Titel: | Versuche über die Runkelrübe; von Heinrich Braconnot. |
Fundstelle: | Band 77, Jahrgang 1840, Nr. XIII., S. 49 |
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XIII.
Versuche uͤber die Runkelruͤbe; von
Heinrich
Braconnot.
Aus den Annales de Chimie
et de Phisique, Dec.Ausgegeben im Junius 1840. A. d. R.1839, S. 428.
Braconnot's Versuche uͤber die
Runkelruͤbe.
Es wäre ohne Zweifel nüzlich, ein genaues und leicht ausführbares Verfahren zur
Bestimmung des wirklichen Zukergehalts der Runkelrüben zu besizen; ein solches
scheint mir jedoch Schwierigkeiten darzubieten, welche bis jezt von den Chemikern
ebensowenig wie von den Fabrikanten überwunden wurden. Zwei ausgezeichnete Chemiker,
Pelouze und Péligot, sind der Meinung, daß der Alkohol den Runkelrüben nur
krystallisirbaren Zuker entzieht, und doch bleibt bei den vollkommensten
Verfahrungsarten in den Fabriken beiläufig ein Viertel der gekörnten Masse als
unkrystallisirbare Melasse zurük. Hr. de Dombasle,
überzeugt, daß fast das ganze Quantum dieser Melasse ursprünglich in den Runkelrüben
enthalten, und die gewöhnliche Annahme, daß der Runkelrübensaft nur eine Auflösung
von krystallisirbarem Zuker sey, unbegründet ist, ersuchte mich dringend eine
chemische Analyse der schlesischen Runkelrübe zu unternehmen. Ich gestehe, daß ich nur mit
Mißtrauen gegen mich selbst dem Wunsche des gelehrten Oekonomen entsprach, denn es
handelt sich dabei um nichts Geringeres als eine genaue und erschöpfende Analyse der
Runkelrübe, welche man noch nicht besizt, und wozu ich mich wirklich nicht stark
genug fühlte. Als ich anfing, mich dieser Arbeit zu unterziehen, geschah es nur in
der Hoffnung, auf einige neue Thatsachen hinsichtlich dieser schäzbaren Wurzel zu
kommen und zugleich den Ursprung einer gallertartigen Substanz, welche man bei der
Runkelrübenzuker-Fabrication nach dem Macerationsverfahren erhält,
auszumitteln; ich habe diese Substanz mit dem Bassorin verglichen und ihre
Eigenschaften beschriebenPolytechn. Journal
Bd. LXXVI. S. 202.;
damals war ich aber weit entfernt ihre wahre Constitution zu kennen, was ungeachtet
meiner analytischen Versuche noch nicht der Fall, wäre, wenn ich nicht eine Methode
entdekt hätte, sie auf synthetischem Wege beliebig hervorzubringen, worauf ich unten
zurükkomme. Ich will zuerst in Kürze das von Hrn. Péligot
Recherches sur l'Analyse et la Composition de la
Betterave á sucre Paris, 1839. zur Analyse der Runkelrübe in Vorschlag gebrachte Verfahren mittheilen und
sodann die Producte, welche man dabei erhält, besonders untersuchen. Diese Methode
besteht darin, ein bestimmtes Gewicht dünner Runkelrübenschnitte auszutroknen und
dann wieder zu wiegen; man erfährt dadurch, wieviel Wasser und wieviel feste
Substanzen die Runkelrüben enthalten. Leztere werden hierauf gepulvert und mehrmals
mit kochendem Alkohol von 0,83 spec. Gew. behandelt. Die Differenz zwischen dem
Gewichte des gut ausgetrokneten unauflöslichen Rükstandes und demjenigen der
trokenen Runkelrübe zeigt ihren Zukergehalt an; derselbe Rükstand, auf welchen
kochender Alkohol nicht mehr wirkt, wird dann mit kochendem Wasser ausgezogen,
wodurch er in zwei Theile zersezt wird, einen in dieser Flüssigkeit auflöslichen,
welchen Péligot mit dem Eiweißstoff vergleicht,
und einen unauflöslichen, den er der Holzfaser gleichstellt. Diese analytische
Methode lieferte mir bei der schlesischen Runkelrübe folgendes Resultat:
Trokene feste
BestandtheileWasser
15,8 84,2
ZukerEiweißstoffHolzfaser
10,6 2,1 3,1
–––––
––––
100,0
15,8
Ich will nun die drei Hauptproducte dieser Analyse nach einander untersuchen.
