Titel: Bericht des Hrn. Payen über ein von Hrn. Chaix in Paris vorgeschlagenes Mittel zur Verhütung der Incrustationen in den Dampfkesseln.
Fundstelle: Band 64, Jahrgang 1837, Nr. LXV., S. 329
Download: XML
LXV. Bericht des Hrn. Payen uͤber ein von Hrn. Chaix in Paris vorgeschlagenes Mittel zur Verhuͤtung der Incrustationen in den Dampfkesseln. Aus dem Bulletin de la Société de la d'encouragement. April 1837, S. 142. Chair's Methode die Incrustation der Dampfkessel zu verhindern. Eine der groͤßten Unannehmlichkeiten, auf die man bei der Anwendung des Quell- oder Flußwassers in den Dampfkesseln stoͤßt, ist bekanntlich der Niederschlag kalkhaltiger Salze, welcher sich in Gestalt harter, fest an den Kesselwaͤnden haͤngender Incrustationen bildet. Diese harten und beinahe steinartigen, an Dike fortwaͤhrend zunehmenden Schichten sind der Mittheilung der Waͤrme entgegen, und vermindern daher den von dem Brennmaterial zu erwartenden Nuzeffect. Sie bedingen aber auch, indem sie einem Theile der Waͤrme den Durchgang versagen, eine verhaͤltnismaͤßige Erhoͤhung der Temperatur der metallenen Kesselwaͤnde, in Folge deren theils auf chemischem Wege durch Oxydation, theils auf mechanischem Wege durch die starken Ausdehnungen und Contractionen mancherlei Veraͤnderungen in ihnen vorgehen. Ja man versichert sogar, daß bereits mehrere Explosionen dadurch entstanden, daß bei dem zufaͤlligen Zerbrechen oder Zerspringen dieser Krusten das Wasser mit den rothgluͤhenden Kesselwaͤnden in Beruͤhrung kam, wodurch ploͤzlich eine solche Menge Dampf entwikelt ward, daß weder die Sicherheitsventile, noch die schmelzbaren Platten ausreichten, um der ploͤzlichen Entstehung eines fuͤr die Kesselwaͤnde viel zu starken Drukes zu steuern. Man wußte sich dieser hoͤchst laͤstigen und selbst gefaͤhrlichen Incrustationen lange Zeit nur dadurch zu entledigen, daß man die Heizung der verkrusteten Kessel unterbrach; daß man sie bis auf den zum Ausleeren noͤthigen Grad abkuͤhlen ließ; und daß man dann durch Arbeiter, die sich wechselsweise abloͤsten, die Krusten mit Haͤmmern und Scheeren zertruͤmmern ließ. In den engen Siedroͤhren pflegt man die Incrustationen mit einer langen Stange, welche an ihrem Ende scheerenartig gekruͤmmt ist, zu beseitigen; eine Operation, welche nicht nur noch laͤnger dauert, sondern auch zu einem minder vollkommenen Resultate fuͤhrt. Man sieht wohl von selbst ein, wie sehr die bei dieser Reinigungsmethode Statt findenden Erschuͤtterungen zur schnelleren Abnuͤzung der Kessel beitragen mußten; und welcher Verlust an Waͤrme daraus erwachsen mußte, daß man gezwungen war, das Mauerwerk, die Kesselwaͤnde und die Fluͤssigkeit zum Behufe der Reinigung kuͤhl werden zu lassen. Eines der ersten Mittel, welches man zur Verhuͤtung der Incrustationen vorschlug, und welches Hr. Clément aus England nach Frankreich verpflanzte, fand rasch uͤberall Eingang; es bestand darin, daß man zugleich mit dem Wasser eine gewisse Quantitaͤt roher Kartoffeln, ganz oder in Stuͤke zerschnitten, mit in die Dampfgeneratoren brachte. Die starkmehlartigen Theilchen machten die Fluͤssigkeit, indem sie sich in ihr vertheilten, gewisser Maßen seifenartig, so zwar daß die sich ausscheidenden Kalktheilchen bei der hiedurch erzielten Schluͤpfrigkeit verhindert wurden, fest zusammen zu baken. Spaͤter ersezte man die Kartoffel mit gleichem Resultate durch andere, ihrer chemischen Zusammensezung nach aͤhnliche Substanzen, wie z.B. durch Kleien, Gruͤzenkleien und andere derlei Stoffe. Alle diese organischen Substanzen konnten aber, da sie die Fluͤssigkeit klebrig machten und bewirkten, daß sie in Schaum ausstieg und als solcher die Roͤhren und Cylinder verunreinigte, nur mit Ruͤkhalt angewendet werden, und man mußte an Orten, wo das Wasser seinen Bestandtheilen gemaͤß einen zu großen Zusaz dieser