Titel: | Ueber die Prüfung des Chlorkalks; von Hrn. Balland. |
Fundstelle: | Band 68, Jahrgang 1838, Nr. LXV., S. 300 |
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LXV.
Ueber die Pruͤfung des Chlorkalks; von
Hrn. Balland.
Aus dem Journal de Pharmacie, Maͤrz 1838, S.
105.
Balland, uͤber die Pruͤfung des
Chlorkalks.
Da das Queksilberchloruͤr (Calomel) sich mit noch mehr Chlor verbinden kann
und sich dann als Queksilberchlorid (Sublimat) in Wasser aufloͤst, so
bietet es ein sehr einfaches Mittel dar, die Menge des in einer Fluͤssigkeit
enthaltenen Chlors zu messen, denn dieselbe muß immer der Quantitaͤt des
aufgeloͤsten Queksilberchloruͤrs proportional seyn; dieses Verfahren
waͤre jedoch nicht bequem, weil es sehr schwer ist, kleine Mengen
Queksilberchloruͤr genau zu messen; man thut daher besser, statt dieses
Salzes eine sehr verduͤnnte Aufloͤsung von saurem salpetersaurem
Queksilberoxydul und einem Ueberschusse von Kochsalz anzuwenden, welche durch
gegenseitige Zersezung immer eine dem angewandten salpetersauren Queksilberoxydul
entsprechende Menge Queksilberchloruͤr liefern.
Nach diesem Principe lassen sich die Chlorkalkproben auf folgende Art anstellen: Man
loͤst mit den von Hrn. Gay-Lussac in seiner Abhandlung
uͤber die Pruͤfung des Chlorkalks mittelst
Indigo
Polyt. Journal Bd. XIV. S. 422. angegebenen Vorsichtsmaßregeln fuͤnf Gramme des zu pruͤfenden
Chlorkalks in einem halben Liter Wasser auf und nimmt von dieser Aufloͤsung
mittelst einer Saugroͤhre, welche fuͤnf Mal so viel als die des alten
Chlorometers faßt; diese Aufloͤsung gießt man in ein Standglas, nebst einigen
Granen Kochsalz, wovon ein Ueberschuß nicht nachtheilig ist; dann fuͤllt man
das Meßkannchen (burette) des alten Chlorometers mit
einer gehoͤrig verduͤnnten Aufloͤsung von saurem salpetersaurem
Queksilberoxydul und gießt leztere Fluͤssigkeit in das Gemisch von Chlorkalk
und Kochsalz, bis es sich truͤbt und beim Umschuͤtteln nicht mehr klar
wird; der Grad, an welchem die Fluͤssigkeit nun in dem Meßkaͤnnchen
steht, ist der des angewandten Chlorkalks.
Dieses Verfahren ist dem alten vorzuziehen, 1) weil das salpetersaure Queksilber,
wenn es hinreichend verduͤnnt und nicht zu sauer ist, sich kaum
veraͤndert; 2) weil der Saͤttigungspunkt sich viel genauer zeigt, als
mit Indigo, und 3) endlich, weil die Proben uͤbereinstimmend bleiben, man mag
die Probefluͤssigkeit schnell oder langsam zugießen, weßhalb man auch bei
einer Probe nicht mehrere Versuche anzustellen braucht.
Ich habe schon am 7. Dec. 1829 eine Abhandlung uͤber diese Chlorkalkprobe der
Akademie der Wissenschaften uͤberschikt; seitdem wurde ich durch andere
Beschaͤftigungen von diesem Gegenstande abgezogen, und erst kuͤrzlich
las ich im LX. Bde. der Annales de Chimie et de Physique
Polyt. Journal Bd. LX. S. 128. eine neue Abhandlung des Hrn. Gay-Lussac uͤber die
Chlorometrie. Er fuͤhrt darin an, daß ich zuerst das salpetersaure Queksilber
als chlorometrisches Mittel benuzt habe, fuͤgt aber bei, daß mein Verfahren
sehr ungenaue Resultate liefern muß, weil ich vorschrieb, die
Chlorkalkaufloͤsung in ein offenes Standglas zu bringen und dann so lange
Queksilberaufloͤsung hinzuzugießen, bis der Niederschlag beim
Umschuͤtteln nicht mehr verschwindet; die freie Saͤure des
Queksilbersalzes entbinde hiebei sehr viel Chlor, welches also verloren gehe. Hr.
