Behandlung derselben mit Schwefelsäure entsteht; von Hrn. Robiquet.
Fundstelle: Band 62, Jahrgang 1836, Nr. LXX. LXXI. , S. 412
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LXX. LXXI. Ueber einige Eigenschaften der Gallussaͤure und einen rothen Farbstoff, welcher bei Behandlung derselben mit Schwefelsaͤure entsteht; von Hrn. Robiquet. Aus dem Journal de Pharmacie. September 1836, S. 483. Robiquet, uͤber Eigenschaften der Gallussaͤure und einen rothen Farbstoff. Bei einigen Untersuchungen uͤber die Bildung und Eigenschaften der Gallussaͤure war ich so gluͤklich mehrere merkwuͤrdige Modificationen derselben zu entdeken. Ich hatte gefunden, daß man durch rasches Destilliren der Gallussaͤure außer der Pyrogallussaͤure eine gelblichroth gefaͤrbte Substanz erhaͤlt, die man von jener leicht durch Wasser trennen kann, weil sie darin unaufloͤslich ist. Hiebei entsteht aber nur eine sehr unbedeutende Menge von dieser gefaͤrbten Substanz, so daß man große Massen Gallussaͤure aufopfern muͤßte, um so viel davon zu erhalten, als man zu ihrer Untersuchung braucht. Doch koͤnnte ich mit der sehr geringen Menge, welche ich auf diese Art davon gewann, einige Eigenschaften derselben ausmitteln, wodurch sie sich sehr der Ellagsaͤure naͤhert; nun weiß man aber durch die Versuche von Pelouze, daß sich die Gallussaͤure von der Ellagsaͤure nur durch ein Atom Wasser unterscheidet. Um die gefaͤrbte Substanz hervorbringen zu koͤnnen, handelte es sich also bloß darum, diese Modification der Gallussaͤure in groͤßerer Menge zu erzeugen, und ich vermuthete, daß die concentrirte Schwefelsaͤure wegen ihrer großen Verwandtschaft zum Wasser hiezu ein Mittel seyn duͤrfte. Doch war sehr zu befuͤrchten, daß ein so kraͤftiges Agens einen so leicht zersezbaren Koͤrper wie die Gallussaͤure gaͤnzlich zerstoͤren moͤchte, daher ich bei dem Versuche sehr vorsichtig verfahren mußte. Ich vermengte also 10 Gramme Gallussaͤure mit 50 Grammen concentrirter Schwefelsaͤure; dieses anfangs sehr fluͤssige Gemenge nahm bald die Consistenz eines duͤnnen Breies an, welcher etwas schwierig in einen Kolben zu bringen war. Ich erhizte anfangs sehr gelinde und schon bei der ersten Einwirkung der Waͤrme wurde der Brei weniger consistent und etwas durchscheinend; die Gallussaͤure loͤste sich naͤmlich ganz auf, aber ohne daß die Fluͤssigkeit sich merklich faͤrbte. Bei fortgeseztem vorsichtigem Erhizen nahm sie zuerst eine falbe, dann rosenrothe Farbe an, und von lezterer ging sie durch alle Nuancen zum schoͤnsten Dunkelcarminroth uͤber, indem sie zugleich klebrig wurde. Ihre Temperatur betrug nun 140° C., und es zeigten sich einige Spuren von schwefliger Saͤure. Ich ließ nun das Gemisch erkalten und verduͤnnte es hierauf allmaͤhlich mit kaltem Wasser; es entstand ein reichlicher, schoͤn braunrother, zum Theil flokiger, zum Theil koͤrniger und krystallinischer Niederschlag. Diese beiden Producte trennte ich durch bloßes Schlaͤmmen von einander, sammelte jedes auf einem besonderen Filter und suͤßte sie bis zur gaͤnzlichen Entfernung der Schwefelsaͤure aus. Der koͤrnigste Theil bestand aus kleinen glaͤnzenden Krystallen, welche, gut ausgesuͤßt, keine Spur von Schwefelsaͤure zuruͤkhalten. Sie haben die glaͤnzende braunrothe Farbe eines schoͤnen Kermes: im Ganzen betraͤgt ihr Gewicht immer uͤber die Haͤlfte der angewandten Saͤure, und es kann bis aus 2/3 steigen, wenn die Operation vollstaͤndig gelang. Wenn man sie in einem Trokenkasten auf 120° C. erhizt, so vermindert sich ihr Gewicht um 10,5 Proc., und ihre Farbe wird schmuzig. Ueber bloßem Feuer erhizt zersezen sich diese Krystalle schwer, verkohlen sich aber doch endlich und uͤberziehen sich mit kleinen zinnoberrothen prismatischen Krystallen. Als ich sie mit Kupferoxyd analysirte, entsprach das Resultat der Formel C⁷H⁴O⁴, welches die der Ellagsaͤure ist. Diese Substanz besizt ganz die Unaufloͤslichkeit der Ellagsaͤure, denn kochendes Wasser loͤst davon nur 3/10,000 seines Gewichts auf. Die Waͤrme wirkt auch auf aͤhnliche