Titel: | Ueber arsenikhaltige Lichtkerzen. Aus einem im Namen einer Commission abgestatteten Berichte; von D. Granville. |
Fundstelle: | Band 70, Jahrgang 1838, Nr. LXXXIII., S. 373 |
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LXXXIII.
Ueber arsenikhaltige Lichtkerzen. Aus einem im
Namen einer Commission abgestatteten Berichte; von D. Granville.
Aus der Biblioth. univers. April 18338, S.
346.
Granville, uͤber arsenikhaltige Lichtkerzen.
Chevreul entdekte bekanntlich in dem gewoͤhnlichen
Talge zwei verschiedene fette Stoffe, einen, das Stearin, der selbst bei einer
ziemlich hohen Temperatur fest bleibt, waͤhrend der andere, das Oleïn,
bei der
gewoͤhnlichen Waͤrme der Luft fluͤssig wie Oehl ist. Alle beide
finden sich in den meisten Oehlen und Fetten, sowohl vegetabilischen als
animalischen, die ihren Grad von Consistenz oder Fluͤssigkeit dem
Vorherrschen des einen oder des andern dieser beiden Stoffe verdanken.
Wird das Stearin durch die Wirkung eines Alkali's, wie Kali und Natron, oder einer
andern kraͤftigen Base verseift, so verwandelt es sich, wie Chevreul gezeigt hat, in eine kleine Menge
loͤslicher Substanz von zukerartigem Geschmak (ungefaͤhr 5 Proc.) und
einen modificirten fetten Stoff, der sich leicht von der Base durch eine
Saͤure abscheiden laͤßt. Dieses modificirte Fett besteht aus einem
Gemenge von zwei Saͤuren, der Margarin- und der Stearinsaͤure.
Beide sind einander so aͤhnlich, daß man dieselben in technischer Beziehung
als gleichartig betrachten kann. Die so erhaltene Substanz ist perlmutterartig,
krystallisirt in langen glaͤnzenden und seidenartigen Nadeln, die sich in der
erstarrten Masse durchkreuzen. Ihr ganz unbedeutender Geruch ist dem des
geschmolzenen Wachses aͤhnlich. Sie schmilzt hoͤchstens bei 45°
R. und gibt, wenn sie vermittelst eines Dochtes entzuͤndet wird, ein
schoͤnes und lebhaftes weißes Licht, das keinen Geruch verbreitet.
Der große Vorzug, den diese beiden neuen Koͤrper fuͤr die Beleuchtung
gegen den gewoͤhnlichen Talg, sowohl wegen der Schoͤnheit des
Aussehens als auch wegen ihrer geringern Neigung zu laufen, sowie auch, und zwar
vornehmlich, wegen Abwesenheit des so unangenehmen Geruches der gewoͤhnlichen
Lichter gewaͤhren, mußte nothwendig bald die Aufmerksamkeit der Fabrikanten
auf sich ziehen. Dessen ungeachtet zeigten sich in der Praxis Schwierigkeiten,
welche vornehmlich von der starken Neigung der Margarinsaͤure zur
Krystallisation herruͤhrten, wodurch die daraus bereiteten Lichter sehr
bruͤchig und fast zerreiblich gemacht wurden. Endlich kamen im Jahre 1833
oder 1834 aus dieser Substanz bereitete Lichter zu Paris unter dem Namen bougies de l'Etoile in den Handel, und ihre
Schoͤnheit, ihr maͤßiger Preis erwarben ihnen bald einen großen Ruf.
Da sich aber bei verschiedenen Personen, die sich dieser neuen Lichter bedienten,
bedenkliche und beunruhigende Symptome gezeigt hatten, und man an diesen Lichtern
einen Knoblauchgeruch wahrgenommen hatte, so erregte dieß die Aufmerksamkeit der
franzoͤsischen Behoͤrden. Der Polizeipraͤfect ließ durch das
Conseil de Salubrité eine Untersuchung
anstellen, deren Resultat war, daß die besagten Kerzen Arsenik enthielten, der
hinein gebracht worden war, um die verseiften Fette, welche die Grundlage derselben
bildeten, verbrennlicher zu machen. Die franzoͤsischen Behoͤrden
verboten die Anwendung dieser giftigen Substanz bei Bereitung der neuen Lichter,
ohne daß jedoch eine oͤffentlichen Bekanntmachung in dieser Sache erfolgte, da der Arsenik
inzwischen durch eine unschaͤdliche Substanz ersezt worden war.