Gay-Lussac empfiehlt dann das Standglas durch eine
verschließbare Glasflasche zu ersezen, wodurch dieser Uebelstand vermieden wird, so
daß man mit dem salpetersauren Queksilber uͤbereinstimmende Resultate
erhaͤlt, in welcher Ordnung man auch die Vermischung vornimmt.
Die Fehler, welche Hr. Gay-Lussac bei meinem Verfahren
gefunden hat, ruͤhren jedoch mehr von der Bereitung als von der Anwendung des
salpetersauren Queksilbers her; ich habe in meiner Abhandlung, um nicht zu
weitlaͤufig zu werden, die Bereitungsart dieses Salzes nicht angegeben und
will daher jezt die Luͤke ausfuͤllen. Ich gieße in eine
Porzellanschale Salpetersaͤure und einen Ueberschuß von Queksilber; wenn die
Reaction beendigt und das entstandene Salz großen Theils krystallisirt ist, bringe
ich es mit destillirtem Wasser in eine Flasche und seze so lange Saͤure zu,
bis sich das entstandene basische Salz aufgeloͤst hat und die
Queksilberloͤsung uͤberdieß so viel freie Saͤure hat, daß, wenn
man eine kleine Menge davon in die Quantitaͤt Chlorkalkloͤsung gießt,
welche das Meßkaͤnnchen faßt, kein Niederschlag mehr entsteht, der nicht
augenbliklich wieder verschwaͤnde; alsdann bestimme ich das Chlorvolum,
welchem ein bestimmtes Maaß der Queksilberloͤsung entspricht, gerade so wie
es Hr. Gay-Lussac thut. Auf diese Art erhalte ich eine
Queksilberloͤsung, die nicht mehr freie Saͤure, als noͤthig
ist, enthaͤlt, welche sich uͤberdieß weniger veraͤndert und in
viel kuͤrzerer Zeit bereiten laͤßt.
Wenn man zu den Chlorkalkproben eine auf diese Art bereitete Queksilberloͤsung
verwendet, bemerkt man allerdings, daß sich Chlor entbindet; dieß geschieht aber in
so geringer Menge, daß dadurch kein merklicher Irrthum in der Praxis
herbeigefuͤhrt werden kann, obgleich man die Gasentbindung durch den Geruch
erkennen kann (oder indem man uͤber das Gefaͤß einen mit Ammoniak
befeuchteten Glasstab haͤlt).
Ich habe eine Menge vergleichender Versuche mit derselben Chorkalk- und
Queksilberloͤsung angestellt, aber nie einen auffallenden Unterschied
gefunden, ich mochte den Versuch in einer geschlossenen Flasche oder in einem
offenen Standglase anstellen und das Queksilbersalz in kleinen Portionen in die
Chlorkalkloͤsung, oder leztere schnell mit dem Salze in die
Queksilberloͤsung gießen.
