Titel: Ueber den chemischen Proceß der Entwikelung und Ernährung der Pflanzen.
Fundstelle: Band 79, Jahrgang 1841, Nr. XII., S. 53
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XII. Ueber den chemischen Proceß der Entwikelung und Ernaͤhrung der Pflanzen. Ueber den Proceß der Ernaͤhrung der Vegetabilien. Wenn in jedem Gewerbe die Anwendung richtiger Principien von großem Einfluß ist, so muß sie bei dem wichtigsten aller Gewerbe, dem Akerbau, von desto wohlthätigeren Folgen seyn. Professor Dr. Liebig in Gießen hat in einem kürzlich erschienenen, in der Agriculturchemie Epoche machenden WerkeDie organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie; von Dr. Justus Liebig. Braunschweig, Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn. 1840. versucht, dem Akerbau und der Physiologie eine streng wissenschaftliche Grundlage zu geben; indem wir aus dem ersten Theile dieser Schrift, worin er seine Ansichten über den Proceß der Ernährung der Vegetabilien entwikelt, einen gedrängten Auszug mittheilen, beabsichtigen wir damit bloß zum Studium der Quelle zu veranlassen. Den Menschen und Thieren bietet der vegetabilische Organismus die ersten Mittel zu ihrer Entwikelung und Erhaltung dar; die ersten Quellen der Nahrung der Pflanzen liefert aber ausschließlich die anorganische Natur, im Gegensaz mit der bisherigen Annahme der Pflanzenphysiologen, welche einen Gemengtheil der Aker- und Dammerde, dem man den Namen Humus gegeben hat, als das Hauptnahrungsmittel, was die Pflanzen aus dem Boden aufnehmen und seine Gegenwart als die wichtigste Bedingung seiner Fruchtbarkeit betrachteten. Die Meinung, daß der Humus (ein Product der Verwesung von Pflanzen und Pflanzentheilen) als Bestandtheil der Dammerde von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen, daß sein Kohlenstoff in irgend einer Form von der Pflanze zur Nahrung verwendet wird, ist so verbreitet und hat in dem Grade Wurzel gefaßt, daß bis jezt jede Beweisführung für diese seine Wirkungsweise für überflüssig erachtet wurde; denn die in die Augen fallende Verschiedenheit des Gedeihens von Pflanzen in Bodenarten, die man als ungleich reich an Humus kennt, erschien als eine genügende Begründung dieser Meinung. Liebig führt nun aber die schlagendsten Beweise an, daß der Humus in der Form, wie er im Boden enthalten ist, zur Ernährung der Pflanzen nicht das Geringste beiträgt. 1) Der Humus oder die Humussäure der Chemiker ist frisch niedergeschlagen (aus einer alkalischen Abkochung von Dammerde oder Torf vermittelst Säuren), zwar in Wasser löslich, verliert aber diese Löslichkeit vollständig, wenn er an der Luft troken geworden ist oder wenn das in ihm enthaltene Wasser gefriert. Davon kann man sich durch Behandlung guter Aker- und Dammerde mit kaltem Wasser überzeugen; lezteres entzieht nämlich derselben nicht 1/100000 an löslichen organischen Materien, die Flüssigkeit ist farblos und enthält nur die Salze, welche sich im Regenwasser finden. Vermodertes Holz, welches hauptsächlich aus Humussäure besteht, gibt an kaltes Wasser auch nur Spuren von löslichen Materien ab. Die Unfähigkeit der Humussäure, den Pflanzen als solche zur Nahrung zu dienen, ist auch den Pflanzenphysiologen nicht unbemerkt geblieben; sie haben deßhalb angenommen, daß der Kalk oder die Alkalien überhaupt, die man in der Pflanzenasche findet, die Löslichkeit und damit die Assimilirbarkeit vermitteln. Wenn man aber auch annehmen wollte, daß die Humussäure in der Form des humusreichsten Salzes, als humussaurer Kalk, von den Pflanzen aufgenommen wird, so berechnet Liebig aus dem bekannten Gehalt an alkalischen Basen in der Asche der Pflanzen, im Verhältniß zu ihrem Kohlenstoffgehalt, daß kaum 1/30stel des Kohlenstoffs vom Tannenholz und kaum 1/20stel vom Kohlenstoff des Weizenstrohes auf diese Art von Humus abgeleitet werden können. 