Titel: Ueber die Reactionsräder. Auszug aus einer größeren Abhandlung des Hrn. Combes. Vom Verfasser selbst ausgezogen.
Fundstelle: Band 70, Jahrgang 1838, Nr. XLVII., S. 197
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XLVII. Ueber die Reactionsraͤder. Auszug aus einer groͤßeren Abhandlung des Hrn. Combes. Vom Verfasser selbst ausgezogen. Aus dem Echo du monde savant, 1838, No. 33. Combes, uͤber Reactionsraͤder. Unter dem Namen Reactionsraͤder oder Reactionsmaschinen versteht man Apparate, welche aus mehreren, an beiden Enden offenen, und um eine feststehende Achse beweglichen Canaͤlen zusammengesezt sind. In diesen Canaͤlen circulirt eine tropfbare oder gasfoͤrmige Fluͤssigkeit auf solche Weise, daß sie bestaͤndig gaͤnzlich davon erfuͤllt sind, und zwar dergestalt, daß die relative Bewegung der Fluͤssigkeit kurze Zeit, nachdem die rotirende Bewegung der Maschine um die feststehende Achse Gleichfoͤrmigkeit erlangt hat, permanent wird. Auf solche Art definirt zerfallen die Reactionsapparate in zwei Classen. Zur ersten Classe gehoͤren jene, denen die rotirende Bewegung um die feststehende Achse durch den Druk mitgetheilt wird, den die in den beweglichen Canaͤlen stroͤmende Fluͤssigkeit gegen deren Waͤnde ausuͤbt. Es sind dieß Triebwerke, die zur Aufsammlung und Fortpflanzung der Kraft oder Arbeitsleistung eines Wasserfalles, einer in Bewegung befindlichen Fluͤssigkeit, eines comprimirten Gases etc. dienen. Hieher gehoͤrt das Rad von Segner, welches Euler in den Jahren 1750 und 1751 studirte, und welches von Manoury d'Ectot modificirt und verbessert wurde; ferner das von Euler selbst angegebene Rad, dessen Theorie dieser beruͤhmte Mathematiker im Jahr 1754 in den Abhandlungen der Berliner Akademie feststellte. Zur zweiten Classe dagegen gehoͤren jene Raͤder, bei welchen der Achse mit den Canaͤlen durch eine aͤußere Kraft Bewegung mitgetheilt wird, und wo durch den Druk der Canalwaͤnde auf die in ihnen befindliche Fluͤssigkeit, eine Bewegung der lezteren hervorgebracht wird. Hieher sind zu zaͤhlen die von Demour im Jahr 1732 angegebene, und 1751 in den Berliner Denkschriften gleichfalls von Euler beschriebene Maschine zum Wasserheben durch die Wirkung der Centrifugalkraft; der aussaugende und blasende Ventilator mit Centrifugalkraft, uͤber den ich am 16. April 1838 vor der Akademie zu Paris einen Vortrag hielt. Die diesen beiden Gassen von Apparaten zu Grunde liegen Theorie ist dieselbe; die Gleichungen, welche ich in meiner eben erwaͤhnten Abhandlung uͤber den Ventilator mit Centrifugalkraft angegeben habe, finden mit einigen sehr einfachen Modificationen sowohl auf die Treibraͤder, als auch auf die zum Wasserheben bestimmte Maschine, die den Gegenstand meiner gegenwaͤrtigen Abhandlung bildet, ihre Anwendung.Man findet die hier erwaͤhnte Abhandlung im polytechnischen Journale Bd. LXIX, S. 128 und S. 279.A. d. R. An den leztern Raͤdern wird die treibende oder auch die in Bewegung gesezte Fluͤssigkeit in unbeweglichen Roͤhren den beweglichen Canaͤlen zugefuͤhrt, wie dieß an der Euler'schen Maschine vom Jahr 1754 der Fall ist. Der Druk, den die in Bewegung befindliche Fluͤssigkeit bei dem Uebergange aus den unbeweglichen Roͤhren in die beweglichen Canaͤle ausuͤbt, ist im Allgemeinen dem des umgebenden Mediums nicht gleich. Er wechselt unter uͤbrigens gleichen Umstaͤnden nach der Angulargeschwindigkeit des Rades und zwar in umgekehrtem Verhaͤltnisse mit dieser, und da das von den Raͤdern in der Zeiteinheit verbrauchte Volumen Wasser zugleich mit dem Druke auf die Ausflußmuͤndungen der unbeweglichen Roͤhren wechselt, so folgt hieraus, daß dieses Volumen von der Angulargeschwindigkeit des Rades abhaͤngt. Was das Treibrad betrifft, so besteht fuͤr dieses eine gewisse Geschwindigkeit, bei der die gesammte Bewegkraft des Wassers an die Maschine fortgepflanzt wird, wobei jedoch die Reibung, auf die ich bei meinen Berechnungen keine Ruͤksicht genommen, in Abzug zu bringen ist. Bei allen von dieser abweichenden Geschwindigkeiten findet also Verlust Statt, weil das Wasser das Rad nicht mit gar keiner Geschwindigkeit verlassen wird, und weil also beim Austritte des Wassers aus den