Titel: | Versuche über die Verdampfung, welche in den Kesseln der Locomotiven durch die Heizstelle und die Röhren bewirkt wird. Von Hrn. de Pambour |
Fundstelle: | Band 76, Jahrgang 1840, Nr. XCVI., S. 402 |
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XCVI.
Versuche uͤber die Verdampfung, welche in
den Kesseln der Locomotiven durch die Heizstelle und die Roͤhren bewirkt wird.
Von Hrn. de Pambour
Dieser Aufsaz ist es, auf welchen sich de Pambour in
der Abhandlung bezieht, welche im zweiten Mai-Heft des polytechn.
Journals S. 244 mitgetheilt wurde.A. d. R.
Aus den Comptes rendus de l'Académie des sciences,
1e semestre No. 1, 1840.
de Pambour's Versuche uͤber die Verdampfung in den Kesseln
der Locomotiven.
Die Nuzeffecte aller Dampfmaschinen sind nochwendig durch die Dampfmenge, welche sie
zu erzeugen im Stande sind und somit durch die Ausdehnung der Heizoberfläche ihrer
Kessel bedingt. Um eine Maschine zu bauen, die eine bestimmte Arbeit zu vollbringen
vermag, muß man daher für einen Kessel sorgen, der die für diese Arbeit
erforderliche Dampfmenge zu liefern im Stande ist. Zu diesem Behufe muß man also im
Voraus wissen, welche Dampfmenge jeder Quadratmeter der Heizoberfläche innerhalb
einer bestimmten Zeit erzeugen kann. Dieß zu erforschen, ist aber bei der
verschiedenen Bauart der Kessel, bei der es nicht möglich ist direct zu dem
gewünschten Resultate zu gelangen, eine weit mehr verwikelte Aufgabe, als es auf den
ersten Blik scheinen möchte.
Der Kessel der Locomotiven insbesondere besteht aus zwei ganz verschiedenen Theilen:
nämlich aus dem, der den Feuerherd oder die Heizstelle, und aus dem, der die Röhren
umgibt. Das in ersterem enthaltene Wasser steht allerwärts entweder mit dem im
Brande befindlichen Brennstoffe oder mit der aus ihm emporsteigenden Flamme in
Berührung. Das die Röhren umspülende Wasser dagegen wird bloß durch die Flamme und
durch die heißen Gase, die nach beendigter Verbrennung aus der Heizstelle
entweichen, erhizt. Man hat daher unter diesen Umständen gedacht, daß die Röhren bei
gleicher Oberfläche viel weniger Dampf erzeugen müssen als die Heizstelle; ja ein
sehr bekannter Ingenieur hat nach einem von ihm angestellten Versuche das Verhältniß
des Nuzeffectes beider wie 3 zu 1 angegeben; d.h. ein Quadratmeter Oberfläche der
Heizstelle erzeugt nach jener Angabe dreimal so viel Dampf als eine gleiche
Röhrenoberfläche. Dieses Resultat ward von den Praktikern allgemein angenommen, und von ihm ausgehend,
hält man es bei dem Baue eines Kessels, der einen bestimmten Nuzeffect geben soll,
z.B. für gleichgültig, ob man ihm 10 Quadratmeter Heizstelle und 30 Quadratm.
Röhren, oder 5 Quadratm. Heizstelle und 45 Quadratm. Röhren gibt.
Da jedoch der einzige Versuch, auf welchem diese Regel beruhte, mit einem Modelle von
sehr kleinen Dimensionen und ohne Anwendung der Windröhre angestellt wurde, so
erachtete ich eine Wiederholung desselben unter den gewöhnlichen Umständen, d.h. mit
Anwendung der Windröhe und unter Benüzung von Maschinen von üblichen Dimensionen,
für sachgemäß. Ich wiederholte diese Versuche mit Maschinen, an denen zwischen der
Heizstelle und den Röhren ein verschiedenes Größenverhältniß bestand, und suchte zu
ermitteln, ob die Verschiedenheit in diesem Größenverhältnisse auf die
Gesammtverdampfung der Maschinen einen Einfluß übt.
