Titel: Vergleichende Untersuchung über umgeschmolzenen Gußstahl und Silberstahl; von Dr. L. Elsner.
Fundstelle: Band 77, Jahrgang 1840, Nr. LV., S. 220
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LV. Vergleichende Untersuchung uͤber umgeschmolzenen Gußstahl und Silberstahl; von Dr. L. Elsner. Aus dem Journal fuͤr praktische Chemie, 1840, Nr. 10. Elsner, uͤber Gußstahl und Silberstahl. Es hat der mit 1/500 Silber legirte Stahl von Stodart und Faraday eine gewisse Berühmtheit erlangt. Seine ausgezeichnet guten Eigenschaften soll er dem geringen Antheile des mit ihm legirten Silbers verdanken. Es hat weder an Chemikern noch an Technikern gefehlt, die der Meinung waren, der genannte geringe Silberzusaz sey eben gerade nicht wesentlich zur Erzeugung eines recht guten Stahls. Unter diesen mögen die Worte des Hrn. Geheimen Oberbergraths Dr. Karsten hier ihren Plaz finden. In seinem Handbuche der Eisenhüttenkunde, 2te Aufl., 1828, Th. 4, S. 523 ff. sagt er über den mit anderen Metallen legirten Stahl wie folgt: „Es dürfte sich indeß in der Folge noch mehr ergeben, daß solche Legirungen nur in höchst seltenen Fällen die Eigenschaften eines an sich guten Stahls verbessern, einem schlechten Stahl aber niemals bessere Eigenschaften mittheilen können. In einzelnen wenigen Fällen mögen sie dazu dienen, einem harten, d.h. viel Kohle enthaltenden Stahl auf eine mechanische Weise eine etwas größere Festigkeit zu geben. Ein viel besseres Mittel zu diesem Zwek wird das Ausglühen des Stahls in starker und anhaltender Glühhize vor der weiteren Bearbeitung seyn.“ Ferner ist eben so bekannt, daß schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in England ein vortrefflicher Stahl durch bloßes Umschmelzen ohne allen Metallzusaz erhalten wurde.Handbuch der angewandten Chemie, von J. Dumas, übersezt von F. Englehardt, Bd. III. Art. Stahl. Nachstehende vergleichende Untersuchungen, mit umgeschmolzenem Gußstahl und Silberstahl angestellt, haben demnach den Zwek nachzuweisen, ob man in der That berechtigt sey, einen so auffallend großen Unterschied rüksichtlich der Güte beider Stahlsorten anzunehmen. Zur Vergleichung beider Stahlsorten wurden 8 1/3 Loth in kleine Stüke zerschlagener Quadratgußstahl, wie er, in kleine Stüke ausgerekt, im Handel vorkommt, mit 1/500 reinem, zu Blech ausgewalztem und in Stükchen zerschnittenem Silber im bedekten Charmottetiegel zwei Stunden lang im Gebläseofen mittelst Kohks erhizt und dann im Tiegel bis zum Erkalten gelassen. Die Masse war zu einem vollständigen Klumpen geflossen und zeigte auf ihrer Oberfläche das gestrikte Ansehen des Speiskobalts. Ganz auf dieselbe Weise wurden 8 1/3 Loth desselben Gußstahls für sich allein ohne Silberzusaz umgeschmolzen, und auch hiebei zeigte der völlig geflossene Klumpen auf seiner Oberfläche die Tendenz zu krystallisiren sehr deutlich. Beide Sorten wurden nun ganz unter denselben Bedingungen, nachdem sie vor der Schmiedesse zu dünnen Stäbchen ausgestrekt worden waren, gehärtet. Bevor ich die vergleichende Uebersicht der Eigenschaften beider Stahlsorten angebe, bemerke ich noch, daß, um den Stahl auf seinen geringen Gehalt an Silber zu prüfen, ich etwa 3 Grammen des Stahls in reiner Salpetersäure auflöste, welches schon bei der gewöhnlichen Temperatur sehr bald stattfand. Die Auflösung mit Aezammoniak im Ueberschuß versezt und die stark ammoniakalische Flüssigkeit von dem niedergefallenen Eisenoxyde abfiltrirt, gab, mit Salzsäure versezt, eine weiße molkige Trübung, die sich durch Schütteln wieder auflöste und nach genauer Sättigung des Aezammoniaks bleibend erschien. Bei einer sorgfältigen und öfter