Einige Zeit nach dieser Untersuchung begab sich ein Individuum nach London und
verkaufte da an eine große Anzahl von Lichtfabrikanten ein weißes Pulver, welches
die Eigenschaft hatte, die Stearinsaͤure in schoͤne Kerzen zu
verwandeln, welche sehr gesucht wurden. Es wurde jedoch bald die Entdekung gemacht,
daß dieses Pulver nichts anderes als gepulverter weißer Arsenik (arsenige
Saͤure) war, und da das vermeinte Geheimniß auf diese Weise entdekt worden
war, so wurde die Fabrication der Lichter, die aus mit Arsenik gemengter
Stearinsaͤure verfertigt waren, bald fast ganz allgemein. Die angesehensten
Fabrikanten, durch die Niedrigkeit des Preises gezwungen, welche diese furchtbare
Concurrenz veranlaßte, ahmten ihre Collegen nach, und obgleich das Verfahren bei
dieser Fabrication fuͤr keine der bei diesem Handelszweige angestellten
Personen ein Geheimniß war, so hatte doch das Publicum, das sich dieser vergifteten
Beleuchtung bediente und daher am meisten dabei betheiligt war, keine Kenntniß
davon.
Endlich machte am 28. October vorigen Jahres ein Mitglied der medizinischen
Societaͤt von Westminster in London eine Anzeige, daß er, da einer seiner
Patienten sich gegen ihn uͤber den Nachtheil beklagt haͤtte, den er
von dem Gebrauche der Kerzen empfaͤnde, welche er im Gasthause erhalten, eine
Analyse haͤtte anstellen lassen, die einen Arsenikgehalt als Resultat gegeben
haͤtte. Die Societaͤt ernannte darauf eine Commission von
Sachkundigen, welche den Auftrag erhielt, eine gruͤndliche Untersuchung
uͤber einen fuͤr den oͤffentlichen Gesundheitszustand so
wichtigen Gegenstand anzustellen. Diese Commission gab in einem Berichte das
Resultat ihrer Untersuchungen, und da in England die Publicitaͤt das einzige
Mittel ist, das Publicum vor Gefahren, wie diese sind, zu warnen, wurde die Arbeit
dem Druke uͤberliefert und es wurden zahlreiche Exemplare davon
vertheilt.
Es haͤtte uͤberfluͤssig scheinen koͤnnen, diese
Anwesenheit des Arseniks durch die Analyse darzuthun, da sie von den Fabrikanten
selbst nicht gelaͤugnet wurde. Dessen ungeachtet verschafften sich die
Mitglieder der Commission Proben dieser Producte, die bei den Londoner
Lichthaͤndlern unter sehr verschiedenen Namen verkauft wurden, wie z.B. Chandelles de stéarine, cire d'Allemagne, bougies de
cire impériale. bougies françaises, suif comprimé, bougies
des tropiques, cire moulée, cire de Venise u.s.w. Durch Kochen von
Bruchstuͤken dieser verschiedenen Kerzen in Wasser uͤberzeugten sich
die Mitglieder der Commission von der Anwesenheit des weißen Arseniks in einer Menge
von zehn bis achtzehn Gran auf ein Pfund Lichter, so daß jedes Licht vier und einen halben Gran
davon enthielt, was namentlich bei denen der Fall war, die den geringsten Preis
hatten. Dieser Arsenik war nicht in der Masse aufgeloͤst, sondern bloß mit
ihr gemengt, und die Commissarien uͤberzeugten sich, daß der obere Theil des
Lichtes, welcher beim Gießen den untern Theil der Gießform einnimmt, weit mehr als
das andere Ende davon enthielt. Der Unterschied war so bedeutend, daß er fast noch
ein Drittel wehr ausmachte, so daß eine solche Kerze in der Luft weit mehr
Arsenikdaͤmpfe verbreiten muß, wenn man sie zum erstenmale anzuͤndet,
als wenn sie schon zum Theil verbrannt ist.
