Titel: Betrachtungen über die Stärke von Schrauben und die Gestalt des Gewindes; von Dr. Mohr in Coblenz.
Autor: Dr. Karl Friedrich Mohr [GND]
Fundstelle: Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XXXVIII., S. 194
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XXXVIII. Betrachtungen uͤber die Staͤrke von Schrauben und die Gestalt des Gewindes; von Dr. Mohr in Coblenz. Mohr, uͤber die Staͤrke von Schrauben und die Gestalt des Gewindes. Eine Schraube wirkt entweder ziehend oder drükend. Ziehend wirkt sie, wenn die Schraube stille steht und die Mutter bewegt wird, drükend wenn die Mutter stille steht und die Schraube vorwärts geht. Im ersten Falle entsteht das Bestreben die Schraube auseinander zu ziehen, im zweiten sie ineinander zu drüken, was jedoch gewöhnlich nur als Krummbiegen und Zerbrechen hervortritt. Bedenkt man, daß ein Draht von 1 Linie Durchmesser im Stande ist mehrere Centner zugweise zu tragen, daß er aber stüzweise oder rükwirkend kaum einige Pfunde tragen kann, so leuchtet ein, daß eine Schraube am stärksten wirkt, wenn sie selbst stille steht und die Mutter bewegt wird. In diesem Falle wird sie im Stande seyn, eine bedeutend größere Kraftäußerung zu ertragen, ohne zerstört zu werden. Dieß ist der Vortheil der vom hiesigen Gewerbevereine beschriebenen Weinkelter, wobei eine weit dünnere Schraube angewendet werden kann, als wenn sie stoßend wirkte, oder was dasselbe ist, wobei man mit einer gleich diken Schraube eine viel größere Gewalt ausüben kann. Es kommt noch hinzu, daß wenn eine lange Schraube gedreht wird, in der Schraube zugleich ein Bestreben sie zu verdrehen hervortreten muß. Nur so lange die Schraube diesem Bestreben widerstehen kann, kann man sie drehend in der Mutter bewegen. Ist hingegen die Schraube lang und dünn, so wird man sie nicht mehr vorwärts bewegen können, sondern es wird alsdann zuerst der Körper der Schraube um seine Achse verdreht, so daß das Ende in der Mutter stille steht, jenes im Schlüssel aber herumgeht, und es muß sonach ein Abbrechen der Schraubenspindel erfolgen. Lange Schrauben müssen also immer sehr stark gemacht werden, wenn sie selbst gedreht werden sollen und auch nur geringe Kraft zu äußern haben. Steht hingegen die Schraube still und die Mutter wird gedreht, so hat die Länge der Schraube fast keinen nachtheiligen Einfluß, indem die Drehung der Mutter keinen Torsionswiderstand auf den Kern in Anspruch nimmt. Wenn die Umstände es zulassen, sind deßhalb in allen Fällen, wo große Kräfte in Anspruch genommen werden, stehende Schrauben mit beweglichen Muttern vorzuziehen. Eine andere Betrachtung betrifft die Gestalt des Gewindes oder des Fadens. Man unterscheidet dreiekigen und flachen Faden. Lezterer pflegt gewöhnlich bei sehr starken Schrauben angewendet zu werden. Diese Gewohnheit ist jedoch ganz fehlerhaft und gründet sich auf eine nicht richtige Ansicht von der Sache. Bei einem flachen Faden ist der Zusammenhang des Fadens mit dem cylindrischen Kern der Schraube sehr gering, streng genommen die Hälfte von jenem dreiekigen oder spizen Faden. Beim Gebrauch der Schraube entsteht immer das Bestreben, den Faden von der Spindel abzureißen; so lange dieß nicht geschieht, wird die Schraube ganz bleiben. Nun ist aber klar, daß die Schraube um so stärker diesem Bestreben wird widerstehen können, auf einem je größeren Querschnitte der Faden mit der Spindel zusammenhängt, und dieß ist offenbar beim spizen Faden der Fall. Die größte Gewalt leidet der Faden an der Stelle, wo er mit der Spindel zusammenhängt; weiter nach Außen nimmt diese Gewalt ab, und deßwegen kann auch die Stärke des Metalls abnehmen. So macht man auch einen Hebel, Waagebalken, Scherenarm und ähnliche Vorrichtungen vom Mittelpunkte der Kraft nach Außen zu schwächer, und dieß nicht etwa aus Gewohnheit oder conventionell, sondern zwekmäßig nach der Natur der Sache. So wären also in allen Fällen von sehr großer Kraftäußerung nur Schrauben mit spizem Faden, und nie solche mit rechtwinklich flachem Faden anzuwenden. Daß man jedoch den spizen Faden nicht in eine wirkliche Schneide, sondern nur in eine schmale Ebene ausgehen läßt, ist eben so einleuchtend, weil die Wirkung dieses lezten dünnen Randes bei einer so großen Kraft von keiner Erheblichkeit mehr seyn kann. Bei dem Pressen bleierner Röhren mittelst Schrauben hat sich die Nichtigkeit dieser Ansicht recht deutlich herausgestellt. Flache Fäden von 4 Linien Dike an 5 Zoll diken stabeisernen Schrauben, haben sich auf 6 bis 8 Zoll Höhe losgeschält, und es war in dieser Art nicht möglich, Schrauben von hinlänglicher Stärke darzustellen, so daß das Gelingen der ganzen Unternehmung an die Anwendung von Schrauben mit dreiekigem Faden geknüpft war. Und wirklich haben diese der Erwartung ganz entsprochen, so daß jezt dünnere Schrauben mit dreiekigem Faden mehr leisten, als früher weit dikere mit flachem Faden. Ueberhaupt ist nicht einzusehen, was die flachen Gewinde für Vortheile darbieten sollen, wenn sie nicht nach einzelnen Methoden leichter herzustellen wären, namentlich wenn sie mit einfachen Zähnen geschnitten werden, oder wenn die Muttern, so wie auch oft die Schrauben aufgelöthet werden. Die Reibung ist bei beiden Arten Schrauben ganz gleich, und es müßte ein dreiekiger Faden sehr flach seyn, wenn er sich keilartig klemmen sollte. In diesem Falle ist die Schraube aber auch an sich schlecht und fast unbrauchbar.