Titel: | Die Schwarzwälder Uhrenindustrie nach ihrem Stand im Jahre 1838 technisch und statistisch dargestellt von Dr. Adolph Poppe, Lehrer der Technologie und Mathematik in Frankfurt am Main. |
Autor: | Dr. Adolph Poppe [GND] |
Fundstelle: | Band 75, Jahrgang 1840, Nr. LXXIV., S. 431 |
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LXXIV.
Die Schwarzwaͤlder Uhrenindustrie nach
ihrem Stand im Jahre 1838 technisch und statistisch dargestellt von Dr. Adolph Poppe, Lehrer der
Technologie und Mathematik in Frankfurt am Main.
(Fortsezung und Schluß von Heft 5, S. 380.)
Poppe, uͤber die Schwarzwaͤlder
Uhrenindustrie.
Dritter Abschnitt. Der
Schwarzwälder Uhrenhandel.
Statistische Uebersichten. Consumtion an Materialien.
Versuche, die Fabrication der Schwarzwälder Uhren anderwärts
einzuführen.
Die Hauptländer, mit welchen der Schwarzwald durch den Uhrenhandel gegenwärtig in
geregelter Verbindung steht, sind England, Frankreich,
Nordamerika, Rußland, Preußen, Sachsen, Hannover, Belgien und Bayern. Der bei weitem größte Absaz geht nach England,
Nordamerika und Frankreich. Die Summe, welche der Schwarzwald jährlich aus diesen
Ländern bezieht, soll diejenige, welche ihm aus den deutschen Staaten zufließt,
sechsfach übersteigen. Nach China, Ostindien und Afrika erstrekte sich bis zum Jahre
1838 noch keine geregelte Handelsverbindung; die Uhren, welche in diese Länder
kamen, waren einzeln mit Gelegenheit hingesendet worden, oder gelangten durch
Reisende dorthin. Der erste Versuch, um nach Ostindien einen regelmäßigen Handelsweg
zu eröffnen, fällt auf das Frühjahr 1838, wo drei Leute wirklich mit einer Ladung
Uhren dorthin abreisten. Der Uhrenhandel nach Spanien,
welcher früher gut gegangen seyn soll, ist ins Stoken gerathen. Seit der
Colonisation in Algier machten Einige den Versuch, auch dort Niederlagen zu gründen,
fanden aber ihre Rechnung nicht, und kehrten wieder in die Heimath zurük. Eben so
wenig hat sich der Uhrenhandel bis jezt nach Griechenland und in die Türkei
erstrekt. In Rußland dagegen sind sogar mehrere Schwarzwälder als Spieluhrenmacher
etablirt. Den Handel in die Krim betreiben zwei in Odessa wohnende Schwarzwälder.
Nach Belgien geht der Uhrenhandel stark, minder gut nach Oesterreich, was der ungemeinen
Wohlfeilheit der dortigen Stokuhren zugeschrieben wird.
Das gesammte Handelspersonal der Schwarzwälder Uhrenindustrie theilt sich in zwei
Classen, nämlich die im Districte der Uhrenmanufactur ansäßigen Spediteurs oder „Paker“ und die eigentlichen reisenden Händler. Die Zahl der erstern beträgt 61 im Amte Tryberg und 162 im Amte
Neustadt, im Ganzen 223. Weit größer ist die Zahl der im Auslande sich
herumtreibenden Uhrenhändler; sie konnte nicht ermittelt werden, muß aber bedeutend
seyn; denn in London allein befanden sich im Jahre 1838 deren 230, freilich zum
Theil in kläglichen Umständen, in Dublin 22.
Wir berechneten oben die Production an Uhren nach der Anzahl der Uhrenmacher und der
Arbeit des Individuums. Jene Rechnung war richtig, wenn das auf nachstehende Weise
ermittelte Quantum der jährlichen Ausfuhr damit übereinstimmt. Tryberg, Furtwangen, Neustadt und Lenzkirch
sind die Hauptstapelpläze des Uhrenhandels; von diesen 4 Orten geht die Versendung
der ganzen Production aus. Aus jedem derselben fährt wochentlich ein mit
Uhrenbefrachteter Güterwagen nach Straßburg ab. Der größere Theil dieser Fracht geht
nach Frankreich und durch Frankreich nach England; der übrige Theil wird in Kehl
abgeladen und geht auf dem Wege der Spedition nach den verschiedenen Ländern des
Continents, mach Preußen, Rußland u.s.w. ab. Für die Spedition in die Staaten des
Continents, nach England und Nordamerika sind außerhalb dem Schwarzwalde folgende
Hauptagenten aufgestellt: in Straßburg, Johann Witt; in Kehl, Chr. Kißling; in Frankfurt, J. L. Fink; in Ulm, Kindervatter. Nach Görlachers Mittheilung können wochentlich 300 Cntr. Uhren
à 100 fl. im Werth, oder für 30,000 fl.