Zuker.
Aus der Analyse scheint hervorzugehen, daß die schlesische Runkelrübe 10,6
Gewichtsprocente Zuker enthält; dieses Quantum ist aber offenbar zu hoch, denn die
krystallinische Masse, welche ich erhielt, war bräunlich, und obgleich die
Zukerkrystalle darin deutlich und in großer Menge vorhanden waren, so waren sie doch
von einem braunen unkrystallisirbaren Zukerstoff eingehüllt, welcher, abgesehen von
den in der Runkelrübe vorkommenden zerfließlichen Salzen, die Eigenschaft hat, aus
der Luft Feuchtigkeit anzuziehen. Diese Wurzel wird auch, wenn man sie in dünne
Schnitte verwandelt und ausgetroknet hat, bald weich, und man darf keine Zeit
verlieren, wenn es gelingen soll, sie in Pulver zu verwandeln. Beim Auskochen dieses
Pulvers mit Alkohol von 0,83 spec. Gew. erhielt ich eine bräunlichgelbe Flüssigkeit,
welche sich beim Erkalten trübte und zuerst eine syrupartige Flüssigkeit oder eine
Art Melasse, sodann einige kleine Zukerkrystalle absezte. Ich suchte mir nun eine
hinreichende Menge von dieser syrupartigen Flüssigkeit, welche in Alkohol weniger
auflöslich ist, als der krystallisirbare Zuker, zu verschaffen, um sie besonders
untersuchen zu können; getroknet sieht sie wie Gummi aus, und zieht Feuchtigkeit aus
der Luft an; beim Verbrennen hinterläßt sie nur Spuren eines alkalischen Rükstandes;
in Wasser aufgelöst wird sie durch Kalk- und Barytwasser gefällt. Neutrales
und basisches essigsaures Blei bringen darin auch Niederschläge hervor, und die
darüber stehende Flüssigkeit ist großentheils entfärbt. Behandelt man dieselbe
syrupartige Flüssigkeit mit kaltem Alkohol von 33° Baumé, so löst sie
sich endlich ganz darin auf; lauwarmer Alkohol (von 31° R.) hingegen theilt
sie in zwei Portionen, eine darin auflösliche und eine unauflösliche: erstere war
gelblich gefärbt und bestand zum Theil aus krystallisirbarem Zuker und einem
unkrystallisirbaren, aus der Luft Feuchtigkeit anziehenden Zukerstoff; die in
lauwarmen Alkohol unauflösliche Portion war unkrystallisirbar, von brauner Farbe,
und sah gummiartig aus; obgleich ich sie aber sehr oft mit concentrirtem lauwarmem
Alkohol behandelte, so behielt sie doch einen süßen Geschmak. Die braune Substanz
war eine Verbindung von unkrystallisirbarem Zuker mit irgend einem schleimigen
Stoff, und da ich diese beiden mittelst Alkohol nicht gehörig von einander trennen
konnte, so benuzte ich dazu Barytwasser, welches, wie gesagt, in der wässerigen
Auflösung dieses schleimhaltigen Zukerstoffs einen Niederschlag hervorbringt; der
Niederschlag wurde gesammelt, ausgewaschen und mit verdünnter Schwefelsäure
behandelt, wodurch man in der That einen bräunlichen Schleim erhielt, welcher fast
geschmaklos, in lochendem Alkohol unauflöslich war und aus seiner Auflösung in Wasser durch
Kalk-, Barytwasser und Bleisalze vollständig niedergeschlagen wurde. Mit
Salpetersäure behandelt lieferte die schleimartige Substanz keine Schleimsäure.