2) Ein Theil humussaurer Kalk bedarf 2500 Theile Wasser zu seiner Auflösung. Wenn man nun annimmt, daß alles auf ein Feld fallende Regenwasser mit humussaurem Kalk gesättigt, von den darauf wachsenden Pflanzen absorbirt wird, so läßt sich die Quantität humussauren Kalks, welche die so genährten Pflanzen erhalten könnten, berechnen. Dabei ergibt sich aber, daß er bei weitem nicht hinreicht den Kohlenstoffgehalt von auf dem Feld gewachsenem Getreide oder Runkelrüben zu liefern. 3) Jedes Jahr nehmen wir einem Wald, einer Wiese, eine gewisse Quantität von Kohlenstoff in der Form von Heu und Holz, und dessen ungeachtet finden wir, daß der Kohlenstoffgehalt des Bodens zunimmt, daß er an Humus reicher wird. Der Kohlenstoff der Vegetabilien muß daher notwendigerweise aus einer anderen Quelle stammen, und da es der Boden nicht ist, der ihn liefert, so kann diese nur die Atmosphäre seyn. Bei der Lösung des Problems über den Ursprung des Kohlenstoffs in den Pflanzen hat man durchaus unberüksichtigt gelassen, daß diese Frage gleichzeitig den Ursprung des Humus umfaßt. Der Humus entsteht nach der allgemeinen Ansicht durch Fäulniß und Verwesung von Pflanzen und Pflanzentheilen; eine Urdammerde, einen Urhumus kann es also nicht geben, denn es waren vor dem Humus Pflanzen vorhanden. Daß die Pflanzen den Kohlenstoff ausschließlich durch Zersezung von Kohlensäure erhalten, die ihnen hauptsächlich und oft allein durch die atmosphärische Luft dargeboten wird, ist der Schluß, zu welchem Liebig gelangt. Die merkwürdige Fähigkeit der Pflanzen, die Kohlensäure zu zerlegen, ist durch zahllose Beobachtungen längst auf das unzweifelhafteste bewiesen worden. Die Blätter und grünen Theile aller Pflanzen saugen nämlich kohlensaures Gas ein und hauchen ein ihm gleiches Volum Sauerstoffgas aus. Sie besizen dieses Vermögen selbst dann noch, wenn sie von der Pflanze getrennt sind; bringt man sie in diesem Zustande in Wasser, welches Kohlensäure enthält, und sezt sie dem Sonnenlichte aus, so verschwindet nach einiger Zeit die Kohlensäure gänzlich, und stellt man diesen Versuch unter einer mit Wasser gefüllten Glasgloke an, so kann man das entwikelte Sauerstoffgas sammeln und prüfen; wenn die Entwikelung von Sauerstoffgas aufhört, ist auch die gelöste Kohlensäure verschwunden; sezt man aufs Neue Kohlensäure hinzu, so stellt sie sich von Neuem ein. Woher kommt es nun, daß in den Schriften aller Botaniker und Pflanzenphysiologen die Assimilation des Kohlenstoffs aus der Atmosphäre in Zweifel gestellt wird? Diese Zweifel sind hervorgegangen aus dem Verhalten der Pflanzen bei Abwesenheit des Lichts; im Dunkeln hauchen nämlich die grünen Pflanzen Kohlensäure aus, nachdem sie Sauerstoff eingesogen haben. Hiebei beginnt aber nach Liebig ein rein chemischer Proceß, in Folge der Wechselwirkung des Sauerstoffs der Luft, auf die Bestandtheile der Blätter, Blüthen und Früchte; dieser Proceß hat mit dem Leben der Pflanze nicht das Geringste gemein, denn er tritt in der todten Pflanze ganz in derselben Form auf, wie in der lebenden. In der Nacht findet also ein reiner Säurebildungs-, Oxydationsproceß statt; so verwandeln sich auch die flüchtigen Oehle durch Absorption von Sauerstoff in Harze. Die von den Blättern, von den Wurzeln mit dem Wasser aufgenommene Kohlensäure wird mit der Abnahme des Lichtes nicht mehr zersezt, sie bleibt in dem Safte gelöst, der alle Theile der Pflanze durchdringt und verdunstet durch die Blätter. Pflanzen, welche in einem feuchten, an Humus reichen Boden leben, hauchen in der Nacht mehr Kohlensäure aus, als andere an