Titel: Ueber ein neues Verfahren Bleiweiß zu fabriciren und die Zusammensezung verschiedener im Handel vorkommender Bleiweißsorten.
Fundstelle: Band 79, Jahrgang 1841, Nr. XLVI., S. 221
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XLVI. Ueber ein neues Verfahren Bleiweiß zu fabriciren und die Zusammensezung verschiedener im Handel vorkommender Bleiweißsorten. Ueber ein neues Verfahren Bleiweiß zu fabriciren. Payen und Ure haben bekanntlich zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß das nach dem gewöhnlichen holländischen Verfahren bereitete Bleiweiß amorph und im Oehl undurchsichtig ist, das durch Kohlensäure aus Bleiessig gefällte kohlensaure Blei hingegen halbkrystallinisch und bis auf einen gewissen Grad durchsichtig ist. Benson Polytechn. Journal Bd. LXXIV. S. 223. theilte bald darauf der Versammlung brittischer Naturforscher in Birmingham (im J. 1839) die interessante Thatsache mit, daß in Birmingham schon seit längerer Zeit ein Verfahren Bleiweiß durch Fällung zu bereiten bekannt sey und im Großen angewandt werde, wobei der nachtheilige Umstand, daß das Product wie gewöhnlich den halbkrystallinischen Zustand annimmt, vermieden wird. „Der Proceß hiebei, sagt er, ist derselbe wie bei der Bereitung des Bleiweißes durch Präcipitation nach dem französischen Verfahren, indem man das Blei ebenfalls zuerst in basisch essigsaures Blei verwandelt und dann durch Kohlensäure zersezt; bei dem neuen Verfahren ist aber der Druk des Wassers beseitigt, indem sich das kohlensaure Blei nicht aus einer Auflösung absezt, sondern die Theilchen desselben im Gegentheil gar nie aus dem festen Zustand herauskommen, so daß sie sich nicht symmetrisch anzuordnen vermögen. Man mußte nämlich, um amorphes kohlensaures Blei oder Bleiweiß aus Bleiglätte zu fabriciren, das Bleioxyd mit einer so geringen Menge Essigsäure in Berührung bringen, daß sich ein unauflösliches basisches Salz bildete, dessen Feuchtigkeit gerade noch hinreichend war, eine Zersezung durch die Kohlensäure zu gestatten.“ Hr. Preisser, Professor der Chemie und Physik in Rouen, welcher die Fabrik in Birmingham, wo das neue Verfahren in großem Maaßstabe in Gang ist, zu sehen Gelegenheit hatte, theilt darüber in seiner Broschüre: Voyage industriel en Angleterre, en Irlande et en Ecosse Folgendes mit: „Das metallische Blei gelangt von dem Kessel, worin es geschmolzen wird, in einen großen Flammofen, in welchen ein Ventilator beständig Luft treibt. Das Blei zertheilt sich, bietet der Luft eine große Oberfläche dar und läuft in einen Canal, dessen Seitenwände mit kleinen Oeffnungen versehen sind, durch welche die Bleiglätte entweicht, während das schwerere Silber auf dem Boden zurükbleibt. Die sehr zertheilte Bleiglätte, welche man so erhält, wird mit einem Procent ihres Gewichts Bleizukerlösung befeuchtet und sodann in horizontale Tröge gebracht, welche an ihrem oberen Theile verschlossen sind und unter sich communiciren. In diesem Zustande läßt man beständig einen Strom unreiner Kohlensäure durch sie streichen, welche man durch Verbrennen von Kohks in einem mit zwei guten Ventilatoren gespeisten Ofen erhält. Diese Ventilatoren üben einen hinreichenden Druk aus, um das Gas, welches man behufs der Abkühlung durch Röhren leitet, die mit Wasser umgeben sind, bis zur Glättemasse zu treiben, die es allenthalben durchdringt. Uebrigens bewegen Rechen, die durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesezt werden, das Oxyd beständig und begünstigen seine Verbindung mit der Kohlensäure.