Praͤservativmittel erheischt haben wuͤrde, ihrer Anwendung selbst ganz und gar entsagen. Aus denselben Ursachen und vielleicht auch wegen der Schwierigkeit der Verproviantirung gab man selbst die Benuzung der Kartoffel auf den Marine-Dampfbooten auf. An diesen lezteren nun, auf denen die Schwierigkeiten durch mehrere andere incrustirende Salze noch bedeutend erhoͤht werden, und an denen man gezwungen ist, das Wasser aus den Kesseln auszutreiben, bevor es mit Kochsalz gesaͤttigt ist, versuchte Hr. Chaix ein neues Praͤservativmittel. Seine Versuche waren gluͤklich; es liegen die Zeugnisse mehrerer Seepraͤfecten und Capitaͤne hiefuͤr vor; und die Commission uͤberzeugte sich selbst hievon, indem sie in den großen und ausgedehnten Werkstaͤtten des Hrn. Cavé Versuche anstellte. Das Wasser, dessen sich Hr. Cavé zur Speisung seines Dampfkessels bedient, ist so wie jenes der Pariser Brunnen uͤberhaupt, der Maßen mit schwefelsaurem und kohlensaurem Kalke uͤberladen, daß man, obschon das Verdichtungswasser sorgfaͤltig in die Kessel zuruͤkgebracht wird, dennoch gezwungen ist die Dampfgeneratoren alle 8 Tage zu reinigen, und damit eine hoͤchst beschwerliche Arbeit zu vollbringen, welche bei Hrn. Cavé 4 bis 5 Stunden, zuweilen aber auch 2 bis 3 Tage dauert. Der erste Versuch, den die Commission anstellte, wurde mit einem frisch gereinigten Dampfkessel einer Maschine von 10 Pferdekraͤften vorgenommen: er bestand darin, daß man 20 Pfd. feinen, mit Wasser angeruͤhrten Thon in den Kessel gab. Nach acht Tagen, wo die Siedroͤhren gereinigt wurden, hatte sich nicht nur keine neue Incrustation in denselben gebildet, sondern mehrere derjenigen, die von fruͤheren Zeiten her geblieben waren, hatten sich von selbst los geloͤst, so daß der ganze Apparat in einer halben Stunde durch einfaches Ausspuͤlen wieder in gehoͤrigen Zustand versezt werden konnte. Die Commission glaubte den Versuch selbst unter noch unguͤnstigeren Umstaͤnden vornehmen zu muͤssen, d.h. sie ließ den Kessel 14 Tage lang unausgesezt heizen; selbst in diesem Falle entstand aber nicht nur gar kein Nachtheil, sondern der Kessel und seine beiden Siedroͤhren waren nach Ablauf dieser Zeit eben so rein, wie nach den ersten 8 Tagen. Dasselbe Resultat gab ein dritter Versuch, der mit einem alten Kessel und bei 14 taͤgiger Heizung vorgenommen wurde. Die Wirkung, welche der Thon unter diesen Umstaͤnden ausuͤbt, laͤßt sich dadurch erklaͤren, daß sich seine Theilchen in Folge ihrer Feinheit und ihrer Faͤhigkeit Wasser einzusaugen, zwischen die anderen festen Koͤrper lagern und deren Oberflaͤche schluͤpfrig erhalten, und zwar in einem solchen Grade, daß mehrere Sorten Thon selbst zu einer Art von Verseifungsproceß angewendet werden koͤnnen. Die Theorie der Wirkung des Thones ist also beinahe dieselbe, wie jene, welche oben fuͤr die staͤrkmehlhaltigen Substanzen angegeben wurde: mit dem Unterschiede jedoch, daß der Thon diese Wirkung hervorbringt, ohne daß er der Fluͤssigkeit die erwaͤhnte klebrige und nachtheilige Beschaffenheit mittheilt. Die Commission haͤlt es fuͤr erwiesen, daß dieses Mittel die besten Garantien gegen die Incrustationen bietet, wenn das zur Speisung der Kessel verwendete Wasser auch noch so kalkhaltig ist: unter der Bedingung jedoch, daß der Thon selbst sich nicht zu fest abseze, wenn man ihn zu lange in den Siedroͤhren belaͤßt, ohne daß er durch die Bewegung der Fluͤssigkeit in schwebenden Zustand versezt wird. Die Wichtigkeit- welche dieser Vorsichtsmaßregel nicht bloß deßwegen beizulegen ist, weil sie eine große Ersparniß an Brennmaterial und Arbeitslohn bedingt, sondern auch weil sie eine laͤngere Dauer der Kessel und eine groͤßere Sicherheit gegen Explosionen verspricht, rechtfertigt den Wunsch, daß dieses einfache Mittel bald allgemein bekannt und in Anwendung gebracht werden moͤge.