trokenen Standörtern, indem die Zersezung oder Fäulniß des Humus im Boden ihren Wurzeln noch mehr Kohlensäure liefert. Die Meinung, daß die Kohlensäure ein Nahrungsmittel für die Pflanzen sey, daß sie den Kohlenstoff derselben in ihre eigene Masse aufnehmen (assimiliren), ist nicht neu, sondern von ausgezeichneten Naturforschern (Priestley, Ingenhouse, de Saussure) aufgestellt und bewiesen worden; sie wurde aber von den meisten Pflanzenphysiologen nicht gehörig gewürdigt, theils weil dieselben zu wenig in der Chemie bewandert waren, theils weil sie bei ihren Versuchen zur Entscheidung der Frage, ob die Kohlensäure wirklich nähre, unzwekmäßig verfuhren. Daß Samen von Pflanzen in Schwefelblumen, Schwerspath, Marmor gesäet, ohne Erfolg mit Kohlensäure genährt wurden, darüber darf man sich nicht wundern, denn zum Leben einer Pflanze gehören mehrere, für besondere Pflanzengattungen besondere Bedingungen; gibt man der Pflanze sonst alles, und schließt nur eine einzige Bedingung aus, so wird sie nicht zur Entwikelung gelangen. Es ist z.B. völlig unmöglich, eine Pflanze aus der Familie der Gramineen und Equisetaceen, welche in ihrem festen Gerippe kieselsaures Kali enthalten, ohne Kieselerde und Kali, eine Salzpflanze ohne Kochsalz zur Entwikelung zu bringen; alle Samen der Cerealien enthalten phosphorsaure Bittererde. Welchen Werth kann man nun Versuchen beilegen, wo man mit der größten Sorgfalt Alles ausgeschlossen hat, was die Pflanze neben ihrer Nahrung überhaupt noch bedarf, um diese Nahrung assimilirbar zu machen? Die bloße Beobachtung einer Wiese, eines Waldes ist unendlich mehr geeignet, über so einfache Fragen zu entscheiden, als alle diese kleinlichen Versuche unter Glasgloken; anstatt einer Pflanze haben wir dort Tausende von Pflanzen; wenn wir die Beschaffenheit eines einzigen Kubikzolls ihres Bodens, die der Luft und des Regenwassers kennen, so haben wir damit alle Bedingungen ihres Lebens in der Hand. In dem Vorhergehenden ist der Beweis niedergelegt, daß der Kohlenstoff der Pflanzen aus der Atmosphäre stammt; es sind nun die Wirkungen des im Boden enthaltenen Humus in Bezug auf die Entwikelung der Vegetation zu beleuchten. Die in Verwesung begriffene Holzfaser ist der Körper, den wir Humus nennen. Dieser Körper besizt die Eigenschaft, den Sauerstoff der Luft, womit er in Berührung ist, in kohlensaures Gas zu verwandeln, wobei endlich eine braune oder kohlenartige Substanz (der diese Eigenschaft gänzlich fehlt), Moder genannt, zurükbleibt; sie ist das Product der vollendeten Verwesung der Holzfaser. Der Moder macht den Hauptbestandtheil aller Braunkohlenlager und des Torfes aus. In einem Boden, welcher der Luft zugänglich ist, verhält sich der Humus genau wie an der Luft selbst; er ist eine langsame äußerst andauernde Quelle von Kohlensäure. Durch Auflokerung des Bodens um die junge Pflanze erneuern und vervielfältigen wir den Zutritt der Luft, wir begünstigen damit die Bildung der Kohlensäure; wenn die Pflanze völlig entwikelt ist, und wenn die Blätter, die Organe wodurch sie Nahrung von der Atmosphäre erhält, ausgebildet sind, so bedarf sie der Kohlensäure des Bodens nicht mehr. Die Assimilation des Wasserstoffs. – Der feste Theil der Pflanzen, die Holzfaser, enthält Kohlenstoff und die Bestandtheile des Wassers, oder die Elemente der Kohlensäure plus einer gewissen Menge Wasserstoff. Wir können uns das Holz entstanden denken aus dem Kohlenstoff der Kohlensäure, der sich unter Mitwirkung des Sonnenlichtes mit den Elementen des vorhandenen Wassers verbindet, oder was Liebig für wahrscheinlicher hält – die Pflanze zerlegt unter denselben Bedingungen bei Gegenwart von Kohlensäure das Wasser, sein Wasserstoff wird mit der Kohlensäure