“ Prof. Stratingh in Gröningen ist nach einem bis jezt noch unbekannten Verfahren ebenfalls dazu gelangt, ein sehr dichtes Bleiweiß von äußerst schöner Weiße zu bereiten. Der Unterschied dieses Bleiweißes von dem gewöhnlichen in Holland fabricirten und mehreren ausländischen Sorten, veranlaßte Hrn. Prof. G. J. Mulder die verschiedenen Bleiweißarten zu untersuchen, besonders deßhalb, weil das Bleiweiß von Stratingh mit Mohnöhl gemengt und in dünner Lage auf eine Glasplatte aufgetragen, im Dunkeln sich fast unveränderlich erhält, während die meisten anderen, selbst schon nach einigen Tagen, eine mehr oder weniger grauliche Farbe annehmen. Die Resultate von Mulder's Versuchen reihen wir aus seiner Abhandlung über diesen Gegenstand (Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. XXXIII. S. 242) hier an; sie dürften wesentlich dazu beitragen, einmal eine Methode zu finden, das Bleiweiß im vollkommensten Zustande zu bereiten. Alle der Untersuchung unterworfenen Bleiweißsorten waren reines Bleiweiß, d.h. sie waren nicht verfälscht, mit Ausnahme einer Sorte von Krems, die mit einer geringen Menge einer blauen organischen Materie, wahrscheinlich Indigo, gemengt war. Aezkali und Salpetersäure lösten sie ohne Rükstand auf. Nach dem Glühen hinterließen sie reines Oxyd, ausgenommen das von Krems, welches gleichzeitig etwas, durch die Verbrennung der organischen Materie reducirtes metallisches Blei gab; die nach der in Holland gewöhnlichen Methode bereiteten Sorten enthalten, wie man weiß, eine sehr geringe Quantität von metallischem Blei und Schwefelblei, was von der unvollkommenen Bereitungsart herrührt. Das Resultat der Untersuchung war, daß in dem Bleiweiß, außer neutralem kohlensaurem Bleioxyd, noch Bleioxydhydrat und einige zufällige Producte enthalten sind. Behufs der Untersuchung wurde eine gewogene Quantität mit einem Ueberschuß von Kalk und destillirtem Wasser gekocht. Nach langer Behandlung wurde durch das Filtrat ein Strom von Kohlensäure geleitet, die Flüssigkeit aufgekocht, filtrirt, verdampft, von Neuem filtrirt und zur Trokene gebracht. Die holländischen, Kremser und englischen Sorten gaben keinen essigsauren Kalk in wägbarer Menge. Man bekam eine sehr kleine Menge eines zerfließlichen, in Alkohol löslichen Salzes, das durch kleesaures Ammoniak und salpetersaures Silberoxyd gefällt wurde. Es war Chlorcalcium, das ohne Zweifel aus etwas Chlorblei entstanden war, welches sich mit dem kohlensauren Bleioxyd gemischt fand. Dieses Chlorblei würde das Resultat der Zersezung des Bleisalzes mit dem Kochsalz seyn, welches in jedem gewöhnlichen Wasser in geringer Menge vorhanden ist; es hat sich demnach, bei dem Kremser und englischen Weiß, wahrscheinlich während des Waschens gebildet; im holländischen Bleiweiß kann es schon während der Bereitung aus den Chlorüren der Alkalimetalle entstehen, welche sich in dem angewendeten gewöhnlichen Essig vorfinden. Das Stratingh'sche Bleiweiß gibt, auf dem beschriebenen Wege, kein Chlorcalcium, wohl aber einen wägbaren Rükstand von essigsaurem Kalk. Es geht daraus hervor, daß man bei seiner Bereitung ganz reines Wasser anwendet. Wenn man das Bleiweiß in verdünnter Essigsäure auflöst, so bleibt bei allen holländischen Sorten etwas metallisches Blei, Schwefelblei, Chlorblei und schwefelsaures Bleioxyd zurük. Die beiden lezteren Salze sind auch im Kremser und englischen Weiß, nicht aber in wägbarer Menge im Stratingh'schen Fabricat enthalten. Zur