Uhren, mithin jährlich 15,600 Cntr. im Werth von 1,560,000 fl. ausgeführt werden.
Danach betrüge die jährliche Production auf dem ganzen Schwarzwald 520,000 Stük
Uhrem Nach Angabe des seit Kurzem verstorbenen Löwenwirths Faller in Tryberg, welcher die Versendung der Tryberger Manufacturwaaren
und das Wechselgeschäft der Umgegend besorgte, werden wochentlich 40 Uhrenkisten im
mittleren Werthe von 800 fl., also im Ganzen von 32,000 fl. ausgeführt. Nach Fallers Angabe betrüge also der Werth der jährlichen
Ausfuhr an Uhren 1,664,000 fl. und die Production 554,666 Stük. Nehmen wir aus
diesen beiden Angaben das arithmetische Mittel, so ergibt sich als Resultat die
jährliche Production und Ausfuhr von 537,333 Stük Uhren im Werth von 1,612,000 fl.
Nach der im zweiten Abschnitt gegebenen Berechnung liefern die beiden
Hauptindustriebezirke Tryberg und Neustadt jährlich 487,188 Uhren. Man kann daher annehmen,
daß auf die umliegenden Amtsdistricte, in welchen die Uhrenmacherei zerstreut sich
befindet, deren Waare aber mit der Hauptmasse verpakt wird, 50,145 Stük Uhren
kommen. Die Uhren werden in große Kisten gepakt, von denen jede im Durchschnitt 300
Stük enthält; Gestelle, Zifferblatt, Perpendikel befinden sich in getrennten
Abtheilungen.
Hinsichtlich des Zolles, welchem die Uhren beim Eingang in Frankreich und England
unterliegen, ist zu bemerken, daß an der französischen Gränze für jede Uhr, sie mag
groß oder klein seyn, der Eingangszoll von 22 Sous bezahlt wirb; aus diesem Grunde
gehen nach Frankreich hauptsächlich die theuren Uhrensorten, z. V. Achttaguhren. Für
eine Spieluhr kleinerer Art erhebt Frankreich einen Zoll von 22 Frcs. Der
Transitzoll durch Frankreich beträgt wenige Sous auf den Centner. In England muß ein
Eingangszoll von 1 Schill. per Stük entrichtet
werden.
Was den Einfluß des Beitrittes des Großherzogthums Baden zum preußischen Zoll-
und Handelsverein auf die Schwarzwälder Uhrenindustrie betrifft, so sind die im Jahr
1834 geäußerten Besorgnisse der Betheiligten, daß durch die von Frankreich und
England zu ergreifenden Repressalien den beiden Bezirken Tryberg und Neustadt
Verarmung und gänzlicher Verfall ihres Nationalgewerbes zu gewärtigen sey, nicht in
Erfüllung gegangen. Der Uhrenhandel nach Frankreich und England blüht mehr als je,
und in Deutschland selbst hat sich der Absaz vermehrt. Denn, nachdem jener Verein
besteht, ist es vielen Burschen eingefallen, in die betreffenden deutschen Staaten
auf den Handel zu gehen, eben weil der Eingangszoll, welcher fürs Stük, groß oder
klein, theuer oder wohlfeil, circa 45 kr. betrug, nun
aufgehoben war. So vermehrte sich die Zahl der Händler, die Concurrenz steigerte
sich und die Uhren sanken im Preis.