Um ein entscheidendes Resultat zu erhalten, stellte ich eine Probe in einem Pokal an,
der beilaͤufig 1/4 Liter faßte und mit einem Korkstoͤpsel verschlossen
war, in welchem sich zwei Roͤhren befanden, eine gerade, die bis auf den
Boden desselben hinabreichte, und eine heberfoͤrmig gekruͤmmte, welche
an ihrem Ende eng ausgezogen war. Ich brachte naͤmlich in den Pokal, ehe ich
ihn verschloß, den Chlorkalk mit dem zu einer Probe erforderlichen Kochsalz und goß
dann durch die gerade Roͤhre salpetersaures Queksilber bis zur
vollstaͤndigen Saͤttigung hinein; das ausgezogene Ende der anderen
Roͤhre aber ließ ich in ein Gefaͤß tauchen, welches
Indigaufloͤsung enthielt, die 2/5 eines Grades entsprach. Ich bließ dann so
lange durch die gerade Roͤhre, daß alle im Pokal enthaltene Luft mehrmals
erneuert wurde; diese Luft gelangte also durch die ausgezogene Roͤhre in die
Indigloͤsung, welche sie in kleinen Blasen durchstrich, wobei aber ihre Farbe
nur sehr wenig geschwaͤcht und gar nicht gruͤn wurde. Denselben
Versuch wiederholte ich mit gleichem Resultat auf die Art, daß ich durch die gerade
Roͤhre Wasser goß, bis der Pokal gefuͤllt war, so daß die Luft durch
die Indigaufloͤsung entweichen mußte.
Um mit groͤßerer Genauigkeit den Verlust an Chlor zu bestimmen, welcher
waͤhrend der Probe Statt finden kann, verlaͤngerte ich die Zeit der
Operation, um den Fehler desto groͤßer zu machen; und nachdem ich gefunden
hatte, daß man beilaͤufig eine Minute braucht, um die
Queksilberloͤsung vorsichtig in die Chlorkalkloͤsung zu gießen,
stellte ich noch andere Versuche mit denselben Substanzen an. Nachdem der dritte
Theil der Queksilberloͤsung zugegossen war, naͤmlich in dem Augenblik,
wo mir kein freies Chlor mehr in der Fluͤssigkeit vorhanden zu seyn schien,
sezte ich einmal die Operation zehn Minuten lang aus und fand, daß der Unterschied 1
1/2 Grad betrug. Wenn man nun annimmt, daß der Verlust der Zeit proportional ist,
was innerhalb so enger Graͤnzen gewiß der Fall ist, und ihn durch eine Minute
(welche gewoͤhnlich zum Hinzugießen der Queksilberloͤsung
noͤthig ist) dividirt, so erhaͤlt man fuͤr den Verlust bei
einer Probe 0,15 Grad oder 0,0015 des zum Versuch angewandten Chlorkalks. Wenn
anders bei diesem Resultat eine Ungenauigkeit Statt findet, so besteht sie bloß
darin, daß der Verlust um vieles uͤbertrieben ist; denn bei den Proben kann
man, so lange noch Chlor in einiger Quantitaͤt vorhanden ist, die
Queksilberloͤsung sehr schnell zugießen und der groͤßte Theil der zum
Versuche erforderlichen Zeit wird erst gegen das Ende der Operation benuzt, um die
Queksilberloͤsung, welche die lezten Chlorantheile absorbiren muß, mit
Vorsicht und in kleinen Portionen hineinzugießen; in diesem Augenblik kann jedoch
keine merkliche Chlorentbindung mehr Statt finden, weil nur noch Spuren von Chlor vorhanden und mit
dem Queksilberchloruͤr in Beruͤhrung sind; dagegen wurde bei obigem
Versuch die Operation in dem Augenblik unterbrochen, wo die Chlorentbindung am
staͤrksten seyn muß. Der Verlust von 0,0015 ist also, obgleich sehr
unbedeutend, doch noch sehr uͤbertrieben.