Weise auf jeden dieser beiden Koͤrper, dagegen findet in dem Verhalten der Alkalien ein wesentlicher Unterschied Statt: man weiß z.B., daß uͤberschuͤssiges Aezkali die Ellagsaͤure kurze Zeit aufgeloͤst erhaͤlt, und daß in dem Maaße, als sich das uͤberschuͤssige Alkali mit der Kohlensaͤure der Luft verbindet, kleine Schuppen von schwer loͤslichem ellagsaurem Kali in der Fluͤssigkeit niederfallen; nichts Aehnliches findet aber bei der rothen Saͤure Statt. Sie loͤst sich jedoch ebenfalls in Aezkali auf und benimmt ihm seinen alkalischen Geschmak, aber erst nach sehr langer Zeit sezen sich gefaͤrbte Krystalle ab, welche sehr loͤslich sind und eine Verbindung der rothen Saͤure mit Kali zu seyn scheinen. Besonders unterscheiden sich aber diese beiden Substanzen in der Farbe von einander; ich bemuͤhte mich vergebens der Ellagsaͤure durch Behandlung mit Schwefelsaͤure eine rothe Farbe zu ertheilen; sie widerstand vollkommen, denn nachdem sie bei 140° C. damit in Beruͤhrung gewesen war, nahm sie ihren anfaͤnglichen Zustand wieder an, als man sie mit Wasser faͤllte. Diese beiden Koͤrper von gleicher Zusammensezung zeigen also sowohl Aehnlichkeit als Verschiedenheit in ihren Eigenschaften, und sind nicht das erste Beispiel dieser Art. Um zu erfahren, wie sich die rothe Saͤure als Farbstoff verhaͤlt, kochte ich damit einen mit Eisen und Alaunerde gebeizten Zeug; ich erhielt so ziemlich dieselben Nuancen wie mit Krapp, nur waren sie nicht so lebhaft; die Eisenbeizen von verschiedenen Graden lieferten naͤmlich alle Nuancen vom Hellviolett bis zum Dunkelschwarz, und die Alauns erdebeizen alle Nuancen von Roth. Diese Farben widerstehen kochender Seife sehr gut, werden aber durch Chlor leicht zerstoͤrt. Es erklaͤrt sich hiedurch einiger Maßen der Nuzen der Gallaͤpfel beim Tuͤrkischroth faͤrben; denn es ist moͤglich, daß diese rothe Saͤure urspruͤnglich in ihnen enthalten ist: auch hat Hr. Chevreul schon vor langer Zeit bemerkt, daß unter den Bestandtheilen der Gallapfel ein rother Farbstoff vorkommt; oder sollte sich diese Saͤure waͤhrend des Faͤrbens selbst bilden? So viel ist gewiß, daß das Galliren dem Tuͤrkischroth mehr Koͤrper gibt und daß man bis jezt davon keinen wahrscheinlichen Grund anzugeben wußte. Eine sehr merkwuͤrdige Thatsache ist die, daß auf 130 oder 140° C. erhizte Schwefelsaͤure der Gallussaͤure ein Atom Wasser entzieht, welches zu ihrer Zusammensezung gehoͤrt, und daß sie ihr hingegen ihr Krystallwasser nicht benimmt, oder sie wenigstens dasselbe beim Festwerden wieder aufnehmen laͤßt. Man kann nicht annehmen, daß das zum Aussuͤßen angewandte Wasser es ist, welches sich mit dieser Saͤure verbindet, denn ihre Krystalle bilden sich mitten in der concentrirten Schwefelsaͤure; uͤberdieß habe ich die Vorsicht gebraucht, sie von der Saͤure mittelst wasserfreien Alkohols zu trennen, und sie verloren dann an freier Luft ausgetroknet, wie die anderen auch ungefaͤhr 10 Proc. an Gewicht, als man sie auf 100° C. erhizte. Diese Thatsache spricht sehr fuͤr eine von mir schon oͤfters geaͤußerte Ansicht, daß naͤmlich das Wasser in manchen Koͤrpern, wovon man sagt, daß es zu ihrer Zusammensezung gehoͤre, darin nur in seinen Elementen und nicht bereits gebildet vorhanden ist, denn sonst muͤßte man annehmen, daß der Antheil Wasser, welcher zur Zusammensezung der Gallussaͤure gehoͤrt, mit ihr nicht so innig verbunden ist als dasjenige, welches keinen wesentlichen Bestandtheil derselben ausmacht. Bemerkenswerth ist auch das Verhalten des Ammoniaks zur Gallussaͤure. Bekanntlich kann dasselbe, so wie das Kali und Natron, mit dieser Saͤure nur dann in Verbindung bleiben, wenn sie nicht mit Sauerstoff in Beruͤhrung kommt, denn in diesem Falle erleidet sie eine Veraͤnderung. Ich habe, als ich von der merkwuͤrdigen Verwandlung des Orcins in einen Farbstoff sprachPolytechn. Journal Bd. LVII. S. 215., die unter dem Einfluß von Ammoniak, Sauerstoff und Wasser erfolgt, bemerkt, daß bei der Gallussaͤure unter denselben Umstaͤnden eine