Titel: Ueber die Benuzung des Elektro-Magnetismus als bewegende Kraft; von Dr. Frhrn. v. Reden aus Hannover.
Fundstelle: Band 78, Jahrgang 1840, Nr. LXIV., S. 332
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LXIV. Ueber die Benuzung des Elektro-Magnetismus als bewegende Kraft; von Dr. Frhrn. v. Reden aus Hannover. Aus einem Vortrage desselben bei der 18ten Versammlung deutscher Naturforscher in Erlangen, im Allgem. Organ fuͤr Handel und Gewerbe, Nr. 123, S. 539. v. Reden, uͤber die Benuzung des Elektro-Magnetismus als bewegende Kraft. Zu denjenigen unserer Landsleute, welche viel Zeit und Studium auf den Elektro-Magnetismus verwendeten, gehört auch Hr. Wagner in Frankfurt a. M., welchem, durch rastlosen Eifer bei viel natürlichen Anlagen, es gelang, binnen fünf Jahren sich mit dieser Kraft und Allem, was damit zusammenhängt, so genau bekannt zu machen, daß die von ihm erlangten Resultate sehr befriedigend genannt werden dürfen. Bereits im Mai 1836 bei Gelegenheit des Jahresfestes der Senkenberg'schen naturforschenden Gesellschaft wurde ein kleines, von ihm verfertigtes Modell einer elektromagnetischen Kraftmaschine vorgezeigt. Zeitungsartikel ermangelten nicht, dieses als eine für die Mechanik höchst wichtige Erfindung zu bezeichnen, obgleich der Verfertiger offen bekennt, daß er damals noch durchaus keine Hoffnung für die praktische Anwendung im Großen hegte. Hr. Wagner war schon zu sehr mit den vielfachen Schwierigkeiten vertraut, um nicht in seinen Hoffnungen mäßig zu seyn. Mehr um sich mit der eigentlichen Erregung des Galvanismus bekannt zu machen, als in der Absicht, denselben für die Technik auszubeuten, begann Hr. Wagner denselben gründlich zu studiren, wurde aber weder durch die Volta'sche, noch durch die chemische Theorie befriedigt, weil er in beiden Widersprüche zu bemerken glaubte. Er bildete sich daher eine eigene Ansicht, verglich damit alle beobachteten Erscheinungen, construirte dann neue Elektromotoren und trieb dieses so lange, bis dieselben seinen Erwartungen entsprachen. Hr. Wagner hatte nunmehr die erste Schwierigkeit überwunden, nämlich die rasche Wirkungsabnahme der damals bekannten Elektromotoren zu beseitigen, indem es ihm gelang, Elektromotoren herzustellen, deren Wirkung für eine beliebige, dem Erfordernisse entsprechende Zeit gleich blieb. Von da an erst begann Hr. Wagner an die Möglichkeit der Anwendung des Elektro-Magnetismus als bewegende Kraft zu glauben, und beschäftigte sich nun mit Anfertigung kleiner elektro-magnetischer Rotationsapparate nach verschiedenen Principien. Dazu gehört einer, dessen rotirendes System nur 5 Zoll im Durchmesser hat, mit Zeigervorrichtung, welches im Sommer 1838 auf einen Wagen gesezt wurde, mit 4 Rädern aus Holzscheiben von 6 Zoll Durchmesser, in metallenem Reif gefaßt. Dieß geschah lediglich, um die Art der möglichen Anwendung zu zeigen, keineswegs aber dieselbe damit schon beweisen zu wollen. Dazu fehlte vor Allem ein directer Meßapparat, sowohl für die Größe der Elektricitätsmenge, als für den von ihr erregten Magnetismus, weil Hr. W. weder den Schweiger'schen Multiplicator, noch das Galvanometer von Fechner und Anderen, auch nicht die Becquerel'sche Waage für seine Zweke als genügend betrachtete; wie sich später ergeben soll, wenn das Wesen der Erfindung veröffentlicht ist. Der Zufall hat Hrn. W. auf ein Meßinstrument geleitet, mit dessen Hülfe es ihm möglich geworden ist, die Geseze beider Kräfte direct zu studiren, um dann die mechanischen Combinationen diesem entsprechend anzuordnen. Die unter Berüksichtigung dieser Geseze von Hrn. W. ersonnene mechanische