Titel: Ueber das Neapelgelb; von Hrn. Karl Brunner, Professor der Chemie in Bern.
Fundstelle: Band 63, Jahrgang 1837, Nr. LXXVII., S. 379
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LXXVII. Ueber das Neapelgelb; von Hrn. Karl Brunner, Professor der Chemie in Bern. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhausen, No 46. Brunner, uͤber das Neapelgelb. Unter den Farben, welche man in der Oehlmalerei anwendet, gibt es nur wenige, die so haͤufig gebraucht werden und so unentbehrlich sind, wie das Neapelgelb; dasselbe wird daher auch in großer Menge in den Handel gebracht. In den chemischen Werken findet man aber keine genaue Angabe uͤber seine Natur und noch weniger gute Vorschriften zu seiner Bereitung. Alle Schriftsteller stimmen darin uͤberein, daß es Antimon- und Bleioxyd als Hauptbestandtheile enthaͤlt und mehrere scheinen zu glauben, daß außerdem Arsenik darin vorkommt. In Italien wurde diese Farbe zuerst im Großen bereitet; auch bezog man sie lange ausschließlich aus diesem Lande unter der Benennung Gialollino. Passeri, de la Lande und andere Schriftsteller haben uns Vorschriften zur Bereitung dieser Farbe geliefert. Alle sagen, daß man sie durch Gluͤhen eines Gemenges von Antimonoxyd und Bleioxyd erhaͤlt; und sie weichen nur in dem Verhaͤltniß dieses Gemenges und der Substanzen, welche zugesezt werden muͤssen, von einander ab. Diese Substanzen sind: Weinstein, Salmiak, Kochsalz, Alaun etc. Es ist schwer sich von der Theorie dieser Vorschriften Rechenschaft zu geben und selbst wenn sie richtig sind, duͤrften sie eher das Ergebniß vieles Probirens als eines auf wissenschaftliche Principien gegruͤndeten Raisonnements seyn.Man vergleiche die Abhandlung uͤber diese Farbe im Polyt. Journal Bd. XXVIII. S. 224; ferner Bd. XLVI. S. 435. Thenard hat gewiß Recht, wenn er sagt, daß die Bereitung dieser Farbe nur denjenigen genau bekannt seyn duͤrfte, welche sie fuͤr den Handel fabriciren. Ich habe Neapelgelb von verschiedenen Magazinen in Rom, Paris, Lyon etc. analysirt und darin als Hauptbestandtheile immer Blei- und Antimonoxyd gefunden und uͤberdieß Eisenoxyd, Alaunerde, Kieselerde, kohlensauren Kalk etc. in sehr verschiedener und in der Regel in sehr geringer Menge, was zu beweisen scheint, daß diese Substanzen bloß zufaͤllige sind. Ich will hier weder jene Analysen mittheilen, noch die Versuche, welche ich anstellte, um eine wenigstens eben so schoͤne Farbe zu erzielen; sondern ich beschranke mich darauf, das Verfahren, welches mir am besten gelang, genau zu beschreiben. Um ein reines und schoͤnes Product zu erhalten, ist es unumgaͤnglich noͤthig, reine Materialien anzuwenden. Deßwegen gab ich auch dem Brechweinstein (weinsteinsauren Antimonoxyd-Kali) vor allen anderen Antimonpraͤparaten den Vorzug; derselbe sollte auch vor der Anwendung noch oͤfters umkrystallisirt und besonders von dem Eisen gereinigt werden, welches er oft enthaͤlt. Das Blei muß als salpetersaures Bleioxyd angewandt werden, welches man sich leicht verschafft, indem man metallisches Blei oder auch reines Bleioxyd oder Bleiweiß in Salpetersaͤure aufloͤst und das Salz dann durch oͤfteres Umkrystallisiren reinigt. Man vermengt einen Theil feingepulverten Brechweinstein so gut als moͤglich