Titel: Ueber Ausmittelung des Stärkegehalts der Kartoffeln; von Dr. Luedersdorff.
Fundstelle: Band 77, Jahrgang 1840, Nr. XCIII., S. 363
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XCIII. Ueber Ausmittelung des Staͤrkegehalts der Kartoffeln; von Dr. Luedersdorff. Aus Erdmann's u. Marchand's Journal fuͤr praktische Chemie, 1840, Nr. 15. Luͤdersdorff, uͤ den Staͤrkegehalts der Kartoffeln. Die Bestimmung der Stärke in stärkehaltigen Vegetabilien gehört zu den größeren Schwierigkeiten, wenn von absoluter Genauigkeit die Rede ist. Die mechanische Trennung gibt die unsichersten Resultate; denn da die Stärkekörnchen von der Pflanzenfaser eingeschlossen sind, so können sie von dieser nur durch vollständiges Zerreißen derselben getrennt werden. Ein solches Zerreißen hat nun seine großen Schwierigkeiten, nicht aber weil es nicht möglich wäre eine vegetabilische Substanz innig zu zermalmen, sondern weil es nicht möglich ist, das Zermalmen nur bis auf die Pflanzenfaser zu erstreken, ohne gleichzeitig auch die Stärkekörnchen zu treffen. Die hiebei anzuwendenden Manipulationen beschränken sich entweder auf ein Zerreiben auf dem Reibeisen, oder auf ein Zerreiben im Mörser. Bei der ersteren Operation kann man versichert seyn, wie fein auch das Reibeisen seyn mag, daß die Faser nicht vollständig zerrissen, die Stärke also nicht absolut bloßgelegt wird. Bei der zweiten Operation kann man eben so versichert seyn, daß zwar die Faser gänzlich zerrissen, aber auch die Stärkekörnchen zum Theil zermalmt sind. Im ersten Falle entgeht also ein Theil der Stärke der Gewichtsbestimmung dadurch, daß sie nicht gänzlich ausgeschieden ist; im zweiten Falle aber dadurch, daß ein Antheil derselben zermalmt und das lösliche innere Amidin vom Wasser aufgenommen wird, wogegen die sehr feinen Trümmer des Pflanzenskelets der beim Abschlämmen niederfallenden Stärke folgen und sehr schwer von derselben zu sondern sind. Die Trennung auf chemischem Wege ist ebenfalls unzuverlässig. Nur zwei Agentien stehen hier zu Gebote; es ist die Schwefelsäure und die Diastase. Durch beide wird die Stärke als Dextrin oder Zuker, oder durch die Differenz bestimmbar; allein beide können auch auf die Faser wirken. Von der Schwefelsäure ist dieß erwiesen, von der Diastase ist es möglich, wofern eine sogenannte stärkeartige Faser das Skelet bildet. Gleichwohl habe ich mich des lezteren Reagens, also der Diastase, bedient, um für technische Zweke eine anderweitige Bestimmung des Stärkegehalts der Kartoffeln zu verificiren. Denn wenn auch die Diastase auf den Faserstoff der Kartoffeln wirken sollte, so würde diese Wirkung doch nur sehr langsam erfolgen, sie dürfte also gleich Null zu sezen seyn, wenn man der Einwirkung der Diastase nur so viel Zeit läßt, um die Stärke in Dextringummi zu verwandeln. Eine leichte Bestimmung des Stärkegehalts der Kartoffeln ist für die Technik von jeher eine sehr wünschenswerthe Sache gewesen; denn gerade die Stärke ist es, welche den Kartoffeln in allen Beziehungen ihren Werth gibt. Nun aber gehört, wie wir gesehen haben, eine directe Ausscheidung der Stärke, behufs ihrer Bestimmung, nicht allein zu den unerläßlichsten Mitteln, sie gehört vielmehr auch zu den umständlichsten Operationen, wenn Zeit und Gelegenheit, wie dieß im technischen und merkantilischen Verkehr meistentheils der Fall ist, dazu fehlen. Dieselbe Beschwerlichkeit tritt sogar der bloßen Bestimmung der trokenen Substanz und vielleicht in noch höherem Grade entgegen, selbst wenn man sich mit der Ausmittelung dieser begnügen und von hier aus auf den Stärkegehalt schließen oder denselben berechnen wollte. Aus diesen Ursachen wird denn eine anderweitige Ausmittelung jedenfalls nothwendig; für diese aber scheint nichts paffender als die Bestimmung des specifischen Gewichts, indem sich aus diesem der