unbeweglichen Roͤhren und bei dessen Uebergang in die beweglichen Canaͤle ein Stoß Statt finden muß. Meine Formeln geben das Maaß fuͤr diesen Verlust, und zeigen, daß selbst bei großen Abweichungen von der dem Maximaleffecte entsprechenden Angulargeschwindigkeit, die Abweichungen moͤgen daruͤber oder darunter gehen, der Verlust doch immer nur ein kleiner Theil der Gesammtleistung bleibt. Folgende Tabelle zeigt bis zur Evidenz den Einfluß dieses Wechsels der Radgeschwindigkeit auf den Verbrauch an Wasser und auf den Verlust an der Leistung. Sie bezieht sich auf ein Rad, welches in jeder Secunde bei einer Drukhoͤhe von 1,50 Meter, dessen ganzer Durchmesser nur 0,60 Meter betruͤge, gewoͤhnlich 170 Liter Wasser verbrauchen sollte. Textabbildung Bd. 70, S. 199 Bei dieser Geschwindigkeit kommt die mitgetheilte Leistung dem Gesammt-Effecte gleich. A. d. O. Das Rad dreht sich hier nicht, sondern das Wasser tritt mit der durch die Drukhoͤhe bedingten Geschwindigkeit aus. A. d. O. Geschwindigk. des Rades an dem von den inneren Raͤndern der Schaufeln beschriebenen Umfange; in Metern per Secunde ausgedruͤckt; Zahl der Radumlaͤufe in einer Minute; Verbrauch an Wasser in Litern, bei einer constanten und gleichen Druckhoͤhe von 1,50 Meter u. bei gleichbleibender Oeffnung des Schuzbrettes; Drukhoͤhe, welche in Folge der ploͤzlichen Veraͤnderung der Geschwindigkeit beim Eintritte des Wassers in das Rad und in Folge der von dem Wasser bei seinem Austritte beibehaltenen Geschwindigkeit verloren geht. Die zum Wasserheben bestimmte Maschine bietet aͤhnliche Resultate. An den meisten Waͤssern wechselt das Volumen des Wassers nach den Jahreszeiten in sehr hohem Grade, so zwar, daß ein und dasselbe Wasserrad zur Winterszeit oft zwei und drei Mal soviel leistet, als zur Zeit andauernder Trokenheit. Wenn die Arbeit nicht durch Zeitraͤume der Ruhe unterbrochen wird, waͤhrend deren man das zum Treiben dienende Wasser in großen Reservoirs aufspeichern kann, so ist es unumgaͤnglich nothwendig, die Maschine mit einer Schuzbrett-Vorrichtung zu versehen, bei der es moͤglich ist, die Quantitaͤt des zustroͤmenden Wassers unter beilaͤufiger Beibehaltung der Angulargeschwindigkeit genau zu verbrauchen. Daß die Zahl der von den Raͤdern betriebenen Mechanismen uͤbrigens mit der Triebkraft im Verhaͤltnisse stehen muͤsse, versteht sich von selbst. Die Schuͤzenvorrichtung fuͤr das Reactionsrad muß nothwendig an diesem selbst angebracht werden; und damit der Nuzeffect der in dem Wasservolumen vorkommenden Schwankungen ungeachtet immer derselbe bleibe, muß diese Vorrichtung zugleich oder gleichzeitig auf die Ein- und Austrittsmuͤndungen der beweglichen Canaͤle wirken, welche Muͤndungen, beilaͤufig bemerkt, in einem constanten, durch die Gleichungen der Bewegung bestimmten Verhaͤltnisse zu einander stehen muͤssen. Ich habe nun in meiner Abhandlung eine derlei Vorrichtung angegeben, welche nicht nur diesen Bedingungen Genuͤge leistet, sondern bei der es zugleich moͤglich ist, die Hoͤhe der beweglichen Canaͤle in ihrer ganzen Ausdehnung mit dem Volumen des zu verbrauchenden Wassers in Verhaͤltniß zu bringen, waͤhrend den das Wasser herbei leitenden unbeweglichen Roͤhren nur eine Hoͤhe gelassen ist, die jener der beweglichen Roͤhren gleich kommt. Mittelst dieser Vorrichtung wird, wenn nur die Drukhoͤhe und die Angulargeschwindigkeit keine Veraͤnderung erleiden, das Rad bei jedem beliebigen Wasservolumen stets in den theoretischen Bedingungen des Maximal-Effectes bleiben. Das von Euler angegebene Rad laͤßt keine Schuͤzenvorrichtung zu, bei der mehr oder weniger Wasser verbraucht werden koͤnnte; und daher duͤrfte es wohl ruͤhren, warum dasselbe bei dem trefflichen Beweise, den der Erfinder fuͤr die Richtigkeit der Theorie gab, beinahe ohne alle praktische Anwendung blieb. Uebrigens muß ich bemerken, daß man in neuerer Zeit die Euler'sche Maschine sehr mit Unrecht den Raͤdern mit krummen Schaufeln, die sich um eine senkrechte Achse drehen, und deren Theorie Borda im Jahr 1767 feststellte, beigezaͤhlt hat; sowie man auch die wahren Principien der Reactionsraͤder, wie sie von Euler festgesezt wurden, vergessen zu haben scheint.