aͤhnliche Metamorphose erfolgt, indem sich eine stikstoffhaltige gefaͤrbte Verbindung erzeugt. Die aufloͤslichen gallussauren Salze koͤnnen also nur temporaͤr existiren, daher man auch ihre Eigenschaften nicht genau ausmitteln kann. Ich habe jedoch gefunden, daß wenn man unter gewissen Umstaͤnden Gallussaͤure mit Ammoniak, beide im wasserfreien Zustande, in Beruͤhrung bringt, wirklich ein bestaͤndiges Salz gebildet wird, welches sich sowohl in heißem als kaltem Wasser aufloͤsen und daraus krystallisiren laͤßt, ohne daß es selbst nach langer Zeit in Beruͤhrung mit der Luft eine Veraͤnderung erleidet. Dieß gilt aber nur vom zweifachgallussauren Salze, und wenn man wasserfreie Gallussaͤure so viel trokenes Ammoniakgas verschluken laͤßt, als sie aufnehmen kann, so erhaͤlt man immer ein basisches gallussaures Salz, selbst wenn man das Product lange im luftleeren Raume liegen laͤßt, um alles durch Porositaͤt absorbirte Ammoniak zu verfluͤchtigen; man erhaͤlt sogar kein bestaͤndiges Salz, wenn man die uͤberschuͤssige Basis neutralisirt, sondern man muß durchaus die Menge der Saͤure verdoppeln, also ein zweifachgallussaures Ammoniak erzeugen. Wenn man statt der wasserfreien Saͤure die krystallisirte anwendet, so erfolgt wie im vorhergehenden Falle eine starke Temperaturerhoͤhung, und es wird uͤberdieß das Krystallwasser ausgetrieben; da dieses waͤhrend seiner Entbindung aber Ammoniak aufnimmt, so zersezt es die Saͤure, womit es in Beruͤhrung kommt, und schwaͤrzt sie, waͤhrend die daruͤber befindlichen Schichten farblos bleiben. Da eine Aufloͤsung von Gallussaͤure in Wasser beim Sieden keine Veraͤnderung erleidet, so wollte ich versuchen, ob dieß auch noch bei einer Erhoͤhung des Siedepunktes der Fall ist. Hiezu bediente ich mich des salzsauren Kalks; ich loͤste naͤmlich Gallussaͤure in der Waͤrme in einer Loͤsung von 2 Theilen reinen Chlorcalciums in 5 Theile Wasser auf. Beim Kochen dieser Fluͤssigkeit entband sich unaufhoͤrlich kohlensaures Gas, und nachdem das Sieden so lange unterhalten worden war, daß die Temperatur in Folge der Concentration auf 122° C. stieg, entstand fast augenbliklich ein koͤrniger, etwas gelblicher Niederschlag. Wenn man denselben auf einem Filter sammelt, mit Salzsaͤure aussuͤßt, gut abtropfen laͤßt und nach und nach mit kleinen Portionen Alkohol von 40° Baumé befeuchtet, dann zwischen oͤfters erneuerten Lagen von Filtrirpapier und hierauf noch bei 25 bis 30° C. troknet, so kann er ohne eine Veraͤnderung zu erleiden, der Luft ausgesezt werden. Dieser Niederschlag ist eine Verbindung von wasserfreier Gallussaͤure mit Chlorcalcium, oder wenn man will, ein saures gallussaures Chlorcalcium, worin lezteres die Rolle der Basis spielt. Behandelt man ihn mit kochendem Wasser, so loͤst er sich gaͤnzlich auf und man erhaͤlt beim Erkalten der Fluͤssigkeit lange Nadeln von Gallussaͤure. Erhizt man dieses neue Product vorsichtig in einer Glasretorte uͤber freiem Feuer, so erhaͤlt man zuerst eine farblose, aber sehr saͤure Fluͤssigkeit, hierauf erscheinen rosenrothe Daͤmpfe, die sich zu einer durchsichtigen Fluͤssigkeit verdichten, und dann kommen andere Daͤmpfe, welche erstarren und krystallisiren; so lange rothe Daͤmpfe entstehen, entbindet sich Kohlensaͤure. Wenn man nun das Product dieser trokenen Destillation untersucht, so findet man, daß es eine sehr große Menge freier Salzsaͤure enthaͤlt, ferner einen sehr fluͤchtigen rothen Farbstoff – welcher unter dem Einfluß der Saͤuren ungeheizte Baumwollgewebe rosenroth und mit basischen Koͤrpern gebeizte lilas faͤrbt – endlich auch Pyrogallussaͤure, die man fast farblos erhalten kann, wenn man das Product mit Wasser verduͤnnt und einige Zeit Baumwollstoken, welche sich des Farbstoffs bemaͤchtigen, hineinhalt. Man braucht dann diese Baumwolle nur auszudruͤken, die Fluͤssigkeit zu filtriren und abzudampfen, um beim Erkalten die Pyrogallussaͤure zu erhalten. Der Ruͤkstand in der Retorte besteht, wenn die Hize sehr stark war, aus Kohle und basischem Calciumchlorid.