Titel: Ueber die Erscheinungen während der geistigen, sauren und faulen Gährung aufgelöster Pflanzenstoffe; nach Hrn. R. Rigg.
Fundstelle: Band 65, Jahrgang 1837, Nr. XX., S. 67
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XX. Ueber die Erscheinungen waͤhrend der geistigen, sauren und faulen Gaͤhrung aufgeloͤster Pflanzenstoffe; nach Hrn. R. Rigg. Aus dem Journal de Chimie médicale. Maͤrz 1837. Rigg, uͤber die Gaͤhrung aufgeloͤster Pflanzenstoffe. Obgleich schon viele ausgezeichnete Chemiker die Erscheinungen bei der Gaͤhrung zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht haben, so ist derselbe doch bei weitem noch nicht erschoͤpft; man muß daher Hrn. Rigg, einem englischen Chemiker, Dank wissen, daß er neuerdings specielle Versuche uͤber diesen Punkt angestellt hat. Hinsichtlich des Hergangs bei der geistigen Gaͤhrung kam er auf den Schluß, daß der Zuker nicht die einzige Pflanzensubstanz ist, welche zersezt wird und daß die Veraͤnderung darin besteht, daß sich einerseits 2 Aequivalente Kohlenstoff (= 12,24) vom Zuker, Malz oder irgend einer anderen Pflanzensubstanz herruͤhrend, mit 2 Aequivalenten Wasserstoff (= 2) vom Wasser zu 14,24 Theilen Kohlenwasserstoffgas verbinden; und andererseits 1 Aequivalent Kohlenstoff (= 6,12) vom Zuker mit 2 Aequivalenten Sauerstoff (= 16) vom Wasser zu 22,12 Theilen Kohlensaͤure. Er glaubt, daß bei dieser Veraͤnderung das Kohlenwasserstoffgas im Wasser durch eine Verwandtschaft, die man uͤberwinden kann, geloͤst zuruͤkgehalten wird, und daß die Substanz, welche mit dem Kohlenstoff den Zuker (oder das Malz etc.) bildete, alsdann in Freiheit gesezt wird, um neue Verbindungen einzugehen. Die Zersezungsproducte uͤberschreiten nach seinen Versuchen das Gewicht des Zukers um 10 Proc. und das des Malzes oder einer analogen Pflanzensubstanz um 11 bis 12 Proc., wenn man wie gegenwaͤrtig annimmt, daß nur der Zuker oder eine analoge Pflanzensubstanz waͤhrend der geistigen Gaͤhrung zersezt wird. Seine Analyse des Zukers lieferte ihm ein Verhaͤltniß von Wasser und Kohlensaͤure, welches von den fruͤheren Angaben abweicht, denn er fand 45 bis 45,5 Proc. Kohlensaͤure. Im Alkohol fand er 59,7 bis 60 Proc. (oͤhlbildendes) Kohlenwasserstoffgas und das Fehlende an Wasser. Seine Versuche uͤber die saure und faule Gaͤhrung sind zahlreich und er hat die Resultate, welche im Allgemeinen mit den fruͤheren Angaben uͤbereinstimmen, in Tabellen zusammengestellt. Er fand daß bei der sauren Gaͤhrung 57 Gewichtstheile Kohlenwasserstoff, 5 Zuker oder einer anderen Pflanzensubstanz und 64 atmosphaͤrischer Sauerstoff sich zu 100 Theilen Essigsaͤure und ungefaͤhr 24 Wasser verbinden, eine unaufloͤsliche Substanz zuruͤklassend, die andere Verbindungen bildet. Der Verfasser beruͤksichtigt also bei dieser Reaction die Zersezung der Pflanzensubstanz, welche man bei der allgemein angenommenen Theorie nicht beachtet. Wenn gegohrene geistige Fluͤssigkeiten an freier Luft in die faule Gaͤhrung uͤbergehen, verbindet sich nach Rigg ein Aequivalent Kohlenwasserstoff (= 6,12) mit 2 Aequivalenten atmosphaͤrischem Sauerstoff (= 16) zu 22,12 Theilen Kohlensaͤure; waͤhrend ein Aequivalent Wasserstoff vom Kohlenwasserstoffgas (= 1) sich mit einem Aequivalent atmosphaͤrischem Sauerstoff (= 8) zu 9 Theilen Wasser vereinigt; es wird naͤmlich nach ihm ein Theil des Zukers oder der anderen Pflanzensubstanz auf diese Art zersezt und es bleibt dann eine unloͤsliche Substanz in der Fluͤssigkeit zuruͤk, welche in Beruͤhrung mit der Luft eine neue Zersezung erleidet und dabei sehr uͤbelriechende Producte bildet. Wenn die Essigsaͤure an freier Luft in faule Gaͤhrung uͤbergeht, verbindet sich nach Rigg ein Aequivalent Kohlenstoff der Essigsaͤure (= 6,12) mit 2 Aequivalent atmosphaͤrischem Sauerstoff (= 16) zu 22,12 Theilen Kohlensaͤure; der Sauerstoff und Wasserstoff aber, welche mit dem Kohlenstoff die Essigsaͤure bildeten, bleiben als Wasser zuruͤk, waͤhrend auch ein Theil der Pflanzensubstanz mit Hinterlassung einer unloͤslichen Materie zersezt wird und durch die Beruͤhrung mit der Luft uͤberdieß noch andere Substanzen entstehen. Wenn eine Loͤsung von Zuker oder einer anderen Pflanzensubstanz direct in faule Gaͤhrung uͤbergeht, verbindet sich nach dem Verfasser ein Aequivalent Kohlenstoff des Zukers (= 6,12) mit 2 Aequivalenten atmosphaͤrischem Sauerstoff (= 16) zu 22,12 Theilen Kohlensaͤure, mit Hinterlassung von Wasser und einer unloͤslichen Materie, die dann aͤhnliche Veraͤnderungen wie die oben erwaͤhnten erleidet. Der Kohlenwasserstoff, welcher waͤhrend der geistigen Gaͤhrung entstand, erleidet (die Fluͤssigkeit mag nun im Zustand einer weinigen, oder eines schwachen oder starken Geistes oder von Alkohol oder Aether seyn) unter Umstaͤnden, welche diesen Veraͤnderungen guͤnstig sind, eine ganz gleiche Zersezung, ohne alle Reaction und Bezug auf das Wasser, welches mit ihm in jeder Art von Fluͤssigkeit verbunden seyn mag. Dieser Kohlenwasserstoff kann weder durch Destillation noch auf andere Weise mit einer Portion des Wassers, womit er sich zuerst verbunden hatte, abgeschieden und dann wieder mit denselben Substanzen vereinigt werden, ohne eine von der urspruͤnglichen ganz verschiedene Verbindung darzustellen: und wir erhalten ihn auch, je nachdem ihm mehr oder weniger Wasser entzogen wird, in einem verschiedenen Zustande; und dieß geschieht ohne Bezug auf eine besondere Substanz, die wir Alkohol oder Aether nennen koͤnnen. Nach Rigg sollte daher auch keiner dieser beiden schlecht definirten Koͤrper als ein besonderes Princip betrachtet werden; vielmehr besteht die ganze Reihe der Koͤrper von der schwaͤchsten gegohrenen Fluͤssigkeit (nach ihrer Destillation) bis zum rectificirtesten Aether nach ihm nur aus verschiedenen Verbindungen von Kohlenwasserstoff (dem ersten Product der geistigen Gaͤhrung) und Wasser.