Stärkegehalt, wenn auch nicht mit analytischer, doch für die Gewerbe hinreichender Genauigkeit muß berechnen lassen. Bereits im Bd. LXV. S. 48 des polyt. Journals ist von Berg dieses Princip auf die Ermittelung des Stärkegehalts der Kartoffeln in Anwendung gebracht worden; allein das spec. Gew. der Kartoffeln entsteht nicht so einfach, wie Hr. Berg es annimmt, aus den spec. Gew. der Hauptbestandtheile derselben, nämlich des Wassers und der Stärke, sondern auch die übrigen Bestandtheile concurriren mit ihren spec. Gew. wesentlich hiebei. Von diesen ist es namentlich die in dem Saft oder dem Wasser enthaltene atmosphärische Luft, welche das spec. Gew. der Kartoffeln auf eine Weise ändert, daß ein aus obigen Principien abgeleiteter Calcül ganz unanwendbar wird. Schon Hr. Berg war zur Annahme verschiedener praktischer Coefficienten genöthigt; ich erhielt indessen mit Hülfe derselben stets Resultate, welche sich dem wirklichen Stärkegehalte immer nur sehr entfernt näherten und denselben jedesmal viel zu hoch angaben. Ich unterzog deßhalb eine Anzahl Kartoffeln verschiedener Arten, welche also auch eine größere Verschiedenheit in ihrem spec. Gew. zeigten, einer nähern Untersuchung und bediente mich hiebei zur Ermittelung des Stärkegehalts der Diastase. Die Kartoffeln wurden zu diesem Zweke nach Bestimmung des absoluten und spec. Gew. einzeln gekocht, wobei, ohne daß sie aufplazten, eine Gewichtszunahme von 0,6 bis 0,7 Proc. stattfand. Sie wurden darauf von den Schalen befreit, welche, in warmem destillirtem Wasser ausgewaschen, nach dem Troknen bei 80° R. nicht mehr betrugen als 0,045 bis 0,055 Proc., wobei ich indeß erwähnen muß, daß das Gewicht der in Untersuchung genommenen Kartoffeln zwischen 3 1/2 bis 4 Loth betrug. Das Mark der entschälten Kartoffeln wurde hierauf in einer erwärmten Reibschale sorgfältig zerkleinert und mit dem von dem Auswaschen der Schalen herrührenden warmen Wasser verdünnt, darauf aber bei 54° R. mit einer vom Pflanzeneiweiß möglichst befreiten Auflösung von Diastase nach und nach so lange versezt, bis durch Jod keine Spur von unzersezter Stärke mehr zu entdeken war. Gewöhnlich war die Zersezung nach einer Viertelstunde beendigt, was sich im lezten Stadium derselben leicht erkennen läßt, wenn man einen Tropfen der Kartoffelmasse auf einer Glasscheibe mit Jodtinctur in Berührung bringt und die Masse darauf durch eine Loupe betrachtet. Man sieht hier sehr deutlich jedes einzelne aufgequollene Stärkekörnchen und erkennt genau den Grad seiner Zersezung an dem Tone der Farbe. Die zersezte Kartoffelmasse, welche durch die sehr voluminösen Trümmer des Pflanzenskelets immer etwas diklich bleibt, obschon die Diastase sehr verdünnend wirkt, wurde jezt mit noch mehr Wasser versezt und darauf, bei möglichster Warmerhaltung, filtrirt. Die Filtration erfolgt nicht schnell, gleichwohl geht sie gut von Statten, so daß nach Verlauf von 12 Stunden die Pflanzenfaser das Filter als ein diker, körniger Brei anfüllt. Nachdem dieser Rükstand während mehrerer Tage mit sehr vielem kaltem Wasser ausgewaschen worden war, wog derselbe nach dem Troknen bei sieben untersuchten Kartoffeln A = 4,1 Proc. B = 4,0   – C = 3,9   – D = 3,8   – E = 3,7   – F = 3,7   – G = 3,5   – Die Rükstände waren durchscheinend, hornartig, sehr hart, von bräunlich-grüner Farbe und sehr geringem Volumen; sie bestanden aus der Faser und dem Pflanzeneiweiß der Kartoffeln. Die erhaltenen Flüssigkeiten, in denen das erzeugte Dextringummi mit den übrigen auflöslichen Bestandtheilen der Kartoffeln, also Gummi, Salz, Zuker u.s.w., so wie mit der hinzugefügten Diastase vereinigt waren, hatten einen würzeartigen, dabei nur schwachen Kartoffelgeruch. Zur Trokne gebracht, gaben sie eine dem Dextringummi aus reiner Stärke ganz ähnliche Masse, und ihre Gewichte betrugen, correspondirend