Titel: Ueber den Dienst der Apparate, mit welchen im Hôpital Saint-Louis in Paris, und in dem Hospice général in Lille Knochengallerte und Knochensuppe bereitet wird. Von Hrn. d'Arcet, Mitglied der Akademie in Paris.
Fundstelle: Band 64, Jahrgang 1837, Nr. LXXVII., S. 383
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LXXVII. Ueber den Dienst der Apparate, mit welchen im Hôpital Saint-Louis in Paris, und in dem Hospice général in Lille Knochengallerte und Knochensuppe bereitet wird. Von Hrn. d'Arcet, Mitglied der Akademie in Paris.Dieß ist nach laͤngerer Zeit wieder der erste ausfuͤhrlichere Bericht, den Hr. d'Arcet uͤber einen seiner Lieblingsgegenstande erstattete. Wir muͤssen, damit man ihn vollkommen wuͤrdigen koͤnne, auf das hinweisen, was das Polytechn. Journal Bd. XXXIII. S. 222, Bd. XLIII. S. 88 und Bd. XLVIII. S. 316 hieruͤber enthaͤlt. Die wesentlichste Verbesserung, die man in der Benuzung des d'Arcet'schen Apparates bemerken wird, und die allerdings geeignet seyn duͤrfte, demselben nunmehr allerwaͤrts groͤßeren Eingang zu verschaffen, besteht darin, daß man den minderen Gehalt der Suppe dadurch ersezt, daß man den Reconvalescenten und Armen eine groͤßere Menge guten gebratenen Fleisches reicht, ohne daß daraus im Vergleiche mit den fruͤheren Kosten der Nahrung ein groͤßerer Geldaufwand erwaͤchst. Es waͤre demnach zu wuͤnschen, daß man in allen groͤßeren Staͤdten d'Arcet'sche Suppenanstalten errichtete; namentlich scheint es uns, daß dieß den Armenpflegschafts-Administrationen zu empfehlen waͤre; denn gewiß wuͤrde ihr Zwek besser erreicht werden, wenn man den Armen einen taͤglichen Naturalien- oder Kostbezug anwiese, als dadurch, daß man diesen woͤchentlich einiges Geld spendet, welches gewoͤhnlich an einem einzigen Tage durchgebracht wird.A. d. R. Aus dem Recueil industriel, Februar 1837, S. 104. d'Arcet's Apparate fuͤr Knochengallerte u. Knochensuppe. Der Apparat, womit in dem Hôpital Saint-Louis nach meiner Angabe Knochensuppe bereitet wird, arbeitet seit dem 9. Okt. 1829 beinahe unausgesezt, und hat innerhalb 7 Jahren nicht weniger als 1,081,982 Liter Gallertaufloͤsung und 4776 Kilogr. Fett geliefert. Diese Produkte dienten zur Bereitung von 2,167,559 Rationen Gallentspeisen, wovon 1,736,859 Rationen an die Kranken, 417,900 an das Dienstpersonal, und 12,800 an arme Familien abgegeben wurden. Die Zahl der Personen, welche diese Nahrungsmittel genossen, belief sich auf 60,549, worunter 47,119 Kranke, 630 Individuen vom Dienstpersonale und 12,800 Arme. Die nunmehr siebenjaͤhrige Dauer dieses diaͤtetischen Regime und der Ruf, den sowohl das genannte Spital als dessen Verwaltung genießt, geben einen neuen Beweis fuͤr den bereits oͤffentlich und auch zu wiederholten Malen von der medicinischen Facultaͤt am erkannten Grundsaz, daß die gehoͤrige Verwendung der Gallerte als Nahrungsmittel dem menschlichen Organismus nicht im Geringsten nachtheilig ist. Der große Vortheil, den dieses Nahrungsmittel vielmehr gewahrt, ergibt sich daraus, daß der Mensch stikstoffhaltiger Stoffe zu seiner Nahrung bedarf; daß man sich die Gallerte fuͤr sehr wohlfeilen Preis verschaffen kann; und daß man, wenn man sich ihrer bedient, sowohl den Reconvalescenten als den Gesunden ohne