Titel: Miszellen.
Fundstelle: Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XIV., S. 71
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XIV. Miszellen. Miszellen. Beitrag zur Geschichte der Erfindung, die Wasserdämpfe als bewegende Kraft zu benuzen. Die Erfindung, die Daͤmpfe des siedenden Wassers zu einer starken bewegenden Kraft anzuwenden, war wenigstens schon zu Justinian's Zeiten unter den Griechen bekannt. Moͤgen immerhin Englaͤnder, Franzosen und Nordamerikaner sich uͤber die Ehre streiten, wer zuerst die Dampfkraft auf die Bewegung der Schiffe angewendet; mag immerhin der Amerikaner Fulton geglaubt haben, daß er beim Kochen des Theewassers zuerst die Kraͤfte des Dampfes entdekt habe: so ist doch keiner von ihnen der erste Beobachter der gewaltigen Kraft der Wasserdaͤmpfe, und keiner von ihnen ist der Erfinder der Anwendung dieser Kraft. Die Erfindung und Anwendung gebuͤhrt, so weit mir die Geschichte dieses Gegenstandes bis jezt vorliegt, lediglich den Griechen. Agathias, welcher zu den byzantinischen Geschichtschreibern gehoͤrt, und dessen Geschichtbuͤcher in dem Corpus Scriptorum historiae Byzantinae als Pars III. Bonnae 1828 mit abgedrukt sind – nach welcher Ausgabe ich allegiren werde – erzaͤhlt uns zum Jahre 557 nach Christi Geburt, S. 289 ff. die nachstehende Thatsache: Anthemius, ein beruͤhmter Mathematiker, Baumeister und Maschinenverfertiger, geboren zu Trallas, mithin ein Grieche aus Kleinasien, wurde vom Kaiser Justinian nach Konstantinopel berufen, wo er Maschinen, welche die hoͤchste Bewunderung erregten, verfertigte. Das Haus des Anthemius war mit dem Hause seines Nachbars Zeno in mehreren Partien verbunden, uͤber welchen Umstand der Geschichtschreiber sich nicht deutlich genug ausspricht. Anthemius gerieth uͤber dieses Bauverhaͤltniß mit Zeno in einen Rechtsstreit, und verlor den Proceß, weil, wie ausdruͤklich bemerkt wird, Zeno ein geschikterer Redner war. Anthemius suchte sich zu raͤchen, und baute eine Dampfmaschine, die ich nach den Worten des Geschichtschreibers jezt moͤglichst genau beschreiben will. Er stellt große Kessel im Boden seines Hauses auf, fuͤllt dieselben mit Wasser an und umgibt sie mit ledernen Schlaͤuchen, die unten so weit sind, daß sie den ganzen Umfang der Kessel verschließen. Mit diesen Schlaͤuchen verbindet er lederne Roͤhren, die sich in der Form einer Trompete verengen, und in einer richtigen Proportion endigen. Die Enden dieser Roͤhren befestigte er dann so genau an den Balken des Zeno'schen Hauses, daß die in den Roͤhren enthaltene Luft zwar mit ungehinderter Kraft in die Hoͤhe steigen, aber nicht herausstroͤmen oder durchbrechen kann. Nach diesen insgeheim gemachten Vorkehrungen legt Anthemius ein kraͤftiges Feuer unter die Kessel und erregt eine große Flamme. Sobald nun das Wasser heiß und kochend geworden, entwikelte sich ein starker Dunst (Dampf, άτμός, vapor) der schnell und dicht in die Hoͤhe stieg, und der, da er (von den Kesseln aus) keinen anderen Ausweg hatte, in die Roͤhren trieb, wo er zusammengepreßt mit verstaͤrkter Kraft in die Hoͤhe strebte, bis er das Dach mit fortgesezter Gewalt angriff, und dasselbe so sehr erschuͤtterte und bewegte, daß das Holzwerk nach und nach zitterte und krachte. Die Hausgenossen des Zeno, von Furcht und Schreken ergriffen, eilten in die Straßen u.s.w. In dieser Erzaͤhlung, welche uns der Geschichtschreiber gelegentlich bei der Erwaͤhnung der Theorie des Aristoteles uͤber Erdbeben gibt, liegt der vollstaͤndige Beweis, daß die Griechen zu Justinian's Zeitalter die Kraft der Wasserdaͤmpfe und ihre Anwendung zur bewegenden Kraft genau kannten. Ob der Geschichtschreiber aber die Construction des Apparats der Dampfmaschine und namentlich der Roͤhren richtig aufgefaßt habe, ist eine andere Frage, die ich zur Beurtheilung der Maͤnner vom Fache verstellen muß. Mir genuͤgt es, nachgewiesen zu haben, daß die Griechen schon mit der Wirkung der Wasserdaͤmpfe bekannt waren. Nun noch einige Bemerkungen: Anthemius war, wie der Geschichtschreiber Agathias wiederholt bemerkt, ein ausgezeichneter Mathematiker und Verfertiger bewunderungswuͤrdiger Maschinen. Welche Arten von Maschinen er verfertigte, und zu welchen Zweken, ist eben so wenig angegeben, als ausdruͤklich gesagt, daß er die Wasserdaͤmpfe bei denselben in Anwendung gebracht habe. Es scheint indessen aus folgenden Worten des Agathias, S. 291, ὁ δὲ ἐκ τής ὁκείας αύτὸν ἀντελύπησε τέχνης τρόπῳ τοιῷδε, d.h. „er aber (Anthemius) vergalt ihm (dem Zeno) aus der ihm eigenen Kunst auf folgende Weise“ der Schluß gezogen werden zu duͤrfen, daß Anthemius bei seinen Maschinen auch die Wasserdaͤmpfe gebraucht habe, denn wenn von der Dampfmaschine, welche er aus Rache uͤber den verlorenen Proceß gegen Zeno's Haus richtete, namentlich angefuͤhrt wird, daß er sie aus der ihm eigenen Kunst eingerichtet und sich dabei der Daͤmpfe bedient habe, so moͤchte der Schluß, oder, wenn man lieber will, die Vermuthung, daß er die ihm voͤllig bekannte Dampfkraft auch auf andere, zu seiner Zeit bewunderte Maschinen uͤbertragen habe, nicht ganz grundlos erscheinen, zumal da auch das Wort τέχνη auf