Die von den meinigen abweichenden Resultate, welche Hr. Gay-Lussac
erhielt, lassen sich auf folgende Art erklaͤren: das salpetersaure Queksilber
enthaͤlt nach seiner Bereitungsart einen vier bis fuͤnf Mal
groͤßeren Saͤureuͤberschuß als das von mir angewandte: diese
Saͤure saͤttigt allen Kalk des Chlorkalks schon am Anfang des Versuchs
und sezt folglich alles Chlor in Freiheit, ehe noch ein etwas bedeutender Theil
davon von dem Queksilberchloruͤr absorbirt wurde; es wird folglich ein
groͤßeres Gasvolum in derselben Fluͤssigkeit aufgeloͤst und die
Gasentbindung muß uͤberdieß rascher erfolgen. Dazu kommt auch noch eine
andere Ursache; ich hatte zum Messen des Chlorkalks eine Saugroͤhe
gewaͤhlt, welche fuͤnf Mal so viel faßt als der alte Chlorometer,
naͤmlich 50 Grade des Meßkaͤnnchens. Hr. Gay-Lussac
verdoppelt diese Capacitaͤt, was also dasselbe ist, als wenn er das
Meßkaͤnnchen um die Haͤlfte kleiner machen wuͤrde. Die
Queksilberloͤsung enthaͤlt somit bei ihm um die Haͤlfte weniger
Wasser und es wird also auch das Volum des Gemisches kleiner, hingegen das Volum des
aufgeloͤsten Gases viel groͤßer.
Nach den oben angefuͤhrten Versuchen ist also soviel gewiß, daß der Irrthum
bei meinem Probirverfahren sich auf weniger als 0,0015 des zur Probe angewandten
Chlorkalks reducirt und dieser muß in technischer Hinsicht um so mehr als Null
betrachtet werden, weil Hr. Gay-Lussac in der seiner
Abhandlung beigegebenen TabelleIm Polytechn. Journal Bd. LX. S.
131 noch viel groͤßere Zahlen vernachlaͤssigt hat. So gibt die
Abtheilung 88 des Meßkaͤnnchens nach der Tabelle 114º, nach der
Berechnung aber nur 113,66 und die Differenz 0,36 betraͤgt mehr als das
Doppelte des bei meinem Verfahren moͤglichen Irrthums. Wenn durch die
vernachlaͤssigten Bruͤche der Chlorgehalt jedesmal etwas
groͤßer angegeben wuͤrde, so haͤtte dieß keinen merklichen
Einfluß auf den relativen Werth des Chlorkalks; die folgende Abtheilung 89 des
Meßkaͤnnchens entspricht aber 112 Grad und die Berechnung gibt 112,36, so daß
also die Tabelle zwischen den Abtheilungen 88 und 89 eine um 0,72 zu große Differenz
angibt, naͤmlich 2º anstatt 1,28. Diese Ungenauigkeit haͤtte
sich vermeiden lassen, wenn man die Tabelle bis auf die Decimalen ausgerechnet
haͤtte; dann verfiele man aber wieder in den Uebelstand, daß man die
verschiedenen Grade des
Chlorkalks nur in Bruͤchen erhielte. Die Zahlen, welche die verschiedenen
Gehalte (Grade) ausbruͤten, geben auch zwischen sich und den unmittelbar
darauf folgenden eine immer groͤßere Differenz, in dem Maaße als sie steigen;
so daß, wenn der Chlorkalk uͤber 100º hat (und dieß ist oft der Fall,
obgleich Hr. Gay-Lussac in seiner fruͤheren Abhandlung uͤber
Chlorometrie das Gegentheil behauptet hatMehrere Fabriken liefern gegenwaͤrtig Chlorkalk, welcher 43 1/2 Proc.
Chlor enthaͤlt und folglich einer Verbindung aus gleichen
Aequivalenten Chlor und Kalkhydrat ziemlich nahe kommt.Emil Dingler., man fuͤr 2 oder 3 Grade des Gehalts auf dem Meßkaͤnnchen nur
eine einzige Abtheilung hat, wodurch also die Ungenauigkeit bei dieser Art von
Proben verdoppelt und sogar verdreifacht werden muß. Diese Ungenauigkeit nimmt in
einer sehr raschen Progression zu, wenn man sich dem Anfang der Tabelle
naͤhert, denn eine Differenz von 1 Grad zwischen 10 und 11 des Meßkannchens
gibt eine Differenz von 100 im Gehalt; dieser Theil der Tabelle kann also von keinem
Nuzen seyn.
