Titel: Ueber die Alkoholgewinnung aus den Weintrestern ohne Anwendung von Feuer. Von Hrn. Audouard, Apotheker in Beziers.
Fundstelle: Band 70, Jahrgang 1838, Nr. LI., S. 208
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LI. Ueber die Alkoholgewinnung aus den Weintrestern ohne Anwendung von Feuer. Von Hrn. Audouard, Apotheker in Beziers. Aus dem Recueil supplémentaire du Journal de l'Académie de l'Industrie. Vol. IV. S. 79. Audouard, uͤber die Alkoholgewinnung aus den Weintrestern. Ungeachtet die Gewinnung des Alkohols aus den Weintrestern fuͤr Frankreich ein so bedeutender Industriezweig ist, daß schon eine kleine Verbesserung derselben von großem Einfluͤsse seyn muͤßte, ist dieselbe dennoch seit laͤngerer Zeit auf dem alten Standpunkte geblieben. Große kupferne Kasten, von denen einer gegen 1200 Fr. kostet und welche die Stelle von Destillirblasen versehen, arbeiten waͤhrend der Weinlese Tag und Nacht mit großem Aufwande an Muͤhe und Geld, um eine alkoholhaltige, truͤbe Fluͤssigkeit, der man den Namen Blanqueus beilegte, zu gewinnen: ein Fabricat, welches nicht nur den von den Traubenkernen herruͤhrenden, sondern auch einen starken schimmligen und empyreumatischen Geruch hat. Da ich in meiner Fabrike chemischer Producte einer ziemlich großen Menge Alkohol bedurfte, so suchte ich denselben auf wohlfeile und minder fehlerhafte Weise aus den Weintrestern zu gewinnen. Mein Verfahren beruht auf der Ausziehung des in den Trestern enthaltenen Alkohols mittelst kalten Wassers. Es ist dieses Verfahren, dessen man sich an einigen Orten zur Erzeugung ganz leichter Weine bedient, so einfach, so wenig kostspielig, und so sehr im Bereiche von Jedermann, daß man sich wahrlich wundern muß, daß man sich desselben nicht schon laͤngst bediente. Die einzige Einwendung, die man dagegen machen koͤnnte, scheint mir die zu seyn, daß man es fuͤr schwierig hielt, auf diese Weise allen in den Trestern enthaltenen Alkohol auszuziehen, waͤhrend dieß nach der gewoͤhnlich gebraͤuchlichen Destillation ein Leichtes ist. Nach dem Verfahren, welches ich angeben werde, ist jedoch diese Schwierigkeit gehoben, und man erhaͤlt nach ihm eben so reichlichen und dabei viel wohlschmekendern Alkohol als bisher; abgesehen davon, daß man auch die Kosten des Brennmateriales und die Interessen des in den Oefen, Kesseln etc. stekenden Capitales erspart. Wasser, Stampfen, Bottiche, Faͤsser, lauter Geraͤthe, die jedem Weingartenbesizer zu Gebote stehen, sind Alles, was ich bedarf, um aus den Trestern eine an Alkohol reichere und wohlschmekendere Fluͤssigkeit als die Blanquette zu gewinnen. Die Verdraͤngungsmethode ist, wie stark auch die Trestern zusammengepreßt seyn moͤgen, hier nicht anwendbar, da das Wasser stets zu rasch durchdringen wuͤrde, als daß es die Trestern erschoͤpfen koͤnnte. Man muß daher zur Maceration seine Zuflucht nehmen. Ich bringe zu diesem Zweke in drei laͤnglich vierekige steinerne Bottiche, von denen jeder an der Basis seinen eigenen Hahn hat, die Trestern von 14 Muids Wein mit 24 Faͤssern Wasser, jedes zu 1,200 Kilogr. Nach einstuͤndiger Maceration lasse ich die Fluͤssigkeit bei den Haͤhnen ab, um sie unmittelbar