mit zwei Theilen gepulvertem salpetersaurem Blei, versezt das Gemenge mit vier Theilen trokenen und gepulverten Kochsalzes und gluͤht es dann in einem hessischen Tiegel zwei Stunden lang. Die Hize muß so stark seyn, daß das Salz in Fluß kommt; eine mittlere Rothgluͤhhize reicht hin. Der Tiegel wird nach dem Erkalten umgestuͤrzt und durch einige leichte Stoͤße sein Inhalt in Masse losgemacht. Das Salz befindet sich groͤßten Theils auf der Oberflaͤche des, Gemenges; man trennt es von dem Product durch wiederholtes Auswaschen. Das Neapelgelb befindet sich im Tiegel als eine etwas harte Masse, welche sich in Wasser zu einem mehr oder weniger feinen Pulver aufweicht. Wenn der angegebene Hizgrad uͤberschritten wurde, bildet das Product eine sehr harte Masse, welche sich in Wasser nicht aufweicht und schwer zu zerreiben ist; dieses muß vermieden werden. Der Hergang bei dieser Operation ist leicht zu erklaͤren. Der Brechweinstein wird durch das salpetersaure Blei zersezr, indem der Sauerstoff der Salpetersaͤure die Elemente der Weinsteinsaͤure oxydirt und das Antimonoxyd in Antimonsaͤure verwandelt, welche sich mit dem Bleioxyd verbindet. Der Zusaz von Salz hat keinen anderen Zwek, als die Wirkung der gegenseitigen Zersezung zu maͤßigen, indem sonst ein Theil dieser Metalle reducirt wuͤrde, wovon ich mich durch directe Versuche uͤberzeugt habe. Das durch dieses Verfahren erhaltene Gelb ist immer gut, obgleich es in der Nuͤance etwas variirt. Es sticht mehr in Orange, wenn die Hize nicht uͤber den Schmelzpunkt des Salzes getrieben wurde; und mehr in Citronengelb und sogar in Schwefelgelb, wenn die Hize staͤrker war. Es ist schwer und beinahe unmoͤglich stets die gewuͤnschte Nuͤance zu treffen, immer erhaͤlt man aber ein gutes Product. Ich will noch ein zweites Verfahren augeben, welches wohlfeiler, aber nicht so sicher ist, als das vorhergehende. Man macht eine Legirung von gleichen Theilen Blei und Antimon, vermengt sie im Zustande eines feinen Pulvers mit 1½, Theilen Salpeter und 3 Theilen Kochsalz, und sezt sie wie beim vorhergehenden Verfahren der Rothgluͤhhize aus. Ich habe nach dieser Methode sogar eine gelbe Farbe, obgleich von geringerer Qualitaͤt, bereitet, indem ich gepulverte Buchdrukerlettern mit Salz und Salpeter vermengt gluͤhte. Bericht des Hrn. Ehrmann uͤber diese Abhandlung. Es fehlt in der Oehlmalerei noch immer ein lebhaftes und sattes Gelb, welches sich zu Vermengungen eignet und mit der Zeit nicht veraͤndert. Man hat nacheinander das Mineralgelb oder Chlorblei, das Operment oder Schwefelarsenik, das phosphorsaure Silber, basisch salpetersaure Queksilber, Jodblei etc. versucht; alle diese Farben sind mehr oder weniger glaͤnzend, es fehlt ihnen aber die Dauerhaftigkeit. Sogar das chromsaure Blei, welches sich so haltbar auf Zeugen befestigen laͤßt, veraͤndert sich mit Oehl abgerieben schnell und wird braun. Kuͤrzlich hat man auch das Schwefelcadmium in Vorschlag gebracht und sehr geruͤhmt; es wurde in Paris unter dem Namen jaune brillant zu sehr hohen Preisen verkauft. Indessen scheint uns seine Unveraͤnderlichkeit noch keineswegs erwiesen und wenn man nach der staͤrkeren Wirkung des Chlors auf die langsame des Lichts und der Luft schließen darf, so wird das