Wendet man sich nun an das Ende der Tabelle, so findet man, daß im Gegentheil erst
mehrere Abtheilungen des Meßkaͤnnchens 1 Grad Gehalt fuͤr den
Chlorkalk ausmachen; und daß Hr. Gay-Lussac seine Tabelle nicht
uͤber 40º fortfuͤhrte, geschah wohl hauptsaͤchlich
deßwegen, um das Meßkaͤnnchen nicht uͤbermaͤßig lang machen zu
muͤssen und nicht (wie er angibt) weil kein schwaͤcherer Chlorkalk im
Handel vorkommt; denn man trifft eben so wenig Chlorkalk von 800 bis 1000 Graden an,
welche doch in der Tabelle vorkommen.
Aus dem Vorhergehenden ersieht man also, daß Gay-Lussac's
Tabelle am Anfang keine genauen Resultate gibt (!), und daß wenn man sie unter
40º fortsezt, es fast unmoͤglich wird sich ihrer zu bedienen. Dazu
kommt noch, daß sie allenthalben unbequem ist, weil der Grad des Chlorkalks in
Bruͤchen angegeben ist.Wenn Hr. Balland die
Chlorprocente berechnet haͤtte,
welchen die Grade des Gay-Lussac'schen Chlorometers entsprechen, so
wuͤrde er gefunden haben, daß die Grade am Anfang der Tabelle,
naͤmlich diejenigen von 325 bis 1000, nicht nur unnuͤz,
sondern saͤmmtlich imaginaͤr und bloß
das Ergebniß einer aus Versehen bis in das Gebiet der
Unmoͤglichkeit fortgesezten Berechnung sind. 1 Aequivalent
trokenes Kalkhydrat kann hoͤchstens 1 Aequiv. Chlor aufnehmen und ein
solcher Chlorkalk enthaͤlt 48,58 Proc. Chlor, was 153,2 Graden am Gay-Lussac'schen Chlorometer entspricht; fuͤr den Chlorkalk war es
also unnuͤz, die Tabelle uͤber diesen Grad hinaus fortzusezen.
Nehmen wir aber selbst den Fall an, man wuͤrde trokenes Chlorgas zu
einer Fluͤssigkeit comprimiren und mit 10 Grammen derselben anstatt
mit 10 Grammen Chlorkalk die Probe an Gay-Lussac's Chlorometer vornehmen, so muͤßte man einen
Gehalt von 315,4 Graden finden. Ein Koͤrper also, welcher diesen Grad
uͤberschreitet, muͤßte mehr als sein eigenes Gewicht Chlor
enthalten; z.B. eine Substanz, die 800 Grade am Chlorometer zeigen
wuͤrde, 253,6 Proc. Chlor, folglich uͤber zwei Mal so viel,
als sie selbst wiegt.Emil Dingler.
Hienach glaube ich, daß meine Chlorprobe mit salpetersaurem Queksilber, wenn dasselbe nach
der von mir angegebenen Methode bereitet ist, vor der Gay-Lussac'schen den Vorzug verdient;
denn die Genauigkeit ist dabei wenigstens eben so groß und man erspart
uͤberdieß alle Berechnungen so wie die Tabelle. Wollte man auch den
aͤußerst geringen Chlorverlust waͤhrend der Probe dabei verweiden, so
waͤre dieses, wie ich mich uͤberzeugt habe, leicht dadurch
moͤglich, daß man dem salpetersauren Queksilber noch weniger
Saͤureuͤberschuß laͤßt und die Salpetersaͤure auf die
zur Saͤttigung des Kalks gerade erforderliche Quantitaͤt reducirt;
dann wuͤrde naͤmlich in der Fluͤssigkeit nie mehr Chlor frei
werden, als von dem gebildeten Queksilberchloruͤr absorbirt werden kann und
es koͤnnte also gar keine Gasentbindung Statt finden. Das saure salpetersaure
Queksilberoxydul, welches sich durch Zersezung des neutralen salpetersauren Salzes
im Wasser bildet, erfuͤllt diesen Zwek ganz gut. Um sich also eine solche
Queksilberloͤsung zu verschaffen, braucht man nur Wasser auf neutrales oder
ein wenig saures salpetersaures Queksilber zu gießen und so lange
Salpetersaͤure in kleinen Portionen hinzuzuschuͤtten, bis sich fast
alles basisch salpetersaure Salz aufgeloͤst hat, worauf man die
Fluͤssigkeit einige Augenblike stehen laͤßt und dann decantirt. Man
bestimmt hierauf das Chlorvolum, welchem die Fluͤssigkeit entspricht, auf
gewoͤhnliche Weise; die Anwendung dieser Fluͤssigkeit erfordert jedoch
eine besondere Vorsicht. Die Chlorkalk-Aufloͤsungen enthalten nicht
bloß mit Chlor verbundenen Kalk, sondern auch noch mehr oder weniger freien Kalk.