praktische Anwendung hindeutet. Die Griechen waren in Kuͤnsten, Wissenschaften und Erfindungen weiter, als wir gewoͤhnlich glauben. In den byzantinischen Geschichtschreibern, die seit den in Bonn veranstalteten Abdruͤken leicht zu erhalten sind, liegen ohne Zweifel noch manche Nachrichten und Andeutungen, welche wohl verdienten hervorgezogen zu werden. Moͤchten daher Sach- und Sprachkundige diese Quellen, abgesehen von deren historischem Werthe, fuͤr Kunstfertigkeiten und Erfindungen genauer studiren und besser benuzen, als bisher geschehen ist. Derselbe Anthemius, von dem in diesem Aufsaze die Rede ist, war derjenige Baumeister, welcher zur Wiederherstellung der beruͤhmten, aber durch ein großes Erdbeben zerstoͤrten Sophien-Kirche in Konstantinopel den Bauplan machte und den Bau anfing, aber wegen eingetretenen Ablebens nicht vollenden konnte (Agathias, S. 295). Um dem Zweifel vorzubeugen, ob die ledernen Roͤhren stark genug waren, die Kraft der Daͤmpfe auszuhalten, bemerke ich, daß es dem Anthemius bei seiner Vorrichtung gegen Zeno's Haus nur auf die Hervorbringung einer zitternden Bewegung und nicht auf die Sprengung des Balkenwerks ankam. Zu diesem Zweke konnten starke lederne Roͤhren wohl hinreichen, und scheinen selbst fuͤr die Erregung einer zitternden Bewegung umsichtig gewaͤhlt zu seyn.Arago in seiner Geschichte der Dampfmaschinen (Annales du Bureau des longitudes) und andere Schriftsteller bemerken, daß schon Hero von Alexandria 120 Jahre vor Christi Geburt den Dampf als bewegende Kraft gekannt habe; ich muß diese Nachricht aber auf ihrem Werthe beruhen lassen, da mir Hero's Pneumatica nicht zur Hand sind. A. d. V. Dr. Degen, Protoconsul in Luͤneburg. Ueber Faivre's vereinfachte Dampfmaschine. Wir haben dieser Dampfmaschine bereits im polyt. Journal Bd. LXVIII. S. 323 erwaͤhnt und bemerkt, daß sie in der Werkstaͤtte von Derosne in Paris (rue des Batailles, 7) verfertigt wird. Hr. Dr. Hermann sagt in seinem Berichte uͤber die lezte Industrieausstellung in Paris (Nuͤrnberg 1840) daruͤber Folgendes: „Unter allen vorgelegten aͤußeren Modificationen der Dampfmaschine schien uns keine so eigenthuͤmlich und neu zu seyn, wie die von Faivre, welche vor vier Jahren erfunden, seitdem in der Anwendung sich erprobt hat. Hier ist unstreitig die Dampfmaschine auf die einfachste Form gebracht; denn außer dem Dampfkessel sieht man gar nichts als den Cylinder, der mit seinem etwas uͤber halbkugeligen Ende oder Fuß senkrecht in einer concentrischen Pfanne steht, die in geringer Hoͤhe uͤber dem Boden angemessen befestigt ist. In dieser Pfanne oscillirt der Cylinder, so daß sein Kolbenstiel unmittelbar die Kurbel des Schwungrades treibt, womit zugleich das Maaß der Schwankungen gegeben ist. Statt der Steuerung befinden sich in dem kugeligen Fuße des Cylinders, so wie in der Pfanne angemessen gestellte Oeffnungen, die, indem der Cylinder oscillirt, abwechselnd uͤber einander stehen und geschlossen werden, so daß der Dampf durch die eine Pfannenoͤffnung ein-, durch die andere ausgeht. Ohne den Dampfkessel nimmt eine solche Maschine von 6 Pferdekraft, bei 6 Fuß Hoͤhe nur etwa 3 Quadratfuß Raum ein, so daß in Derosne's Werkstaͤtte an vier verschiedenen Drehbaͤnken und anderen Vorrichtungen vier solche Maschinen standen, die alle aus einem Kessel gespeist wurden. Es leuchtet ein, daß bei dieser Construction weit weniger Reparaturen als bei kuͤnstlicher Steuerung vorkommen muͤssen, und sie weit groͤßere Festigkeit gewaͤhrt als Cylinder, die in Achsen haͤngen. Der Fuß des Cylinders und die Pfanne reiben sich zwar nach laͤngerem Gebrauche aus, bleiben aber stets concentrisch und koͤnnen am Ende leicht ersezt werden. Seit vier Jahren sollen die erwaͤhnten Maschinen bei Derosne, ohne Abnuͤzung des Fußes und der Pfanne, arbeiten. Sie eignet sich besonders da, wo man nur wenig Pferdekraͤfte noͤthig hat und wenig Raum zur Aufstellung besizt; wegen der Leichtigkeit ihrer Aufstellung auch in solchen Faͤllen, wo man bloß momentan eine Dampfmaschine bedarf, z.B. bei Bauten, zum Steinsagen etc. Sie soll unter allen, bei kleiner Kraft, am wenigsten Feuerung beduͤrfen und hiedurch die Anwendung kleiner Maschinen gleich vortheilhaft, wie die der staͤrkeren machen; im Ankaufe kommt sie zugleich wohlfeiler als jede andere: fuͤr Pferdekraͤfte     1     2     3     4     8     12 kostet sie mit Kessel   2400   3300   4100   4900   7600   9700 Fr. Bereits sind 24 solche Maschinen, von zusammen 160 Pferdekraͤften, fuͤr verschiedene Fabriken gefertigt worden. Zu mehr als 12 Pferdekraͤften ist die Construction weniger geeignet. Der Preis einer solchen Maschine ist so maͤßig, daß es wohl des Aufwandes werth waͤre, sie durch Ankauf zu uns zu verpflanzen.