Titel: Ueber die von Ericsson erfundene Vorrichtung zum Fortschaffen oder Treiben von Dampfbooten.
Fundstelle: Band 68, Jahrgang 1838, Nr. XX., S. 89
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XX. Ueber die von Ericsson erfundene Vorrichtung zum Fortschaffen oder Treiben von Dampfbooten.Man vergl. hieruͤber das Polyt. Journal Bd. LXV. S. 395. Aus dem Mechanics' Magazine, No. 751. Ericsson's Vorrichtung zum Fortschaffen oder Treiben von Dampfbooten. Es duͤrfte nicht schwer halten zu beweisen, daß die Dampfschifffahrt ferner keine wesentlichen Fortschritte machen kann, ausgenommen es tritt an die Stelle des Ruderrades eine Vorrichtung, die folgenden Bedingungen entspricht. 1) muß sie jeder Zeit die ausdehnungsweise wirkende Thaͤtigkeit in den Maschinen gestatten. 2) darf deren Treibkraft nicht durch das Schiefliegen des Schiffes, welches bei der Benuzung der Segel oder bei hochgehender See eintritt, gehindert oder beschraͤnkt werden. 3) endlich muß die Kraft, welche dem Apparate von der Dampfmaschine her mitgetheilt wird, immer eine gleiche Triebkraft auf das Schiff ausuͤben, welche Veraͤnderungen auch in Hinsicht auf die Wassertracht (sie moͤgen durch Zu- oder Abnahme der Ladung, durch den Druk der Segel oder durch das Hochgehen der See bedingt seyn) vorgehen moͤgen. Ist diesen Bedingungen entsprochen, so ist ebenso leicht zu beweisen, daß mit der Haͤlfte des dermalen verschwendeten Brennmateriales ein Fahrzeug in weit kuͤrzerer Zeit als bisher irgend eine bestimmte Streke zuruͤklegen kann. Es erwuͤchse hieraus also ein doppelter Vortheil, abgesehen von der groͤßeren Sicherheit der Dampfboote auf freier See. Die gegenwaͤrtigen Betrachtungen unterliegende Vorrichtung duͤrfte allen diesen Anforderungen genuͤgen: namentlich ist sie der ausdehnungsweisen Wirkung des Dampfes in den Maschinen in hohem Grade angepaßt, denn der Widerstand kann unter keinerlei Umstaͤnden groͤßer, wohl aber manchmal geringer werden: ein Umstand, der der ausdehnungsweisen Wirkung nicht nachteilig wird. Man hat eigens zum Behufe von Versuchen ein Dampfboot von 45 Fuß Laͤnge und 8 1/2 Fuß Breite, worauf sich zwei Hochdrukdampfmaschinen von 12 Zoll im Durchmesser und mit 14 Zoll Kolbenhub befinden, mit dem neuen Treibapparate ausgestattet und mehrere Versuche damit angestellt, aus denen saͤmmtlich hervorging, daß dieser Apparat einen groͤßeren Nuzeffect gibt, als das Ruderrad: d.h. mit anderen Worten, man erreicht mit dem neuen Treibapparate einen vollkommneren Widerstand, und die fuͤr ihn erforderliche Geschwindigkeit ist mithin im Vergleiche mit der Geschwindigkeit des Fahrzeuges geringer, als die Geschwindigkeit des Ruderrades seyn muß, um einen gleichen Nuzeffect zu geben. Die bei diesen Versuchen erzielten Resultate lassen sich in Folgendem zusammenfassen. 1. Man erhielt bei 84 Umlaͤufen des Treibapparates, wobei die Neigung der Spiralflaͤchen am Umfange 34 Grade hatte und gegen den Mittelpunkt hin allmaͤhlich zunahm, eine Geschwindigkeit von 9 3/4 engl. Meilen in der Zeitstunde. Da nun der Umfang des Treibapparates bei einer Neigung von 34 Grad 16,2 Fuß betraͤgt, so folgt hieraus, daß, wenn das Wasser gar nicht zuruͤkgewichen waͤre, das Fahrzeug bei jedem Umlaufe des Apparates um 10,8 Fuß oder um 907 Fuß in der Minute vorwaͤrts getrieben worden waͤre. Die Geschwindigkeit von 9 3/4 Meilen gibt aber 858 Fuß auf die Minute, so daß der Verlust nur 49 in 907 oder weniger als 1/18 betraͤgt, und daß also der Vorzug des Apparates vor dem Ruderrade bedeutend erscheint. Der Widerstand ist demnach beinahe ein vollkommener. 2. Ein 650 Tonnen fuͤhrendes Fahrzeug wurde mit 60 Umlaͤufen des Treibapparates auf die Minute mit einer Geschwindigkeit von 4 1/2 Knoten in der Stunde oder von 7 Fuß in der Secunde gezogen. Das Fahrzeug ging 14 Fuß 6 Zoll tief im Wasser, hatte am Bauche 32 Fuß, und bot unter dem Wasser eine Durchschnittsflaͤche von beilaͤufig 370 Quadratfuß dar. Nach den oben angegebenen Dimensionen ergibt sich, daß wenn der Widerstand ein vollkommener gewesen waͤre, das Fahrzeug sich mit 648 anstatt mit 420 Fuß in der Minute bewegt haben muͤßte. Der Verlust betraͤgt also nur 228, was, wenn man die ungeheure Masse des fortgeschafften Fahrzeuges mit dem geringen Umfange des Treibapparates (dieser hat naͤmlich nur 5 Fuß 2 Zoll im Durchmesser und 2 Fuß 3 Zoll Breite) vergleicht, mit Recht als etwas Außerordentliches betrachtet werden kann, so zwar, daß dieses Resultat in mechanischer Hinsicht als hoͤchst interessant erscheint. 