assimilirt, während sein Sauerstoff abgeschieden wird; die Quantität Sauerstoff, welche an die Atmosphäre abgegeben wird, ist natürlich in beiden Fällen gleich. Der Assimilationsproceß der Pflanze in seiner einfachsten Form stellt sich mithin dar als eine Aufnahme von Wasserstoff aus dem Wasser, und von Kohlenstoff aus der Kohlensäure, in Folge welcher aller Sauerstoff des Wassers und aller Sauerstoff der Kohlensäure, wie bei den flüchtigen sauerstofffreien Oehlen, dem Kautschuk etc. oder nur ein Theil dieses Sauerstoffs abgeschieden wird. Der Ursprung und die Assimilation des Stikstoffs. – In dem humusreichsten Boden kann die Entwikelung der Vegetabilien nicht gedacht werden ohne das Hinzutreten von Stikstoff, oder einer stikstoffhaltigen Materie. Wir haben nicht den entferntesten Grund zu glauben, daß der Stikstoff der Atmosphäre Antheil an dem Assimilationsproceß der Pflanzen nimmt, wohl aber sprechen viele Erfahrungen dafür, daß er ihren Wurzeln in der Form von Ammoniak zugeführt wird. Das Ammoniak steht in der Mannichfaltigkeit der Metamorphosen, die es bei Berührung mit anderen Körpern einzugehen vermag, dem Wasser in keiner Beziehung nach. Liebig hat durch Versuche nachgewiesen, daß die Leiber aller Thiere und Menschen nach dem Tode durch ihre Fäulniß den Stikstoff in der Form von Ammoniak an die Atmosphäre zurükgeben, welches daher sowohl im Regen- als Schneewasser enthalten ist. Das Vorhandenseyn des Ammoniaks in der Atmosphäre als unbestreitbare Thatsache festgestellt, wissen wir, daß sich seine Gegenwart in jedem Zeitmomente, durch die ununterbrochen fortschreitende Fäulniß und Verwesung thierischer und vegetabilischer Stoffe in der Luft wieder erneuert; ein Theil des mit dem Regenwasser niedergefallenen Ammoniaks verdampft wieder mit dem Wasser, ein anderer Theil wird, wir wollen es annehmen, von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen, und indem er neue Verbindungen eingeht, entstehen daraus, je nach den verschiedenen Organen der Assimilation, Eiweißstoff, Kleber und die große Zahl der anderen Stikstoffverbindungen. Der Saft vieler Pflanzen (Ahornarten, Birken) enthält eine reichliche Menge Ammoniak in der Form eines neutralen Salzes.In den Rübenzukerfabriken werden Tausende von Kubikfußen Saft täglich mit Kalk geklärt, von allem Kleber und vegetabilischem Eiweiß befreit, zur Krystallisation abgedampft. Jedermann, welcher in eine solche Fabrik eintritt, wird von der außerordentlich großen Menge Ammoniak überrascht, welches sich mit den Wasserdämpfen verflüchtigt und in der Luft verbreitet. Auch dieses Ammoniak ist darin in der Form eines Ammoniaksalzes zugegen, denn der neutrale Saft verhält sich wie ihre Auflösungen im Wasser; er nimmt wie diese beim Verdampfen eine saure Reaction an, indem sich das neutrale Salz durch Ammoniakverlust in saures verwandelt. Die freie Säure, welche hiebei entsteht, ist bekanntlich eine Quelle von Verlust an Rohrzuker für die Rübenzukerfabrikanten, da durch sie ein Theil des Rohrzukers in nicht krystallisirbaren Traubenzuker und Syrup übergeht. Den entscheidendsten Beweis, daß es das Ammoniak ist, was den Vegetabilien den Stikstoff liefert, gibt die animalische Düngung in der Cultur der Futtergewächse und Cerealien. In Flandern wird der gefaulte Urin (welcher Ammoniaksalze in Ueberfluß enthält) mit dem größten Erfolg als Dünger verwendet. An der peruanischen Küste wird der Boden, der an und für sich im höchsten Grade unfruchtbar ist, vermittelst eines Düngers, des Guano Der Guano wird auf mehreren Inseln des Südmeeres gesammelt und stammt von zahllossen Wasservögeln her, welche diese Inseln zur Zeit der Brut bewohnen; es sind die verfaulten Excremente derselben, welche