Titel: Ueber die Cultur der Asclepias syriaca (syrische Schwalbenwurzel oder Seidenpflanze) und ihre industrielle Anwendung; von Prof. Cook.
Fundstelle: Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XXIX., S. 142
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XXIX. Ueber die Cultur der Asclepias syriaca (syrische Schwalbenwurzel oder Seidenpflanze) und ihre industrielle Anwendung; von Prof. Cook. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhausen, No. 63. Cook, uͤber die Cultur der Asclepias syriaca. Unter der großen Menge von Gewächsen, welche die Industrie mehr oder weniger sich zu Nuzen machen könnte, scheint die Asclepias syriaca, gewöhnlich Seidenpflanze genannt, und in Syrien und Arabien einheimisch, wegen ihrer zahlreichen Kapseln, die von einer großen Menge seidenartiger, vollkommen weißer, sehr feiner und glänzender Fädchen, Haarkronen erfüllt sind, ganz vorzüglich unsere Aufmerksamkeit zu verdienen. Die Cultur dieser Pflanze erheischt nichts als ihre erste Anpflanzung. Man säet die Samen im Frühjahr ins Mistbeet, bedekt das junge Pflänzchen während des darauf folgenden Winters mit Stroh, und versezt dann im Frühling die Wurzeln in Entfernungen von 1 1/2 Schuh. Die Pflanze gedeiht sogar in magerem und steinigem Boden ohne andere Beihülfe, als die der Natur; sie wurzelt sehr tief, treibt eine große Menge Seitenäste, und die Dauer ihres Wachsthums erstrekt sich bis auf 20 Jahre. Der Kälte unserer Klimate widersteht sie vollkommen. Man vermehrt sie auch durch Wurzeln, und zwar ist dieß die beste Weise. Man schneidet von den alten Stüken die zahlreichen, mit Augen versehenen Wurzelchen und sezt sie in der eben angegebenen Entfernung 5 bis 7 Zoll tief ein. Auf diese Weise erhält man schon im ersten Jahre Früchte, während die aus den Samen gezogenen Stöke erst im dritten Jahre tragen. Es versteht sich, ohne erst bemerkt zu werden, daß wenn man diese Pflanze in einem weniger undankbaren Boden bauet, als dem oben erwähnten und vorzüglich in einem leichten und nicht sehr feuchten Boden, und vor dem Nordwind geschüzt, man eine weit beträchtlichere Menge Seide erhält, deren Fädchen auch viel länger sind. Im Allgemeinen kann man sagen, daß jeder Boden dem Anbaue dieser Pflanze günstig sey, wenn er nur nicht zu fett ist; denn in lezterem Falle erhält man keine, oder doch nur eine sehr kleine Quantität Früchte, troz der ungeheuren Menge Blüthen, mit welchen sich die Pflanze bedekt, und die einen sehr angenehmen Geruch verbreiten, aber die Befruchtungsorgane unfähig machen. Wenn die Kapseln zur Reife gelangen, werden sie nach und nach gelb und öffnen sich; sie werden alsdann gesammelt. Ist die Jahreszeit vorgerükt, so müssen auch die noch grünen gepflükt werden, jedoch unter der Vorsicht, sie nicht unter die anderen zu bringen, indem ihre Seide weder so lang, noch so weiß und glänzend ist. Man breitet diese Kapseln an einem trokenen und luftigen Orte aus; in wenigen Tagen werden nun die noch geschlossenen aufspringen; zwischen den Fingern gepreßt lösen sich die Körner sehr leicht von der Seide ab. Nach der Ernte werden alle Stengel abgeschnitten, welche, wenn sie wie der Hanf behandelt werden, Fasern geben, die wie dieser gesponnen werden können. Endlich sind die Blüthen dieser Pflanze reich an Honig; mehrere Freunde der Bienenzucht reihen sie, was Menge und Güte des von ihnen gelieferten Honigs betrifft, gleich nach den Lindenblüthen. Schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte der Glanz dieser Pflanzenseide die Aufmerksamkeit einiger ausgezeichneten Männer auf sich gezogen. In einem ungefähr im Jahre 1780 gedrukten Werke, das mehrere industrielle Gegenstände zum Inhalt hat, ist zu lesen, daß der Stadtdirector Schnieber in Liegnitz eine Fabrik errichtet habe, in welcher diese Pflanzenseide verarbeitet werde, und daß das Fabricat nicht nur allein sehr gute Handschuhe und Strümpfe geliefert habe, sondern daß, mit Baumwolle untermengt, man sehr dichte und schöne Gewebe damit zu Wege brachte, welche unter dem Namen englisches Leder verkauft wurden und nach welchem von Seite der Damen sehr viel Begehr war. Die Pflanzung, welche dem Hrn. Schnieber seinen Bedarf an Seide lieferte, bestund aus 20,000 Stöken der Asclepias. – Eine andere Sammlung technologischer Abhandlungen des vorigen Jahrhunderts enthält folgende Stelle: aus der Pflanzenseide für sich, oder mit Zusaz von Baumwolle, feiner Wolle und Floretseide kann man dauerhafte Gewebe von vorzüglicher Schönheit bereiten.