“ Die Locomotiven von Stehelin und Huber. Stehelin und Huber in Bitschweiler (Oberrhein), deren Verbesserungen an den Roͤhrenkesseln der Locomotiven im polyt. Journal Bd. LXXV. S. 324 besprochen wurden, haben seit kurzer Zeit bereits 16 Dampfwagen gebaut. Ihre Locomotive fuͤr die Eisenbahn nach St. Germain wurde allgemein als ein Meisterwerk auch in Bezug auf sorgfaͤltige Ausfuͤhrung erkannt; sie kostete 40,000 Fr. Der Cylinder hat 13 Zoll Durchmesser. Die Oberflaͤche des Heizraumes ist in diesen Maschinen groͤßer als gewoͤhnlich; so auch der Durchmesser der Raͤder. Sie liefert 848,000 Liter Dampf in der Stunde, was etwa 50 Proc. mehr seyn soll, als bei den bisherigen Systemen eine Maschine von gleicher Groͤße zu geben vermochte. Der groͤßere Durchmesser des Cylinders gibt dem Kolben und also jeder Radumdrehung mehr Kraft; bei groͤßeren Raͤdern bedarf man geringere Geschwindigkeit des Kolbens, was die Abnuͤzung vermindert; die Vorderraͤder, von groͤßerem Durchmesser als gewoͤhnlich, greifen die Bahn weniger an. Die Erwaͤrmung des Wassers im Tender geschieht durch zwei Kupferroͤhren, die den uͤberfluͤssigen Dampf des Kessels abfuͤhren, wodurch viel Brennstoff erspart wird. In ihren Eisenwerken (Hohoͤfen und Frischwerken), sodann in der Maschinenfabrik selbst sind etwa 1000 Arbeiter beschaͤftigt. (Dr. Hermann a. a. O.) Labbé's Zapfenlager für Schwungräder. Labbé (rue Amelot, No. 52 in Paris) lieferte zur lezten Industrieausstellung in Paris zwei Arten von neuen Zapfenlagern fuͤr senkrechte und waagrechte Schwungraͤder. Die waagrechte Achse laͤuft zwischen vier Rollen, die sie saͤmmtlich beruͤhren und deren Zapfen in zwei eisernen Ringen sich drehen, welche die Rollen in gleichen Entfernungen halten; diese vier Rollen laufen in halbkreisfoͤrmigen Vertiefungen, so daß die Achse des Schwungrades bald auf einer Rolle ruht, waͤhrend eine aus der Rinne heraus-, die entgegengesezte in die Rinne hineintritt, bald auf zweien, waͤhrend die beiden anderen sich außerhalb der Vertiefung befinden. Beim senkrechten Stande der Achse des Schwungrades geht sie durch die Mitte einer ringfoͤrmigen Rinne, in der drei Kugeln, durch bauchige Kegel auseinander gehalten, sich frei bewegen. Auf diesen Kugeln ruht das Rad mit einem am oberen Ende der Achse angebrachten halbkugelfoͤrmigen Stuͤk; unten laͤuft die Achse in einem senkrechten Loche, um sie senkrecht zu halten. An beiden Vorrichtungen sezte die lange Dauer des Umlaufes der Raͤder, auch bei geringem Anstoße, in Verwunderung. (Dr. Hermann a. a. O.) Benoît's Webestuhl für Lichterdochte. Die Fortschritte in der Kunst einer glaͤnzenden Beleuchtung durch Oehl, Gas, Stearin u.s.w. haben ihre Gemeinnuͤzigkeit noch lange nicht so weit erstrekt, daß auch die niederen Volksclassen derselben theilhaftig waͤren, und es war daher in unserer Zeit noch keineswegs uͤberfluͤssig, wenn Hr. Benoît (Neubourg, Dept. de l'Eure) sich damit abgab, einen Webestuhl zu construiren der in oͤkonomischer Hinsicht, und was die Guͤte betrifft, einen Bestandtheil dieser Beleuchtung fuͤr die aͤrmere Classe verbessert. Im Preise kommen die auf demselben gemachten Dochte um wenigstens 3 Viertheile wohlfeiler durch den Zeitgewinnst, indem eine Menge Handarbeiten dabei erspart werden. An Guͤte gewinnen sie dadurch, daß sie nicht mehr in großer Quantitaͤt auf lange Zeit in Vorrath gemacht zu werden brauchen, wodurch sie einer gewissen Verderbniß entgehen (mèches eventées). Dieser wohlfeile Webestuhl ist in mehreren Departements Frankreichs schon sehr verbreitet, indem ein Jeder ohne vorgaͤngige Lehre sich seine Dochte selbst darauf bereiten kann, deren 24 zugleich fertig werden. Die Société d'Encouragement wird die Beschreibung und Abbildung dieser einfachen Maschine spaͤter in ihrem Bulletin liefern, und hat dem Erfinder die silberne Medaille zuerkannt. (Bulletin de la Société d'Encouragement. Aug. 1840) Budy's neue Verzinnung. Nach vielen Bemuͤhungen ist es Hrn. Budy gelungen, eine Legirung statt des reinen Zinns zum Verzinnen anzuwenden, welche sich durch ihre ungemeine Dauerhaftigkeit auszeichnet. Dieselbe ist nicht nur auf Kupfer, sondern auch, und ganz vorzuͤglich, auf Eisengußwaaren anwendbar. Ohne einen merklich staͤrkeren Ueberzug zu bilden, dauert derselbe doch 5–6 mal laͤnger als die gewoͤhnliche Verzinnung, wie sich hievon viele urtheilsfaͤhige Wirthe und Garkoͤche uͤberzeugt haben. Das Gußeisen nimmt diese Verzinnung eben so gerne an wie das Kupfer, und altes so gut wie neues. Die verzinnten Gußwaaren werden einen so angenehmen Gebrauch gewaͤhren, als das Kupfer, ohne der Gesundheit so gefaͤhrlich zu seyn, wie man sich durch Versuche uͤberzeugt hat. Hr. Budy erhielt von der Société d'Encouragement fuͤr seine Erfindung die goldene Medaille. (Bulletin de la Société d'Encouragement. Aug. 1840) Nasmyth's Verfahren Scheiben von belegtem Spiegelglas durch den Luftdruk in concave oder convexe Spiegel zu biegen. Die Schwierigkeit, große Spiegel fuͤr Teleskope zu erhalten, verbundem mit dem Umstande, daß das gewoͤhnliche Spiegelmetall sehr schwer, sproͤde und leicht oxydirbar ist, veranlaßte Hrn. Nasmyth, mit Folie belegtes Spiegelglas zu Teleskopen zu benuzen, welches bekanntlich auch mehr Licht als alle Metallspiegel reflectirt. Um einer Scheibe von Spiegelglas eine concave oder convexe Form zu geben, muß ein gewisser Druk gleichfoͤrmig auf ihre Oberflaͤche wirken, wozu Nasmyth (wie bereits im polyt. Journal Bd. LXXIV. S. 442 erwaͤhnt wurde) das Gewicht der Atmosphaͤre benuzt. Eine Scheibe von mit Folie