den Boden mit einer mehrere Fuß hohen Schicht bedeken., fruchtbar gemacht. In einem Boden, der einzig und allein nur aus Sand und Thon besteht, genügt es, dem Boden nur eine kleine Quantität Guano beizumischen, um darauf die reichsten Ernten von Mais zu erhalten. Der Boden enthält außer Guano nicht das geringste einer andern organischen Materie und dieser Dünger enthält weiter nichts, als harnsaures, phosphorsaures, oxalsaures, kohlensaures Ammoniak und einige Erdsalze. Das Ammoniak in seinen Salzen hat also diesen Pflanzen den Stikstoff geliefert. Was man in dem Getreide aber Kleber nennt, heißt in dem Traubensafte vegetabilisches Eiweiß, in den Pflanzensäften Pflanzenleim; diese drei Körper sind in ihrem Verhalten und ihrer Zusammensezung identisch. Die so in die Augen fallende Wirkung des Gypses auf die Entwikelung der Grasarten, die gesteigerte Fruchtbarkeit und Ueppigkeit einer Weise, die mit Gyps bestreut ist, sie beruht auf weiter nichts, als auf der Fixirung des Ammoniaks der Atmosphäre, auf der Gewinnung von derjenigen Quantität, die auf nicht gegypstem Boden mit dem Wasser wieder verdunstet wäre. Das in dem Regenwasser gelöste kohlensaure Ammoniak zerlegt sich mit dem Gyps auf die nämliche Art wie in den Salmiakfabriken, es entsteht lösliches, nicht flüchtiges schwefelsaures Ammoniak und kohlensaurer Kalk. Nach und nach verschwindet aller Gyps, aber seine Wirkung hält an, so lange noch eine Spur davon vorhanden ist. Um sich eine bestimmte Vorstellung von der Wirksamkeit des Gypses zu machen, wird die Bemerkung genügen, daß 100 Pfd. gebrannter Gyps so viel Ammoniak in dem Boden fixiren, als 6250 Pfd. reiner Pferdeharn demselben in der Voraussezung zuführen können, daß der Stikstoff der Hippursäure und der des Harnstoffs in der Form von kohlensaurem Ammoniak ohne den geringsten Verlust von der Pflanze aufgenommen wurden. Nicht minder erklärt sich jezt die Düngung der Felder mit gebranntem Thon, die Fruchtbarkeit der eisenoxydreichen Bodenarten. Eisenoxyd und Thonerde zeichnen sich nämlich von allen anderen Metalloxyden durch die Fähigkeit aus, sich mit Ammoniak zu festen Verbindungen vereinigen zu können; die Niederschläge, welche wir durch Ammoniak in Thonerde- und Eisenoxydsalzen hervorbringen, sind wahre Salze, worin das Ammoniak die Rolle einer Vase spielt. Diese ausgezeichnete Verwandtschaft zeigt sich noch in der merkwürdigen Fähigkeit, welche alle eisenoxyd- und thonerdereichen Mineralien besizen, Ammoniak aus der Luft anzuziehen und zurükzuhalten. Eisenoxydhaltiger Boden und gebrannter Thon, dessen poröser Zustand das Einsaugen von Gas noch mehr begünstigt, sind also wahre Ammoniaksauger, welches sie durch ihre chemische Anziehung vor der Verflüchtigung schüzen; sie verhalten sich gerade so, wie wenn eine Säure auf der Oberfläche des Bodens ausgebreitet wäre. (Mineral- und andere Säuren würden aber in den Boden dringen, sie würden durch ihre Verbindung mit Kalk, Thonerde und anderen Basen ihre Fähigkeit, Ammoniak aus der Luft aufzunehmen, schon nach einigen Stunden verlieren.) Mit jedem Regenguß tritt das eingesaugte Ammoniak an das Wasser, und wird in Auflösung dem Boden zugeführt. Eine nicht minder energische Wirkung zeigt in dieser Beziehung das Kohlenpulver; es übertrifft sogar im frisch geglühten Zustande alle bekannten Körper in der Fähigkeit, Ammoniakgas in seinen Poren zu verdichten. In dieser Fähigkeit kommt der Kohle das verwesende (Eichenholz) Holz sehr nahe. Der Humus (der verwesenden Holzfaser) ist also nicht allein eine lange andauernde Quelle von Kohlensäure, sondern er versieht auch die Pflanzen mit dem zu ihrer Entwikelung unentbehrlichen Stikstoff. Wir finden Stikstoff in allen Flechten, welche