Aus der süßen Flüssigkeit, welche von dem durch Barytwasser erzeugten Niederschlag
(mittelst Schwefelsäure) abgeschieden wurde, gelang es mir, nur einige kleine
Zukerkrystalle zu erhalten. Kann man diesen schleimhaltigen Zukerstoff als eine
besondere Zukerart betrachten oder sollte er nicht vielmehr durch die innige
Verbindung des Zukers mit einer ähnlichen schleimartigen Substanz, wie z.B.
gewöhnlich in Begleitung der Aepfelsäure vorkommt, entstehen, welche Säure ebenfalls
im Runkelrübensafte vorhanden ist? Ich bin zu lezterer Annahme sehr geneigt, denn es
ist gewiß, daß sich die von mir erhaltene schleimartige Substanz für sich in
kochendem Alkohol nicht auflöst, sondern dieß nur durch Dazwischenkunft des Zukers
geschieht, so daß sich die Auflösung beim Erkalten trübt, indem sie einen
unkrystallisirbaren schleimartigen Zukerstoff fallen läßt, welcher in kaltem Alkohol
viel weniger auflöslich ist, als der gewöhnliche Zuker. Dessen ungeachtet wage ich
nicht zu behaupten, daß die Runkelrübe nicht auch unkrystallisirbaren Zuker
enthält.
Durch diesen Unterschied in der Auflöslichkeit ist es erklärlich, daß Pelouze bei Behandlung dünner Runkelrübenschnitte mit
Alkohol von 85 Proc., und zwar bei einer Temperatur von 24° R. eine weiße
krystallinische Masse erhielt, welche alle Eigenschaften eines schönen Zukers
besaß.Polytechn. Journal Bd. XLIII. S.
53. Es ist schwer mit Genauigkeit zu bestimmen, in welchem Verhältnisse
kochender Alkohol aus der Runkelrübe schleimhaltigen Zukerstoff und
krystallisirbaren Zuker auszieht; jedenfalls scheint mir die Quantität des lezteren
von einigen Chemikern zu hoch angeschlagen worden zu seyn, und in dieser Hinsicht
theile ich die Meinung des Hrn. de Dombasle.
Eiweißstoff.
Nachdem man die getroknete Runkelrübe mit kochendem Alkohol erschöpft hat, erhält man
durch Behandlung derselben mit kochendem Wasser eine Substanz, welche Péligot Eiweißstoff genannt hat; sie ist aber von
dem eigentlichen Pflanzeneiweiß so wesentlich verschieden, daß dieser Chemiker sie
unmöglich näher untersucht haben kann. Es steht wenigstens fest, daß der
Eiweißstoff, besonders nach seiner Behandlung mit kochendem Alkohol, in kochendem
Wasser unauflöslich ist, während die von mir nach Péligot's Verfahren erhaltene Substanz in kochendem Wasser
auflöslich ist. Nach meinen Versuchen besizt diese Substanz – welche, beiläufig
gesagt, in dem aus den Runkelrüben ausgepreßten Saft nicht vorkommt –
folgende Eigenschaften:
Sie ist gelblich, durchscheinend, spröde, neutral, an der Luft unveränderlich und von
fadem Geschmak; bei der Destillation liefert sie wie die Materien, welche wenig
Stikstoff enthalten, ein Lakmuspapier stark röthendes Product und hinterläßt eine
etwas Kali zurükhaltende Kohle. Ihre Auflösung in Wasser ist dik, schleimig, wenig
klebend; Galläpfelinfusion bringt darin einen weißen undurchsichtigen Niederschlag
hervor, welcher mit ein wenig Wasser ausgefüßt und dann getroknet, durchsichtig wie
Gummi ist; befeuchtet wird er wieder weiß und undurchsichtig, und kann sich in einer
hinreichenden Menge kalten oder in ein wenig heißen Wassers wieder ganz auflösen; in
lezterem Falle entsteht aber der weiße undurchsichtige Niederschlag beim Erkalten
der Flüssigkeit wieder.
Aus ihrer Auflösung in Wasser wird die fragliche schleimartige Substanz durch die
Kupfer-, Blei- und Queksilbersalze, so wie durch schwefelsaures
Eisenoxyd vollkommen niedergeschlagen; die Säuren, ferner Kalk-,
Baryt- und Strontiansalze bringen darin keinen Niederschlag hervor. Eine
merkwürdige Eigenschaft der schleimigen Auflösung ist, daß sie mit den geringsten
Spuren von Kalk, Baryt und Strontian eine voluminöse Gallerte bildet. Als ich eine
Auflösung von 2 Centigrammen der fraglichen Substanz in 4 Grammen oder ihrem
200fachen Gewichte Wasser mit zehn Tropfen Kalkwasser versezte, war das Gemisch nach
