Titel: Ueber Hrn. Selligue's Leuchtgasfabrication. Bericht erstattet von Hrn. Payen an die Société d'encouragement.
Fundstelle: Band 68, Jahrgang 1838, Nr. XLV., S. 198
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XLV. Ueber Hrn. Selligue's Leuchtgasfabrication. Bericht erstattet von Hrn. Payen an die Société d'encouragement. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. Decbr. 1837, S. 493. Ueber Selligue's Leuchtgasfabrication. Der von der Gesellschaft seit Jahren ausgeschriebene Preis auf Verbesserungen in der Gasbeleuchtung hat bereits schoͤne Fruͤchte getragen und zu wichtigen Entdekungen und Erfindungen gefuͤhrt. Die merklichsten Fortschritte machte namentlich der Bau und die Einrichtung der Gasschnaͤbel, so wie denn auch seyn Einfluß auf die zur Verbrennung der Oehle dienenden Vorrichtungen unverkennbar war, so zwar, daß es mehrseitig gelang, aus einer und derselben Quantitaͤt Rohstoff eine verhaͤltnißmaͤßig weit groͤßere Menge Licht zu erzielen. Wir haben bereits fruͤher Gelegenheit gehabt, die sinnreichen Apparate zu besprechen, die von mehreren Fabrikanten zum Behufe der directen oder indirecten Umwandlung der harzigen Stoffe in Leuchtgas erfunden wurden. Es ist nicht zu verkennen, daß die Gasbeleuchtung hiedurch an Ausdehnung gewann; so wie denn auch eines der Producte, welche wesentlich zur Benuzung vieler unbebauter Landstreken beitragen, einen neuen Absazweg erhielt. Gegenwaͤrtig handelt sichs jedoch um eine ganz neue Art von Fortschritt; denn wir haben nicht mehr uͤber mehr oder minder gluͤkliche Modificationen der Zersezungsapparate, sondern uͤber eine Zersezung zu berichten, die unter ganz eigenthuͤmlichen Umstaͤnden und unter Zusaz eines neuen Elementes, welches beinahe nichts kostet. Statt findet. Dieses Element ist um so schaͤzbarer, als es die Wirkung der Hize regeln kann, eine Ersparniß bedingt, und zugleich auch der Praͤcipitation des Kohlenstoffes, die wegen des daraus erwachsenden groͤßeren Verbrauches an Gas zur Erzielung einer und derselben Lichtmenge den Interessen des Gasfabrikanten so nachtheilig ist, vorbeugt. Die neue Substanz, die wir hiemit meinen, ist nicht mehr und nicht weniger als das Wasser, welches in dem sinnreichen Apparate des Hrn. Selligue in Gegenwart von Kohlenstoff auf eine so hohe Temperatur erhizt wird, daß Wasserstoff und Kohlenstoffoxyd gebildet wird. Diese Gase verbinden sich, und reißen den gleichzeitig durch Zersezung des aus Mergel gewonnenen Oehles oder irgend einer anderen an Kohlenstoff und Wasserstoff reichen Substanz erzeugten Kohlenstoff mit sich fort. Der Raum, der dem gekohlten Wasserstoffgase unmittelbar dargeboten wird, verhuͤtet, wie es scheint, die bei anderen Fabricationsmethoden Statt findende Ausscheidung von Kohlenstoff; und andererseits wird die Kohlensaͤure, welche die ersten in Dampfgestalt befindlichen Wassertheile bilden koͤnnen, durch die laͤngere Beruͤhrung, in der sie mit der gluͤhenden Kohle bleibt, in Kohlenstoffoxyd umgewandelt. Einige Analysen, die uns noch zu machen uͤbrig sind, duͤrften wahrscheinlich diese Theorie bestaͤtigen. Es ergibt sich hiebei, daß, waͤhrend bei allen fruͤher befolgten Methoden durch die Veraͤnderung des Gases in den Retorten bedeutende Quantitaͤten Kohlenstoff abgeschieden wurden, bei dem neuen Systeme in den Retorten zu Gunsten der durch sie stroͤmenden Gase Kohlenstoff aufgenommen wird, so daß die Totalmenge des aus ihnen zu erzielenden Lichtes verdoppelt, und