Titel: Ueber eine neue, von Hrn. Barbeau d. jüng. erfundene Methode den Bau in den Gypsgruben zu führen. Auszug aus dem Berichte des Hrn. Masson-Four und des Hrn. Oberberg-Ingenieur Trémery.
Fundstelle: Band 67, Jahrgang 1838, Nr. XXII., S. 65
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XXII. Ueber eine neue, von Hrn. Barbeau d. juͤng. erfundene Methode den Bau in den Gypsgruben zu fuͤhren. Auszug aus dem Berichte des Hrn. Masson-Four und des Hrn. Oberberg-Ingenieur Trémery. Aus dem Journal de l'Académie de l'Industrie. Mai, 1837. Ueber den Bau in den Gypsgruben. Es muß wohl Jedermann uͤberraschen, daß man in der Gegend von Paris, gleichsam vor der Thuͤre der ersten Bergschule Frankreichs und unter der unmittelbaren Aufsicht der kompetenten Behoͤrden, die Gypsgruben noch ganz nach dem urspruͤnglichen Systeme ausbeutet. Das im Maͤrz 1813 hieruͤber erschienene Reglement aͤnderte nichts an der seit 200 Jahren befolgten Methode, und die darin befohlenen Vorsichtsmaßregeln sind weit entfernt gegen die bei diesen Bauten vorkommenden Gefahren und Ungluͤksfaͤlle zu schuͤzen. Hr. Barbeau d. j. hat durch eifrige Untersuchung der Pariser Gruben und Gypswerke alle deren Mangel aufgedekt, und ihnen durch neue Mittel zu steuern gesucht. Wir haben uns, obschon seine Methode mannigfacher, sowohl von Seite des Schlendrians, als von Seite der Administration in den Weg gelegter Hindernisse wegen noch nicht die Sanction der Praxis erlangte, doch durch Studium der vorgelegten Plaͤne und Aufsaͤze uͤberzeugt, daß Hr. Barbeau den vorgestekten Zwek: Sicherheit fuͤr die Arbeiter, Ersparniß an den Gewinnungskosten und Verbesserung der Producte, vollkommen erreicht hat. Nach dem neuen Systeme ist in der Mitte des auszubeutenden Lagers bis in die untersten Gypsbaͤnke hinab ein Schacht abzuteufen, von welchem aus uͤber einander und bis an die Graͤnze des ausbeutbaren Terrains zwei Stollen getrieben werden. Der erste dieser Stollen, den man den Ausbeutstollen (galérie d'exploitation) nennen kann, muß sich in dem oberen Theil des Lagers befinden, und 2 Meter Hoͤhe haben. Seine Deke oder sein Himmel soll nicht von dem sogenannten Banc des moutons und auch nicht von dem Banc des fleurs gebildet werden, sondern beide Baͤnke sind zu beseitigen und in der ganzen Laͤnge des Stollens durch ein Gewoͤlbe zu ersezen, indem dieses vor einem von einer Gypsbank gebildeten und von Stuͤzen getragenen Himmel bei weitem den Vorzug verdient. Der untere Stollen, dem man den Namen Betriebsstollen (gálérie de service) beilegen kann, wird in den unteren Baͤnken in einer Hoͤhe und Breite von zwei Metern eroͤffnet, und muß oben eine abgestuzte Bogengraͤte haben, damit der Himmel weniger Breite bekommt. Wenn die beiden Stollen an der Graͤnze des ausbeutbaren Terrains angelangt sind, so sprengt man vom Grunde angefangen mit Pulver alle unter dem oberen Stollen befindlichen Baͤnke, so daß man einen Stollen oder vielmehr ein Atelier erhaͤlt, dessen oberer Theil von dem Gewoͤlbe des Stollens gebildet wird, welches die Form der gewoͤhnlichen Ateliers de cavage de haute masse hat, und wie diese hoͤchstens 14 Meter in der Laͤnge haben darf. Die Vorspruͤnge oder Nasen (encorbellants ou nez) muͤssen in der Haͤlfte der Hoͤhe dieser Ateliers ihren Ursprung nehmen. In der Naͤhe des Ortes, an welchem der Gyps zu Tage kommt, oder wenn keine Schachte gebaut wurden, in der Naͤhe der Muͤndung der Cavage erbaut Hr. Barbeau eine gedekte, vielseitige Einfangung, an der er so viele aneinander graͤnzende, kleine Oefen anbringt, als sie Seiten hat. Jeder dieser Oefen besteht aus zwei, auf