alle Kostenerhoͤhung eine groͤßere Menge Gebratenes, Ragout und andere nahrhafte Speisen reichen kann, als dieß bisher in Spitaͤlern und Wohlthaͤtigkeitsanstalten moͤglich war. Folgende Tabelle enthaͤlt die Details des siebenjaͤhrigen Dienstes des Apparates, welcher dem Hôpital Saint-Louis angehoͤrt. Textabbildung Bd. 64, S. 384 Diese 1133 Liter Gallerte repraͤsentiren 4532 Liter Gallertaufloͤsung von gewoͤhnlicher Starke; laͤßt man also zur Vereinfachung des Calculs diese 1133 Liter weg und zaͤhlt man dafuͤr bei der dritten Colonne 4532 Liter Gallertaufloͤsung hinzu, so gibt dieß eine Gesammtzahl von 1,081,982 Liter Gattertaufloͤsung. A. d. O. Verbrauch; Producte; Datum; Jaͤhrl. Verbrauch an Kohlen; Jaͤhrl. Verbrauch an Knochen; Gallertaufloͤsung; Fett; Knochen, aus denen aller Nahrungsstoff ausgezogen worden war; Gallerte; Hect.; Kil.; Liter; Kil.; Vom 9. Okt. 1829 bis 9. Okt. 1830; Vom 9. Okt. 1830 9. Okt. 1831; Vom 9. Okt. 1831 bis 9. Okt. 1832; Vom 9. Okt. 1832 bis 9. Okt. 1833; Vom 9. Okt. 1833 bis 9. Okt. 1834; Vom 9. Okt. 1834 bis 9. Okt. 1835; Vom 9. Okt. 1835 bis 9. Okt. 1836; Summa Hieraus ergibt sich als mittlerer Durchschnitt fuͤr jeden Tag ein Verbrauch von 67,44 Kilogr. Steinkohlen und 27,454 Kilogr. frischer KnochenDie frischen, aus den Fleischhafen kommenden Knochen enthalten 8 Proc. Wasser.A. d. O.; dafuͤr aber ein Ertrag von 423,476 Liter Gallertaufloͤsung, von 1,869 Kilogr. Fett, und von 21,746 feuchten Knochenruͤkstandes.Der Knochenruͤkstand enthaͤlt, so wie er aus den Cylindern kommt, gegen 20 Proc. Wasser; ich will jedoch, um sicher zu seyn, nur 25 Proc. annehmen.A. d. O. Reducirt man die frischen Knochen und den feuchten Knochenruͤkstand auf den Zustand der Trokenheit, so ergibt sich ein taͤglicher Verbrauch von 67,44 Kilogr. Steinkohlen und 25,257 Kilogr. trokener Knochen; dagegen ein Ertrag von 423,476 Liter Gallertaufloͤsung, von 1,869 Kilogr. Fett und von 16,309 trokenen Knochenruͤkstandes. Nach einem siebenjaͤhrigen Durchschnitte gaben also 100 Kilogr. trokene Knochen 1676 Liter Gallertaufloͤsung oder 28,029 Kilogr. trokene Gallerte, 7,399 Kilogr. Fett, und 64,572 Kilogr. Knochenruͤkstand, so daß demnach 100 Kilogr. trokene Knochen 36 Kilogr. trokenen Nahrungsstoff lieferten, und daß die erzielte Gallertaufloͤsung im Liter 16 bis 17 Grammen trokene Gallerte aufgeloͤst enthielt. Damit man diese Resultate noch besser wuͤrdigen koͤnne, muß ich bemerken, daß der Apparat, den das Hôpital Saint-Louis besizt, nichts weniger als musterhaft, sondern vielmehr schlecht ist, und fuͤr geringe Kosten aus vier alten Roͤhren einer Dampfmaschine zusammengesezt wurde. Ferner kommt zu beruͤksichtigen, daß von dem zum Fuͤllen der Cylinder noͤthigen Knochenbedarfe taͤglich 6 bis 7 Kil. Knochen fehlten, weßhalb also der Apparat auch nie das Maximum seines Nuzeffectes geben konnte; daß man denselben nicht nebenbei zum Heizen benuzte; daß man gar keine Vorsichtsmaßregel anwandte, um das Auskuͤhlen seiner 6 Quadratmeter großen Oberflaͤche zu verhuͤten; und endlich, daß sich die zu seinem Betriebe verbrauchte Quantitaͤt Brennmaterial leicht um die Haͤlfte vermindern ließe. Was die Gallertaufloͤsung betrifft, so reicht ein Gehalt von 10 Grammen trokener Gallerte per