Schwefelcadmium vor dem Schwefelarsenik nicht viel voraus haben. Allerdings kann man es aber mit Bleiweiß vermengen, ohne daß es eine merkliche Veraͤnderung erleidet: wenigstens kann man es troken mit den Bleipraͤparaten zerreiben, es so dem Licht aussezen, auf ungefaͤhr 80° R. erhizen und sogar in Wasser kochen, ohne daß es sich zersezt.Man hat das Schwefelcadmium auf Baumwolle zu befestigen versucht; die damit gefaͤrbten Zeuge waren aber nicht so schoͤn und solid, wie die mit chromsaurem Blei gelb gefaͤrbten. Chlorkalk und Saͤuren ziehen das Schwefelcadmium ganz ab; es oxydirt sich sogar durch die bloße Beruͤhrung der Luft, so daß die Farbe nach zwei Monaten ganz verschwindet.A. d. O. Das Operment hingegen widersteht keiner dieser Proben und bei einer Waͤrme von 20 bis 24° R. wird es in einigen Minuten schon schwarz, wenn es mit Bleipraͤparaten vermengt ist. Uebrigens kann nur eine directe und lange Erfahrung uͤber die Soliditaͤt des Schwefelcadmiums in der Oehlmalerei entscheiden. Die einzige verlaͤßliche gelbe Farbe ist fuͤr deu Kuͤnstler seit langer Zeit und bis auf den heutigen Tag das Neapelgelb. Diese Farbe ist solid, eignet sich zu den meisten Vermengungen und verstopft den Pinsel nicht; kurz sie ist eine der schaͤzbarsten in der Oehlmalerei. Leider hat sie aber wenig Lebhaftigkeit; wenn sie in Citronengelb sticht, ist sie blaß, und sobald man eine sattere Nuͤance verlangt, wird sie roͤthlich, okerartig. Nur wenige Gelehrte scheinen die Natur des Neapelgelbs studirt zu haben und die Bemuͤhungen der Praktiker, eine sichere Vereitungsart desselben auszumitteln, blieben fruchtlos oder unbekannt. Um so wichtiger ist fuͤr die Wissenschaft und Technik die Arbeit des Hrn. Brunner. Sein Verfahren ist leicht ausfuͤhrbar und ich habe es mit dem besten Erfolg wiederholt. Drei Calcinationen bei verschiedenen Hizgraden lieferten mir drei Nuͤancen von Neapelgelb, die bei weitem allen auslaͤndischen Mustern vorzuziehen waren, welche ich mir verschaffen konnte. Das intensivste Gelb, aber auch das am staͤrksten in Orange stechende, erhielt ich, indem ich das Gemenge in einer duͤnnen Schichte auf einem Roͤstscherben wenigstens drei Stunden lang einer maͤßigen Rothgluͤhhize aussezte. Bei dieser Gelegenheit versuchte ich auch ein Verfahren, welches Hr. Mérimée in seinem Traité de la peinture à l'huile mittheilt, und das er Hrn. Guimet, dem Entdeker des kuͤnstlichen Ultramarins, zuschreibt. Es besteht darin, ein Gemenge von einem Theile antimonsaurem Kali (gut ausgewaschenem antimonium diaphoreticum) und zwei Theilen rothem Bleioxyd oder Mennige zu calciniren. Man reibt diese beiden Substanzen unter Wasser zusammen, bis die Zertheilung vollstaͤndig ist, troknet dann den Teig, pulvert ihn und sezt ihn einer maͤßigen Rothgluͤhhize aus. Dieses Verfahren ist offenbar ganz rationell und sollte gute Resultate geben, sobald man Meister der Operation ist; es gelang mir jedoch bei weitem nicht so gut, wie Brunner's Methode. Die calcinirte Masse war blasser und matter, hart und ungleich in der Farbe. Eine zweite Calcination mit Zusaz von gepulvertem Kochsalz gelang mir auch nicht besser. Die Leitung des Feuers scheint bei dieser Operation ein wesentlicher und sehr schwieriger Umstand zu seyn.