3. Man brachte an Bord des zum Versuche dienenden Fahrzeuges einen nach dem Principe der Schnellwaage gebogenen Hebel an, der mit seinem kuͤrzeren Ende mittelst einer Kleise an einem fixen Punkte am Ufer befestigt war, waͤhrend er an dem anderen Ende wie gewoͤhnlich ein Gewicht trug. Nachdem die Maschinen in Gang gesezt worden waren, deutete die durch den Hebel gemessene Spannung der Kleise an, daß die Triebkraft genau wie das Quadrat der Geschwindigkeit des Treibapparates stieg. Wenn die Maschinen mit voller Geschwindigkeit arbeiteten, betrug diese Spannung 2000 Pfd. 4. Wenn man die Neigung der Spiralflaͤchen auf einen Winkel, der fuͤr beide Reihen 43 1/2 Grad betrug, abaͤnderte, so brachten 60 Umlaͤufe des Treibapparates eine Geschwindigkeit von beinahe 9 1/2 engl. Meilen in der Zeitstunde, oder von 836 Fuß in der Minute hervor. Es war in den Dampfmaschinen ein groͤßerer Druk erforderlich, als bei den fruͤheren Versuchen. Bei einer Neigung des Umfanges von 43 1/2 Graden waͤre nun bei vollkommenem Widerstande nur eine Geschwindigkeit von 895 Fuß in der Minute moͤglich gewesen; der Verlust an Geschwindigkeit betraͤgt daher nur 1/15 Hieraus ergibt sich zugleich auch das interessante Resultat, daß durch Erhoͤhung der Neigung der Flaͤchen (wobei jedoch kraͤftigere Maschinen erfordert werden) die Geschwindigkeit des Fahrzeuges bedeutend verstaͤrkt werden kann, ohne daß die Geschwindigkeit des Treibapparates erhoͤht zu werden braucht. Die Hauptvortheile, welche der neue Treibapparat gewahrt, sind hienach folgende: 1. Eine Ersparniß an Kraft, welche im Vergleiche mit den gegenwaͤrtigen Dampfbooten beinahe die Haͤlfte betraͤgt, erwaͤchst aus dem erzielten, beinahe vollkommenen Widerstande, so wie auch daraus, daß dieser Widerstand unter keinerlei Umstaͤnden ein hoͤherer werden kann, woraus die Anwendbarkeit der expansiven Wirkung folgt. Da der große Verlust an Kraft, der an dem Ruderrade aus der Bewegung der See erwaͤchst, bei dem neuen Treibapparate wegfaͤllt, so ergibt sich hieraus fuͤr Seeschiffe noch eine weitere Ersparniß. 2. Der neue Apparat eignet sich besonders fuͤr die Schifffahrt auf Binnengewaͤssern, auf denen man bisher nicht mit Dampfbooten fahren konnte, weil diese mit den gewoͤhnlichen Ruderraͤdern weder Schleußen noch andere schmale Stellen passiren konnten. 3. Da der neue Apparat keines Raumes an den Seitenwaͤnden des Fahrzeuges bedarf, so folgt hieraus eine Raumersparniß, die auf Fluͤssen, auf denen der Verkehr sehr lebhaft ist, von großem Belange ist. Es haben naͤmlich in einem und demselben Flußbette noch ein Mal so viele Dampfboote mit dem neuen Apparate Raum, als Dampfboote mit gewoͤhnlichen Ruderraͤdern. 4. Der neue Apparat erzeugt keinen solchen Wasserschwall, wie die Ruderraͤder, und beugt den Unfaͤllen vor, die so haͤufig dadurch entstehen, daß Leute unter die Raͤder kommen. 5. Der neue Apparat arbeitet vollkommen gleichmaͤßig, und erzeugt durchaus keine so unregelmaͤßigen Schwingungen wie die dermaligen Ruderraͤder. 6. Die zum Treiben des Apparates dienenden Maschinen koͤnnen ruhiger arbeiten, und werden folglich dem Fahrzeuge minder nachtheilig als bisher. Die Treibwelle kann sich in der Nahe des Bodens befinden. Ueberdieß laͤßt sich auch noch sowohl das Gewicht als die Groͤße der Maschinengestelle bedeutend vermindern. 7. Der Apparat laͤßt sich auch an dem Hintertheile gewoͤhnlicher Segelschiffe anbringen und bei Windstillen oder schwachen Winden durch eine kleine Hochdrukmaschine in Gang sezen. Es kann hiedurch mit einem sehr geringen Kraftaufwande eine Geschwindigkeit von 5 Knoten in der Zeitstunde erzielt werden; denn das Paketboot Toronto von 650 Tonnen wurde mit zwei zwoͤlfzoͤlligen Cylindern und 14 Zoll Kolbenhub, wobei der Apparat nur 60 Umgaͤnge in der Minute machte, mit einer Geschwindigkeit von 4 1/2 Knoten bugsirt. 8. Endlich ist der Apparat, da er gaͤnzlich unter Wasser arbeitet, und da sich die zum Betriebe desselben dienenden Maschinen ganz im Grunde des Fahrzeuges befinden, fuͤr den Kriegsdienst ganz besonders geeignet.