Construction gewährt den Vortheil, daß die Kraft elektromagnetischer Maschinen nicht arithmetisch, sondern quadratisch wächst, d.h. eine in den betreffenden Theilen zehnmal größere Maschine gibt nicht eine zehnmal, sondern eine hundertfach größere Kraft, ohne daß dazu eine größere Elektricitätsmenge erforderlich wäre; der Zinkverbrauch bleibt vielmehr derselbe. Wird ferner der Elektromotor vergrößert, was allerdings zur Entwikelung bedeutender Kraft erforderlich ist, so steht die dadurch mehr erlangte Kraft in directem Verhältnisse zum Zinkverbrauch. Daß diese Erscheinungen nicht bei jedem mechanischen Systeme zur Anwendung des Elektro-Magnetismus sich darlegen werden, bedarf kaum der Erwähnung. Aus dem Apparate des Hrn. W. ergab sich eine bedeutende Ermunterung zur Ausführung im Großen, weil bei seiner Construction große Maschinen unverhältnißmäßige Vortheile gewähren. Allein so weit vorgerükt, waren noch mehrere der Anwendung im Großen entgegenstehende Hindernisse zu beseitigen. Dazu gehörte zunächst der von Faraday entdekte magnet-elektrische Funke, welcher, bei jedesmaliger Trennung der galvanischen Kette entstehend, nicht zu vermeiden ist. Hr. W. hat zwar auch einen Rotationsapparat construirt, bei dessen Thätigkeit die Kette stets geschlossen bleibt; allein es ist bis jezt nicht gelungen, denselben zur Krafterzeugung nuzbar zu machen. Bei Anwendung mächtiger Elektromotoren, wie das praktische Leben sie verlangt, würde aus diesen Funken ein so heftiges Feuer entstehen, daß selbst Platin der Verbrennung nicht widerstehen dürfte. Nach vielen vergeblichen Bemühungen und angestrengten Versuchen hat in neuester Zeit Hr. W. auch dieses Hinderniß besiegt, und ein für jede Vergrößerung ausreichendes Schuzmittel gefunden. Wollte man als ferneres Hinderniß der Anwendung der hier in Frage stehenden Maschine im Großen etwa die wahrscheinlich zu große Entfernung der Pole von einander, oder die Schwerfälligkeit des Haspels, Rades u.s.w., falls die Pole durch Vervielfältigung einander näher gebracht würden, anführen, so erlaube ich mir, hier zu bemerken, daß auch diese nicht unbedeutende Schwierigkeit von Hrn. W. mit Glük beseitigt ist. Die von mir in Augenschein genommenen Apparate, durch welche Hr. W. die vortheilhafte Anwendbarkeit des Elektro-Magnetismus als bewegende Kraft auch im Großen erweisen zu können meint, sind folgende: 1) Eine für beliebige, dem Bedürfniß entsprechende Zeit constante Batterie nicht mit größerer Zinkconsumtion, als zu disponibler Elektricität erforderlich ist. Sie ist so einfach in ihrer Zusammensezung, daß durchaus kein Studium oder besonderes Wissen zu ihrer Beaufsichtigung erfordert wird. Das bei Benuzung der Batterie entstehende Product (schwefelsaures Zinkoxyd) wird in so concentrirtem Zustande gewonnen, daß bei Abkühlung Krystalle anschießen; die Industrie wird demnächst schon einen Verbrauch dafür finden, wie denn vielleicht das so billige unreine kohlensaure Ammoniak zur Erzeugung von kohlensaurem Zink wird benuzt werden können. 2) Der bereits früher erwähnte kleine Wagen, welcher bei 36 bis 40 Pfd. eigenem Gewicht, einen anderen Wagen mit 60 Pfd. belastet auf einer runden Holzplatte von 7 Fuß Durchmesser im Kreise umherführt, und zwar mit unveränderter Schnelligkeit 2 1/2 bis 3 Stunden hindurch, obgleich der dazu angewandte Elektromotor mit vier Plattenpaaren in Spannung nicht nach dem oben erwähnten Princip zusammengesezt ist. Diese Locomotive mag etwa die Geschwindigkeit einer deutschen Meile in der Stunde haben, und überwindet auch das Hinderniß einer geneigten Ebene von vielleicht bis 20 Proc. Steigung. 