einander gesezten Theilen, von denen der untere zum Brennen des gewoͤhnlichen, der obere hingegen zum Brennen jenes Gypses eingerichtet ist, welcher zum Modelliren bestimmt ist. Lezterer wird durch die aus dem ersteren uͤbergehende Hize geheizt. Der untere Ofen ist mit einem gußeisernen, beweglichen Roste ausgestattet, damit man den gebrannten Gyps durch eine Schaukelbewegung auf einen Centralrost schaffen kann. Ist er auf diesem grob zerstoßen worden, so faͤllt er durch die zwischen den Roststangen befindlichen Zwischenraͤume in einen Trichter, in dessen Grund sich eine Nuß und zwei gußeiserne Muscheln befinden, und aus welchem der Gyps, nachdem er noch durch die Siebe gelaufen ist, gleich in Saͤke oder Faͤsser gelangt, um in diesen und von verschiedenem Grade der Feinheit in den Handel zu kommen. Alle diese Operationen werden durch eine und dieselbe Triebkraft, z.B. durch einen Pferdegoͤpel oder durch eine Dampfmaschine, vollbracht; und da sie sowohl gegen die Einwirkung der Feuchtigkeit, als auch gegen alle anderen nachtheiligen Einfluͤsse geschuͤzt sind, so glaubt Hr. Barbeau mit Recht, daß man nach seinem Systeme immer Gyps von gleicher und besserer Qualitaͤt erzielen kann, als nach irgend einem anderen Systeme. Durch die Ausbeutung der Grube wird nothwendig der untere Stollen zerstoͤrt; der davon uͤbrig bleibende Theil kann jedoch zum Transporte der Gypssteine an den Schacht, in welchem sie an die Oefen empor geschafft werden, dienen. Gegen den Grund des oberen Stollens hin ist ein Loch zu graben, in welches man das Erdreich, welches bei den auf demselben Grundstuͤke unter freiem Himmel gefuͤhrten Bauten beim Abraͤumen gewonnen wird, wirft. In dem Maaße als sich der Bau dem Schachte naͤhert, wird die Erde am Fuße des Loches genommen, damit die Ausfuͤllung auf solche Weise fortschreite, daß sich zwischen dem Grunde der Sohle und den Theilen der in Ausbeutung begriffenen Masse nie mehr als drei oder vier Meter befinden. Es wurde oben gesagt, daß die Stollen gegen die Graͤnzen des ausbeutbaren Terrains getrieben wuͤrden; sie werden aber in einer Richtung fortgefuͤhrt, welche der Richtung des unter freiem Himmel gefuͤhrten Baues entgegengesezt ist. Immer in demselben Schachte und unter rechten Winkeln mit diesen Stollen, werden ein und andererseits aͤhnliche Stollen getrieben und zwar zu beiden Seiten bis an die Graͤnzen des ausbeutbaren Terrains. Rechts und links von diesen Stollen, und in Entfernungen von 17 zu 17 Meter werden noch andere den ersteren vollkommen aͤhnliche und mit ihnen parallel laufende Stollen getrieben, die man dann auf die angegebene Weise ausbeutet und wieder ausfuͤllt. Die gewonnenen Gypssteine schafft man durch die queren Stollen in den senkrechten und durch diesen bis zum Schachte. Der senkrechte Stollen muß waͤhrend des ganzen Betriebes bestehen; erst zulezt wird auch er ausgebeutet und dann gleichfalls ausgefuͤllt. Auf solche Weise wird das Terrain mittelst paralleler Ateliers, welche durch Waͤnde, die an der Basis wenigstens drei Meter Dike haben, von einander getrennt sind, regelmaͤßig ausgebeutet. Die neue Methode gewaͤhrt demnach den Vortheil, daß die Arbeiter in einem gewoͤlbten Stollen arbeiten; daß die ausgebeuteten Steine in einem in der ganzen Masse gefuͤhrten Stollen von zwei Meter Hoͤhe und eben so viel Breite gefuͤhrt werden, und daß die Ausfuͤllung im Maaße des Fortschreitens der Ausbeutung voranschreitet, so daß keine Gefahr fuͤr die Zukunft aus ihr erwaͤchst. Aus allen diesen Gruͤnden glauben wir, daß die Verwaltung dem neuen Systeme des Hrn. Barbeau ihre Zustimmung geben sollte.