Die den Versuchen unterworfenen Locomotiven waren von dreierlei Art. An jenen der
ersten Art betrug die gesammte Heizoberfläche das 8,7 fache der Oberfläche der
Heizstelle; an jenen der zweiten Art betrug sie das 6,5 fache; an jenen der dritten
Art endlich nur das 4,5 fache. Bestand demnach zwischen dem Nuzeffecte der
Feuerstelle und jenem der Röhren ein Unterschied, so mußte sich herausstellen, daß
an jenen Maschinen, an denen die Heizstelle einen größeren Theil der gesammten
Heizoberfläche bildet, der von einer Oberflächeneinheit erzeugte Nuzeffect größer
ist. Aus einer Vergleichung der definitiven Nuzeffecte der drei verschiedenen Arten
von Maschinen konnte sodann einzeln die durch jeden Theil des Kessels bewirkte
Verdampfung bestimmt werden. Ergab sich dagegen, daß das zwischen der Heizstelle und
der gesammten Heizoberfläche bestehende verschiedene Größenverhältniß von keinem
Einflusse auf die definitive Verdampfung der Maschine ist, so war hieraus der Schluß
zu ziehen, daß beide Kesseltheile per Oberflächeneinheit
eine gleiche Menge Wasser in Dampf verwandeln.
Ich habe nun zu diesem Zweke mehrere Reihen von Versuchen Vorgenommen, deren
Resultate in nachstehender Tabelle enthalten sind. Das erste Resultat ist das aus 7
Versuchen gezogene Mittel; das zweite ist aus 9 Versuchen entnommen; das dritte und
vierte endlich ist das Mittel von 3 Versuchen. Ich gebe in der Tabelle, nachdem ich
für jede Reihe die Heizoberfläche der Heizstelle sowohl als der Röhren und die
Geschwindigkeit der Maschine aufgezeichnet, die beobachtete Gesammtverdampfung,
welche ich sodann auf jeden Quadratmeter der gesammten Heizoberfläche des Kessels
vertheile. Da ich endlich erkannte, daß unter übrigens gleichen Umständen die
Verdampfung der Locomotiven im Verhältnisse der vierten Wurzel ihrer Geschwindigkeit wechselt, so zog
ich aus dem Resultat einer jeden Reihe den Schluß, wie groß die Verdampfung der
Maschine bei einer Geschwindigkeit von 20 engl. Meilen oder 32 Kilometern in der
Zeitstunde gewesen seyn würde.
Textabbildung Bd. 76, S. 403
Nummer der Reihe; Heizoberfläche;
der Heizstelle; der Röhren; Quadrm.; Geschwindigkeit der Maschine per Zeitstunde; Verdampfung; gesammte in der
Zeitstunde; auf den Quadratmeter der gesammten Heizoberfläche in der Zeitstunde;
Verhältniß zwischen der gesammten Heizoberfläche und jener der Heizstell.;
Verdampfung auf den Quadratmeter der gesammten Heizoberfläche bei einer
Geschwindigkeit von 32 Kilometern in der Zeitstunde; Bemerkungen; Mittel aus 7
Versuchen; Mittel aus 9 Versuchen; Mittel aus 2 Versuchen; Mittel aus 1
Versuchen.
Aus den in dieser Tabelle angeführten Resultaten geht hervor, daß die Verschiedenheit
im Verhältnisse der Heizstelle zu den Röhren in Hinsicht auf die definitive
Dampfmenge, welche der Kessel mit jeder Einheit der Heizoberfläche erzeugt, keine
Veränderung bewirkt. Denn die geringe Zunahme, welche in der auf eine
Geschwindigkeit von 32 Kilometern in der Zeitstunde berechneten Verdampfung
bemerkbar ist, rührt nur davon her, daß in Wirklichkeit die Verdampfung der
Maschinen sich etwas minder rasch steigert, als die vierte Wurzel der
Geschwindigkeiten, welches Verhältniß ich jedoch, um bei der Berechnung runde Zahlen
zu bekommen, annehmen mußte.