Um die Natur der beim Verbrennen sich entwikelnden arsenikalischen Daͤmpfe
kennen zu lernen, wurden glaͤserne Gefaͤße uͤber die Flamme
gebracht, und sie bedekten sich mit einer duͤnnen Schicht arseniger
Saͤure, wie dieß durch Reagentien deutlich dargethan wurde. Um die Menge der
auf diese Weise durch das Verbrennen entwikelten Saͤure aufzufinden, wurde
der angezuͤndete Docht des verdaͤchtigen Lichtes in eine kleine
Retorte ohne Boden gebracht, so daß sie darin ruhig und ohne Rauch verbrannte. Der
Hals der Retorte war in eine horizontale Glasroͤhre von sechzehn Zoll
Laͤnge und einem Zoll im Durchmesser eingesezt, die mit feuchter Leinwand
umgeben war. Die Retorte und die Roͤhre bedekten sich sogleich mit einer
weißen Schicht arseniger Saͤure, und ein wenig waͤsseriger
Fluͤssigkeit, die sich in der Roͤhre verdichtete, ergab sich als eine
concentrirte Aufloͤsung von demselben Gifte.
Es war also dargethan, daß bei dem gewoͤhnlichen Verbrennen sich Arsenik als
arsenige Saͤure aus den Stearinkerzen entwikelte. Es blieb aber noch zu
untersuchen uͤbrig, ob sich unter andern Umstaͤnden nicht andere
arsenikalische Producte entwikeln koͤnnten. Die Commissarien stellten directe
Versuche daruͤber an, und sie uͤberzeugten sich, daß, wenn die
Verbrennung durch einen nicht so anhaltenden Zutritt von Sauerstoff verlangsamt
wird, sich metallisches Arsenik, schwarzes Arsenikoxyd und vielleicht selbst
Arsenikwasserstoff, dieses so heftige Gift entwikeln. Sie uͤberzeugten sich,
daß das in die Masse gebrachte Arsenik beim Verbrennen durch das frei werdende
Wasserstoffgas zu metallischem Arsenik reducirt wird, welches sich mit der Flamme
verfluͤchtigt. Hier verbrennt es wiederum, und wenn hinreichende Luft
hinzutreten kann, wie dieß gewoͤhnlich in Zimmern geschieht, verwandelt es
sich von Neuem in arsenige Saͤure, die sich nach, und nach an alle umgebende
Koͤrper absezt. Wird aber der Zutritt der Luft, z.B. durch glaͤserne,
die Kerzen umgebende Cylinder erschwert, so koͤnnen einige Portionen
Arsenikwasserstoffgas durch die Flamme gehen, ohne zu verbrennen, und so in der Luft
ihren toͤdtlichen Einfluß verbreiten. Die aus diesem Theile der Untersuchung- gezogenen
Schluͤsse bestaͤtigten daher die Anwesenheit des Arseniks in
betraͤchtlicher Menge in den Stearinkerzen. Eine aͤhnliche
Untersuchung wurde mit den Wachs- und Wallrathkerzen angestellt, es wurde
aber nichts Verdaͤchtiges darin entdekt. Der Wallrath bietet indessen
dieselbe Schwierigkeit dar, wie die Stearinsaͤure, wegen seiner Neigung zur
Krystallisation und seiner bruͤchigen Consistenz. Dem Uebel wird aber durch
Zusaz von einem Dreissigstel weißem Wachse leicht abgeholfen, und es ist
wahrscheinlich, daß ein solcher Zusaz eine aͤhnliche Wirkung auf die
Stearinkerzen haben wuͤrde.
Obgleich man fast nicht annehmen kann, daß der bestaͤndige Gebrauch von
Lichtern, die bei ihrer Verbrennung arsenige Saͤure entwikeln, ohne
gefaͤhrliche Wirkungen auf die thierische Oekonomie sey, so sollte, nach dem
Wunsche der Commission, die Erfahrung auch uͤber diese wichtige Frage
entscheiden. Sie ließ geraͤumige hoͤlzerne Behaͤltnisse
anfertigen, die in zwei Abtheilungen getheilt waren. Oben und unten angebrachte
Oeffnungen gestatteten eine hinreichende Luͤftung, um die Luft
bestaͤndig zu erneuern, und glaͤserne Thuͤren ließen das
Tageslicht ungehindert hinein und man konnte durch sie beobachten, was in den
Behaͤltnissen vorging. Thermometer, die in jeder Abtheilung
aufgehaͤngt waren, gaben in jedem Augenblike die Temperatur der
Behaͤltnisse an, und ein mehr oder weniger schneller Luftstrom machte es
moͤglich, dieselbe nach Belieben zu reguliren.