belegtem Spiegelglas, welche 39 engl. Zoll im Durchmesser hat und 3/16 Zoll dik ist, wird in eine wenig tiefe gußeiserne Schale eingepaßt und eingekittet, so daß der Raum oder die Kammer hinter dem Glase vollkommen luftdicht ist; durch eine mit dieser Kammer communicirende Roͤhre kann man dann beliebig Luft ausziehen oder einblasen. Um einen concaven Spiegel zu erzeugen, ist so wenig Kraft erforderlich, daß wenn man mit dem Munde die Luft aus der Kammer durch die Roͤhre auszieht, das Gewicht der Atmosphaͤre, welches in diesem Falle 3558 Pfd. betraͤgt, die mit gleichem Druk auf eine Flaͤche von 1186 Quadratzoll wirken, das Glas noͤthigt, eine Concavitaͤt von beinahe drei Viertel eines Zolles anzunehmen, was bei einem Durchmesser von 39 Zoll weit mehr ist, als man fuͤr teleskopische Zweke jemals braucht. Wenn man wieder Luft zulaͤßt, erhaͤlt das Glas sogleich seine fruͤhere ebene Oberflaͤche, und treibt man durch die Kraft der Lungen Luft ein, so wird es beinahe in demselben Grade convex, als es vorher concav war. Man koͤnnte die concave Form dadurch constant machen, daß man in die luftdichte Kammer eine eiserne Scheibe bringt, welche in der gewuͤnschten Form abgedreht ist, und durch den Luftdruk das Glas in der ihm bei seiner festen Beruͤhrung mit der eisernen Scheibe gegebenen Form erhaͤlt. (London Journal of arts. Sept. 1840, S. 40.) Ueber die Auflöslichkeit des Aethers in Wasser. In kaltem Wasser scheint der Aether aufloͤslicher zu seyn, als in warmem; denn wenn man das Wasser, womit man den rohen Aether gewaschen hat, in glaͤsernen Retorten uͤber der Spirituslampe erwaͤrmt, steigen augenbliklich von der Stelle, worauf die Lampe am staͤrksten wirkt, Aetherkuͤgelchen bis zur Groͤße eines Kirschkernes empor. Das Wasser truͤbt sich immer mehr von abgeschiedenem und feinzertheiltem Aether, bis es, nahe am Siedepunkt desselben, sich auf einmal vollkommen aufhellt, waͤhrend der fast vollstaͤndig abgeschiedene Aether in einer Schichte von betraͤchtlicher Dike obenan schwimmt und uͤberzudestilliren anfaͤngt. Ueberhaupt enthaͤlt das Waschwasser des Aethers meist sehr viel davon aufgeloͤst. Bei einer Verarbeitung von 15 Maaß Weingeist auf Aether, wobei das Destillat in drei zusammen verbundenen, der Winterkaͤlte ohne kuͤnstliche Abkuͤhlung ausgesezten geraͤumigen Vorlagen verdichtet wurde, wurde der Aethergehalt des in den beiden ersten Vorlagen gewonnenen Destillates, welche vorzugsweise das Wasser und den unzersezten Weingeist enthalten mußten, vor dem Waschen durch Rectification concentrirt. Obgleich also die Waschwasser so sehr viel Weingeist nicht enthalten konnten, lieferten sie, circa 10 Maaß betragend, bei der Destillation aus einer kupfernen Blase etwas uͤber 1 Maaß ziemlich reinen Aether. Die Benuzung dieser Waschwasser darf daher um so mehr allgemein empfohlen werden, als das Abtreiben des darin aufgeloͤsten Aethers aͤußerst leicht und schnell von Statten geht. Das erhaltene Destillat schuͤttelt man mit etwas Wasser, und reinigt es vollends durch Rectification. W. v. E. Neue Bestimmung der stöchiometrischen Zahl des Kohlenstoffs. Dumas und Strass haben bei 14 mit der moͤglichsten Genauigkeit angestellten Analysen als Resultat erhalten, daß die stoͤchiometrische Zahl des Kohlenstoffs (wenn der Sauerstoff = 100) 75 und nicht 76,52 ist, was also gegen die bisherige Annahme eine Differenz von 2 Proc. ausmacht. Es werden daher viele Formeln fuͤr organische Koͤrper, besonders sehr kohlenstoffhaltige, abgeaͤndert und manche Analysen wieder vorgenommen werden muͤssen. Uebrigens stimmt die Zahl 75 mit der Annahme des Dr. Prout uͤberein, daß naͤmlich das Atomgewicht des Kohlenstoffs gerade sechsmal so groß wie das des Wasserstoffs ist, so wie sie auch viel besser als das bisherige Aequivalent des Kohlenstoffs mit den Analysen des Kalkspaths, Arragonits und Marmors, welche Thenard und Biot so sorgfaͤltig anstellten, so wie mit den von Biot und Arago bestimmten Dichtigkeiten des Sauerstoffs und der Kohlensaͤure uͤbereinstimmt. (Comptes rendus, August 1840, Nr. 7.) Jeuch, über die Aufbewahrung des Eises in hölzernen Kästen in Gebaͤuden uͤber der Erde. Die gewoͤhnliche Weise, das Eis in der Erde in gemauerten und mit Holz gefuͤtterten Gruben aufzubewahren, ist mit manchen Kosten verbunden und leistet nur halbgenuͤgende Dienste, auch ist dafuͤr ein eigenes, im Schatten liegendes Grundstuͤk und eine Grube mit Wasserabfluß nothwendig. Bei dieser Einrichtung fault alles Holz sehr bald, verursacht daher immerwaͤhrende, kostbare Reparaturen und das Eis haͤlt sich nicht, wenn es nicht in sehr großer Masse vorhanden ist; denn die 6° R. Waͤrme, welche die Erde enthaͤlt, schmelzen dasselbe immerfort. Alle diese aufgezaͤhlten Nachtheile besizen die Eiskaͤsten uͤber der Erde nicht. Erst im September und Oktober beginnt das Eis ein wenig zu schmelzen, wo bald der Winter wieder eintritt, haͤlt sich uͤbrigens 2 Jahre lang frisch und braucht nur alle Jahre oben wieder nachgefuͤllt zu werden, entweder mit Eis, oder bei Mangel desselben bloß mit frischem Schnee. Ein solcher Eisbehaͤlter besteht aus einem hoͤlzernen kubischen Kasten, 1000 Kubikfuß