Wir gehen nun zur Erörterung der Frage über, wie wird der Schwarzwälder Uhrenhandel
betrieben? Entweder sind es einzelne Individuen, welche ins „Uhrenland“ d.h. ins Ausland sich begeben,
und dort ihre Waaren absezen, oder es ist eine ganze Gesellschaft, eine Compagnie
von etlichen und zwanzig Mitgliedern, unter einem Obmann oder Director, welche an
verschiedenen Orten eines Landes sich etabliren, wie z.B. die Compagnie Risle von Neukirch im Hannöverischen und eine ähnliche im
Würtembergischen, und vertragsgemäß den Gewinn unter sich theilen. Zuerst werden von
der Gesellschaft Knechte gedungen, denen im ersten Jahre nebst freier Kost 60 bis
100 fl., im zweiten Jahre 200 fl., im dritten 300 fl. Lohn gegeben wird. Wenn sich
während dieser Zeit der Knecht in jeder Beziehung gut und brauchbar gezeigt hat, so
wird er Mitglied der
Gesellschaft und tritt in alle Rechte derselben ein. Am Schluß des Jahres wird in
einer abgehaltenen Zusammenkunft von jedem Mitgliede Rechnung abgelegt. Die
Gesellschaft hat bestimmte und strenge Statuten, nach denen sich jedes Mitglied zu
richten hat, und bei deren Uebertretung Strafe oder auch nach Umständen Ausschluß
erfolgt. Es wäre wünschenswerth, daß sich überall dergleichen Gesellschaften
bildeten, wodurch der Uhrenhandel einen solideren Charakter erhielte. Oft geht Einer
mit 2 oder 3 Gesellen, von denen er einen oder den andern nach 3 oder 4 Jahren
seines Knechtedienstes als Associé beibehält, auf den Handel, oder die
Gesellen fangen nach Verfluß einiger Jahre an, auf ihre eigene Faust in
Handelsspeculationen sich einzulassen. Diejenigen, deren Handel sich nicht über
Europa hinaus erstrekt, kommen in der Regel alle Paar Jahre einmal auf einige Tage
nach Haus. Manche treiben unterwegs neben dem Uhrenhandel noch sonstige
Handelsgeschäfte; sie leben ökonomisch und scheuen es nicht, selbst wenn sie bereits
tüchtiges Geld sich erworben haben, mit den Uhren auf dem Rüken selbst umherzuziehen
und sie in eigener Person feilzubieten. Die Uhrenhändler haben gewöhnlich in einer
bedeutenden Stadt einer Provinz ihre Niederlagen, von wo aus sie in einem Umkreis
von 10 bis 30 Stunden handeln. Ihre Knechte nehmen dann eine Partie Uhren auf den
Rüken und wandern damit in den nahe gelegenen Städten und Dörfern umher, oder sie
schiken eine Partie Uhren von der Hauptniederlage weg an einen gewissen Plaz, von wo
aus die Waare dann wieder in der Nähe herumgetragen wird.
In Erwägung der Frage, wie die Verbindung des Uhrenhandels mit der Fabrication,
namentlich in Rüksicht auf pecuniäre Verhältnisse, organisirt sey, können wir die
häufigen Klagen der Fabrikanten und Speditoren über die in neuerer Zeit
überhandnehmende Demoralisation der Uhrenhändler, wodurch der Credit, das
Lebensprincip dieses Handels erschüttert wird, nicht unberührt lassen. Ein großer
Theil der Uhrenhändler, welcher unwissend und roh ins Ausland ging, kehrt, nachdem
er sich unter den niedrigsten Volksclassen mehrere Jahre herumgetrieben, mit den
Sünden und Lastern derselben wohl ausgestattet, in die Heimath zurük, das im
Auslande eingesogene Gift der Corruption in den Thälern des Schwarzwaldes
verbreitend. Der geringere Theil der Händler bezahlt seine Uhren und Schilde gleich
nach dem Empfange baar, und erhält daher die Waare billiger. Die Meisten dagegen
nehmen die Uhren auf Credit. Bald entschließt sich ein Uhrmacher, bald ein
Schildmaler oder was immer für ein Handwerksmann, einem Bekannten oder Verwandten
oder gar einem solchen, der keinen Kreuzer im Vermögen hat, dem vor Allem Kleider
anzuschaffen sind
und Reisegeld vorgestrekt werden muß, auf gut Glük hin eine Kiste im Werth von 500
fl. bis 1000 fl. anzuvertrauen. Wenn nun ein Uhrenhändler nur mit der Bezahlung
einer einzigen Kiste im Rükstand ist, so wird dieses immer noch als kein schlimmes
Zeichen angesehen; allein oft schreibt er um die dritte, vierte oder wohl gar fünfte
Kiste, ohne an der ersten nur einen Heller bezahlt zu haben. Nicht selten erhält er
auch auf seine Versprechungen und Entschuldigungen hin das Verlangte; denn das
Guthaben des Pakers oder Uhrmachers und Schildmalers an den Händler ist einmal schon
bedeutend angewachsen, und sie befürchten nun, der Händler breche, wenn sie ihm
nicht wieder willfahren, mit ihnen ganz ab, und zahle dann gar nicht mehr. Das
leztere war wirklich schon öfters der Fall. Von Amerika aus insbesondere werden die
Paker, Uhrmacher und Maler häufig betrogen, d.h. sie bleiben unbezahlt. Auf solche
Weise hatte, kurz vor der Reise des Verfassers in den Schwarzwald, ein einziger
Waldbewohner 8000 fl. verloren.