Gießt man in eine solche Aufloͤsung salpetersaures Queksilber, dessen
Saͤureuͤberschuß gerade hinreicht, den gebundenen Kalk zu
saͤttigen, so muß offenbar diese Saͤure sogleich von dem freien Kalk
neutralisirt werden und der mit Chlor verbundene Kalk also in diesem Zustand
bleiben, so daß augenbliklich ein sehr reichlicher Niederschlag entsteht, der sich
aus Mangel an freiem Chlor nicht wieder aufloͤsen kann und nach der Menge des
in der Fluͤssigkeit enthaltenen Chlors auch seine Natur und sein Aussehen
andern wird. Man muß also vor dem Zugießen der Queksilberloͤsung zuerst den
freien Kalk saͤttigen; dieß kann nicht auf die Art geschehen, daß man die
Queksilberloͤsung mit Saͤure versezt, weil der freie Kalk und das
Chlor nicht immer in demselben Verhaͤltniß zu einander stehen. Ich verfahre
daher folgender Maßen:
Ich bereite eine sehr verduͤnnte Aufloͤsung von Salzsaͤure, die
mit Kochsalz gesaͤttigt ist. Nachdem ich nun die Chlorkalkloͤsung in
ein Standglas gebracht habe, gieße ich eine geringe Menge der in dem
Meßkaͤnnchen enthaltenen Queksilberloͤsung hinein und seze dem Gemisch
mittelst einer Pipette oder einer am Ende ausgezogenen Glasroͤhre sogleich von
der sauren Aufloͤsung so lange zu, bis der Niederschlag nahe daran ist, zu
verschwinden. Ich gieße dann so viel Queksilberloͤsung hinein, als
erforderlich ist, damit die Fluͤssigkeit, welche waͤhrend der ganzen
Operation eine helle Opalfarbe beibehielt, sich neuerdings zu truͤben
anfaͤngt und hierauf gieße ich eine neue Quantitaͤt saurer
Aufloͤsung hinzu, um die lezten Chlorantheile frei zu machen und fuͤge
so viel Queksilberloͤsung bei, als noͤthig ist, damit der Niederschlag
beim Umschuͤtteln nicht mehr verschwindet. Bei dieser Verfahrungsweise
entbindet sich nicht die geringste Menge Chlor. Ich habe die Operation mehrmals eine
halbe Stunde lang unterbrochen und dabei nur sehr geringe Unterschiede gefunden,
bald etwas mehr, bald etwas weniger Chlorgehalt, ein Beweis, daß sie nicht von
Chlorentbindung, sondern von anderen Ursachen herruͤhrten.
Da eine mit trokenem Chlorkalk bereitete Chlorkalkloͤsung in demselben Volum
immer so ziemlich gleich viel freien Kalk enthaͤlt, so koͤnnte man
sich auch zu diesem Zwek eine besondere saure Aufloͤsung bereiten und mit
einer eigenen Pipette abmessen; auf diese Art ließe sich der freie Kalk ohne vieles
Probiren saͤttigen.