Ausmittelung des hygroskopischen Wassers wurde eine gewogene Menge bei 130° C. getroknet, eine andere calcinirt und der Rükstand gewogen. Eine andere endlich wurde wie bei der Elementaranalyse verbrannt; in der Chlorcalciumröhre sammelte sich das hygroskopische und das Hydratwasser; bei den Stratingh'schen Sorten auch noch die kleine Menge Essigsäure, die wohl theilweise in Aceton zersezt wurde; im Liebig'schen Apparate wurde die Kohlensäure aufgefangen. Holländisches Bleiweiß. Mehrere Muster lieferten bei der Analyse im Mittel: Kohlensaͤure   11,67    2 Atome. Hygroskopisches Wasser     0,34 Hydratwasser     2,09    1 At. Bleioxyd   86,24    3 At. –––––– 100,34. Diese Zusammensezung läßt sich nur durch die Formel Pb O, H² O + 2 (Pb O, CO²), oder zwei Atome neutrales kohlensaures Bleioxyd und ein Atom Bleioxydhydrat ausdrüken. Eine Sorte englisches Bleiweiß gab fast genau dasselbe Resultat. Kremser Weiß. Die Zusammensezung eines solchen stimmte mehr mit der Formel Pb O, H² O + 2 (Pb O, CO²) überein, denn es enthielt in 100 Theilen: Kohlensaͤure   12,72    3 Atome. Hydratwasser     1,72    1 At. Bleioxyd   85,56    4 At. –––––– 100,00. Die mitgeteilten Versuche zeigen, daß das reine käufliche Bleiweiß weder ein neutrales noch ein basisches kohlensaures Bleioxyd ist, sondern ein Gemenge von kohlensaurem Bleioxyd mit Bleioxydhydrat, welches man im isolirten Zustande noch nicht kannte; daß das holländische, eben so wie das englische und Kremser Bleiweiß, hinsichtlich ihres Gehalts an Hydrat variiren; daß außer diesen beiden Materien noch eine geringe Menge von essigsaurem, schwefelsaurem Bleioxyd und Chlorblei darin enthalten ist und daß das holländische Bleiweiß endlich etwas metallisches und Schwefelblei enthält. – Das Stratingh'sche Bleiweiß zeichnet sich durch seinen größeren Gehalt an kohlensaurem Salz, durch die Abwesenheit von Blei, Schwefelblei, Chlorblei und schwefelsaurem Bleioxyd aus; es enthält aber dafür mehr essigsaures Salz. Darf man diesem lezteren den höheren Werth des Stratingh'schen Fabricats und seine Fähigkeit im Dunkeln unverändert zu bleiben, wenn es mit Mohnöhl gemengt und auf eine Glasplatte aufgetragen ist, zuschreiben? Dieß ist nicht wahrscheinlich, hauptsächlich weil es selbst unter den gewöhnlichen holländischen Sorten Bleiweiße gibt, die 1/2 Proc. Essigsäure enthalten und sich doch nach wenigen Tagen im Dunkeln verändern. Es scheint aber, daß der Hydratgehalt die Ursache dieser Farbenänderung ist und daß das Bleiweiß sich im Dunkeln um so besser hält, je weniger es davon enthält. Das Kremser Weiß, welches am wenigsten Kohlensäure bei der Analyse lieferte, verändert sich zuerst und am stärksten, während ein neutrales kohlensaures Bleioxyd mit Mohnöhl gemengt selbst im Dunkeln unverändert blieb. Da nun höchst wahrscheinlich die Farbe um so haltbarer ist, je größer der Kohlensäuregehalt, so muß man bei der Bleiweißbereitung dahin streben, die Quantität des kohlensauren Bleioxyds zu vermehren und die des Hydrats zu vermindern. Durch einen Strom von Kohlensäure kann man dieß aber nicht erreichen, denn die Leichtigkeit, mit welcher das Bleioxyd Kohlensäure absorbirt, ist in dem Bleiweiß durch irgend eine thätige Ursache aufgehoben, welche nur in einer innigen Verbindung des Bleioxydhydrates mit dem kohlensauren Bleioxyd selbst gesucht werden darf. Die Analyse von französischem oder schwedischem Bleiweiß wird zeigen, ob sich darin außer dem Hydratwasser noch Essigsäure in merklicher Menge vorfindet.