“ – Dieses Alles vorausgesezt, war doch anzunehmen, daß heutzutage, wo die Industrie sich auf eine so hohe Stufe geschwungen hat, noch vollkommnere Producte gewonnen werden müßten. Ich pflanzte daher mehrere Stöke der Asclepias, ließ einen Theil der davon gewonnenen Seide mit dem gleichen Gewichte Baumwolle spinnen und weben, und lege hier Muster des Productes vor. Diese gebleichten, gefärbten und gedrukten Muster wurden aus zwei verschiedenen Gemengen bereitet, wovon der Faden des ersten aus einem Theil Asclepiasseide, mit etwas mehr als seinem gleichen Gewichte Baumwolle versezt, bestund, das zweite Gemenge aber drei Theile Asclepiasseide, mit nur einem Theile Baumwolle gemengt enthielt. Dieses bildete den Einschlag, jenes die Kette. Beim Bleichen verhält sich dieses Gewebe in der Mitte zwischen Leinen und Baumwolle. Was die in oben erwähntem Buche enthaltene Behauptung betrifft, daß die Pflanzenseide allein angewandt werden könne ohne allen Zusaz von Baumwolle oder anderer Faser, so scheint sie vorerst in Zweifel zu ziehen zu seyn, indem die Fasern nicht lang genug sind und diese kleinen Rauhigkeiten nicht besizen, welche das feste Ineinanderschlingen der Baumwollfasern so begünstigen; vielleicht wurde sie aber gewissen Vorbereitungen unterworfen, welche geheim gehalten wurden und ihre unvermengte Anwendung möglich machten. Ich wollte nur auf den Nuzen aufmerksam machen, der aus dieser Pflanze zu ziehen ist, deren Anbau wenig Mühe macht und mit Vortheil einen sonst undankbaren Boden zieren könnte. Bericht über diese Abhandlung; von Hrn. Emil Dollfuß. Von Hrn. Prof. Cook mit dem Spinnen der Asclepiasseide beauftragt, habe ich folgende Details nachzutragen. Die Fäserchen der Haarkronen aus der Asclepias sind 20–25 Millim. (9–11''') lang. Sie sind zu kleinen Gärbchen oder Fäserchen vereinigt, die mit ihrer Basis an dem Samenkorn festsizen, das übrigens sehr leicht davon zu trennen ist. Sie besizen einen herrlichen Glanz, der dem der Seide in nichts nachgibt, und sind von gelblichweißer Farbe. Unter dem Mikroskop betrachtet, scheinen sie, wie die Baumwollfäserchen, ein in der Mitte und in seiner Achse abgeplattetes Röhrchen, oder vielmehr zwei neben einander liegende Röhrchen zu bilden, die mit einer gemeinschaftlichen Scheidewand versehen sind. Sie unterscheiden sich von den Baumwollfäserchen dadurch, daß sie nicht schraubenförmig gedreht sind, was offenbar die Ursache ist, daß sie so fein anzufühlen sind und nicht so einander anhängen, wenn man sie zusammenbringt oder sie in einen Faden zu drehen sucht, indem die Röhrchen nicht, wie bei der Baumwolle, diesen kleinen Rauhigkeiten in Gestalt ausgezogener Schraubengänge begegnen, welche die Erhabenheiten des einen sich einfügen lassen in den Höhlungen des anderen und der Art den Widerstand bei ihrer Trennung hervorbringen. Die Härchen der Asclepias sind schwach und brechen leicht. Sie sind so leicht und schlüpfrig, daß man sie, so zu sagen, nicht fassen kann. Bei der geringsten Bewegung, beim geringsten Lufthauche stiegen sie davon, was sehr viel Sorgfalt und Vorsicht nöthig macht, um sie beisammen zu erhalten. Um sie zu Faden zu machen, scheint es unumgänglich nothwendig, sie mit einer anderen faserigen Substanz, z.B. mit Baumwolle (welche ihnen am nächsten kömmt), zu mengen, um sie unter sich zu verbinden und um sie in der Stellung zu erhalten, die sie nehmen sollen. So glänzend auch besonders der für den Einschlag erhaltene Faden (ein Gemenge von 3 Theilen Asclepiasseide und 1 Theil Baumwolle) war, so kann man dieß an dem gewobenen Stoffe auch in seinem rohen Zustande kaum mehr erkennen; der gebleichte zeigt, man darf sagen, keine Spur mehr davon. Dieses kann in gewisser Hinsicht dem Vorhandenseyn von wenigstens 2/3 Baumwolle in dem Faden der Kette zugemessen werden; der Hauptgrund