24 Stunden in eine steife durchsichtige Gallerte verwandelt.
Wenn man hingegen eine Auflösung der schleimartigen Substanz, anstatt sie mit etwas
Kalkwasser vermischt durch Ruhe gelatiniren zu lassen, mit Kalkwasser in Ueberschuß
versezt, so entsteht sogleich ein weißer flokiger Niederschlag, der wie Kleister
aussieht und so unauflöslich ist, daß man die fragliche Substanz, selbst wenn sie in
mehr als ihrem 2000fachen Gewichte Wasser aufgelöst ist, leicht entdeken kann;
versezt man endlich eine concentrirte Auflösung dieser Substanz mit Aezkali, so
erstarrt das Gemisch zu einer Gallerte, welche in Wasser wieder aufgelöst, mit
Salzsäure eine voluminöse, durchscheinende und farblose Masse, nämlich Gallertsäure
liefert; hieraus geht hervor, daß die in Wasser auflösliche schleimartige Substanz
derjenigen ähnlich ist, welche ich in den (fleischigen) Früchten, vielen Baumrinden
etc. entdekt und PektinPolytechn. Journal Bd. XLIII. S.
60. (Pflanzengallerte) genannt habe. Die undurchsichtigen oder durchsichtigen
Gallerten, welche durch
die Verbindung dieser lezteren mit mehr oder weniger Kalk entstehen, sind nicht nur
in kochendem Wasser unauflöslich, sondern widerstehen auch allen Agentien, die ich
zur Trennung ihrer Bestandtheile anwenden konnte, ohne eine Zerstörung derselben zu
bewirken; übrigens besizen sie dieselben Eigenschaften wie die gallertartige
Substanz, welche bei der Runkelrübenzuker-Fabrication nach dem
Macerationsverfahren entsteht, und die folglich nichts als gallertsaurer Kalk ist. Ich hatte diese Substanz früher mit dem Bassorin
(Pflanzenschleim) verglichen, und es ist mir nun sogar wahrscheinlich, daß lezteres,
so wie auch das Cerasin, ebenfalls aus einer innigen Verbindung von Pektin oder
einer analogen auflöslichen Substanz mit Spuren von Kalk besteht.
Ich habe gesagt, daß die in Wasser auflösliche schleimartige Substanz dem Pektin
ähnlich ist; doch steht es fest, daß lezteres in reinem Zustande durch
Galläpfelinfusion nicht getrübt wird, während jene mit diesem Reagens einen
Niederschlag hervorbringt. Es ließ sich also vermuthen, daß sie noch etwas von einer
stikstoffhaltigen Substanz zurükhält, und um diese davon zu trennen, verfuhr ich
folgendermaßen: Ich vermischte die Auflösung dieses Pektins mit einer hinreichenden
Menge Aezkali, um sie zum Gerinnen zu bringen, und nachdem ich die entstandene
Gallerte dann wieder in Wasser aufgelöst hatte, versezte ich sie mit etwas
überschüssiger Salzsäure, welche eine reichliche Menge farbloser Gallertsäure
(Pektinsäure) abschied, die ich von der gelblichen Flüssigkeit abfiltrirte. Leztere
wurde dann mit etwas Aezkali neutralisirt, auf einen kleinen Raum abgedampft und
hierauf vorsichtig mit Alkohol versezt, der zuerst eine Substanz daraus
niederschlug, welche durch Galläpfelinfusion nicht getrübt wurde und die
Eigenschaften des Gummi's besaß; als ich aber dieselbe Flüssigkeit mit einer
größeren Menge Alkohol versezte, gelang es mir, daraus eine Substanz abzusondern,
welche nach dem Troknen etwas bräunlich, spröde, halbdurchsichtig, an der Luft
unveränderlich und in Wasser auflöslich war. Diese Substanz lieferte bei der
Destillation ein Product, welches geröthetes Lakmuspapier wieder blau machte;
übrigens wurde sie durch Galläpfelinfusion gefällt. Es scheint mir also hinreichend
erwiesen, daß die von Péligot bei seinen
Runkelrüben-Analysen unter der Benennung Eiweißstoff aufgeführte Substanz
fast gänzlich aus Pektin besteht, welches etwas Gummi und eine in Wasser auflösliche
stikstoffhaltige Substanz zurükhält. Ich habe gesagt, daß das Pektin in dem
ausgepreßten Runkelrübensafte nicht vorkommt; es konnte also nur von den Trestern
herrühren, und um darüber Gewißheit zu erhalten, süßte ich gut ausgepreßten
Runkelrübenrükstand mehrmals mit reinem Wasser aus, bis er den süßen Geschmak ganz verlor, und kochte ihn
dann mit Wasser, wodurch ich eine Flüssigkeit erhielt, welche vorher durch Leinwand
gedrükt nur langsam durch ein Papierfilter ging. Als man diese Flüssigkeit zur
Syrupsconsistenz abgedampft mit Alkohol vermischte, nahm derselbe etwas Zuker und
Salpeter auf, und schlug Pektin nieder, welches alle Eigenschaften desjenigen besaß,
wovon ich so eben gesprochen habe.
