Titel: Ueber Aloëpurpur und seine Anwendung in der Seidenfärberei; von L. Elsner.
Fundstelle: Band 68, Jahrgang 1838, Nr. XV., S. 65
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XV. Ueber Aloëpurpur und seine Anwendung in der Seidenfaͤrberei; von L. Elsner. Elsner, uͤber Aloëpurpur und seine Anwendung. Was die wissenschaftliche Behandlung der Aloësaͤure oder des kuͤnstlichen Aloëbitters anlangt, so ist bekannt genug, welche ausgezeichnete Chemiker sich damit befaßt haben. Ich habe daher auch in Nachstehendem nur die Absicht, auf eine besondere Anwendung dieses kuͤnstlich erzeugten Stoffes in der Technik aufmerksam zu machen. – Hr. Prof. Runge sagt in seinem Werke „Farbenchemie, 1837,“ S. 199, indem er in einem besonderen Abschnitte uͤber „kuͤnstlich dargestellte Farbstoffe“ handelt, uͤber Aloë Folgendes: Um aus der Aloë einen fuͤr die Faͤrberei vielleicht anwendbaren Stoff zu gewinnen, verfahre man wie folgt: 1 Pfd. Aloë, 8 Pfd. Salpetersaͤure werden in einer Retorte fast bis zur Trokniß destillirt. Der Ruͤkstand wird mit Wasser ausgewaschen, wobei ein gelbes Pulver zuruͤkbleibt, welches mit Alkalien purpurrothe Verbindungen eingeht. Dieser Farbestoff scheint fuͤr Seide zu passen. Eine naͤhere Pruͤfung fehlt jedoch. Um nun das Verhalten dieser Aloesaͤure gegen den Seidenfaserstoff zu pruͤfen, wurde ganz nach obiger Angabe die Aloë in einer geraͤumigen Retorte mit Salpetersaͤure von spec. Gew. 1,200–1,300 behandelt; der gelbe Ruͤkstand von Syrupconsistenz wurde mit Regenwasser bei einer Temperatur von 10°–15° C. ausgelaugt, wodurch eine sehr concentrirte gelbe Aufloͤsung erhalten wurde und außerdem das schon oben naͤher bezeichnete gelbe Pulver, welches sich aus der gelben Aufloͤsung, die in ein hohes Cylinderglas gegossen wurde, absezte, was bei starker Verduͤnnung der Fluͤssigkeit mit weichem Wasser um so schneller Statt fand. Dieses gelbe Pulver loͤste sich, wie auch schon bekannt, in heißem Wasser (kochendem Wasser) mit purpurrother Farbe, die aber sehr bald in ein nicht angenehmes Braunroth uͤberging und auch der in die Fluͤssigkeit eingetauchten degummirten Seide eine braͤunliche Purpurfarbe mittheilte. Die Aufloͤsung in Kalilauge hatte eine tief gelbe Farbe; die Aufloͤsung aber in Aezammoniak hatte eine tiefe Purpurfarbe. Auch das Verhalten dieses Stoffes gegen Alkalien ist bekannt; es war daher etwa als Naͤchstliegendes das Verhalten gegen Weingeist von gewoͤhnlicher Staͤrke (80° Richter) zu untersuchen. In diesem nun loͤst sich diese Aloësaͤure mit wirklich praͤchtig purpurrother Farbe bei gewoͤhnlicher Temperatur auf, und mit solch einer Aufloͤsung sind auch alle noch anzugebenden Versuche angestellt. Auch dieses Verhalten hat Braconnot schon angegeben; nach ihm ist das kuͤnstliche Aloëbitter in 30 Weingeist von 38° B. mit dunkelrother Farbe loͤslich. Die reine herrlich purpurrothe Farbe der Loͤsung bestimmte mich, sie als faͤrbendes Mittel fuͤr Seide zu versuchen. Durch Behandlung des Ruͤkstandes mit Wasser von 8° R. bilden sich demnach zwei besondere Farbstoffe, ein im Wasser bei der angegebenen Temperatur mit tief gelber Farbe loͤslicher, viel Kleesaͤure aufgeloͤst enthaltender, und ein zweiter nur in Wasser von 64° R. loͤslicher; wodurch auch die Trennung beider moͤglich wird. Wegen der herrlich purpurrothen Farbe, mit welcher sich nun das gelbe Pulver in Alkohol loͤst, hat man ihm den Namen Aloëpurpur gegeben. Wird die rothe Loͤsung abgedampft und mit einer klaren Loͤsung von arabischem Gummi versezt, so gibt sie eine tiefe Purpurfarbe, die sich recht gut in der Wassermalerei anwenden laͤßt. Die rothe Loͤsung des Aloëbitters in Alkohol reagirt auf blaues Lakmuspapier als eine Saͤure, sie wird durch Zusaz einer Loͤsung von schwefelsaurem Kupferoxyd, salpetersaurem Silberoxyd, Zinnsalz, essigsaurem Blei, Alaunloͤsung, salpetersaurem Wismuth, nicht gefaͤllt; sogleich aber entsteht ein eigenthuͤmlicher gefaͤrbter Niederschlag, wenn man genannten Mischungen aus Metallsalz und Farbstoff einige Tropfen Kaliloͤsung zusezt, wodurch die Metallsalzloͤsung zersezt wird und das als Hydrat gefaͤllte Oxyd sich nun mit dem Farbstoff zu einer unloͤslichen Verbindung vereinigen kann. Der Niederschlag aus einer Kupferloͤsung durch Kali ist schoͤn grasgruͤn, mit Silberloͤsung braun, mit Zinnsalz schoͤn blaugrau, mit Bleiloͤsung gelb, mit