Liter Aufloͤsung hin, um dieselbe mit Vortheil und mit einer Ersparniß von der Haͤlfte oder selbst von 2/3 Fleisch bei der Suppenbereitung zu benuzen. In dieser Hinsicht laͤßt der Apparat allerdings nichts zu wuͤnschen uͤbrig; denn man kann mit demselben nach Belieben Gallertaufloͤsung bereiten, welche so concentrirt ist, daß sie beim Abkuͤhlen zur Gallerte erstarrt. Wendet man Knochen an, die nicht sehr fett sind, so ist es ein Leichtes, sich eine Aufloͤsung zu verschaffen, welche bis an 20 Grammen trokener Gallerte in einem Liter enthaͤlt. In Beziehung auf den Kostenpunkt bleibt gleichfalls kaum etwas zu wuͤnschen uͤbrig; denn die Erfahrung hat gezeigt, daß, wenn man sich guter Apparate bedient, und wenn man gehoͤrig verfaͤhrt, der Liter Aufloͤsung gewoͤhnlich nur auf einen Centime, manchmal selbst auf gar nichts zu stehen kommt. Kann man mehr verlangen, und wird man nicht einst bedauern, daß man eine so reiche Nahrungsquelle so lange gaͤnzlich unbenuzt ließ? Ich hoffe, daß die Bekanntmachung des gegenwaͤrtigen Berichtes die Einfuͤhrung des fraglichen Apparates von Seite der Administrationen der Versorgungs- und Armenhaͤuser und anderer Wohlthaͤtigkeitsanstalten beschleunigen wird. Meine Ansicht hieruͤber steht fest, und ich kann nachdruͤklich versichern, daß alle die Discussionen, welche ich im Laufe von 22 Jahren in Betreff der Anwendung der Gallerte als Nahrungsmittel zu bestehen hatte, mich nur mehr und mehr in der Meinung bestaͤrkten, daß ich auf dem rechten Wege bin, und daß ich fest auf demselben zu beharren habe. Ich fuͤge nunmehr nur noch den Bericht bei, den mir das Bureau der Wohlthaͤtigkeitsanstalten der Stadt Lille erstattete. „Unser Apparat, heißt es in diesem Berichte, arbeitet seit Maͤrz 1832. Er hatte anfangs sowohl von Seite der Duͤrftigen, fuͤr die er hauptsaͤchlich bestimmt war, als auch von Seite jener, die bei allen Neuerungen erschreken, das Vorurtheil gegen sich: ein vierjaͤhriger Dienst hat dieses gluͤklicher Weise groͤßten Theils verscheucht. Wir vertheilen gegenwaͤrtig an Kranke, Woͤchnerinnen und Reconvalescenten eine Suppe, welche mit Gallerte und mit einem Zusaze von 20 Proc. Fleisch bereitet und sowohl ihrer Kraft als ihres Wohlgeschmakes wegen allgemein jener vorgezogen wird, die nach der gewoͤhnlichen Methode bereitet wurde. Außerdem vertheilen wir an arme Familien anstatt eines Theiles des ihnen bewilligten Brodes, je nach der Jahreszeit, Reis, Kartoffeln oder Bohnen, die mit Gallertaufloͤsung zubereitet worden sind. Dieses Gericht, welches anfangs nur mit Widerwillen von den Armen, die das Brod vorzogen, angenommen wurde, wird nunmehr von der Mehrzahl gierig gesucht; denn diese animalisirten Gemuͤse geben in der That eine wohlschmekende und nahrhafte Speise. Wir wachen mit aller Sorgfalt uͤber unserer Anstalt, und koͤnnen uns zur Einfuͤhrung einer Verpflegungsweise, die so viel leistet, und die unter allenfalls eintretenden schwierigen Zeitumstaͤnden noch mehr verspricht, nur Gluͤk wuͤnschen. „Unser Apparat lieferte, seit er in Gang ist, und obwohl er woͤchentlich nur zwei Mal arbeitetSo ruͤhmenswerth das von Lille gegebene Beispiel auch ist, so zieht man daselbst von dem fraglichen Verfahren doch nichts weniger als den vollen Nuzen. Der