wiederholten Vergleichung des Aggregatzustandes der 3 Stahlsorten unter einander, nämlich des gewöhnlichen Quadrat-Gußstahls, des umgeschmolzenen Gußstahls und des Silberstahls ergab sich Folgendes. Ungehärteter Gußstahl zeigte eine graue, ins Weiße gehende Farbe, sein Gefüge war feinkörnig, allein bei recht genauer Vergleichung mit dem umgeschmolzenen Gußstahl und dem Silberstahl zeigte sich der Aggregatzustand weniger feinkörnig als bei den leztgenannten; auch die Farbe der lezteren war mehr weiß ins Graue übergehend. Beide zeigten außerdem einen sehr milden Glanz auf ihren frischen Bruchflächen. Eben so verhielt es sich auch mit dem Aggregatzustande der 3 gehärteten Stahlsorten; bei dem umgeschmolzenen Gußstahl und dem Silberstahl war, auch durch die Loupe betrachtet, durchaus nur eine ganz gleichförmige Bruchfläche zu bemerken, der Bruch war ein völlig dichter; beim gehärteten, nicht umgeschmolzenen Stahl war dagegen doch, wenn auch fast verschwindend, noch ein sehr feinkörniger Aggregatzustand zu bemerken. Beide Stahlsorten, der umgeschmolzene sowohl als der Silberstahl, zeigten auch, sowohl die ungehärteten als die gehärteten Proben, unter einander verglichen, ganz gleiche Härte. – Die ungehärteten Proben beider Sorten rizten nämlich Flußspath, die gehärteten Proben rizten tief in Glas, ja sie rizten noch Feldspath. Das vergleichende Resultat der spec. Gewichtsbestimmung der 3 Stahlsorten unter einander bei 11° C. war Nachstehendes: 1. Ungehärteter Gußstahl 7,9288 Gehärteter Gußstahl 7,6578. 2. Ungehärteter umgeschmolzener Gußstahl 8,0923 Gehärteter     – 7,7647. 3. Silberstahl, ungehärtet 8,0227 –      gehärtet 7,9024. Es ergibt sich hienach, daß die Dichtigkeit des umgeschmolzenen Gußstahls sowohl als die des Silberstahls etwas größer ist, als die des Gußstahls, der zur Darstellung beider verwandt worden war; eben so, daß die Dichtigkeit der gehärteten Stahlsorten eine etwas geringere ist als die der ungehärteten – eine Thatsache, die schon von Lewis, Faraday und anderen nachgewiesen ist, aber doch wohl verdient bei diesen Versuchen hervorgehoben zu werden. Mein Freund, Hr. Th. Böttger, der eine große Reihe von Kohlenstoffanalysen der verschiedenen Stahl- und Eisensorten anzustellen Gelegenheit hatte, bestimmte nach der von Berzelius in neuerer Zeit angegebenen Methode (polytechnisches Journal Bd. LXXII. S. 41) durch Kupferchlorid den Kohlenstoffgehalt der beiden Stahlsorten, nämlich des gehärteten umgeschmolzenen Gußstahls und des gehärteten Silberstahls, und fand folgendes Resultat. Der umgeschmolzene Gußstahl gab einen Kohlenstoffgehalt von 1,5776 Proc., der Silberstahl, von 1,6592 Proc., der Gußstahl, welcher zur Darstellung beider Sorten Stahls gedient hatte, gab einen Kohlenstoffgehalt von 1,75801 Proc. – Aus den angeführten Thatsachen ergibt sich demnach, daß umgeschmolzener Gußstahl und Silberstahl, beide aus einem und demselben Gußstahle bereitet, in ihren Physikalischen Eigenschaften sowohl als in ihrer chemischen Zusammensezung so gut wie völlig gleich sich verhalten und übereinstimmen, wodurch sowohl die Ansicht des Hrn. Geheimen Oberbergraths Dr. Karsten über diese Stahlsorten, wie ich solche oben angeführt habe, als auch die längst bekannte Erfahrung, daß der Gußstahl durch bloßes Umschmelzen ohne allen Metallzusaz bedeutend an Güte gewinne, als begründet erscheint. Diesem meinem erhaltenen Resultate hat Hr. Schauer, Lehrer in der Werkstatt des königl. Gewerbinstituts in Berlin, der durch längeren Aufenthalt in England Gelegenheit hatte, sich über die Verfertigung der verschiedenen Stahlsorten in Kenntniß zu sezen, die Güte, nachstehende