auf Basalten, auf Felsen wachsen; wir finden, daß unsere Felder mehr Stikstoff produciren, als wir ihnen als Nahrung zuführen; wir finden Stikstoff in allen Bodenarten, in Mineralien, die sich nie in Berührung mit organischen Substanzen befanden; es kann nur die Atmosphäre seyn, aus welcher sie diesen Stikstoff schöpfen. Kohlensäure, Ammoniak und Wasser enthalten in ihren Elementen, wie sich aus dem Vorhergehenden ergibt, die Bedingungen zur Erzeugung aller Thier- und Pflanzenstoffe während ihres Lebens; sie sind auch die lezten Producte des chemischen Processes ihrer Fäulniß und Verwesung. Alle die zahllosen, in ihren Eigenschaften so unendlich verschiedenen Producte der Lebenskraft nehmen nach dem Tode die ursprünglichen Formen wieder an, aus denen sie gebildet worden sind. Der Tod, die völlige Auflösung einer untergegangenen Generation, ist also die Quelle des Lebens für eine neue. Die anorganischen Bestandtheile der Vegetabilien. – Kohlensäure, Ammoniak und Wasser können von keiner Pflanze entbehrt werden, eben weil sie die Elemente enthalten, woraus ihre Organe bestehen; aber zur Ausbildung gewisser Organe zu besonderen Verrichtungen, eigenthümlich für jede Pflanzenfamilie, gehören noch andere Materien, welche der Pflanze durch die anorganische Natur dargeboten werden, und diese finden wir, wiewohl in verändertem Zustande, in der Asche der Pflanzen wieder. Von diesen anorganischen Bestandtheilen sind viele veränderlich, je nach dem Boden, auf dem die Pflanzen wachsen; allein eine gewisse Anzahl davon ist für ihre Entwikelung unentbehrlich. In den Samen aller Grasarten fehlt z.B. niemals phosphorsaure Bittererde in Verbindung mit Ammoniak. Fast alle Pflanzen enthalten organische Säuren von der mannichfaltigsten Zusammensezung, und zwar an Basen gebunden, an Kali, Natron, Kalk oder Bittererde. In den verschiedenen Pflanzenfamilien finden wir die verschiedensten Säuren (in den Flechten Oxalsäure, in den Rubiaceen Chinasäure, in den Weintrauben Weinsäure); diese Säuren müssen in dem Leben der Pflanze offenbar zu gewissen Zweken dienen. In dieser Voraussezung aber, welche für unbestreitbar gehalten werden darf, ist irgend eine alkalische Basis ebenfalls eine Bedingung ihres Lebens, denn alle diese Säuren kommen in der Pflanze als neutrale oder saure Salze vor. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, sagt Liebig, gewinnen diese Basen eine für die Physiologie und Agricultur hochwichtige Bedeutung, denn es ist klar, daß die Quantität dieser Basen, wenn das Leben der Pflanzen in der That an ihre Gegenwart gebunden ist, unter allen Umständen eben so unveränderlich seyn muß, als es die Sättigungscapacität der Säuren ist. Die Cultur kann in dieser Hinsicht Abweichungen bewirken, und wenn unser Schluß wahr ist, so muß also eine solche Basis, welche in einer Pflanze derselben Art fehlt, ersezt und vertreten seyn durch eine andere von gleichem Wirkungswerth, sie muß ersezt sich vorfinden durch ein Aequivalent von einer der anderen Basen. Die Sauerstoffmenge aller alkalischen Basen zusammengenommen, muß also unter allen Umständen unveränderlich seyn, auf welchem Boden die Pflanzen auch wachsen, welchen Boden sie auch erhalten mögen.Dieser Schluß bezieht sich natürlich nur auf diejenigen alkalischen Basen, welche als pflanzensaure Salze Bestandteile der Pflanze ausmachen, und da wir gerade diese in ihrer Asche als kohlensaure Salze wieder finden, so ist ihre Quantität leicht bestimmbar. Aus Saussure's und Berthier's Analysen von Pflanzenaschen ergibt sich, daß der Boden einen entschiedenen Einfluß auf den Gehalt der Pflanzen an Metalloxyden hat; so enthielt z.B. Fichtenholzasche vom Mont Breven Bittererde, welche in der Asche