in einem gewoͤhnlichen Kessel der Destillation zu unterwerfen. Sie ist stark genug, um 72 Kilogr. Alkohol von 22° und eine Quantitaͤt schwachen Weingeist zu liefern; lezteren laͤßt man so lange uͤbergehen, als sich derselbe beim Verdampfen auf den Waͤnden eines im Sude befindlichen Kessels durch ein Kerzenlicht entzuͤnden laͤßt. Unmittelbar nach dem Ablassen der ersten Fluͤssigkeit uͤbergieße ich die Trestern mit einer gleichen Menge Wassers, dem der eben erwaͤhnte schwache Weingeist zugesezt worden. Nach einstuͤndiger Maceration wird auch diese Fluͤssigkeit abgelassen und in daß Faß Nr. 1 gebracht. Dasselbe Verfahren noch ein drittes Mal mit einer gleichen Menge Wasser wiederholt, gibt mir eine Fluͤssigkeit, welche ich in das Faß Nr. 2 bringe. Die Trestern haben nach dieser Auswaschung zwar allerdings noch einen angenehmen geistigen Geruch; allein die Erfahrung lehrte mich, daß ihr Alkoholgehalt nach dreimaliger Maceration so unbedeutend ist, daß sie keine weitere Behandlung werth sind. Ich fuͤlle daher die drei Bottiche neuerdings mit Trestern und uͤbergieße sie mit der Fluͤssigkeit im Fasse Nr. 1. Nach einstuͤndiger Maceration hat sich dieselbe in solchem Maaße mit Weingeist gesaͤttigt, daß sie bei der unmittelbar zu unternehmenden Maceration gegen 100 Kilogr. Alkohol von 22° gibt. Hierauf uͤbergieße ich die Trestern mit der Fluͤssigkeit des Fasses Nr. 2, welche nach einstuͤndiger Maceration in das Faß Nr. 1 abgelassen wird. Eine dritte Maceration geschieht mit der angegebenen Menge reinen Wassers, welches ich nach beendigter Maceration in das Faß Nr. 2 ablasse. Hierauf werden wieder neue Trestern in die Bottiche gebracht, und auf diese Weise wird fortgefahren, so lange man noch Trestern zu verarbeiten hat. Ein Vergleich, den ich zwischen den Trestern von 1600 Muids Wein, die nach meinem Verfahren behandelt wurden, und einer gleichen Menge nach der gewoͤhnlichen Methode destillirter Trestern anstellte, ergab dem Gewicht nach zu Gunsten meines Verfahrens einen Vortheil von einem Zehntheil. Dieß erklaͤrt sich dadurch, daß meiner Methode gemaͤß die Trestern, unmittelbar wie sie aus der Presse kommen, der Behandlung unterliegen und demnach keinen Verlust erleiden, waͤhrend die bisher uͤbliche Destillation nicht so rasch betrieben werden konnte, so daß der Fabrikant gezwungen war, des taͤglichen Verlustes an Alkohol ungeachtet, die Trestern aufzubewahren, um sie schimmeln und verderben zu lassen, und um dadurch den uͤblen Geruch, den der Alkohol bei der Destillation erhaͤlt, noch zu erhoͤhen. Der meiner Methode gemaͤß gewonnene Alkohol hat nur den schwachen Geruch, der von dem aͤtherischen Oehle der Traubenkerne herruͤhrt, und der nur von Sachkundigen erkannt wird. Mein Vers fahren hat den Vortheil, daß es sehr rasch von Statten geht, ohne dabei den Arbeitslohn zu steigern. Es liefert ein besseres Product, und alle Auslagen auf Apparate, wie Kessel u. dgl. fallen weg. Kleine Weingartenbesizer, die selbst keinen Destillirapparat besizen, koͤnnen die geistige Fluͤssigkeit endlich leichter und mit geringerem Verluste an eine benachbarte groͤßere Fabrik verkaufen, als dieß mit den Trestern moͤglich ist.