3) Eine größere Maschine, bei welcher das rotirende System jedoch auch nur 9 Zoll Durchmesser hat; sie besizt die unter Nr. 1 erwähnte praktische Batterie, und bei ihr ist die zerstörende Wirkung des magnet-elektrischen Funkens beseitigt. Der Zwek dieser Maschine war weniger ihre praktische Benuzung, als die genauere Prüfung der Hindernisse, welche der Anwendung des Elektro-Magnetismus als bewegender Kraft in größerem Maaßstabe im Wege stehen. Dessen ungeachtet ist die Leistung dieser Maschine im Verhältnisse zu ihrer Größe sehr befriedigend, sie hat etwa eine Menschenkraft, und wird zur Bewegung einer Metalldrehbank benuzt. 4) Ein kleines Modell mit Zählapparat, nach welchem ohne Schwierigkeil die Ausführung im Großen zu bewerkstelligen ist. Die Ansicht desselben überzeugt so sehr von seiner Zwekmäßigkeit, daß deren mathematische Nachweisung dem Beschauer überflüssig scheint. 5) Ein Meßapparat für die directe Ermittelung der elektromagnetischen Kraft, welchem der Erfinder seine raschen Fortschritte hauptsächlich verdankt, weil ohne denselben alle Versuche nur auf das Gerathewohl gemacht worden wären. Dieser Apparat weist auch dem Laien die Art der Vermehrung der Kraft lediglich durch Vergrößerung eines Theiles der Maschine auf das Ueberzeugendste nach. Zu mehreren Beweise dessen, daß Hr. W. den Galvanismus und Magnetismus recht vielseitig zu studiren bemüht gewesen ist, sey auch erwähnt, daß ich bei ihm noch mehrere andere als vibrirende oder rotirende Magnet-Elektromotoren sah; auch einen Apparat, welcher darthut, daß selbst die unter gewöhnlichen Umständen nicht magnetischen Metalle tönen, wenn sie in den Zustand magnetischer Polarisation mittelst Galvanismus versezt werden. Fragen wir nun, welche Vorzüge würde die Anwendung des Elektro-Magnetismus als bewegende Kraft vor der augenbliklich wichtigsten dieser Kräfte, dem Wasserdampfe, gewähren, und welche Vortheile sind schon durch die bisherigen Entdekungen im Gebiete des Elektro-Magnetismus für die Praxis gewonnen? 1) Der Elektro-Magnetismus hat den Vorzug gänzlicher Gefahrlosigkeit, indem der Elektromotor z.B. des Hrn. W. namentlich kein Zinkwasserstoffgas entwikelt. 2) Da überall keine Gase erzeugt werden, so ist er der Gesundheit durchaus unnachtheilig. 3) Die Anschaffung des Apparats, der Maschine und auch deren Betrieb ist ungleich weniger kostbar, als bei der Dampfkraft, vor welcher der Elektro-Magnetismus 4) auch noch den Vorzug hat, daß im Zustande der Ruhe die Maschine gar nicht consumirt, und daß 5) die Zinkconsumtion um so geringer ist, je größer die Geschwindigkeit wird. 6) Die Maschine erleidet außer in den Zapfenlagern fast gar keine Abnüzung, und nimmt verhältnißmäßig wenig Raum ein. 7) Die Flüssigkeit, worin die Kupferplatte sich befindet, bedarf keiner Erneuerung, nur die Flüssigkeit am Zink erfordert allmählichen Ersaz, um das schwefelsaure Zinkoxyd daraus krystallisiren zu lassen. 8) Die Maschine bedarf fast keiner Beaufsichtigung. 9) Im Princip des Elektro-Magnetismus ist jeder Grad von Geschwindigkeit zulässig. 10) Der Elektro-Magnetismus gewährt die Thunlichkeit einer elastischen und gleichmäßigen Bewegung, so wie 11) die Möglichkeit des raschesten Anhaltens ohne Stoß. Endlich ist 12) einer der wichtigsten Vorzüge des Elektro-Magnetismus als bewegende Kraft seine bereits praktisch nachgewiesene Anwendbarkeit zu den kleinsten Krafterfordernissen, und auf der anderen Seite die schon jezt als sehr wahrscheinlich sich herausstellende Möglichkeit, demselben die größten Kraftäußerungen abzugewinnen. – – Ist aber die Hoffnung, daß alle diese Vortheile