Nachdem ich dem Runkelrübenrükstande mit kochendem Wasser das Pektin entzogen hatte,
kochte ich ihn mit sehr verdünntem Aezkali, welches aber keine Gallertsäure auszog;
hienach sollte man glauben, daß leztere in der Runkelrübe nicht vorkommt, und doch
geben die Runkelrübenrükstände bei Behandlung mit ammoniakalischem Wasser eine
Flüssigkeit, welche durch Mineralsäuren zu einer durchsichtigen Gallerte
gerinnt.
Nachdem man die Runkelrübentrester mit alkalischem Wasser ausgekocht hat, ist die
Holzfaser bei weitem noch nicht von allen fremdartigen Substanzen befreit.
Untersucht man sie nämlich mit dem Mikroskop, so findet man, daß die Saftbläschen,
woraus sie großentheils besteht, ihre Form noch nicht ganz Verloren haben; läßt man
sie aber einige Zeit bei gelinder Temperatur mit Wasser stehen, so erhält man eine
klebrige, dike, schwach saure Flüssigkeit, welche essigsaures Kali und eine
beträchtliche Menge Gummi enthält, und wenn man nun neuerdings die Saftbläschen mit
dem Mikroskop untersucht, so scheinen sie gleichsam zerschmolzen zu seyn und
bestehen nur noch aus den sehr feinen Fasern, welche Verzweigungen oder Rippen an
den Wänden der Saftbläschen bildeten. Die Luftgefäße hingegen scheinen gar keine
Veränderung erlitten zu haben, und müssen folglich sehr cohärent seyn.
Obgleich ich die Runkelrübentrester mit vielem kaltem Wasser auswusch, so war im
Waschwasser, nachdem es sich in der Ruhe geklärt hatte, bei der Prüfung mit Kalk
doch kein Pektin zu entdeken, welches bekanntlich im Wasser leicht auflöslich ist.
Ich vermuthe daher, daß diese Substanz in den Runkelrübentrestern in einem ähnlichen
Zustande existirt, wie man sie durch kochendes Wasser erhält, so daß man sie mit den
thierischen Häutchen vergleichen kann, welche an kaltes Wasser nichtsnichs abgeben und sich durch kochendes Wasser in eine Gallerte verwandeln; man
müßte denn annehmen, daß das Pektin, ohne Zweifel bestimmt die Saftbläschen der
Runkelrüben zu umhüllen, mit einer anderen wenig bekannten schleimigen Substanz
Verbunden ist, so wie auch mit kleesaurem und phosphorsaurem Kalk, welche Salze
gewöhnlich vorkommen, wo ein Organismus Consistenz bekommen soll.
Holzfaser.