inneren Raum enthaltend (also von 10 Fuß), und von starken 2zoͤlligen Bohlen oder Brettern wasserdicht zusammengefuͤgt. Um diesen Kasten ist in einem Abstande von 4 bis 4 1/2 Zoll ein Mantel von 1zoͤlligen Brettern gebaut und der hohle Zwischenraum fest mit Haͤksel (1 Zoll lang geschnittenes Stroh) ausgefuͤllt. An einer der Seitenwaͤnde ist so hoch oben als moͤglich ein doppeltes Thuͤrchen von 2 Fuß Breite und 3 1/2 Fuß Hoͤhe angebracht. Der Boden des inneren Kastens muß vorzuͤglich gut gefuͤgt werden, damit der Haͤksel unter demselben nicht naß werden kann, in welchem Falle das Eis schmelzen und das Holz verderben wuͤrde. Auf diesen Boden ist ein hoͤlzerner Rost gelegt und auf diesen das Eis fest wie Quadermauerwerk geschichtet; die Fugen werden mit Schnee ausgefuͤllt. Unter dem Roste auf dem Boden des Kastens ist eine kleine Ablaufroͤhre von der Ausflußweite eines Federkieles anzubringen und mit einem Hahne zu versehen, der zuweilen geoͤffnet werden muß, um das sich unter dem Roste sammelnde Wasser abzuzapfen. Noch ist zu bemerken, daß es gut ist, den inneren Kasten mit einer auch nur gemeinen Oehlfarbe anzustreichen, und eine Vorrichtung anzubringen, mittelst welcher der Raum unter dem Roste jedes Jahr gereinigt werden kann, denn die Unreinigkeiten des Eises sammeln sich hier zum Schaden desselben. – Der Raum, in welchem ein solcher Eisbehaͤlter angebracht werden kann, soll die Schattenseite haben, troken und vor Luftwechsel verwahrt, uͤberhaupt gegen alle aͤußeren Einwirkungen unempfindlich seyn. Aus diesen Gruͤnden darf die Thuͤre des Kastens nicht der Thuͤre des ihn umgebenden Locales gerade gegenuͤber stehen; auch duͤrfen in lezterem keine Fenster angebracht werden, und endlich soll rings um den Kasten so viel Raum seyn, daß ein Mensch bequem durchgehen kann; denn die zu große Naͤhe der Mauern aͤußert sich sogleich nachtheilig am Eise im Kasten, wie die Erfahrung lehrt. (v. Ehrenberg's Zeitschrift, Bd. IV. S. 176.) Die Krapplake der Madame Gobert. Madame Gobert in Paris fabricirt Krapplak, der alles bisher Erzeugte bei Weitem uͤbertrifft. Er bewaͤhrte sich so gut, daß sich die beruͤhmtesten Maler in Paris dessen bedienen. Seit der Entdekung des kuͤnstlichen Ultramarins soll im Bereiche der Farbendarstellung nichts so Wichtiges geleistet worden seyn. Auch hat diese Frau zum erstenmal den in der Krappwurzel so reichlich vorhandenen gelben Farbstoff behufs der Anwendung dargestellt. (Bulletin de la Société d'Encouragement. Aug. 1840.) Leserré's apothetisches Tintenfaß. Bekanntlich verdirbt die Tinte sehr gern in den bisher bekannten Tintenfaͤssern in Folge des Einflusses der atmosphaͤrischen Luft, welche das gerbstoffsaure Eisenoxydul bestaͤndig hoͤher zu oxydiren strebt. Die feine Vertheilung des faͤrbenden Stoffes leidet darunter. Die Tinte verdikt sich ferner durch Verdampfung ihres Wassers, sie zersezt sich, sezt Schimmel an, u.s.f. Um allen diesen Uebelstaͤnden zu begegnen, hat Hr. Leserré folgendes Tintenfaß erdacht. Dasselbe besteht 1) aus einem Reservoir von Porzellan oder Glas von beliebiger Form, jedoch mit einem kurzen Halse, wie ein Becher, endigend. Die Muͤndung dieses Theiles ist von einem messingenen Reife umgeben, in welchem ein Ventil mit Knopf angebracht ist, um beim Bedarfs Luft einlassen zu koͤnnen. 2) besteht es aus einem das Becherchen (godet) genannten, unten mit einem Boden versehenen, cylindrischen Rohre, durch welchen Boden ein sehr kleines Loͤchlein geht. Die obere Oeffnung desselben ist mit einem messingenen Gehaͤuse umgeben, auf welches ein genau schließender und sich leicht oͤffnender Dekel paßt. Wenn man nun Tinte in das Reservoir bringt, so muß ein Theil des Raumes leer gelassen werden, welchen das Becherchen ausfuͤllt. Nun folgt, daß, wenn das Becherchen wohl verschlossen in das Reservoir gestekt wird, es zugleich mittelst eines Schraubenganges, mit welchem es versehen ist, dasselbe auch verschließt; daß aber, sobald man den Dekel des Becherchens oͤffnet und den Knopf am Ventile des Reservoirs druͤkt, die Luftsaͤule auf die Oberflaͤche der Tinte druͤken und sie zwingen muß, durch das unten am Becherchen angebrachte Loch einzudringen. Folglich kann die Tinte nach Wunsch und in beliebiger Menge in das Becherchen gebracht werden, wo sie die Einwirkung der Luft nur auf einer sehr kleinen Oberflaͤche zu erleiden hat, welcher man auch zu jeder Zeit, indem man das Becherchen nach dessen Gebrauche verschließt, Einhalt thun kann. Auch zum Gebrauche anderer farbiger Tinten mit fluͤchtigen Bestandtheilen ist dieses Tintenfaß zu empfehlen; ganz vorzuͤglich aber zum Gebrauche unausloͤschlicher Tinte, deren faͤrbender Bestandtheil Kohle ist, die, im Wasser unaufloͤslich, sich immer auf den Boden sezt und bestaͤndiges Aufruͤhren nothwendig macht. Da durch das Becherchen die Tinte heraufgezogen wird, welche sich auf dem Boden des Reservoirs befindet, so ist man sicher, immer gleich dike und gleich gehaltreiche Tinte zu haben. (Bulletin de la Société d'Encouragement August 1840.) Es befindet sich bereits eine neue Art Tintenfaͤsser im Handel, die zwar von dem oben beschriebenen etwas