Titel: | Notizen über die englische Dampffregatte Gorgon. |
Fundstelle: | Band 69, Jahrgang 1838, Nr. LXXXVI., S. 402 |
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LXXXVI.
Notizen uͤber die englische Dampffregatte
Gorgon.
Aus dem Mechanics' Magazine, No.
776.
Notizen uͤber die englische Dampffregatte
Gorgon.
Die Dampffregatte Gorgon, welche wohl das groͤßte, zum Kriegsdienste
eingerichtete Dampfschiff seyn duͤrfte, wurde kuͤrzlich mit ihren
Maschinen ausgestattet, welche von dem Hause John Seaward
und Comp. nach einem neuen, durch Staͤrke, Leichtigkeit und
Gedraͤngtheit sich auszeichnenden Principe gebaut wurden. Die beiden
Maschinen zusammen haben 320 Pferdekraͤfte, obwohl der Gorgon
urspruͤnglich nur fuͤr Maschinen von 220 Pferdekraͤften
berechnet war. Man bemerkt an ihnen nichts von dem gewoͤhnlichen gußeisernen
Gestelle, keine Balanciers, Seitenstangen oder Querhaͤupter; sondern da sich
die Spindellinie unmittelbar uͤber der Centrallinie der Cylinder befindet, so
ist die Kolbenstange durch eine Verbindungsstange von maͤßiger Laͤnge
und ohne irgend einen anderen Theil der Maschinerie zu beeintraͤchtigen, in
directe Verbindung mit der Kurbel gebracht. Die Kolbenstange wird durch eine starke,
eigens eingerichtete Parallelbewegung, die zugleich auch zum Betriebe der
Luft- und Speisungspumpen dient, in ihrer senkrechten Stellung erhalten.
Dadurch, daß die oben aufgefuͤhrten Theile weggelassen sind, ist eine
Gewichtsersparniß von beilaͤufig 60 Tonnen erzielt. Die Balanciers und
Querhaͤupter fuͤr Maschinen von der angegebenen Kraft wuͤrden
allein gegen 45 Tonnen gewogen haben; sie sind es auch, die, indem sie sich zwischen
15 und 20 Mal in der Minute schwingen, hauptsaͤchlich die zitternde Bewegung
der Dampfboote erzeugen. In Folge ihrer Weglassung war an Bord des Gorgons bei den
angestellten Versuchen die Erschuͤtterung kaum merklich, obschon das Boot vor
Anker gelegt war, wobei das Fahrzeug einer groͤßeren Gewalt unterliegen
mußte, als dieß der Fall gewesen waͤre, wenn man ihm die freie Bewegung im
Wasser gestattet haͤtte.
Die die Spindellinie fuͤhrenden Wagen ruhen auf 8 schmiedeisernen
Saͤulen von 7 Zoll im Durchmesser, die selbst wieder unmittelbar von den
Scheiteln der Cylinder getragen werden, so daß die ganze Gewalt und Kraft der
Maschinen gaͤnzlich auf die Cylinder und die Hauptwagen beschraͤnkt
ist, und von Seite der Maschine auf keinen Theil des Fahrzeuges irgend eine Gewalt
ausgeuͤbt wird. Jede Maschine ruht auf einer sehr starken Grundplatte, die
mit dem Verdichter und
dem unteren Theile des Heißwasserbehaͤlters aus einem Stuͤke gegossen
ist und gegen 10 Tonnen wiegt. Der Raum, den diese Maschinen einnehmen, ist
merkwuͤrdig klein, denn er ist nicht groͤßer als die Haͤlfte
jenes Raumes, den gewoͤhnliche Maschinen von gleicher Kraft erheischt haben
wuͤrden. Zu deren Speisung mit Dampf dienen vier kupferne Kessel, die so von
einander getrennt sind, daß man sie je nach Umstaͤnden entweder einzeln oder
gemeinschaftlich benuzen kann: eine Einrichtung von großer Wichtigkeit, da sie es
moͤglich macht, daß einer oder zwei der Kessel einer Reparatur unterliegen
koͤnnen, waͤhrend die anderen den Dienst versehen. Sie stehen
paarweise mit den Seiten und mit den Ruͤken neben einander; d.h. die
Vordertheile zweier Kessel sind nach Vorwaͤrts gegen die Maschinen und gegen
den Bug des Schiffes, die Vordertheile der beiden anderen dagegen sind nach
Ruͤkwaͤrts gegen den Hintertheil des Schiffes gerichtet. Es sind 12
Feuerstellen und zwei Schuͤrloͤcher, von denen sich eines in der
Fronte der Kessel und das andere hinten befindet, vorhanden. Die beiden
Schuͤrloͤcher communiciren durch Canaͤle, welche rings herum
und uͤber die Kessel laufen, und durch die eine freie Circulation der Luft
durch den Maschinenraum unterhalten wird. Jedermann kann laͤngs diesen
Canaͤlen herumgehen und die in voller Thaͤtigkeit befindlichen Kessel
beruͤhren, ohne auch nur im Geringsten dadurch belaͤstigt zu
werden.