Zu bemerken ist, daß der Paker die Uhren und Schilde entweder auf seine eigene
Rechnung oder auf Rechnung des Händlers nimmt. Im ersteren Falle ist der Paker
verantwortlich und muß bezahlen, wenn der Händler den Schurken macht; im leztern
Falle muß der Uhrmacher sich an den Händler halten, und der Paker hat sich weiter um
nichts zu bekümmern. Hiebei geschieht oft der Fehler, daß die Sache zwischen dem
Spediteur und dem Uhrmacher nicht einmal schriftlich, geschweige denn vor amtlichen
Personen abgemacht wird, daher es häufig vorkommt, daß der Spediteur, im Falle eines
Bankerottes des Händlers, dem Fabrikanten keine Zahlung leisten will, obgleich er
dem mündlichen Vertrage gemäß die Waaren auf seine Rechnung genommen hat. Die Folge
davon sind häufige Prozesse. Haben die Paker die Bezahlung auf sich genommen, so
machen sie selbst hie und da Inspectionsreisen ins Ausland, um sich von dem Treiben
der Händler, denen sie ein bedeutendes Quantum an Waaren anvertraut hatten,
Gewißheit zu verschaffen. Es würde im gegenseitigen Interesse sowohl der Paker, als
auch der Uhrmacher und Maler liegen, wenn nur der Paker die Waare auf seine Rechnung
kaufte, und sie dann dem Händler entweder gegen amtlich hinterlegte Cautionen oder
unter sonstigen sichern Bedingungen überließe; andererseits müßte aber auch der
Händler durch amtliche Controle der verfertigten Uhren mittelst beeidigter Personen
von der Qualität seiner Waare versichert seyn können. Das bisher so unsichere
Verhältniß zwischen Handel und Gewerbe würde sich ohne Zweifel in Folge dieser
Reform weit günstiger gestalten. Der Handel würde aus den Händen des charakterlosen
Gesindels in die Hände solider Männer übergehen, und die Fabrication selbst durch
Beseitigung pecuniärer, in Folge verunglükter Handelsunternehmungen oder
Leichtsinnes der Händler herbeigeführter Verluste einen wohlthätigen Impuls
erhalten. Alles dieses wäre nur durch gemeinsames Zusammenwirken der Betheiligten zu
erreichen, wogegen leider der Eigensinn und die Verblendung mancher Paker und
Gewerbtreibenden in den Weg tritt.
Durch folgende zwei Haupttabellen erhält der Leser eine Uebersicht über die ganze
Schwarzwälder Uhrenmanufactur nach dem Stande des Jahres 1838. Sie enthalten die aus
den Steuerkatastern erhobene Zusammenstellung aller in den einzelnen Abtheilungen
dieser Industrie selbstständig Beschäftigten. Beide Tabellen verdanke ich der
Gefälligkeit der HHrn. Steuerperäquatoren Schirrmann und
Burga, welche für die Richtigkeit dieser Auszüge sich
verbürgen.
Amt Tryberg.