Apparat gibt naͤmlich nur dann den vollen Nuzeffect, wenn er Tag und Nacht arbeitet, und keineswegs, wenn er wie in Lille nur zwei Mal in der Woche benuzt wird.A. d. O., gegen 146,250 Liter Suppe, eben so viele Portionen gekochtes und ausgeloͤstes Fleisch, jede zu beilaͤufig 2 Unzen und 108,780 Liter Gemuͤse. Jeder Liter Suppe kam mit Einschluß von 2 Unzen Fleisch auf 25 Centimen; jeder Liter mit Gallerte-Aufloͤsung gekochten Gemuͤses auf 8 3/4 Cent. zu stehen. „Wir geben in finanzieller Hinsicht folgende weitere Aufschluͤsse: Die vier Cylinder unseres Apparates enthalten zusammen 140 Kilogr. Knochen, welche 4 Tage lang oder 96 Stunden hindurch extrahirt werden. Die 140 Kilogr. Knochen zu 12 Cent. kommen auf 16 Fr. 80 C. 5 Cntr. Steinkohlen zu 2 Fr. 35 Cent. auf 14  – 10 – 4 Arbeiter, jeder des Tages zu 1 Fr. 16 –  –  – Interessen des Capitales und Unterhaltungskosten   5  – 20 – ––––––––––– Summa 52 Fr. 10 C. Davon ab die ruͤkstaͤndigen 70 Kilogr. Knochen zu 3 Cent. das Kilogr   2  – 10 – ––––––––––– Summa der Kosten 50 Fr. – C. Die vier Cylinder geben stuͤndlich 25 Liter Bruͤhe, mithin in 86 Stunden 2400 Liter, so daß also der Liter auf 2 1/12, Cent. zu stehen kommt. 1000 Liter dieser Bruͤhe geben mit 100 Kilogr. Fleisch eine eben so starke Suppe, wie 1000 Liter Wasser mit 250 Kilogr. Fleisch. Vergleichsweise Zusammenstellung der Kosten der mit Wasser und Fleisch und mit Gallertbruͤhe und Fleisch bereiteten Suppe. Textabbildung Bd. 64, S. 388 250 Kilogr. Fleisch und 1000 Liter Wasser; Kilogr. Fleisch und 1000 Liter Gallerte-Aufloͤsung; 1000 Liter Wasser; 1000 Liter Gallerte-Aufloͤsung zu 2 1/12 Cent; 250 Kilogr. Fleisch zu 90 C.; 100 Kilogr. Fleisch zu 90 C.; 12 Kilogr. Kochsalz zu 50 C.; 30 Kil. frische Gemuͤse zu 25 C.; Gebraunte Zwiebeln; weiße Zwiebeln; Thymian; Lorbeerblaͤtter; 2 Cntr. Steinkohlen zu 2 Fr. 35 Cent; Arbeiter mit 1 Fr. Taglohn; Interessen und Unterhaltungskosten; Summa; Davon ab den Werth von 125 Kilogr. gekochten und ausgeloͤsten Fleisches zu 90 Cent. per Kilogramm; Davon ab 50 Kilogr. gekochten und ausgeloͤsten Fleisches zu 90 Cent; Rest; Rechnet man auf 1000 Liter den sechsten Theil oder 66 Liter Verlust, so bleiben 834 Liter, so daß also der Liter Suppe zu stehen kommt auf Vergleichsweise Zusammenstellung der Preise verschiedener Gallertsuppen per 1000 Liter. Textabbildung Bd. 64, S. 388 Mit Schwarzbrod; Mit Reis; Mit Erbsen oder Bohnen; Mit Kartoffeln; 120 Kilogr. Brod zu 20 Cent. das Kilogr.; 100 Kilogr. Reis zu 70 Cent; 200 Liter Erbsen oder Bohnen zu 20 C.; 10 Hectol. Kartoffel zu 3 Fr. 50 C.; 1000 Liter Gallerte-Aufloͤsung zu 2 1/12 C.; 12 Kilogr. Kochsalz zu 50 C. das Kil.; 1/4 Kilogr. Pfeffer zu 2 Fr. das Kil.; 5 Kilogr. Fett zum Braunen der Zwiebeln; 1/2 Hectol. weiße Zwiebeln; 2 Cntr. Steinkohlen; 2 Arbeiter zu 1 Fr.; Interessen und Unterhaltungskosten; Summa fuͤr 1000 Liter; Der Liter kommt also auf Alles dieß liefert den klarsten Beweis, wie viel der Gallerts suppenapparat zur Verbesserung der Kost der Armen beitragen kann: es braucht naͤmlich nichts weiter, als daß man die Ersparniß nicht wirklich realisirt, sondern daß man sie verwendet, um entweder die Lost zu verbessern, oder um eine groͤßere Anzahl von Individuen zu unterstuͤzen.