In jede der Abtheilungen dieser Behaͤltnisse brachte man zwei lebendige
gesunde Voͤgel (Zeisige), die in einen Kaͤfig gebracht waren, zwei
Meerschweinchen und ein Kaninchen. In der ersten Abtheilung wurden vier
arsenikhaltige Lichter angezuͤndet und in der zweiten vier Wallrathkerzen.
Die Verbrennung wurde sechs Tage, jedesmal ungefaͤhr zwoͤlf Stunden,
in den beiden Behaͤltnissen fortgesezt, die dem bereits beschriebenen
aͤhnlich waren, ausgenommen, daß in dem zweiten nur drei Lichter und drei
Kerzen statt vier waren und daß es statt Zeisige zwei Gruͤnfinken (verdiers) enthielt. Jeden Tag wurden die
Behaͤltnisse und die Kaͤfige gereinigt, und es wurden vor Beginn des
Versuches von Neuem Wasser und Nahrungsmittel hineingebracht. Waͤhrend der
ganzen Dauer der Versuche war die Temperatur der Behaͤltnisse beinahe
Sommerwaͤrme, von 15° bis 20° R., da diese den dann
eingeschlossenen Thieren am angenehmsten seyn mußte. Die Behaͤltnisse wurden
immer hinreichend geluͤftet und die Nahrung war reichlich und gesund.
Drei oder vier Stunden nach dem Anfange des Versuches wurde einer der Zeisige
sichtlich angegriffen; er erholte sich aber waͤhrend der Nacht wieder, wo die
Verbrennung aufhoͤrte. Den folgenden Tag, eine Stunde nachdem die Lichter
von Neuem angezuͤndet worden waren, wurde derselbe Vogel von Neuem
angegriffen, und am Ende der zweiten Stunde war er todt. Der andere Zeisig folgte
ihm eine halbe Stunde nachher. Diese zwei Voͤgel waren im Ganzen der
Arsenikatmosphaͤre sieben und eine halbe Stunde ausgesezt gewesen.
Es wurden hierauf drei andere Zeisige in das Behaͤltniß gebracht, und statt
vier, wurden bloß zwei Stearinkerzen angebrannt. Vier Stunden nachher schienen die
Voͤgel wie erstarrt auf ihrem Staͤbchen, ob sie gleich im ersten
Augenblike mehr Lebhaftigkeit als gewoͤhnlich gezeigt hatten. Waͤhrend
des uͤbrigen Theiles des Tages waren sie offenbar immerfort
unpaͤßlich. In der Nacht schienen sie wieder Kraͤfte zu erhalten, aber
am folgenden Tage, kurz nachdem die Lichter wieder angebrannt worden waren, kehrte
die Krankheit zuruͤk. Sie konnten ihre Fluͤgel nicht erhalten, sie
athmeten mit Muͤhe und hatten bestaͤndig ihren Schnabel offen. Am
dritten Tage endlich starben alle drei, obgleich sie in jeder Nacht, wo die
Arsenikdaͤmpfe eine Zeit aufhoͤrten, fast ihre gewoͤhnliche
Gesundheit wieder erhalten zu haben schienen. Die hauptsaͤchlichsten bei
ihnen vorkommenden Symptome, außer dem erschwerten Athemholen, waren Zukungen am
ganzen Koͤrper, große Niedergeschlagenheit und fast voͤllige
Laͤhmung der willkuͤrlichen Muskelbewegungen. Wurden sie
aufgescheucht, so fielen sie, indem sie wegzufliegen versuchten, auf den Boden des
Kaͤfigs.
Die zwei Gruͤnfinken, welche viel staͤrker waren, widerstanden den
Wirkungen der von den Stearinkerzen verbreiteten Arsenikdaͤmpfe viel
laͤnger; endlich aber kamen bei ihnen dieselben Symptome vor und sie
unterlagen, nachdem sie mit Unterbrechung neun und vierzig Stunden denselben
ausgesezt gewesen waren. Sie schienen einen nicht zu stillenden Durst zu
fuͤhlen, und einer von ihnen starb, waͤhrend er seinen Schnabel in das
Trinknaͤpfchen tauchte. Auch tranken alle diese Voͤgel zum wenigsten
viermal mehr Wasser als diejenigen, welche nicht, den toͤdtlichen
Einfluͤssen der Kerzen ausgesezt waren. Sie verloren nach und nach ihren
ganzen Appetit, und wenn sie ein Koͤrnchen zerhakten, so konnten sie es nur
verschlingen, wenn sie ihren Schnabel in Wasser eintauchten, um es zu befeuchten.