Textabbildung Bd. 75, S. 436
Namen der Orte; Einwohnerzahl;
Holzuhrenmacher; Gloken- und Rädergießer; Gestellmacher;
Schildbrettmacher; Schildmaler; Uhrenräderdreher; Uhrenkettenmacher;
Uhrenziegermacher; Speditoren und Händler. Furtwangen; Gremelsbach; Gütenbach;
Neukirch; Niederwasser; Nusbach; Rohrbach; Rohrhardsberg; Schönwald; Schonach;
Tryberg
Amt Neustadt.
Textabbildung Bd. 75, S. 437
Diese Zahl schließt auch die Einwohnerzahl der wenigen Ortschaften in sich,
welche in vorliegender Tabelle nicht aufgeführt sind, weil in ihnen die
Holzuhrenfabrication nicht betrieben wird.
Namen der Orte; Einwohnerzahl;
Spieluhrenmacher; Holzuhrenmacher; Gloken- und Rädergießer;
Gestellmacher; Schildbrettmacher; Schildmaler; Uhrenräderdreher;
Uhrenkettenmacher; Speditoren und Händler. Altglashütten; Bärenthal; Berg;
Bregenbach; Dittishausen; Eisenbach; Falkau; Fischbach; Friedenweiler;
Göschweiler; Grunwald; Hinterhäuser; Kappel; Langenbach; Langenordnach; Linach;
Löffingen; Neuglashütten; Neustadt; Oberlenzkirch; Raithenbuch; Röthenbach;
Rudenberg; Saig; Schönenbach; Schollach; Schwärzenbach; Schwende;
Unterlenzkirch; Urach; Vierthäler; Vöhrenbach
Nach diesen tabellarischen Zusammenstellungen befinden sich in beiden
Amtsbezirken:
Holzuhrenmacher
694
Gestellmacher
69
Schildbrettmacher
17
Schildmaler
139
Gloken- und Rädergießer
19
Uhrenräderdreher
33
Uhrenzeigermacher
2
Uhrenkettenmacher
5
Verfertiger musikalischer Spielwerke
12
Speditoren und Händler
223
–––––––––––
Summa
1243 Meister.
Die jährliche Consumtion an Hauptmaterialien zur ganzen Uhrenmanufactur läßt sich auf
folgende Weise übersichtlich darstellen:
Material.
Quantitaͤt.
Werth.
fl.
Feinstaͤmmiges Tannenholz zu
Uhrenschilden
289 Staͤmme
12,716
Buchenholz zu Gestellen
276 –
5520
Uhrenpakkisten
2000 Stuͤk
2000
Kupfer fuͤr Gloken und
Raͤder
1178 Centner
70,680
Zink fuͤr Raͤder
475 –
9125
Zinn fuͤr Gloken
247 –
14,820
Holzkohlen zur Gießerei
665 Wagen
–
Farben fuͤr die Schilde
–
81,198
Passauer Tiegel
2850 Stuͤk
1662
Eisendraht
2335 Centner
60,710
Die Zunahme der Uhrenindustrie in den lezten Jahrzehnten und die mit derselben
parallelgehende Vermehrung der Bevölkerung läßt sich am besten in folgenden
comparativen Zusammenstellungen überbliken. Wir wählen zuerst die Jahre 1808 und
1838 und den Amtsbezirk Tryberg.
Textabbildung Bd. 75, S. 438
Jahr. Bevölkerung. Uhrenmacher.
Vor- u. Nebenarbeiter. Zunahme
Verhältnißmäßig stärker zeigt sich das Steigen der Industrie im Amtsbezirk Neustadt
von 1835 bis 1838.
Textabbildung Bd. 75, S. 438
Jahr. Bevölkerung. Uhrmacher.
Vor- u. Nebenarbeiter. Händler. Zunahme
Folgende aus den Steuerkatastern gezogene Tabelle enthält die Darstellung des Standes
der Uhrenindustrie in der Stadt Neustadt von 1820 bis
1838 je von 5 zu 5 Jahren.
Jahr
Seelen- zahl
Holzuhren- macher
Schild- maler
Gießer.