mit der bei den Rükständen gebrauchten Reihefolge: A = 27,8 Proc. B = 26,0   – C = 25,3   – D = 25,06 – E = 23,5   – F = 23,3   – G = 21,6   – Diese Procente der auflöslichen Substanzen zu denen der unauflöslichen Faser und des mit derselben coagulirten Eiweißes hinzugerechnet, geben den Gesammtgehalt der trokenen Substanz in den Kartoffeln, wozu noch die geringe Menge der Schalen zu rechnen ist. Sonach enthielten also die untersuchten Kartoffeln an trokener Substanz: A = 31,95 B = 30,05 C = 29,25 D = 28,91 E = 27,25 F = 27,05 G = 25,15. Zur Vergleichung dieses zusammengestellten Trokengehaltes mit dem direct gefundenen wurde von jeder der in Untersuchung genommenen Arten ein zweites Exemplar in möglichst gleicher Größe auf sein spec. Gew. bestimmt. Dieß war gewöhnlich dem Gewichte der entsprechenden, zuerst untersuchten Kartoffel gleich, oder wich höchstens in der fünften Stelle ab. Nach diesem wurde jede Kartoffel in möglichst kleine Würfel geschnitten, und anfangs langsam, zulezt bei 80° R. getroknet. Die Resultate waren folgende: A = 31,1 Proc. B = 29,8   – C = 28,7   – D = 28,6   – E = 26,4   – F = 26,2   – G = 24,2   – Die mangelnde Uebereinstimmung in beiden Trokengehalten und namentlich der Ueberschuß desjenigen, der durch Auflösen der Kartoffeln vermittelst Diastase gewonnen worden ist, hat, da eine Bindung von Wasser nicht stattfindet, jedenfalls seinen Grund in der Schwierigkeit des Troknens der aufgelösten Stärke. Denn wenn auch die hinzugefügte Diastase etwas größere Zahlen geben mußte, so ist der Unterschied, wie gering er im Ganzen auch seyn mag, doch zu bedeutend, als daß man ihn auf die hinzugekommene Diastase schieben könnte. Aus der genannten Ursache ist denn also das lezte aus der unmittelbaren Troknung hervorgegangene Resultat als das richtigere anzunehmen. Wie viel hievon der Stärke und wie viel den anderen festen Bestandtheilen der Kartoffeln zukomme, fand ich durch genaue Extraction der auflöslichen Bestandtheile und Abscheidung des Pflanzeneiweißes bei drei parallelen Versuchen mit den Kartoffelsorten A, B und C in folgenden Zahlen: An Gummi, Salzen, Zuker, Extractivstoff u.s.w. enthielt A = 3,03 Proc. B = 3,34   – C = 3,72   – An coagulirtem Eiweiß enthielt A = 0,86 Proc. B = 0,74   – C = 0,55   – Aus diesen Zahlen geht hervor, daß diejenigen Kartoffeln, welche eine größere Menge fester Bestandtheile überhaupt enthalten, unter diesen eine geringere Menge auflöslicher Substanzen besizen, als solche Kartoffeln, deren Gehalt an trokener Masse überhaupt geringer ist. Der relative Eiweißgehalt steht indeß wieder mit der Quantität der trokenen Masse in geradem Verhältniß Als Mittelzahl für die auflöslichen Bestandtheile ergibt sich an diesen 3,36 Proc., für Eiweiß aber 0,71. Nach diesen Ergebnissen berechnet sich also der Stärkegehalt der untersuchten Kartoffeln folgendermaßen: A = 27,0 B = 25,7 C = 24,6 D = 24,5 E = 22,3 F = 22,1 G = 20,1. Die Arten der genannten Kartoffeln waren folgende: A waren rothe Kartoffeln, und zwar mit blaßrother Schale; B rothe mit dunklerer Schale; C blaue mit blauer Schale und weißem Fleisch. D, E, F, G sämmtlich weiße, und G namentlich eine sogenannte Nierenkartoffel. Die spec. Gew. betrugen bei A = 1,123 B = 1,119 C = 1,114 D = 1,110 E = 1,108 F = 1,106 G = 1,102. Aus diesen spec. Gew. und den gefundenen Procentgehalten an trokener Substanz oder den entsprechenden Stärkegehalten läßt sich nun durch einen empirischen Calcül für jeden Fall eine Zahl finden, welche als Multiplicator der spec. Gew. den jedesmaligen Procentgehalt an trokener Substanz überhaupt, oder den Procentgehalt der Stärke angibt. Für leztere würden, wenn x = s/p ist, die Zahlen folgende seyn: bei A = 27/1,123 = 24,2 B = 22,9 C = 22,0 D = 22,0 E = 20,1 F = 19,9 G = 18,2. Werden diese Factoren aus ihren Decimalen, oder wenn diese zu klein sind, durch Hinweglassung derselben zu Ganzen ergänzt, so reduciren sie sich auf 5, ohne daß die Genauigkeit merklich darunter leibet, und jeder Factor gilt nun, wie hieraus hervorgeht, für eine gewisse Reihe spec. Gew. Ich habe hierauf die untenstehende Tabelle gegründet, welche in ihren fünf Columnen die Ganzen aller der spec. Gew. enthält, die, mit dem darüberstehenden Factor multiplicirt, den Stärkegehalt der auf ihr spec. Gew. geprüften Kartoffel angibt.    