Alaunloͤsung blaßroth, mit Wismuthloͤsung roth. Diese Verbindung des Farbstoffes mit den Oxyden ist so innig, daß der Farbstoff durch Behandlung mit Schwefelwasserstoffwasser nicht ausgeschieden wurde, sondern mit dem entstandenen Schwefelmetall verbunden blieb, und nicht durch Kochen mit Aether, Alkohol, Aezammoniak daraus wieder ausgeschieden werden konnte, wie dieß doch leicht der Fall ist bei den Verbindungen der Metalloxyde mit dem rothen Farbstoffe der Bluͤthen und der im Herbste rothgefaͤrbten Blaͤtter. Durch Chlor, Salzsaͤure, Salpetersaͤure wird der rothe Farbstoff zerstoͤrt. – Mit der Loͤsung des Farbstoffes in Weingeist wurden nun nachstehende Faͤrbeversuche mit Seide gemacht. Die Seide war vorher degummirt worden, ehe sie zu den Versuchen gebraucht wurde. Die Seide wurde erst in weichem Wasser genezt und dann durch die weingeistige Loͤsung des Farbstoffes gezogen, wodurch sie eine reine, angenehme Rosafarbe annahm, ohne jede Einmischung von Braun, wie dieses wohl in der waͤsserigen Loͤsung des Farbstoffes der Fall ist; durch oͤfteres Wiederholen der Operation gewann die Seide an Tiefe des Tons. – Seide, die alaunt und gespuͤlt und dann durch die Farbstoffloͤsung gezogen ward, erhielt ein sehr angenehmes Lila. – Mit essigsaurer Thonerde gebeizt, war der Ton des Lila ein tieferer. – Seide, mit Wismuthaufloͤsung gebeizt und dann ausgefaͤrbt, nahm ein schoͤnes Rothbraun an. Seide, mit Zinnsalz gebeizt und dann ausgefaͤrbt, gab ein sehr angenehmes Blaugrau. Alle diese Farbentoͤne sind sehr rein, ohne nur die geringste Hinneigung zum Braun zu zeigen. Die nun so gefaͤrbte Seide ist voͤllig aͤcht gegen directes Sonnenlicht und gegen Marseiller Seifenlauge, worin die gefaͤrbte Seide bei 10 bis 15° R. behandelt wurde. – Hoͤhere Temperatur nuͤancirt die Farbentoͤne. – Ein sehr feuriges Braunorange wurde erhalten, indem die Seide erst alaunt, gespuͤlt und durch eine Aufloͤsung des gelben Farbstoffes (der, wie oben gezeigt, bei Behandlung des Ruͤkstandes in dem Kolben mit Wasser von 8° R. sich aufloͤst) gezogen, wieder gespuͤlt und dann durch eine Loͤsung des rothen Farbstoffes gezogen wurde. Wird die degummirte Seide durch eine Loͤsung des eben genannten gelben Farbstoffes gezogen, so nimmt sie eine sehr schoͤne gelbe Farbe an, die sich aͤcht zeigt gegen directes Sonnenlicht, aber sich nicht aͤcht zeigt in einer Loͤsung von Marseiller Seife. Diese Faͤrbeversuche wurden zu gleicher Zeit auch, unter meiner Aufsicht, von einem ehemaligen Zoͤglinge des koͤnigl. Gewerbinstituts in Berlin, Heinrich Pattberg, einem Faͤrber, im Laboratorium der Anstalt angestellt. Aus obigen Versuchen geht demnach mit Sicherheit hervor, daß durch Behandlung der Aloë mit Scheidewasser sich ein Stoff darstellen lasse, der in der Seidenfaͤrberei anwendbar ist, und es ist demnach die Anzahl der Farbestoffe, die man anwendet, um Seide roth zu faͤrben, um einen vermehrt.Es scheint dem Hrn. Verfasser entgangen zu seyn, daß schon im Jahre 1827 von Hrn. Prof. Liebig Versuche uͤber die Anwendung des Aloëbitters zum Faͤrben der Seide angestellt worden sind. Insbesondere bemerkt derselbe (Polyt. Journal Bd. XXV. S. 136), er sey uͤberzeugt, daß, wenn es jemals gelingen sollte, Seide aͤcht rosenroth zu faͤrben, es nur mit Huͤlfe dieser Substanz geschehen werde.A. d. R. Rothholz, Safflor, Cochenille sind bekanntlich diese Stoffe, von denen nur Cochenille aͤchte Farben gibt, an welche sich demnach ruͤksichtlich der Aechtheit der Farben das Aloëbitter anschließen wuͤrde. Ob nun die Ausfuͤhrung im Großen praktisch sey. muͤssen freilich auch erst Versuche, im großen Maaßstabe angestellt, zeigen; meine Angabe sollte nur dahin gehen, zu untersuchen, ob der erhaltene Stoff (Aloëpurpur) fuͤr die Seidenfaͤrberei anwendbar sey oder nicht; und daß er es sey, geht wohl aus obigen Versuchen sicher hervor. Wir haben auch noch andere Metallsalzloͤsungen als Beizmittel angewandt, als Eisenbeize, Bleiessig, Kupfervitriol, und stets mehr oder weniger reine Farben erhalten. Vergleicht man nun die Darstellungsmethode, nach welcher dieser faͤrbende Stoff aus der Aloë gewonnen wird, mit der von Braconnot, Liebig, Runge, so geht daraus hervor, daß unter den Namen Aloësaͤure, kuͤnstliches Aloëbitter und Aloëpurpur eigentlich nur ein und derselbe Stoff zu verstehen sey. (Journal fuͤr praktische Chemie 1837, Nr. 21.)