Ich habe uͤbrigens lezteres Verfahren nur zum Ueberfluß noch
angefuͤhrt, denn das erste, so wie ich es im Jahre 1829 mittheilte, scheint
mir eine hinreichende Genauigkeit darzubieten.
Bemerkungen uͤber diese Abhandlung; von Hrn. E.
Soubeiran.
Ich habe die Chlorkalkprobe nach Hrn. Balland's Methode wiederholt; sie ist auch wirklich sehr einfach und
elegant; indessen habe ich bei meinen Versuchen folgende Beobachtung gemacht: Ich
operirte bei + 5º C.; als der lezte Tropfen Queksilberloͤsung eine
Truͤbung hervorbrachte, die beim Umschuͤtteln nicht mehr verschwand,
verschloß ich die Flasche mit ihrem Pfropf und ließ sie stehen. Nach zehn Minuten
war die Truͤbung verschwunden. Ich sezte dann noch drei Tropfen
Probefluͤssigkeit zu; eine Viertelstunde spaͤter war wieder alles
aufgeloͤst. Drei neue Tropfen brachten dann einen Niederschlag hervor, der am
folgenden Tage noch vorhanden war; die Fluͤssigkeit hatte auf eine sehr
merkliche Weise den Geruch der oxydirten Chlorverbindungen beibehalten; die
uͤberschuͤssige Saͤure hatte also bei der Zersezung des
Chlorkalks nicht nur Chlor in Freiheit gesezt, sondern auch zur Entstehung einer
geringen Menge einer oxydirten Chlorverbindung Veranlassung gegeben, welche leztere
nicht auf das Queksilberchloruͤr wirkt. Ich habe mich auch uͤberzeugt,
daß sich derselbe Geruch am Ende der Probe nach der Gay-Lussac'schen Methode zeigt, obgleich
dann die Fluͤssigkeit auf den Indig nicht mehr entfaͤrbend wirkt.
Hieraus muß man schließen, daß weder die eine noch die andere Methode Bruchtheile
von Graden mit Genauigkeit anzeigt, was uͤbrigens auch ganz und gar
unnoͤthig ist.
Der Vorwurf, welchen Hr. Balland den Gay-Lussac'schen Tabellen macht, daß sie am Anfang keine
genauen Resultate geben, waͤre nur dann gegruͤndet, wenn man zur Probe
sehr concentrirte Fluͤssigkeiten anwenden wuͤrde; dieß ist jedoch bei
der gewoͤhnlichen Chlorkalkprobe keineswegs der Fall, indem hier jede
Abtheilung des Meßkaͤnnchens so ziemlich einen ganzen Grad anzeigt, und
dieser Fall laͤßt sich stets auf die Art herstellen, daß man zu concentrirte
Chlorkalkloͤsungen vor dem Probiren mir Wasser verduͤnnt.Die Zahlen am Anfang der Tabelle koͤnnen gar nicht in Betracht kommen;
man vergleiche die vorhergehende Anmerkung.E. D.
Die Anwendung einer Tabelle ist zwar fuͤr die gewoͤhnliche Praxis etwas
unbequem und es waͤre besser, wenn man sie entbehren koͤnnte; dieser
Uebelstand wird aber bei Gay-Lussac's Probirmethode durch die
zwekmaͤßige Wahl der Probefluͤssigkeit mehr als compensirt.
Fuͤr eine Aufloͤsung von salpetersaurem Queksilberoxydul das ihr
entsprechende Chlorvolum zu bestimmen, ist eine sehr delicate Operation, die nicht
Jedermann anstellen kann, waͤhrend gar keine Geschiklichkeit dazu
gehoͤrt, arsenige Saͤure abzuwiegen und aufzuloͤsen: es ist
dieß ein unbestreitbarer Vortheil, welcher dem Gay-Lussac'schen Verfahren fast immer
den Vorzug sichern wird.