nicht nur an Brennmaterial erspart, sondern zugleich auch der fuͤr die Oefen und Gasometer noͤthige Raum gewonnen wird. Da uͤberdieß bei der ganzen Operation kein stark oder uͤbelriechender Ruͤkstand bleibt, so kann sie allerwaͤrts und selbst in den belebtesten Straßen vorgenommen werden. Eines der gluͤklichsten Beispiele der Anwendung des Apparates des Hrn. Selligue gibt die schoͤne koͤnigl. Buchdrukerei, in der wir uns nicht nur von allen in Betreff der Gaserzeugung angefuͤhrten Resultate uͤberzeugten, sondern in der wir auch die Lichtmengen gemessen haben. Wir haben, indem wir zu wiederholten Malen die Fabrication und Verwendung des Gases verfolgten, die aus der neuen Beleuchtungsmethode erwachsenden Ersparnisse constatirt. Zu noch groͤßerer Bekraͤftigung derselben muͤssen wir beifuͤgen, daß bereits eine jener Gesellschaften, die bisher ihr Gas durch Zersezung von Harzoͤhl erzeugten, mit Hrn. Selligue einen Contract zur Ueberlassung seines Verfahrens abgeschlossen hat. Wir verdanken Hrn. Selligue außerdem eine Verbesserung des Brenners oder Schnabels, der gleich jenem fuͤr den Hrn. Chaussenot im vergangenen Jahre der Preis zuerkannt wurde, die Temperatur des zustroͤmenden Gases sowohl als der Luft erhoͤht. Hr. Selligue scheint hiebei durch sich selbst zu denselben Schluͤssen gelangt zu seyn, indem er die Leitungsfaͤhigkeit des Metalles benuzte und den Oberflaͤchen desselben eine groͤßere Ausdehnung gab. Das die groͤßte Leitungsfaͤhigkeit besizende Metall wuͤrde in dieser Hinsicht den groͤßten Vortheil gewahren; und wir glauben, daß es z.B. sehr interessant seyn duͤrfte, das Maximum zu erforschen, welches durch Anwendung von Silber anstatt des Messings erreicht werden kann. Es kam sehr darauf an zu ermitteln, ob das nach Hrn. Selligue's Methode erzeugte Gas nicht allenfalls von jenen Kohlenwasserstoff-Verbindungen enthielte, die bei dem Sinken der Temperatur von ihrem Kohlenstoffe fallen lassen, und dadurch eine bedeutende Verminderung der Leuchtkraft erleiden. Wir haben die Gewißheit erlangt, daß dem nicht so ist, indem wir das neue Gas durch ein Kaͤltegemisch, welches seine Temperatur auf – 18° erniedrigte, stroͤmen ließen, und indem wir die Leuchtkraft des abgekuͤhlten mit jener des nicht abgekuͤhlten Gases verglichen. Die neue Beleuchtungsmethode scheint uns demnach folgende Vortheile zu gewahren. Ein Kilogramm des aus dem Mergel gewonnenen Oehles gibt 65 Kubikfuß eines Gases, dessen Leuchtkraft doppelt so groß ist als jene des Gases, welches man nach dem gewoͤhnlichen Verfahren durch Zersezung der Oehle erhaͤlt. Das neue Gas verbreitet beim Brennen keinen Geruch nach schwefliger Saͤure; und das der Verbrennung entgehende besizt auch nicht den hoͤchst widerlichen Geruch nach Schwefelwasserstoff; es verbreitet nur so viel eines eigenthuͤmlichen Geruches, als noͤthig ist, um dessen Entweichen zu erkennen. Hr. Selligue hat durch die Ausziehung der Oehle aus den bituminoͤsen Mergeln, die bisher selten eine Nuzanwendung fanden, einen sehr wichtigen Industriezweig begruͤndet; und da seine Erfindung uͤberdieß den Bedingungen entspricht, welche die Gesellschaft in ihrer, die Verbesserungen in der Gasbeleuchtung betreffenden Preisangabe erfuͤllte, so tragen wir darauf an, ihm den Preis von 2000 Fr. zuzuerkennen.Dieser Preis ward ihm auch in der Generalversammlung vom 18. Jan. 1833 bewilligt. Man vergleiche uͤbrigens uͤber diesen Gegenstand das Polytechn. Journal Bd. LXVI. S. 319.A. d. R.