verschieden sind, aber auf demselben Principe beruhen. Ueber einer gewissen, von Innen bezeichneten Hoͤhe des Reservoirs naͤmlich befindet sich ein Loch, durch welches das Reservoir mit einem an der Außenseite angebrachten kleinen Naͤpfchen communicirt. Ein im Dekel des Reservoirs mittelst einer Schraube auf und ab bewegbarer (unten geschlossener) Cylinder bewirkt, wenn er sich abwaͤrts bewegt, einen Druk auf die Tinte, mit welcher das Reservoir nur bis zum Zeichen angefuͤllt seyn darf, so daß die Tinte sich uͤber ihr Niveau erhebt und durch das Loch in das aͤußere Naͤpfchen laͤuft, welches nach dem Gebrauche ebenfalls bedekt werden kann. Dieses Product der eleganten Industrie ist von Porzellan mit Goldverzierung, die Dekel mit dem Schraubenkopfe von Messing sehr zierlich gearbeitet und existirt unter verschieden modificirten aͤußeren Ausstattungen. – x. Nekrolog. Als wir vor neun Jahren den Nekrolog unseres verehrten Mitarbeiters, des koͤnigl. bayer. Hofrathes und Professors, Directors der koͤnigl. chirurgischen Schule in Landshut etc., Hrn. Med. Dr. Joseph August Schultes liefertenBd. XLII. S. 222 des polytechn. Journals., ahndeten wir nicht, daß wir schon so bald die traurige Pflicht zu erfuͤllen haͤtten, die Lebensgeschichte seines nun gleichfalls verblichenen, ihm geistesverwandten Sohnes, welcher seit dem Tode seines Vaters die Mitredaction unseres Journals uͤbernahm, zu liefern. Nicht ohne tiefe Wehmuth und innige Ruͤhrung uͤber den Verlust dieses Mannes, der eben so ausgezeichnet durch seine umfassende wissenschaftliche Bildung, als durch die vortrefflichen Eigenschaften seines Herzens, in der schoͤnsten Reife des Lebens, inmitten seines gemeinnuͤzigen Strebens uns und der Wissenschaft viel zu fruͤhe entrissen wurde, uͤbergeben wir hiemit den Lesern unseres Journales einen kurzen Umriß der Lebensgeschichte desselben. Julius Hermann Schultes wurde zu Wien den 4. Februar 1804 geboren. Bald nachdem er den ersten Elementarunterricht erhalten hatte, gab ihm sein Vater Anleitung in der Botanik, lehrte ihn nicht bloß Pflanzen zu sammeln, zu ordnen und zu unterscheiden, sondern zeigte ihm auch die Behandlung lebender Gewaͤchse vom Samen bis zur Frucht, wozu sich ihm in dem botanischen Garten, welchem er vorstand, die beste Gelegenheit darbot. Auf diese Weise wurde bei Schultes schon in fruͤhester Jugend der Grund zu seinen botanischen Kenntnissen gelegt, so daß er in einem Alter von zehn Jahren bereits an 6000 Pflanzen kannte, und sich selbst aus den bei seinen botanischen Excursionen gesammelten ein kleines Herbarium angelegt hatte. Gleichzeitig unterrichtete ihn sein Vater in der Geometrie nach Euklid, und in mehreren lebenden Sprachen; besonders betrieb er die franzoͤsische mit Auszeichnung, und erwarb sich darin so große Fertigkeit, daß er selbst in franzoͤsischen Gedichten sich versuchte. Nebenbei wurden aber auch andere Sprachen nicht vernachlaͤssigt, und er betrieb außer den classischen Sprachen des Alterthumes noch italienisch und spanisch, spaͤter dann auch englisch und hollaͤndisch. Das Studium der neuen Sprachen, der Geometrie und Botanik fuͤllten auch da noch seine Nebenstunden aus, als er das Gymnasium in Landshut besuchte. Das Gymnasium mußte Schultes jedoch nach dem Willen seines Vaters bald verlassen, da dieser nicht im Sinne hatte, seinen Sohn fuͤr den gelehrten Stand heranzubilden, sondern wollte, daß er sich der Handlung widme. Zu diesem Behufe brachte ihn derselbe in ein Handlungshaus nach Wien; zugleich sorgte er auch dafuͤr, daß der begonnene Unterricht in den lebenden Sprachen, der Mathematik und Botanik gehoͤrig fortgesezt werde. Allein dem aufstrebenden Geiste des jungen Schultes, bei welchem durch das Studium der Botanik bereits eine besondere Vorliebe fuͤr Naturwissenschaft angeregt war, sagte das Einfoͤrmige seiner neuen Berufsbestimmung durchaus nicht zu. Er folgte ihr, weil es einmal der Wille seines Vaters war, dem er mit unbedingtem Gehorsam zu folgen gewohnt war. Er kam daher Allem willig nach, was ihm in seinem neuen Berufe uͤbertragen wurde, erwarb sich Kenntnisse in der Buchfuͤhrung, in der kaufmaͤnnischen Correspondenz, und vorzuͤglich auch in der Waarenkunde; nebenbei unterließ er aber auch nicht, seine botanischen Kenntnisse zu erweitern. Jeden Abend, wo er sich erholen durfte, eilte er mit groͤßter Freude in den botanischen Garten, nahm an den Arbeiten der Gaͤrtner Antheil, sammelte sich Pflanzen und benuͤzte zur Bestimmung derselben die vorhandenen botanischen Werke. Da diese Vorliebe fuͤr Botanik denen, welche die Aufsicht uͤber ihn fuͤhrten, nicht entgangen war, so gab der Vater auf Anrathen derselben, den Bitten des Sohnes, ihn wieder zuruͤk zu nehmen, und seine Studien fortsezen zu lassen, nach, und ließ ihn im Jahre 1818 wieder in das vaͤterliche Haus nach Landshut kommen, wo er sich dem fruͤher abgebrochenen Unterrichte in den alten Sprachen und den uͤbrigen Lehrzweigen des Gymnasialunterrichts mit ungemeinem Fleiße hingab, so daß er bald nach erstandener Pruͤfung das Gymnasialabsolutorium sich erwarb. Wenn diese Vorschule dem jungen Schultes auch in mancher Hinsicht