Es läßt sich somit aus diesen Versuchen der Schluß ziehen, daß an den bei denselben
benüzten Locomotiven die Heizstelle und die Röhren mit gleicher Oberfläche stündlich
auch eine gleiche Menge Dampf erzeugten; und daß folglich die Regel, welcher gemäß
die Heizoberfläche der Heizstelle als einer dreimal so großen Oberfläche der Röhren
gleichkommend angenommen wird, in der Praxis nur zu Irrthümern und Nachtheilen
führen kann. Es dürfte auf den ersten Blik überraschen, daß die Röhren bei gleicher
Oberfläche eben so viel Wasser verdampfen als die Heizstelle; allein bei einigem
Nachdenken erklärt sich nicht nur dieß sehr leicht, sondern es erklären sich auch
die bei einigen der Versuche erlangten verschiedenartigen Resultate. Das die
Heizstelle umgebende Wasser steht, wie bereits oben gesagt worden, allerwärts
entweder mit dem entzündeten Brennstoffe oder mit der aus demselben emporsteigenden
Flamme in Berührung. Das die Röhren umgebende Wasser dagegen kann je nach der
Intensität des Feuers und der Länge der Röhren in der ganzen Länge dieser lezteren
entweder mit der Flamme, d.h. mit den entzündeten, aus der Heizstelle entweichenden
Gasen, oder zum Theile mit der Flamme und zum Theile mit den heißen Gasen, welche
das Product der Verbrennung sind, in Berührung kommen. Der Nuzeffect der Röhren wird
aber in diesen beiden Fällen ein sehr verschiedener seyn; sind nämlich die Röhren in
ihrer ganzen Länge mit der Flamme in Berührung, so scheint es nicht, daß sie bei
gleicher Oberfläche eine geringere Verdampfung bewirken sollen, als die Heizstelle
selbst; denn die entzündeten Gase, welche die Röhren durchströmen, sind eben so gut
wie die Kohks selbst ein Brennmaterial, so daß man sagen kann, daß die Röhren in
ihrer ganzen Ausdehnung der unmittelbaren und strahlenden Einwirkung des Feuers
ausgesezt sind. Geht dagegen die Verbrennung auf der Heizstelle so langsam von
Statten, daß sich die Flamme nur bis in die Hälfte der Röhren hinein erstrekt, so
wird nur dieser Theil der Röhren der strahlenden Wirkung der Flamme unterliegen, der
andere Theil aber nur jene Wärme empfangen, welche abgegeben wird, um die Wärme,
welche in den noch heißen Producten der erloschenen Verbrennung enthalten ist,
auszugleichen. Die erste Hälfte der Röhren kann also in diesem Falle mit gleicher
Oberfläche eben so viel Wasser verdampfen als die Heizstelle; die zweite Hälfte
dagegen wird nothwendig einen geringeren Nuzeffect geben; und die Folge hievon wird
seyn, daß die mittlere Verdampfung der Röhren, auf die Einheit ihrer
Gesammtoberfläche ausgeschlagen, geringer ist, als jene der Heizstelle.
Bei einer Reihe von Versuchen mit einem Kessel, der ursprünglich für eine Locomotive
bestimmt war, später aber für eine stehende Maschine verwendet wurde, und an dem die
beiden Fächer des Kessels durch eine Scheidewand so getrennt waren, daß man die von
der Heizstelle und den Röhren bewirkte Verdampfung direct messen konnte, erhielt ich
Resultate, die den oben angegebenen ganz ähnlich waren. Der Kessel war sehr lang,
und wenn das Feuer sich selbst überlassen blieb und die Verdampfung nicht sehr
reichlich war, erzeugten die Röhren bei gleicher Oberfläche bedeutend weniger Dampf
als die Heizstelle; in dem Maaße aber als die Verbrennung lebhafter von Statten
ging, und besonders in dem Maaße, als man mittelst einer von einem benachbarten
Kessel herführenden Windröhre zur Anregung des Feuers einen stärkeren Dampfstrahl
einleitete, kam der Nuzeffect der Röhren jenem der Heizstelle immer näher und näher.
Diese Beobachtung erläutert die verschiedenen Fälle, welche an den Maschinen
vorkommen können; denn, je nachdem man das Feuer mehr oder weniger anschürt, wird
man mittelst der Röhren Nuzeffecte erlangen, die jenen der Heizstelle mehr oder
minder nahe kommen. Bei dem regelmäßigen und lebhaften Betriebe der Locomotiven
jedoch, bei der Anwendung der Wind- oder Dampfröhren, und bei Kesseln von den
dermalen üblichen Dimensionen, d.h. an denen die Oberfläche der Röhren nicht das
Zehnfache der Oberfläche der Heizstelle übersteigt, kann man annehmen, daß die
beiden Heizoberflächen mit einer und derselben Flächeneinheit ganz gleiche und
keineswegs solche Nuzeffecte geben, die sich, wie man bisher anzunehmen gewohnt war,
wie 3 zu 1 verhalten.