Bemerkungen beizufügen. Nachschrift des Hrn. Schauer. Ueber die Anwendung des Silberstahls in der Technik läßt sich im Allgemeinen wenig sagen, da derselbe seither als Rarität gehalten wurde. Er fand in dieser Beschränktheit, da er käuflich fast gar nicht zu haben war, noch am meisten bei den Graveurs und Kupferstechern Anwendung, besonders bei lezteren dann, wenn sie in Stahlplatten arbeiteten, und bei solcher Gelegenheit läßt sich auch fast einzig bestimmen, ob das Material, welches zur Verarbeitung (in diesem Falle zu Grabsticheln) verwendet wurde, schlecht oder gut war. In vielen Fällen soll der Silberstahl wesentlich besser als gewöhnlicher englischer Gußstahl sich gehalten haben, wenn es gleich Thatsache ist, daß man zuweilen auch Stahlwerkzeuge hatte, die den aus Silberstahl gefertigten und unter gleichen Umständen angewendeten gar nicht nachstanden. Meine vieljährige technische Erfahrung und mein diesem Gegenstande geschenktes Interesse bestimmen mich jedoch, die Legirung von Silber, Nikel etc. mit Stahl, zur Erzeugung eines bessern Stahls, als gar nicht unbedingt nothwendig zu betrachten; dagegen nehme ich an, daß durch die zur Legirung nochwendig stattfindende Umschmelzung der Stahlmasse eine dichtere Masse entsteht, welche einen anderen Aggregatzustand besizt, und daß in diesem der wirkliche Grund der bessern Eigenschaften der umgeschmolzenen Masse oder des erzeugten Silberstahls liegt. Auf rein mechanischem Wege läßt sich diese Erscheinung der Masse auch noch durch die Vergleichung erweisen, welche sich so vielfach durch die Gegenstände darbietet, die aus Stahl von gleicher Qualität oder aus einem Stük, nur in verschiedenen Stärkedimensionen gearbeitet, angefertigt werden. Jeder aufmerksame Stahlarbeiter weiß, daß z.B. Gußstahl von 1 Quadratzoll im Querschnitt, gehärtet, nicht die Elasticität bei der größten Härte besizt, auch nicht ein so feines Korn im Bruche zeigt, als solcher, welcher von demselben Stüke vorsichtig so dünn ausgestrekt wird, daß er etwa 1/8 Quadratzoll im Querschnitt mißt, eine Erscheinung, welche alle Stahlsorten ohne Ausnahme darbieten. Gleichwohl läßt sich für diese auffallende Erscheinung nur annehmen, daß dieß in der damit nothwendig gleichzeitig stattfindenden Veränderung des Aggregatzustandes seinen Grund findet. Wenn diese meine Ansicht nicht schon überdieß durch vorangegangene wissenschaftliche Untersuchungen geachteter Männer unterstüzt würde, so möchte nur noch hier die mündliche Mittheilung des Hrn. Stubs in Warrington, welcher selbst sehr guten, sogar ausgezeichneten Stahl auf seinen Stahlwerken in Rotherham fertigt, anzuführen seyn, der sich dahin ausspricht, daß er die Verbindung des Silbers und Stahls zur Erzeugung eines besseren als des guten Gußstahls nicht für eine Bedingung halte, und daß man bei der Convertirung des Eisens durch Behandlung mit Holzkohlen, gemischt mit einem Antheile thierischer Kohle (welche leztere bei der gewöhnlichen Bereitung des Stahls nicht mit in Anwendung kommt), ein Fabricat erhalte, das in Hinsicht der Feinheit und Härte nichts zu wünschen übrig lasse, das aber bei der Anfertigung eine vorsichtige Behandlung erfordere, nicht in großen Massen darzustellen sey, zu dem gewöhnlichen Gebrauche zu kostspielig werde und nur einem Vorsichtigen Arbeiter zur Verarbeitung übergeben werden könne. Schließlich bemerke ich, daß es eben so interessant als wünschenswerth seyn würde, Gußstahl auf dem bekannten Wege durch Behandlung mit Holzkohlen, aber in Verbindung mit thierischer Kohle, wenn gleich nur in kleinen Quantitäten, zu bereiten und die Resultate dem betreffenden Publicum zu übergeben.