Schild-dreher
Gestell-macher
Haͤndler imAusland
1820
1280
31
5
2
–
–
8
1825
1341
39
10
2
–
1
8
1830
1402
42
10
2
–
–
9
1835
1694
48
21
2
–
–
7
1838
1804
56
17
2
–
2
8
Besonders auffallend zeigt sich die Progression der Uhrenindustrie in der Stadt
Tryberg. Hier waren im Jahr 1826 nicht mehr als 8 Meister etablirt; im Jahr 1830 war
diese Zahl schon auf 18, im Jahr 1835 auf 24 und im Jahr 1838 auf 35 gestiegen. Im
Marktsteken Furtwangen hat die Bevölkerung seit 20 Jahren in Folge wachsender
Industrie um 500 Seelen zugenommen. Die Bevölkerung des ganzen Tryberger Amtsbezirks
hat von 1833 bis 1838, also innerhalb 5 Jahren, einen Zuwachs von 1550 Seelen
erhalten.
In Bezug auf die Einführung der Fabrication hölzerner Wanduhren in andern Gegenden
begegnen wir zunächst der im würtembergischen Marktfleken Schwenningen seit etlichen und 40 Jahren einheimisch gewordenen
Uhrenmanufactur. Es ist dieß der einzige uns bekannte Ort außerhalb Baden, wo dieser
Gewerbszweig festen Fuß gefaßt hat und auf sicherem Boden steht. Indessen gränzt
Schwenningen an den Hauptsiz der badischen Uhrenindustrie; seine Manufactur ist so
nahe mit der badischen verwandt, daß der Verfasser dieselbe bei der Darstellung der
Uhrenfabrication des badischen Schwarzwaldes zugleich mit angeführt hätte, wenn jene
nicht ein für sich abgeschlossenes Ganze bildete, und ihre Fabricate nicht, von
denjenigen des Nachbarstaates abgesondert, in den Handel kämen. Die Schwenninger
Holzuhrenmacherei beschäftigte im verflossenen Jahre, bei einer Einwohnerzahl von
3800 Seelen, 69 Meister, welche, ohne eine Zunft zu bilden, ihr Handwerk theils mit
Gesellen, theils allein betreiben. Der Gang dieser Manufactur ist, wie auf der
badischen Seite, fabrikmäßig. Die Zahl jener 69 Meister schließt 49 Uhrenmacher und
20 Vorarbeiter in sich. Zu den lezteren gehören 2 Schilddreher, 13 Schildmaler, 3
Uhrengestellmacher und 2 Gloken- und Rädergießer, welche zu einer
gemeinschaftlichen Gießerei sich verbunden haben. Die jährliche Production an
Schwarzwälder Uhren in Schwenningen beläuft sich auf 30,576 Stüke, im mittleren
Werth von 91,728 fl.
Es sind wohl manche Versuche schon gemacht worden, die Wälderuhrenfabrication auf
künstlichem Wege anderwärts einzuführen, ohne daß sich jedoch bis jezt irgend ein
Resultat gezeigt hätte, welches geeignet gewesen wäre, eine für den Schwarzwald
gefährliche Concurrenz hervorzurufen. So wurde ein Schwarzwälder von der preußischen
Regierung zum Behuf der Errichtung einer Holzuhrenfabrik unterstüzt, es wurden ihm
Maschinen und Werkzeuge angeschafft, allein das Unternehmen wollte keinen Fortgang
gewinnen, und der Schwarzwälder kehrte wieder in seine Heimath zurük. Auch in
England sollen dergleichen Versuche gemacht worden seyn; da aber eine ächte
Schwarzwälderuhr, ungeachtet des Transportes, immer noch wohlfeiler kam, als eine in
England nach Schwarzwälder Art verfertigte, so zerschlugen sich alle Unternehmungen
dieser Art. Der Hauptgrund, warum die Holzuhrenfabrication eben nur auf dem
Schwarzwald gedeihen zu können scheint, liegt offenbar in der nationalen Bedeutung,
welche sie dort erlangt hat. Die Fabrication der Holzuhren ist dem Gebirgsvolke des
Schwarzwaldes, seiner Lebensart, seinen topographischen und ökonomischen
Verhältnissen so sehr eigen, sie ist so tief in das innerste Volksleben
eingedrungen, daß alle Versuche, diesen gewerblichen Zweig an andern Orten künstlich
einzuführen und zu popularisiren, hinter dem Schwarzwalde zurükbleiben müssen. Der
ganze Schwarzwälder Uhrendistrict bildet eine große Fabrik, mit einer Arbeiterzahl
von mehr als 3600 Köpfen, worin das Princip der Arbeitstheilung bis ins
allerkleinste Detail durchgeführt ist. Mit dieser Fabrik, bei einer solchen von
Generationen auf Generationen ererbten Geschiklichkeit und Betriebsamkeit, bei
solchem unermüdlichen Fleiße, solcher eiserner Ausdauer der Arbeiter durch
Errichtung einer Holzuhrenfabrik in andern Gegenden die Concurrenz bestehen zu
wollen, dürste selbst unter sonst günstigen Conjuncturen ein gewagtes Unternehmen
seyn.