desselben Baumes vom Gebirge La Salle fehlte; auch waren die Mengen des Kali's und Kalks in den Bäumen der beiden Standorte ebenfalls sehr verschieden. Diese beiden Fichtenaschen von einer so ungleichen Zusammensezung enthalten aber doch eine gleiche Anzahl von Aequivalenten von diesen Metalloxyden und die Zahlen (9,01 und 8,95), welche den Sauerstoffgehalt aller Basen in beiden Fichtenaschen ausdrüken, sind einander so nahe, wie es nur bei Analysen erwartet werden kann. Diese Thatsache ihrem wahren Werth nach erkannt, müssen die alkalischen Basen, welche wir in den Aschen finden, zum Bestehen der Pflanze unentbehrlich seyn; mit ihrer gänzlichen Abwesenheit muß ihrer Ausbildung eine bestimmte Gränze gesezt seyn und beim Mangel an diesen Basen wird ihre Ausbildung gehemmt seyn. Deßwegen kann von zwei Holzarten, welche ungleiche Mengen alkalischer Basen enthalten, die eine auf manchen Bodenarten kräftig sich entwikeln, auf welchen die andere nur kümmerlich vegetirt. So geben 10000 Theile Eichenholz 250 Theile Asche, 10000 Theile Tannenholz aber nur 83; daher wird die Tanne und Fichte auf Granit, auf kahlem Sandboden und Haiden noch hinreichende Mengen alkalischer Basen finden, auf welchen Eichen nicht fortkommen. Diese für die Forst- und Feldwirtschaft in hohem Grade wichtigen Folgerungen lassen sich mit den evidentesten Thatsachen beweisen, wovon wir einige anführen wollen. Nie findet auf einem kaliarmen Sand- oder reinem Kalkboden ein üppiger Graswuchs statt, denn es fehlt ihm ein für die Pflanze durchaus unentbehrlicher Bestandtheil. Basalte, Grauwake, Porphyr geben unter gleichem Verhältnisse den besten Boden zu Wiesen ab, eben weil sie reich an Kali sind. Das hinweggenommene Kali ersezt sich wieder bei dem jährlichen Wässern; der Boden selbst ist verhältnißmäßig für den Bedarf der Pflanze unerschöpflich an diesem Körper. Wenn wir aber, bei dem Gypsen einer Wiese, den Graswuchs steigern, so nehmen wir mit dem Heu eine größere Menge Kali hinweg, was unter gleichen Bedingungen nicht ersezt wird; daher kommt es, daß nach Verlauf von einigen Jahren der Graswuchs auf vielen gegyps'ten Wiesen abnimmt. Werden die Wiesen hingegen von Zeit zu Zeit mit Asche überfahren, so wird ihnen dadurch das fehlende Kali wieder zugeführt und der üppige Graswuchs kehrt zurük. In der Lüneburger Haide gewinnt man dem Boden von je dreißig zu dreißig oder vierzig Jahren eine Ernte an Getreide ab, indem man die darauf wachsenden Haiden (Erica vulgaris) verbrennt, und ihre Asche in dem Boden vertheilt. Diese Pflanze sammelte in dieser langen Zeit das durch den Regen zugeführte Kali und Natron; beide sind es, welche in der Asche dem Hafer, der Gerste oder dem Roggen, die sie nicht entbehren können, die Entwikelung gestatteten. Von einer Erzeugung von Alkalien, Metalloxyden und anorganischen Stoffen überhaupt, kann nach solchen Thatsachen keine Rede mehr seyn. Man findet es bewundernswürdig, daß die Grasarten, deren Samen zur Nahrung dienen, dem Menschen wie ein Hausthier folgen. Keine von unseren Getreidepflanzen kann aber ausgebildete Samen tragen, Samen, welche Mehl geben, ohne eine reichliche Menge von phosphorsaurer Bittererde, ohne Ammoniak zu ihrer Ausbildung vorzufinden. Diese Samen entwikeln sich nur in einem Boden, wo diese drei Bestandtheile sich vereinigt befinden, und kein Boden ist reicher daran als Orte, wo Menschen und Thiere familienartig zusammen wohnen. Die bisher entwikelten Grundsäze wendet nun Liebig auf die Land- und Feldwirtschaft an. Der zweite Theil seines Werkes ist dem chemischen Proceß der Gährung, Fäulniß und Verwesung gewidmet; es sind darin sehr zahlreiche Gegenstände auf eine nicht weniger scharfsinnige Weise behandelt. E. D.