Sie zeigten auch deutliche Spuren von Stoͤrung in den Verdauungsorganen.
Die Commissarien glaubten die Koͤrper dieser Voͤgel nach ihrem Tode
untersuchen zu muͤssen und sie entdekten deutliche Spuren von Arsenik, der
entweder verschlukt oder durch die Athmungswerkzeuge eingefuͤhrt worden seyn
mußte. Es ist wohl nicht noͤthig zu sagen, daß bei den Voͤgeln von der
naͤmlichen Art, aus deren Kaͤfig diejenigen genommen worden waren,
welche den Versuchen unterworfen wurden, und die bloß der Vergleichung wegen unter
ganz gleichen Umstaͤnden hinsichtlich der Nahrung, Temperatur, des Raumes, der
Luͤftung u.s.w. in der andern Abtheilung des Behaͤltnisses aufbewahrt
worden waren, wo die gewoͤhnlichen Wallrathkerzen brannten, nicht das
geringste Symptom von Unbehaglichkeit oder Stoͤrung ihres
Gesundheitszustandes vorkam.
Die Saͤugethiere gaben vom zweiten Tage an Zeichen von Unbehaglichkeit in der
Atmosphaͤre. Das Kaninchen vornehmlich hatte rothe Augen, war erstarrt, lag
immer auf der Seite, seine Weichen waren eingefallen und das Athemholen ging bei ihm
schneller vor sich. Es wurde oft von einer Art Zittern befallen. Es erbrach sich oft
und wollte, wie die Meerschweine, nicht fressen. Der Versuch wurde nicht lange genug
fortgesezt, um den Tod dieser staͤrkern Thiere herbeizufuͤhren. Ihre
Unbehaglichkeit und ihre Magerkeit aber zeigten, daß sie bald unterlegen
waͤren.
Bloß am dritten Tage des Versuches waren in verschiedene Theile der
Behaͤltnisse Gefaͤße mit destillirtem Wasser gestellt worden, um zu
entdeken, ob die Arsenikdaͤmpfe in der Luft blieben, oder niedergeschlagen
wuͤrden. Obgleich diese Gefaͤße nur ungefaͤhr sechs und dreißig
Stunden den Arsenikdaͤmpfen ausgesezt gewesen waren, so gab dennoch das
Wasser, welches sie enthielten, mit Reagentien deutliche Beweise, daß es das Gift
enthalte. Es wurde folglich dadurch bewiesen, daß die durch die Stearinkerzen bei
der Verbrennung entwikelte arsenige Saͤure sich verdichtet und auf die
verschiedenen in dem Behaͤltnisse befindlichen Gegenstaͤnde
zuruͤkfaͤllt.
Die Commissarien haben also durch Versuche die toͤdtlichen Wirkungen gezeigt,
die der Gebrauch der arsenige Saͤure enthaltenden Stearinkerzen auf das Leben
haben muß. Eine große Anzahl voͤllig authentischer Thatsachen haͤtten
schon im voraus ein aͤhnliches Resultat geben koͤnnen.
Wir haben gesagt, daß die Mengung des Arseniks mit den fetten Substanzen bald
Arsenikwasserstoffgas, bald metallischen Arsenik, bald arsenige Saͤure
erzeugt. Das erstere muß ohne Zweifel sehr selten erzeugt werden, aber seine
Anwesenheit wuͤrde bei denen, die es einathmeten, einen gewissen Tod
herbeifuͤhren. Die Chemie zaͤhlt schon zwei Opfer dieses erst in
neuerer Zeit entdekten Gases, das eins von den staͤrksten Giften, die wir
kennen, zu seyn scheint.
Bekannt ist, daß Gehlen seinen Tod bei Versuchen mit
demselben fand; und noch im vorigen Jahre ereignete sich zu Falmouth derselbe
Ungluͤksfall. Der Chemiker Bullock wollte bei
einem Cursus der Experimentalchemie uͤber die Gasarten in der Gewerbschule
Arsenikwasserstoffgas bereiten, indem er Schwefelsaͤure auf eine Legirung von
Zink und Arsenik goß.