Nachtrag.Die Fabrication größerer mechanischer Musikwerke.
An die fabrikmäßige Verfertigung der Schwarzwälber Uhren schließt sich die auf
demselben Districte einheimische Fabrication größerer musikalischer Spielwerke, eine
besondere technische Abtheilung, welche früher mit der Uhrenmanufactur eng verbunden
war, nach und nach aber zu einem selbstständigen mechanischen Kunstzweige sich
erhoben hat. In diesem Fache trifft man lauter talentvolle, mit den Gesezen der
Mechanik und Akustik vertraute, musikalisch gebildete Männer. Ihre Fabricate, deren
Werth sich von 400 fl. oft bis zu 15,000 fl. per Stük
beläuft, sind mit jenen ordinären, im Werthe einige Louisd'ors nicht übersteigenden Ländler und Walzer
orgelnden Spieluhren nicht zu verwechseln. Zu welchen überraschenden Leistungen sich
in diesem industriellen Zweige das Genie des Schwarzwälders emporgeschwungen hat,
weiß nur derjenige in vollem Grade zu würdigen, welcher mit eigenen Augen die
überaus schöne und elegante Mechanik dieser Kunstwerke gesehen, mit eigenen Ohren
von dem vollendeten Vortrage dieser automatischen Orchester sich überzeugt hat. Die
Kunst des Wälders hat sich nicht damit begnügt, auf eine täuschende Weise den Effect
der verschiedenen Blasinstrumente, wie Flöte, Oboe, Fagot, Horn, Trompete u.s.w. zu
erzeugen, sondern es ist ihr auch geglükt, alle jene feinen Abstufungen und Nuancen
des Tones, wie crescendo, decrescendo, tremulando, piano,
forte u.s.w. hervorzubringen, wodurch die Musik so sehr an Kraft und Wärme
gewinnt. Man findet diese Kunstwerke in der Regel in Gestalt eleganter Armoirs
aufgestellt. Die Zahl der mechanischen Werkstätten zur Verfertigung größerer
Musikwerke auf dem Schwarzwalde ist 8. Die Besizer derselben sind: Martin Blessing in Furtwangen, Constantin Blessing in Langenbach, Jakob und Johann Blessing in Kirnach, Schöpperle in Lenzkirch,
Duffner in Tryberg, Gebrüder Hock in Schonach, Weite in Fehrenbach. Unter
diesen ist weit und breit berühmt Martin Blessing,
welcher vor etlichen Jahren ein Spielwerk für 15,000 fl. nach England lieferte, wo
dasselbe eine Zeit lang für Geld gezeigt wurde. Durch ein mehrere Centner schweres
Gewicht in Bewegung gesezt, spielte das Werk große Symphonien und Ouvertüren, auch
war dabei die besondere Einrichtung getroffen, daß auf einen Druk eine Claviatur
hervorsprang, worauf dann das Instrument wie eine Orgel gehandhabt werden konnte.