Der Rükstand, welchen Péligot bei seinen Analysen
der Runkelrübensorten mit der Benennung Holzfaser bezeichnet, ist ein schwärzlicher,
schwer zerreiblicher Körper von complicirter Zusammensezung; er enthält wirklich die
Holzfaser, aber auch allen Eiweißstoff der Runkelrübe, den man ihm wenigstens zum
Theil entziehen kann, indem man ihn mit Wasser digerirt, welches mit Aezkali oder
Ammoniak versezt ist; hieraus folgt, daß man bei dem bekannten Verfahren die
Runkelrüben zu troknen und nachher erst mit Wasser den Zuker aus ihnen zu
extrahiren, den Vortheil hat, eine Flüssigkeit zu bekommen, welche keinen
Eiweißstoff mehr enthält, und folglich zu ihrer Läuterung nur sehr wenig Kalk
bedarf, nur so viel als zum Niederschlagen des Pektins, eines Theils der gummigen
Substanz und einiger anderer, der Krystallisation des Zukers hinderlichen Substanzen
erforderlich ist. Bei dem Verfahren frische Runkelrübenschnitte in kochendem Wasser
zu maceriren, welches Hr. de Dombasle vorschlug und
befolgt, bekommt man eine Flüssigkeit, welche nach meinen Versuchen etwas mehr
gummige Substanz als der ausgepreßte Saft enthält; dagegen fand ich darin fast
keinen Eiweißstoff. Es steht jedoch fest, daß der Runkelrübensaft, obgleich er viel
Eiweißstoff enthält, keine Neigung zeigt, beim Erhizen zu gerinnen. Ich werde bald
die Ursache dieser Anomalie erklären.
Aus dem Vorhergehenden ersieht man, daß Péligot's
Untersuchungen über die Runkelrübe viel zu wünschen übrig lassen.
Untersuchung des
Runkelrübensaftes.
Man scheint bisher noch keinen richtigen Begriff von der chemischen Zusammensezung
des aus den Runkelrüben ausgepreßten Saftes gehabt zu haben; deßhalb konnte man sich
auch das sehr abweichende Verhalten des im Runkelrübensaft enthaltenen Eiweißstoffs
in Vergleich mit demjenigen der meisten Vegetabilien nicht erklären. Wenn man
nämlich den Runkelrübensaft, selbst durch Abdampfen concentrirten, zum Kochen
erhizt, so gerinnt er nicht wie die anderen eiweißstoffhaltigen Pflanzensäfte, was
hauptsächlich dem Umstande zuzuschreiben ist, daß leztere in der Regel Kalksalze
enthalten, während ich im Runkelrübensafte keine Spur davon fand; die
Haupteigenschaft des Eiweißes, beim Erhizen zu gerinnen, scheint also der Gegenwart
von Kalksalzen zugeschrieben werden zu müssen. Versezt man den Runkelrübensaft mit
einer geringen Menge eines Kalksalzes, z.B. salzsaurem oder essigsaurem Kalk, oder
selbst gepulvertem schwefelsaurem Kalk (Gyps) und erhizt ihn dann, so fällt auch wirklich alles Eiweiß
sogleich auf gewöhnliche Weise in gefärbten großen Floken nieder und man bekommt
eine Flüssigkeit, welche eben so klar und noch weniger gefärbt als der mit Kalk
geläuterte Saft ist. Wird diese Flüssigkeit gehörig abgedampft und in eine
Troknenstube gestellt, so erstarrt sie zu einer beträchtlichen Masse krystallisirten
Zukers, welcher sehr wenig Melasse zurükhält; es ist daher wahrscheinlich, daß man
beim Läutern des Saftes den gebrannten Kalk vortheilhaft durch gepulverten Gyps wird
ersezen können, womit die zersezende Einwirkung des Aezkalks auf den Zuker beseitigt
wäre, und dieser Vorschlag scheint mir in hohem Grade die Beachtung der Fabrikanten
zu verdienen.Die Eigenschaft des Gypses, aus dem Runkelrübensafte die eiweißstoffartige
Materie abzusondern, ist in Deutschland längst bekannt. Nach den Versuchen
des Hrn. Oberbergcommissärs Brande reicht dazu
auf ein Pfund Saft ein Quentchen Gypsmehl immer aus; der Saft soll nach
seinem Vorschlage auf 40–50° R. erhizt, das Gypsmehl, welches
man vorher in einer geringen Menge der Flüssigkeit zerrührt hat, zugemischt
und dann bis zum Sieden erhizt werden. Dabei entsteht eine reichliche
Ausscheidung, die zum Theil von der Oberfläche der Flüssigkeit abgesondert
werden kann, anderen Theils aber als ein gebundener Niederschlag sich
absezt, von welchem die erkaltete Flüssigkeit, hinreichend geklärt, durch
Abziehen entfernt werden kann. Der so geklärte Saft ist, obgleich wenig
gefärbt, für die folgende Kalkbehandlung vortrefflich vorbereitet. Wird er
bis zu schwacher alkalischer Reaction mit Kalk versezt, auf die Hälfte
eingekocht, und dann aufs Neue geklärt, so erhält man eine weinhelle
Flüssigkeit von angenehm süßem Geschmak, die bei weiterem Einkochen wenig
dunkler wird und einen sehr guten Syrup liefert, welcher bei langsamem
Eindiken eine blaßgelbliche krystallinisch-körnige spröde Zukermasse
hinterläßt.Gyps, jedoch in Verbindung mit gebranntem Kalk, wurde in Deutschland schon
vor 24 Jahren zur Läuterung des Runkelrübensaftes von Lohmann vorgeschlagen und in der lezten Zeit (im Journal für
praktische Chemie Bd. X. S. 89) wiederholt von ihm empfohlen. A. d. R. Ich habe einmal geläuterten Runkelrübensaft mit Gyps versezt und dann mit
einem schwachen Ueberschuß von Aezkali oder Kalk, um die geringe Menge freier Säure
zu sättigen, wobei ich aber nicht bemerken konnte, daß dieser Zusaz eine
reichlichere Krystallisation des Zukers bewirkte.