praktisch nuzbar gemacht werden können, daß also in den meisten, wenn nicht in allen Fällen der Elektro-Magnetismus, namentlich den Wasserdampf, als bewegende Kraft verdrängen werde; ist diese Hoffnung durch den Umfang der bisherigen Entdekungen gerechtfertigt? – Im Gebiete der Naturkunde können lediglich Thatsachen entscheiden. Es ist Thatsache, daß ein elektro-magnetischer Bewegungsapparat erdacht, ausgeführt und in praktischer Anwendung ist, welcher, mit Beseitigung aller früher erwähnten Schwierigkeiten, die eben gedachten Vortheile darbietet. Daß die Kraft desselben um das Fünfzehnfache (also etwa auf 10 Pferdekräfte) sich steigern lasse, ist ferner zu mathematischer Gewißheit geworden; eine bei weitem größere Krafterhebung aber zugleich sehr wahrscheinlich gemacht. Halten wir uns mit Uebergehung der Wahrscheinlichkeiten für jezt an die Thatsachen, so steht bereits fest, daß allenthalben, wo geringere Bewegungskräfte genügen, der Elektro-Magnetismus vielfache Vorzüge vor den Wasserdämpfen hat, er wird dieselben also aus diesem Gebietstheile verdrängen. Wie weit sodann der Elektro-Magnetismus zum Nachtheile des Wasserdampfes sein Reich ausdehnen wird, darüber können bis jezt nur Vermuthungen geäußert werden; daß es noch ferner geschehen werde, unterliegt kaum einem Zweifel, und der Amerikaner Silliman hat schon vor Jahren sehr mit Recht den Elektro-Magnetismus a new power of great but unknown energy genannt.Der von der Gesellschaft zur Beförderung nüzlicher Künste und deren Hülfswissenschaften errichtete Frankfurter Gewerbverein hat in einer Mittheilung an sämmtliche deutsche Gewerbvereine auf die Wichtigkeit der Erfindung des Hrn. Wagner für die Industrie und Gewerbthätigkeit Deutschlands aufmerksam gemacht und dieselben aufgefordert, nach Kräften dahin zu wirken, daß diese Erfindung der Publicität übergeben werde. Der einzige Weg dazu ist dieselbe dem Erfinder zu verwerthen, ihm Entschädigung zu geben für die großen Opfer an Geld und Zeit, die er der Wissenschaft und seinen Mitmenschen während seiner mehrjährigen Versuche gebracht, ihm auf diese Weise zugleich ein Einkommen zu sichern, durch das es ihm möglich gemacht werde, auch ferner sich der Wissenschaft ungestört zu widmen. Am geeignetsten möchte hiezu allerdings der Vorschlag des Frankfurter Gewerbvereins seyn, ein Actienunternehmen in der Art zu begründen, daß diejenigen, welche zur Veröffentlichung des Geheimnisses beitragen wollten, seyen es nun Regierungen oder Besizer industrieller Anstalten, oder sonst Private, Deutsche oder Ausländer, eine bestimmte Summe an einem angegebenen Orte verzinslich anlegen oder in Aussicht stellen würden, unter der Bedingung, daß es Hrn. Wagner freistehen solle, die Zinsen eines oder zweier Jahre oder eine hiezu besonders bedungene Summe zum Bau einer größeren elektro-magnetischen Maschine zu verwenden; entspräche diese allem dem, was nach der eigenen Angabe des Erfinders von derselben verlangt werden kann, so fiele die deponirte Summe dem lezteren anheim, welcher dagegen an alle Actionnäre sein Geheimniß mitzutheilen sich anheischig machte. Die zur Untersuchung der Größe der zu erreichenden Kraft verwilligte Summe wäre demnach allein gewagt, ein Opfer, welches im Vergleich mit dem vom Erfinder gebrachten unbedeutend erscheint, um so mehr, als dieser zu der Erforschung der Geseze einer Naturkraft das Seinige daran sezte, während die Actionnäre nur zur Errichtung einer nach den gefundenen Gesezen ausgedachten Maschine das Ihrige beitrügen, wodurch vielen Anderen Zeit und Geld zu ähnlichen Versuchen und Ausführungen erspart würde.A. d. R.