aber scheint in der Natur der Substanz selbst zu liegen, da ein Theil der Fäserchen durch die mehr oder minder grobe Behandlung, welche sie beim Weben erfahren und bei der Schwäche des Stoffes reißt und bricht, und dann von matterem Ansehen sind, und den Glanz einbüßen, den der Faden besaß. Wie dem auch sey, ist vielleicht der Schluß daraus zu ziehen, daß, um den aus dieser Substanz gewonnenen Producten die vorzügliche oder gar einzige Eigenschaft zu wahren, die sie auszuzeichnen im Stande wäre, diese Producte vorzüglich in solchen Gegenständen bestehen sollten, in welchen der Faden seine Eigenthümlichkeit mehr beibehält, wie z.B. in Schnüren, mehreren Posamentirarbeiten, Strumpfstrikerwaaren, vorzüglich aber in Handschuhen, wie dieß in Deutschland schon versucht worden zu seyn scheint. Möchte man auch zweifeln dürfen, daß diese Substanz je industrielle Anwendung finden werde, so wäre es, da die Pflanze, welche sie hervorbringt, auch andere Eigenschaften in sich vereiniget, welche ihr Werth verleihen, da sie mit wenig Unkosten und ohne viele Mühe angebaut werden kann, und es übrigens auch von Wichtigkeit wäre, nachdem nun einmal das vorliegende Resultat erhalten wurde, wenn nun auch Andere Versuche damit vornehmen wollten, doch jedenfalls zu wünschen, daß die Cultur dieser Pflanze ermuntert und etwas ins Große getrieben würde. Für diejenigen, welche meine Versuche zu spinnen wiederholen wollen, gebe ich hiemit als Anleitung das Verfahren an, das ich bei Verfertigung der vorgelegten Muster beobachtete, und das mit dem bei der Baumwolle angewandten beinahe übereinkömmt. Nur das Kämmen (Karben) machte einige besondere Vorsichtsmaßregeln notwendig. Bei der außerordentlichen Flüchtigkeit nämlich der Asclepiasseide gab es kein Mittel, eine von dieser Substanz allein gefertigte Watte (Wikel) zu bereiten, welche kardirt werden sollte. Man half sich also dadurch, daß man auf einer Grobkarde, an welcher eine Trommel in Form einer Rufwalze angebracht war, sehr dünne Wattlagen von reiner Baumwolle machte, deren jede aus zwei Schichten zusammengesezt war, auf welche diejenige zu liegen kam, die der Kamm abstrich. Auf ein der Art erhaltenes Vließ wurde eine Lage Asclepiasfasern von beliebiger Dike ausgebreitet, diese wieder mit einem zweiten Baumwollenvließ bedekt. So eingeschlossen zwischen den beiden Watten oder Vließen, einer aus lauter an einander Hangenden Fäserchen bestehenden Substanz, konnten die Asclepiasfäserchen sich nicht mehr in die Luft verbreiten. Das Gemenge wurde hierauf in eine von allen Seiten sorgfältig verschlossene Kardmaschine gebracht, der man eine sehr gemäßigte Geschwindigkeit gab. Troz dieser Vorsicht entflogen fast alle Asclepiasfäserchen, welche beim Kardiren nicht auf eine oder die andere Weise in unmittelbare Berührung mit den Baumwollenfäserchen kamen, durch die kleinen Zwischenräume, welche die Hüte und die große Trommel zwischen sich lassen. Beim Herauskommen aus der Kardmaschine konnte man nichtsdestoweniger wahrnehmen, daß der größte Theil davon noch auf der Baumwolle geblieben war, die einen integrirenden Theil der Watte oder vielmehr des von dieser abgegebenen Bandes ausmachte. Diese Bänder ließ man zwei Strekköpfe passiren. Ein drittesmal konnten sie den Durchgang nicht vertragen, da die Baumwollfäserchen nun einmal parallele Richtung hatten und aufhörten sich auch nur einigermaßen in verschiedene Richtungen zu ordnen daher sie jene der Asclepias auch nicht mehr genugsam zu binden vermochten, welche schon anfingen, sich nach allen Seiten davon zu machen. An der Spindelbank endlich und am Webestuhle verhält sich der Faden beinahe wie der der Baumwolle, da er, einmal gedreht, nicht mehr so leicht auseinander geht. Indessen gibt die ungemeine Schlüpfrigkeit der Asclepiasseide und das Streben ihrer Fäserchen, sich zu erheben, dem Faden immer ein pflaumfaseriges Ansehen. Es ist jedoch, wie gesagt, von Intreresse, die Versuche mit der Asclepias fortzusezen, und indem man sie auf irgend eine Weise präparirt, wie Hr. Cook meint, oder indem man beim Spinnen ein anderes Verfahren annimmt, zu suchen, sie leichter und vortheilhafter in Gebrauch zu ziehen.