Die zu geringe Menge freier Säure im Runkelrübensafte trägt ebenfalls dazu bei, die
Gerinnung des Eiweißstoffs in der Hize zu verhindern. Gießt man irgend eine Säure,
z.B. Essigsäure in diesen Saft, so erscheint er nicht getrübt, und nur sehr langsam
sezt sich daraus endlich der sehr zertheilte Eiweißstoff ab; wenn man aber das
Gemisch erhizt, scheidet er sich sogleich in großen Floken ab, wobei die Flüssigkeit
klar und zum Theil entfärbt wird. Wird diese klare Flüssigkeit eingedampft und in
eine Troknenstube gestellt, so liefert sie ebensoviele und weniger gefärbte
Zukerkrystalle, als man mittelst kochenden Alkohols erhalten könnte. Der mittelst
Essigsäure in der Hize niedergeschlagene Eiweißstoff der Runkelrübe hat eine
grauliche Farbe; getroknet ist er schwarz; rührt man ihn in feuchtem Zustande mit Wasser an, so erhält
man eine homogene halbdurchsichtige Flüssigkeit, welche sich weder in der Ruhe noch
beim Erwärmen merklich klärt, und die einer Auflösung gleicht, obwohl in der That
der Eiweißstoff darin nur suspendirt ist. Kalk-, Barytwasser, essigsaures
Blei, essigsaures Kupfer und die meisten anderen Metallsalze schlagen allen in
dieser Flüssigkeit enthaltenen Eiweißstoff augenbliklich nieder; deßgleichen die
Säuren und Kalksalze, besonders in der Wärme. Mit Aezkali verseztes Wasser löst den
Eiweißstoff der Runkelrübe auf. Diese Auflösung wird durch die Säuren, selbst
Essigsäure und Phosphorsäure gefällt, durch kohlensaures Ammoniak aber nicht
getrübt. Dieser Eiweißstoff löst sich auch in Aezammoniak auf und wird daraus durch
Kaltwasser, die Kalksalze und alle anderen Reagentien, welche ihn fällen, wenn er
bloß in Wasser suspendirt ist, ebenfalls vollständig niedergeschlagen.
Als ich den Eiweißstoff der Runkelrübe mit kochendem Alkohol behandelte, erhielt ich
daraus ein gelblichweißes Fett, welches in ein wenig kochendem Alkohol wieder
aufgelöst beim Erkalten eine weiße, körnige, dem Wachs analoge Substanz absezte; die
über lezterer stehende Flüssigkeit lieferte beim Abdampfen eine gelbliche,
unkrystallisirbare fette Säure, welche sich in Alkohol, sehr Verdünntem Aezkali und
in Ammoniak leicht auflöste.
Nachdem man dem Eiweißstoff der Runkelrübe mittelst Alkohol die fetten Substanzen
entzogen hat, gibt er beim Verbrennen eine gelbliche Asche, die ganz aus
eisenhaltigem kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk besteht; ich weiß jedoch nicht,
in welchem Zustande leztere Substanzen oder ihre Elemente im Eiweißstoff enthalten
sind. Ich habe oben gesagt, daß der Runkelrübensaft kein Kalksalz enthält; nach Payen
Polytechn. Journal Bd. XVIII. S.