Ausgezeichnet sind ferner Schöpperle in Lenzkirch und Duffner in Tryberg. Von lezterem sah der Verfasser ein
Musikwerk, welches unter dem Namen Panorchestrion im
Sommer 1838 während der Saison in Baden-Baden Aufsehen erregte. Es spielt
unter Anderm die Ouvertüre zu der Oper „der Barbier von
Sevilla“ und eine Reihe moderner Walzer vortrefflich, namentlich
lassen sich Trompete, Horn und Flöte in ihrem Wechselspiele deutlich vernehmen. Das
Werk wurde nach Amerika verkauft. Die Gebrüder Blessing in Kirnach waren zur Zeit meines
Aufenthaltes auf dem Schwarzwalde eben mit einem prachtvollen, nach Odessa
bestellten Spielwerke im Werthe von 12,000 fl. fertig geworden. Beinahe der ganze
Absaz dieser kostbaren Waare geht nach England, Nordamerika und Rußland; in
Deutschland selbst finden sie wenig Eingang. Auf dem Schwarzwalde dagegen sieht man
in einigen größeren Wirthshäusern zur Unterhaltung der Fremden Spielwerke von hohem Kunstwerthe
aufgestellt, unter denen besonders das dem Löwenwirthe Faller in Tryberg gehörige, dessen Werth auf 3000 fl. geschäzt wird, die
Bewunderung aller Reisenden erregt. Ich habe dieses Musikwerk in der vorderen
Ansicht aufgenommen und Fig. 40 auf Tab. VI so
dargestellt, daß der innere Mechanismus in seinen Haupttheilen sichtbar ist. Das
Instrument hat 88 Tasten und 8 verschiedene Register für Horn, Trompete, crescendo u.s.w., welche sich von selbst schieben. Durch
ein schweres Gewicht in Bewegung gesezt, spielt es eine Reihe Walzer von Strauß und Lanner, die
Ouvertüren zu den Opern „Wilhelm Tell“ und der
„Barbier von Sevilla“ von Rossini und ein Concert von Mozart vollständig.
Die 7'' im Durchmesser haltende Walze läßt sich leicht herausnehmen und durch eine
neue ersezen. Der Mechanismus bei b dient zur Bewegung
der Walze und des Blasbalgs, der bei a steht mit einem
Hülfsblasbalg in Verbindung und sezt sich nur von Zeit zu Zeit in Bewegung, in dem
Moment nämlich, wo die Natur des Stüks ein forte oder
fortissime verlangt, die übrige Zeit steht er still.
Bei A, A befindet sich das Pfeifenwerk. Während ihrer
Umdrehung macht die Walze zugleich eine fortschreitende Bewegung, d.h. jeder Punkt
auf derselben beschreibt eine Schraubenlinie, damit nach jedesmaliger Umdrehung der
Walze nicht dieselben Stifte wieder auf die Claviatur wirken, wodurch das Spiel in
zu enge Gränzen gewiesen wäre.
Für 500 fl. kann man bereits ein Spielwerk erhalten, welches große Ouvertüren und
Symphonien ungemein lieblich vorträgt; für 2000 fl. aber liefert der Fabrikant ein
Werk, welches durch Kraft und Fülle der Töne, durch die hervorklingenden
Eigenthümlichkeiten verschiedener Blasinstrumente und durch einen geschmakvollen
Vortrag in dem Zuhörer den Eindruk eines gut besezten Orchesters hinterläßt. Wünscht
der Besizer eines solchen mechanischen Spielwerks zur Abwechslung ein neues
Musikstük, so darf er nur dem Fabrikanten dasselbe näher bezeichnen und die Nummer
der Walzen, in deren Besiz er bereits ist, angeben. Er erhält sofort eine neue
Walze, auf welcher das verlangte Stük aufgetragen ist, für 4 bis 6 Louisd'or. Die
Schwarzwälder Spieluhrenfabrikanten sind fortwährend im Besiz der Partituren zu den
beliebtesten Musikstüken, insbesondere zu den Ouvertüren für alle Opern von Mozart,
Rossini, Auber, Herold u.s.w., so wie auch zu Walzern von Strauß und Lanner; sie
scheuen selbst bedeutende Opfer nicht, sich solche zu verschaffen und für ihre Zweke
arrangiren zu lassen.
Schließlich noch das Preisverzeichniß einiger kleinerer Musikuhren-Sorten:
Eine Musik-Flötenuhr mit Register,
einer kleinen Walze, 22 Tönen,8 Musikstüken, und einer
Achttageuhr
42 fl.
Eine Musik-Flötenuhr mit einem
Register, Nebenstimme, 28 Tönen,Achttageuhr, 8 Stüke spielend, mit
Fogaren-Pfeifen, ohne Schild
50 fl.
Eine ditto mit
2 Registern, 6zölliger Walze, 42 Tönen
88 fl.
Eine ditto mit
3 Registern, 2 Walzen und 25 Tönen
112 fl.
Eine ditto mit
4 Registern, 30 Tönen, 2 hohen Walzen, die Stükeselbst schiebend, einer
in Messing gespindelten Achttageuhr
144 fl.