24    23    22    20    18 1,129 1,119 1,114 1,109 1,104 1,120 1,115 1,110 1,105 1,083. Wollte man nun die trokene Substanz der Kartoffeln überhaupt berechnen, so würden die, hinsichtlich der Decimalen, auf gleiche Weise behandelten Factoren für die entsprechenden spec. Gew. folgende seyn: 28 – 27 – 26 – 24 – 22. Ob noch ein sechster Factor erforderlich wird, weiß ich nicht, wenigstens ist mir bis jezt keine Kartoffel vorgekommen, welche ein geringeres spec. Gew. gehabt hätte als 1,083; doch muß ich bevorworten, daß sämmtliche Versuche in diesem Frühjahr, also mit alten Kartoffeln angestellt worden sind, daß aber auch die dießjährigen, namentlich die frühen Nierenkartoffeln, ein spec. Gew. über 1,09 haben. Ein größeres spec. Gew. als 1,129 dürfte noch weniger vorkommen. Sehr leicht läßt sich also auf diese Weise der Stärkegehalt der Kartoffeln finden, denn wenn die vorgedachte Berechnung den Gehalt auch nicht mit absoluter Genauigkeit angibt, so beträgt der Unterschied doch nie 1 Proc. Um hierüber noch sicherer zu seyn, habe ich die berechneten Procentgehalte an trokener Masse überhaupt, bei noch mehreren Kartoffeln durch wirkliche Troknung bestimmt und dabei gleichzeitig die erfahrungsmäßige Thatsache, nach welcher Kartoffeln von einer und derselben Art, aber verschiedener Größe, von verschiedenem Stärkegehalt seyn sollen, bestätigt gefunden. So sollte eine rothe Kartoffel von 1768 Gr. und 1,122 spec. Gew. nach der Berechnung einen Trokengehalt zeigen von 31,3 Proc.; sie gab aber nach wirklichem Troknen nur 31,0. Eine Kartoffel derselben Art von 551 Gr. und 1,123 spec. Gew. sollte an trokener Masse enthalten 31,4, sie hatte aber nur 31,09. Eine dritte Kartoffel derselben Art von 198,5 Gr. und 1,108 spec. Gew. sollte an trokener Masse enthalten 26,5; sie enthielt 26,4. Wie nahe die berechneten Procentgehalte den wirklichen liegen, ergibt sich aus diesen Beispielen. Eben so deutlich tritt aber auch die Verschiedenheit der Trokengehalte verschieden großer Kartoffeln einer und derselben Art hervor. Es enthalten dem nach Kartoffeln über 7 Loth weniger trokene Substanz als Kartoffeln zwischen 2 und 3 Loth, noch weniger aber solche, deren Gewicht unter einem Loth bleibt, und hier beträgt der Unterschied beinahe 5 Proc. In gleicher Weise verhalten sich die sogenannten pokigen Kartoffeln gegen gesunde; doch ist der Unterschied des Trokengehalts beider nicht so groß als zwischen mittleren und ganz kleinen Kartoffeln. Zum Schlusse will ich noch die Ergebnisse zweier auf ihren Trokengehalt untersuchter Kartoffeln erwähnen, von denen die erste eine vielgepriesene neuere Art, die andere aber eine Kartoffel dießjähriger Ernte war. Die erstere war eine Rohan'sche Kartoffel von 10 5/6 Loth, auf Höhenboden gewachsen, die andere eine Nierenkartoffel von 3 Loth, gleichfalls von der Höhe. Die Rohan'sche Kartoffel besaß ein spec. Gewicht von 1,083, sie sollte also nach der Berechnung an trokener Substanz enthalten 23,8 Procent. Sie enthielt nach wirklicher Troknung 23,8. Das spec. Gewicht der Nierenkartoffel betrug 1,097, ihr Trokengehalt sollte also seyn 24,1, er war aber 24,9. Diese Kartoffel gibt also von allen vorstehend untersuchten den größten Unterschied zwischen dem berechneten und dem wirklichen Trokengehalt, doch beträgt derselbe noch immer kein volles Procent.