379. soll er sauren äpfelsauren Kalk enthalten, was aber unmöglich ist, denn ich
habe längst gefunden, daß der größte Theil des in ihm befindlichen Kali's mit
Kleesäure gesättigt ist, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man den Saft
mit salzsaurem Kalk versezt, wobei kleesaurer Kalk nebst etwas (eisenhaltigem)
phosphorsaurem Kalk niederfällt. Um aus dem Niederschlage die Kleesäure zu isoliren,
braucht man ihn nur mit einer Auflösung von kohlensaurem Kali zu kochen, die
filtrirte Flüssigkeit mit Salpetersäure zu neutralisiren, mit salpetersaurem Blei zu
fällen und das erhaltene kleesaure Blei mit Schwefelwasserstoff zu zersezen. Es ist
also hinreichend erwiesen, daß der Runkelrübensaft kein Kalkfalz enthält; nun fragt
es sich aber, ob darin kein anderes erdiges Salz vorkommt? Als ich zur Trokne
abgedampften Runkelrübensaft, welcher bereits mit kochendem Alkohol ausgezogen worden war, mit
heißem Wasser behandelte, bemerkte ich, daß sich aus der Flüssigkeit ein weißes
unauflösliches Pulver absonderte. Dasselbe ist feuerbeständig und löst sich ohne
Aufbrausen in den Säuren auf, aus welchen es durch Alkalien unverändert
niedergeschlagen wird. Ich glaubte anfangs, dieser Körper sey derselbe, welchen Payen bei seiner Analyse der Runkelrübe als
„nicht hinreichend bestimmte unauflösliche, unorganische
Substanz“ aufführt; eine genauere Untersuchung überzeugte mich aber
bald, daß dieses weiße Pulver weiter nichts als basisch phosphorsaure Bittererde
ist. Es schmilzt nämlich vor dem Löthrohr zu einem weißen Email, nimmt mit
salpetersaurem Kobalt erhizt eine rothe Farbe an und Kali entzieht ihm den größten
Theil seiner Phosphorsäure, Bittererde zurüklassend.
Wenn man Runkelrübensaft, dem sein Eiweißstoff entzogen wurde, zur Trokne verdampft
und den Rükstand calcinirt, so erhält man eine gelbliche Asche, aus welcher durch
Wasser kohlensaures Kali nebst etwas phosphorsaurem, salzsaurem und schwefelsaurem
Kali ausgezogen wird, während bloß basisch phosphorsaure Bittererde zurükbleibt.
Die phosphorsaure Bittererde ist in einem mittelst Essigsäure geläuterten
Runkelrübensaft leicht zu entdeken; man braucht ihn nämlich nur mit etwas
kohlensaurem Ammoniak zu versezen, so überziehen sich die Wände des Gefäßes nach
einigen Stunden mit kleinen durchsichtigen und harten Krystallen von phosphorsaurer
Ammoniak-Bittererde.
In der sehr geringen Menge holziger Substanz, welche die Runkelrübe enthält, fand ich
kleesauren Kalk und beim Einäschern lieferte sie viel phosphorsauren und
kohlensauren Kalk und nur wenig Bittererde.
Aus meiner Untersuchung der schlesischen Runkelrübe ergibt sich also, daß dieselbe
enthält:
1) Krystallisirbaren Zuker,
2) unkrystallisirbaren Zuker?
3) Eiweißstoff,
4) Pektin (Pflanzengallerte),
5) schleimartige Substanz,
6) Holzfaser,
7) phosphorsaure Bittererde,
8) kleesaures Kali,
9) äpfelsaures Kali,
10) phosphorsauren Kalk,
11) kleesauren Kalk,
12) fette Säure von der Constitution des Talgs,
13) eine dem Wachs analoge Substanz,
14) salzsaures Kali,
15) schwefelsaures Kali,
16) salpetersaures Kali,
17) Eisenoxyd,
18) eine in Wasser auflösliche stikstoffhaltige Substanz,
19) eine noch unbekannte riechende und scharfe Substanz,
20) ein unbestimmtes Ammoniaksalz in geringer Menge,
21) Pektinsäure (Gallertsäure)?