Titel: Ueber Daguerre's Photographie und besonders über die Theorie derselben.
Fundstelle: Band 74, Jahrgang 1839, Nr. XIV., S. 67
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XIV. Ueber Daguerre's Photographie und besonders uͤber die Theorie derselben. Ueber Daguerre's Photographie. Hr. John Robison, Secretär der Royal Society in Edinburgh, welcher Daguerre'sche Bilder in Paris zu sehen Gelegenheit hatte, theilt darüber im Edinburgh new philosophical Journal, Jul. 1839, S. 155 Folgendes mit: „Die Gemälde, welche Daguerre nach seinem Verfahren darstellt, haben keine Aehnlichkeit mit dem was bisher meines Wissens in Großbritannien erzielt wurde, und sind, nur mit der Ausnahme, daß sie keine Farbe haben, so vollkommene Bilder der Gegenstände, als diejenigen, welche man durch Reflection von einer gut polirten Fläche sieht. Diese Abbildungen sind so vollkommen und treu, daß man bei ihrer Untersuchung mit dem Vergrößerungsglas Details entdekt, welche man mit bloßem Auge in den Original-Gegenständen nicht bemerkt, die aber, wenn man sie mittelst optischer Instrumente in leztern aufsucht, vollkommen damit übereinstimmend befunden werden. „Die meisten von den vielen Bildern, welche ich sah, waren Ansichten von Straßen, Boulevards und Gebäuden. Es ist schwer, einen triftigen Grund für das Vergnügen anzugeben, welches die Betrachtung dieser Bilder gewährt; ich glaube aber, es muß zum Theil daher rühren, weil man findet, daß so viel von dem Effect, welchen wir der Farbe zuschreiben, in dem Bilde beibehalten ist, obgleich es nur aus Licht und Schatten besteht; diese sind aber mit solcher Genauigkeit gegeben, daß man in Folge der Eigenschaft verschiedener Materialien, das Licht verschieden zu reflectiren, leicht die Substanzen erkennen kann, woraus die verschiedenen Gegenstände in den Gruppen bestehen. So unterscheidet man einen aus weißem Marmor geformten Gegenstand augenbliklich von einem aus Gyps gebildeten, an der Durchsichtigkeit der Kanten des einen und der Undurchsichtigkeit des anderen. Drei Abbildungen derselben Häusergruppe, wovon die eine bald nach Sonnenaufgang, eine Nachmittags und eine Abends genommen war, interessirten mich besonders, weil das verschiedene Aussehen in Folge der veränderten Vertheilung des Lichts auf eine Art dargestellt war, wie es der Kunst nie möglich seyn wird. „Bei den Abbildungen der Straßen fehlen natürlich alle Figuren, weil die sie passirenden Personen nicht lange genug verweilen, um auf dem Bilde einen merklichen Abdruk hervorbringen zu können, und da sie nur für einen Augenblik das von der Straße reflectirte Licht unterbrechen, so verhindern sie keineswegs eine fast genaue Abbildung derselben mit allen Pflastersteinen etc. „Ohne Zweifel wird Daguerre's Verfahren bald zu vielen nüzlichen Zweken angewandt werden, da man mittelst desselben sich genaue Ansichten von Gebäuden, Maschinen etc. verschaffen, dieselben auf Kupfer oder Stein übertragen und ohne große Kosten vervielfältigen kann; besonders dürfte es aber für anatomische und chirurgische Zeichnungen, welche so schwer mit der wünschenswerthen Treue zu machen sind, wichtig werden.“ Hr. Arago hat in einem Vortrag über Daguerre's Erfindung der französischen Akademie der Wissenschaften bemerkt, daß man bei dem gegenwärtigen Standpunkt der Optik und Chemie keine genügende Erklärung von diesem delicaten und complicirten Verfahren (welches im polytechn. Journal Bd. LXXIII. S. 366 ausführlich beschrieben ist) geben könne. Dieß veranlaßte Hrn. Talbot, der Versammlung brittischer Naturforscher zu Birmingham am 26. August d. J. mehrere Beobachtungen mitzutheilen, wodurch einiges Licht über dieses Verfahren verbreitet wird.The Athenaeum No. 618. Hr. Daguerre fängt bekanntlich damit an, eine Silberplatte dem Joddampf auszusezen, wobei sich das Metall mit