Zu beiden Seiten der Maschinen und Kessel sind die Steinkohlenbehaͤlter, die
von der hinteren bis zur vorderen Querwand reichen, angebracht. Sie haben gegen 8
Fuß Breite und gewaͤhren hinreichenden Raum fuͤr 400 Tonnen
Steinkohlen, womit der Bedarf der Maschinen fuͤr 16 Tage gedekt ist. Die
Maschinen und Kessel befinden sich demnach zwischen zwei massiven Steinkohlenlagern
von 8 Fuß Dike, durch die gewiß kein Schuß bis an die Maschine dringen kann.
Ueberdieß befinden sich aber die verwundbareren Theile der Maschinen, so wie die
Kessel unter der Wasserlinie und mithin ganz außer dem Bereiche von
Schuͤssen.
Die Cylinder haben 64 Zoll Durchmesser, 5 1/2 Fuß Kolbenhub. Die Ruderraͤder
haben 27 Fuß im Durchmesser, und der Maschinenraum mißt von der vorderen bis zur
hinteren Querwand 62 Fuß in der Laͤnge. Das Verdek hat 183 Fuß Laͤnge,
zwischen den Ruderraͤdern 37 Fuß 6 Zoll, und im Ganzen 45 Fuß Breite. Nach
alter Berechnung fuͤhrt das Schiff 1150 Tonnen.
Der Gorgon, der nach den Angaben des Generalintendanten der Marine, Sir Will. Symonds, auf der Werfte in Pembroke gebaut wurde, hat
weder als Kriegsdampfboot, noch in Hinsicht auf Festigkeit, Dauerhaftigkeit und
Symmetrie in irgend einer Marine seines Gleichen; er vereinigt die nothwendigsten Eigenschaften
eines Segelschiffes mit jenen eines Dampfschiffes. Alles Holzwerk besteht aus
indischem Teakholze; die Tragbalken fuͤr die Maschine und die Hauptbalken
sind aus afrikanischem Eichenholze gezimmert; und zur festen Verbindung der Theile
sind weder kupferne Bolzen noch starke eiserne Kniee und Klammern gespart. Die
Waͤnde und Thuͤren der Cajuͤte sind aus
suͤdamerikanischem Cedernholze gearbeitet, welches aus dem Rumpfe des
spanischen Kriegsschiffes Gibraltar genommen und dem Aussehen nach dem Mahagonyholze
sehr aͤhnlich ist.
Zur Ausruͤstung des Gorgons gehoͤren ferner 16
Zweiunddreißigpfuͤnder, von denen 4 auf dem Verdeke aufgestellt werden
sollen. Außerdem erhaͤlt er zwei von jenen neuen fuͤrchterlichen
10zoͤlligen Wurfgeschuͤzen, die hohle Geschosse von 96 Pfd. Schwere
ausschleudern, und von denen eines am Vordertheile und eines am Hintertheile so
angebracht werden soll, daß es den ganzen Horizont in der Runde herum beherrscht.
Die ganze Bemannung des Schiffes betraͤgt in Kriegszeiten mit Einschluß der
Maschinisten 190 Mann, fuͤr deren Unterkommen sehr gut gesorgt ist. Das
Mitteldek ist gaͤnzlich zur Aufnahme von Truppen und ihrer Bagage
eingerichtet; auch ist Raum fuͤr Wasser und andere Vorraͤthe
fuͤr laͤngere Reisen vorhanden.