widerwaͤrtig war, so finden wir darin doch die Begruͤndung zu allem demjenigen, worin spaͤter derselbe als Arzt, Naturforscher und Gelehrter hervorragte. Das fruͤhzeitige Auf, und Zusammenfassen von Merkmalen an Naturgegenstaͤnden, das scharfe Unterscheiden, das Zusammenstellen an sich ungleichartiger Naturdinge nach ihren uͤbereinstimmenden Merkmalen, erwekten in demselben die Beobachtungsgabe, verliehen ihm Schaͤrfe und Gewandtheit im Urtheilen, und legten den Grund zu der tiefen Einsicht in das Naturleben, was ihn in seinem spaͤteren selbststaͤndigen Wirkungskreise so sehr auszeichnete. Im Jahre 1819 besuchte Schultes die naturwissenschaftlichen Lehrvortraͤge seines Vaters an der Universitaͤt zu Landshut, assistirte demselben in der Botanik, und verlegte sich außerdem mit allem Fleiße auf Physik, Chemie und Anatomie. Nachdem er so die naturwissenschaftlichen Lehrgegenstaͤnde mit aller Gruͤndlichkeit erfaßt, und die uͤbrigen allgemeinen oder philosophischen Wissenschaften nebenher mit dem besten Erfolge absolvirt hatte, ließ ihn erst sein Vater zu dem Studium der Medicin uͤbertreten. Sein unermuͤdeter Fleiß, so wie die ausgezeichneten Fortschritte, welche er in allen Zweigen seines Studiums machte, erwarben ihm die Liebe und Hochschaͤzung seiner Lehrer, denen er fortan mit der groͤßten Ehrerbietigkeit ergeben war, so wie auch das Vertrauen seiner Commilitonen, welche an ihm die Treuherzigkeit und Charakterfestigkeit besonders schaͤzten. In den lezten Jahren seiner medicinischen Studien nahm er den regsten Antheil an den gelehrten Arbeiten seines Vaters. Nachdem er viele Uebersezungen und Bearbeitungen aus franzoͤsischen, englischen, italienischen Zeitschriften, sowohl fuͤr Technik als fuͤr Medicin, an der Seite des leztgenannten geliefert halte, erschien auch im Jahre 1823 eine Uebersezung aus dem Hollaͤndischen von S. Strathing's chemischen Handbuche fuͤr Probirer, Gold- und Silberarbeiter (Augsburg und Leipzig in der v. Jenisch und Stage'schen Buchhandlung); dann im darauffolgendem Jahre diejenige von Vitali's Grundriß der Faͤrberei, nebst einem Anhange uͤber die Drukerkunst (mit Zusaͤzen und einem Anhange von Dr. J. G. Dingler und Dr. W. H. v. Kurrer in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung, und endlich sahen wir ihn mit seinem Vater als Mitarbeiter des fruͤher von Schultes und Roemer herausgegebenen, nun aber von Schultes, Vater und Sohn, erschienenen Systema Vegetabilium Linnaei Systema Vegetabilium Editio nova, speciebus inde ab editione XV detectis aucta et locupletata. Curantibus J. J.Roemeret J. A.Schultes. (Nach Roͤmer's Tod) J. A.Schulteset Jul. Herm. Schultes. 7 Baͤnde in 9 Thl. mit 3 Baͤnden Mantissen. und bei dem vierten Mantissenbande und dem zweiten Theile des siebenten Bandes im Gebiete der Pflanzenkunde selbststaͤndig auftreten. Nachdem er schon im Jahre 1822 in Gesellschaft seines Vaters und des Begruͤnders dieses Journals (Dr. J. G. Dingler) eine Reise gemacht hatte, wobei fast alle Universitaͤts- und groͤßeren Staͤdte Deutschlands besucht wurden, indem der Zwek hauptsaͤchlich darin bestand, diebie persoͤnliche Bekanntschaft ausgezeichneter Maͤnner jedes Faches zu machen, unternahm er im Jahre 1824 mit seinem Vater noch eine zweite Reise durch Frankreich, England, Holland, Belgien, und machte nach seiner Ruͤkkehr dann sein Examen pro gradu bei der medicinischen Facultaͤt in Landshut, bestand dasselbe mit ganz besonderer Auszeichnung und erlangte (am 26. Februar 1825) nach vorausgegangener Vertheidigung seiner Thesen sine praeside, die Doctorwuͤrde. Seine Inaugural-Dissertation: De nosocomiis quibusdam belgicis, britannicis, gallicis commentariolum Landshut, bei Franz Seraph. Storno, 1825. 4. 38 S., welche in sehr gutem, fließendem Latein abgefaßt ist, und die er zugleich mit seinen Streitsaͤzen druken ließ, enthaͤlt sehr schaͤzenswerthe Bemerkungen uͤber die innere Einrichtung und Verwaltung jener Spitaͤler, welche er auf seiner Reise zu sehen Gelegenheit hatte, so wie uͤber Krankenpflege und Mortalitaͤtsverhaͤltnisse in denselben etc., und wurde mit großem Beifalle aufgenommen. Von nun an arbeitete Schultes emsig mit seinem Vater theils fuͤr Zeitschriften, theils fuͤr das Systema Vegetabilium, unterstuͤzte denselben vom Jahre 1826 an, wo er zum Direcror der chirurgischen Schule zu Landshut ernannt wurde, im Spitaldienste, hielt in Erkrankungsfaͤllen oder in Abwesenheit der Professoren der Geburtshuͤlfe, Chirurgie und Therapie mit Wissen der vorgesezten Kreisstelle unentgeldlich deren Lehrvortraͤge, und war uͤberdieß im vaͤterlichen Hause fuͤr seine Geschwister der wachsamste und sorgfaͤltigste Bruder. Diese Tugenden des Sohnes erfreuten und staͤrkten das Herz des Vaters, welcher 1830 zu kraͤnkeln anfing und im darauffolgenden Jahre nach einer langwierigen und hoͤchst schmerzhaften Krankheit in Landshut starb. Auch waͤhrend dieser Krankheit zeigte sich der treffliche Charakter des jungen Schultes im schoͤnsten Lichte; unermuͤdet pflegte er bei Tag und Nacht mit der groͤßten Sorgfalt seinen Vater, besorgte die Klinik und die Lehrvortraͤge, so wie die literarischen Arbeiten