Um das Gas reiner zu erhalten, wollte er die atmosphaͤrische Luft aus dem
Flaͤschchen aussaugen, ungluͤklicher Weise aber hatte sich schon eine
kleine Menge von dem ungluͤklichen Gase damit gemengt, und er buͤßte
nach vier und zwanzigtaͤgiger Krankheit seine Unvorsichtigkeit mit dem Leben.
Diese Faͤlle sind darum merkwuͤrdig, weil sie, außer der ungeheuren
toͤdtlichen Kraft dieses Gases, auch zeigen, mit welcher fast unbedeutenden
Dosis diese traurigen Wirkungen erzeugt werden koͤnnen.
Hinsichtlich des Einflusses der Daͤmpfe der arsenigen Saͤure auf die
thierische Oekonomie erwaͤhnen die Commissarien die Erzaͤhlung des Dr.
Waltl, der, da er dieses Heilmittel bei gewissen
Hautkrankheiten versuchen wollte, sich von den Wirkungen an sich selbst zu
uͤberzeugen wuͤnschte, die sie im Allgemeinen auf die Gesundheit
haͤtten. Er warf sechs Gran Arsenik auf rothgluͤhende Kohlen, die er
in dem Zimmer ließ, worin er sich befand. Es zeigten sich waͤhrend der Nacht
beunruhigende Symptome an ihm, aus denen er ersah, daß die Daͤmpfe der
arsenigen Saͤure als Gift wirken, wenn sie mit der atmosphaͤrischen
Luft eingeathmet werden. Wir erinnern noch an den krankhaften Zustand und die
Lebenskuͤrze der Arbeiter, welche in Arsenik und Kobalthuͤtten
arbeiten, ungeachtet der Vorsichtsmaßregeln, die man trifft, um den Arsenik in den
hohen Essen zu verdichten. Die Annalen der Medicin wuͤrden zur
Unterstuͤzung dieser Meinung außerdem noch eine große Anzahl uͤbrigens
sehr wahrscheinlicher Beweise von der Gefahr darbieten, welche die Daͤmpfe
der arsenigen Saͤure, selbst in nicht sehr betraͤchtlichen Mengen, bei
denen zeigen, welche sie athmen. Die Commissarien warfen die Frage auf, welche
Wirkung auf die Gesundheit zum wenigsten Einiger der Anwesenden eine große Anzahl
von arsenikhaltigen Stearinkerzen haben koͤnnte, wenn dieselben zugleich in
einer Gesellschaft, einer Kirche, oder einem Theater, z.B. in dem von
Drury-Lane, brennen, wo die Anzahl der Kerzen 152 betraͤgt und wo,
wenn statt derselben aus Sparsamkeit Stearinkerzen gebraucht wuͤrden, 608
Gran arseniger Saͤure waͤhrend der Dauer des Schauspieles in der Luft
verbreitet werden wuͤrden. Sie halten es fuͤr unmoͤglich, daß
in einer so zahlreichen Versammlung Niemand hiedurch afficirt werden sollte.
Die schaͤdlichen Wirkungen, die eine solche Beleuchtungsart haben
muͤsse, scheinen kaum bezweifelt werden zu koͤnnen. Sollte aber ja
noch bei dem Einen oder bei dem Andern ein Zweifel daran entstehen, so ist es auf
jeden Fall, wenn es sich von Arsenik handelt, immer besser, den Grundsaz des Weisen
buchstaͤblich anzuwenden: Im zweifelhaften Falle enthalte dich.
Die Commission schließt ihren Bericht mit einigen praktischen Bemerkungen uͤber die
Mittel, die Stearinkerzen von den Wachskerzen zu unterscheiden, da leztere, wenn sie
mit einem elfenbeinernen Instrumente gerieben werden, Politur annehmen,
waͤhrend erstere in diesem Falle die Politur verlieren, die sie von Natur auf
ihrer Oberflaͤche haben. Die, welche Arsenik enthalten, sind undurchsichtig,
zeigen unter dem Vergroͤßerungsglase kleine glaͤnzende Punkte und
verbreiten vornehmlich, wenn sie so ausgeloͤscht werden, daß noch ein langer
rothgluͤhender Docht zuruͤkbleibt, einen sehr deutlichen
Knoblauchgeruch. (Erdmann's Journ. f. prakt. Chemie, 1838
Nr. 14. Man vergl. auch polytechn. Journal Bd.
LXVII. S. 233.)