einer dünnen Schichte von Jodsilber überzieht, welche sehr empfindlich gegen das Licht ist. Diese Thatsache, welche Talbot schon lange kennt, bildet die Basis einer der merkwürdigsten optischen Erscheinungen. Man bringe, sagt er, auf ein über einem Glase liegendes Silberblech ein Stükchen Jod von der Größe eines Steknadelkopfes und erhize es vorsichtig, so wird das Jodtheilchen bald mit gefärbten, den Newton'schen analogen Ringen umgeben seyn. Sezt man diese gefärbten Ringe dem Licht aus, so verschwinden ihre ursprünglichen Farben bald ganz und an ihre Stelle tritt eine neue Reihe von Farben, deren Aufeinanderfolge mit der Newton'schen Reihe nichts gemein hat. Die zwei ersten Farben sind z.B. dunkelolivengrün und dunkelblau, dem Schwarz sich annähernd; wir zählen hier den äußersten Ring, welcher durch die dünnste Jodsilberschichte hervorgebracht wird und am weitesten vom Mittelpunkt entfernt ist, als den ersten; die Anzahl der sichtbaren Ringe ist bisweilen beträchtlich. In der Mitte von allen wird das Silberblech weiß und durchscheinend wie Elfenbein; dieser weiße Flek wird beim Erhizen gelb und beim Erkalten wieder weiß, woraus folgt, daß er aus Jodsilber in vollkommenem Zustande besteht, während die gefärbten Ringe wahrscheinlich aus Jodsilber in verschiedenen Entwikelungsstufen bestehen. Diese Ringe haben noch eine andere merkwürdige Eigenschaft; sowie nämlich Blattgold durchscheinend ist und ein bläulichgrünes Licht durchläßt, lassen auch sie Licht von verschiedenen Farben durch; um sich davon zu überzeugen, braucht man nur einen kleinen Theil des Häutchens abzulösen und mit dem Mikroskop zu betrachten. Hr. Talbot glaubte anfangs, ein so mit Jod behandeltes Silberblech zu photographischen Bildern benuzen zu können, gab seine Versuche in dieser Hinsicht aber bald auf, weil er fand, daß es bei weitem nicht so empfindlich wie mit Jodsilber zubereitetes Papier ist; Daguerre hat hingegen die merkwürdige Thatsache entdekt, daß die schwache Wirkung des Lichts auf ein solches Silberblech später verstärkt und erhöht werden kann, indem man das Blech dem Queksilberdampf aussezt. Mit dem Queksilber bildet das Jod nach Talbot analoge Ringe, welche sich aber von den vorhergehenden dadurch unterscheiden, daß sie von dem Lichte nicht afficirt werden. Um sie hervorzubringen, reibt man ein Kupferblech mit salpetersaurem Silber und schließt es dann in eine Büchse ein, welche ein Schälchen mit Jod enthält. Diese Ringe haben lebhaften Glanz und einen großen Durchmesser. Zunächst wird nun bei Daguerre's Verfahren das Bild dem Queksilberdampf ausgesezt, und dieß ist bei weitem der rätselhafteste Theil der ganzen Procedur. Daguerre bemerkt nämlich, wenn man das Bild in der gewöhnlichen Weise, also senkrecht, zu sehen wünsche, so müsse man die Platte oder das Blech unter einem Winkel von 45° gegen den Dampf geneigt halten, und umgekehrt. Dieß ist nun gewiß etwas sehr Sonderbares, denn wer hörte je, daß Dampfmassen bestimmte Seiten besizen, so daß man sie einem Gegenstand unter einem gegebenen Winkel darbieten kann? Hr. Talbot glaubt, daß die Elektricität hiebei eine Rolle spielt, gerade so wie bei der Behandlung einer Silberplatte mit Joddämpfen, wobei die Verbindung an den Rändern anfängt, und indem sie nach und nach von Außen nach Innen weiter dringt, die gefärbten, diesen Rändern parallelen Streifen erzeugt; jeder andere Dampf und jedes andere Metall bieten dieselbe Eigenthümlichkeit dar. Gerade so bildet das Jod, wenn man es auf eine Stahlplatte bringt, ein Jodeisen, welches flüssig wird, und es verbreitet sich um den Mittelpunkt ein schwacher Thau. Die Kügelchen dieses Thaues zeigen sich unter dem Mikroskop in geraden Linien geordnet, und zwar längs der Ränder der kleinen Streifen, welche man durch das Mikroskop selbst auf polirten Oberflächen entdekt.