fuͤr denselben. Vom Augenblike des Todes seines Vaters an war er der zweite Vater fuͤr seine Geschwister. Mit verdoppelter Thaͤtigkeit und mit der groͤßten Strenge gegen sich selbst erfuͤllte er hier seine Pflicht, einzig fuͤr das Wohl seiner Geschwister bedacht. Schultes hatte anfangs nicht im Sinn, von der praktischen Medicin Nuzen zu ziehen; seine Vorliebe fuͤr die Naturwissenschaften, und insbesondere fuͤr Botanik, hatte in ihm schon laͤngst den Wunsch rege gemacht, dereinst sich ganz dem Lehrfache zu widmen, um ungestoͤrt sein Lieblingsstudium betreiben zu koͤnnen; allein die Sorge fuͤr seine fuͤnf unversorgten Geschwister, welche damals um ihn waren, machten es nothwendig, vor der Hand seinen Plan zu aͤndern, und sich mit der Ausuͤbung der Medicin zu befassen. Er entschloß sich demgemaͤß, seine aͤrztliche Proberelation und den Staatsconcurs zu machen, welche beide er 1831 mit Auszeichnung bestand, und sich sodann zu Ende desselben Jahres als praktischer Arzt in Muͤnchen niederließ. Seine wissenschaftliche Bildung, die gluͤkliche Behandlung der Kranken, die sich ihm anvertrauten, verbunden mit seinem aͤußerst collegialen, freundlichen und offenen Benehmen am Krankenbette, so wie sein hoͤchst bescheidenes und anspruchloses Wesen, erwarben ihm in kurzer Zeit Eingang zu den hoͤheren und gebildeten Staͤnden und verschafften ihm solches Zutrauen, daß er bald zu den ausgezeichnetsten Aerzten Muͤnchens gerechnet wurde. Seine aͤrztliche Wirksamkeit war unuͤbertrefflich. Mit der zaͤrtlichsten Theilnahme, mit beispielloser Uneigennuͤzigkeit ließ er Allen, die seine Huͤlfe nachsuchten, die liebreichste Behandlung zu Theil werden. Des Zutrauens seiner Patienten hatte er sich in einem hohen Grade zu erfreuen; ja in den meisten Familien, bei denen er als Hausarzt aufgenommen war, wurde er nicht nur als Arzt, sondern zugleich auch als Freund geliebt und geschaͤzt. Er konnte sich ruͤhmen, wie vielleicht nur wenige Aerzte, daß waͤhrend der neun Jahre, in denen er Praxis in Muͤnchen ausuͤbte, ihm nie eine Familie, die seine Dienste einmal in Anspruch genommen, untreu wurde. Sein aͤrztlicher Wirkungskreis vergroͤßerte sich auch in den lezten Jahren seines Lebens sehr bedeutend. Neben seiner ausgedehnten zeitraubenden Praxis befaßte sich Schultes in den freien Stunden noch mit wissenschaftlichen Arbeiten, auch im Gebiete der Botanik. Die Fortsezung des Systema mußte aber leider unterbleiben, da es ihm an Zeit gebrach, das Begonnene zu vollenden. Er war ein sehr fleißiger Mitarbeiter des polytechnischen Journals, auf welches er taͤglich mehrere Stunden verwendete; er lieferte dafuͤr nicht nur Uebersezungen aus englischen, franzoͤsischen, italienischen und hollaͤndischen Zeitschriften, sondern dasselbe verdankt ihm auch mehrere schaͤzbare Originalaufsaͤze. Wir erinnern in dieser Beziehung unter andern nur an jenen gediegenen Bericht uͤber die im Oktober 1835 in Muͤnchen gehaltene Industrieaufstellung (Bd. LVIII. S. 322), woruͤber sich selbst Seine Majestaͤt der Koͤnig in sehr schmeichelhaften Ausdruͤken auszusprechen geruhten. Mehrere kleinere Aufsaͤze uͤber verschiedene, theils botanische, theils medicinische Gegenstaͤnde, ließ er in englische und franzoͤsische Journale einruͤken. Seine wissenschaftlichen Leistungen im Gebiete der Botanik fanden allgemeine Anerkennung, und sicherten ihm einen ehrenvollen Plaz unter den vorzuͤglichsten Botanikern. Er war Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften, und stand mit einigen der ausgezeichnetsten Gelehrten des In- und Auslandes in Verbindung. Als der fruͤher bestandene aͤrztliche Verein in Muͤnchen wegen Mangels an reger Theilnahme seiner Mitglieder sich gewissermaßen von selbst aufgeloͤst hatte, trug Schultes im Jahre 1832 zur Begruͤndung des juͤngeren aͤrztlichen Vereins wesentlich bei. Auf seine Vermittlung hin geschah es, daß dieser spaͤter mit dem aͤltern vereinigt wurde. Seine Geschaͤftsfuͤhrung als Secretaͤr des Vereins kann hinsichtlich der Ordnung und Puͤnktlichkeit als Muster aufgestellt werden. Schultes biederer Charakter, sein offenes heiteres Wesen, sein treffliches Herz hatten ihm viele Freunde erworben, von denen die meisten ihm mit inniger Liebe bis an sein Ende treu geblieben sind, so wie Schultes hinwiederum mit ganzer Seele und seltener Hingebung an seinen Freunden hing. Von Jugend auf gewohnt seine Zeit zwekmaͤßig zu benuzen und damit haushaͤlterisch umzugehen, war er fast taͤglich vom fruͤhesten Morgen bis zum spaͤter Abend unausgesezt beschaͤftigt, so daß er sich haͤufig nur wenige Stunden Ruhe goͤnnte. Aber leider mochte diese außerordentliche Anstrengung bei der eben in Muͤnchen herrschenden Schleimfieber-Epidemie dazu beigetragen haben, daß er selbst von dieser Krankheit befallen wurde, welche auch sein Ende herbeifuͤhrte, dem er vom Anfange der Kranheit an ungescheut und mit kaltem Verstande entgegensah, einzig und allein fuͤr das Schiksal seiner hinterlassenen Geschwister besorgt, die durch seinen Hintritt ihrer groͤßten Stuͤze beraubt wurden. Er starb nach dreiwoͤchentlichem Krankenlager am 1. Sept. dieses Jahres in einem Alter von 36 Jahren.