Titel: Beschreibung des Dampfwagens für gewöhnliche Straßen, welcher von Hrn. Ch. Dietz, Mechaniker in Paris, rue de Marboeuf No. 11, erfunden wurde.
Fundstelle: Band 80, Jahrgang 1841, Nr. XVI., S. 81
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XVI. Beschreibung des Dampfwagens fuͤr gewoͤhnliche Straßen, welcher von Hrn. Ch. Dietz, Mechaniker in Paris, rue de Marboeuf No. 11, erfunden wurde. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement. Jan. 1841, S. 5. Mit Abbildungen auf Tab. III und IV. Beschreibung des von Dietz erfundenen Dampfwagens fuͤr gewoͤhnliche Straßen. Der Dampfwagen für gewöhnliche Straßen von Hrn. Ch. Dietz, über welchen Hr. Olivier einen günstigen Bericht (im polytechn. Journal Bd. LXXIX. S. 401) erstattete, besteht in der Hauptsache aus zwei Dampfcylindern, welche mit einem Röhrendampfkessel nach Art derjenigen, wie sie bei Locomotiven auf Eisenbahnen angewendet werden (jedoch mit kreisrundem Feuerraum) verbunden sind. Die bewegende Kraft wirkt nicht direct auf die Achse der Räder, sondern sie trägt die Bewegung erst mit Hülfe einer Kette ohne Ende auf zwei große Räder über, welche auf dem Erdboden aufstehen; sechs andere kleinere Räder, die durch einen eigenthümlichen Mechanismus untereinander verbunden sind, durch welchen man sie in allen Richtungen drehen kann, tragen den Dampfwagen, der mit allen einzelnen Theilen auf Taf. III und IV, Fig. 113, dargestellt ist. Fig. 1, Taf. III, ist eine Seitenansicht des Straßen-Dampfwagens, welche zeigt, wie die Treib- und die Leitungsräder angebracht sind. Fig. 2 ist ein verticaler Längendurchschnitt, in welchem man die verschiedenen Stüke sieht, die zur Uebertragung der Bewegung dienen. Fig. 3 das System der Räder von Oben gesehen, mit ihren Verbindungsstangen. Fig. 4 ein Theil des vor dem Wagen angebrachten Mechanismus, womit man den Rädern die nöthige Richtung gibt. Fig. 5 und 6 Ansicht und Durchschnitt eines Theiles von einem Treibrade. Fig. 7 und 8 Durchschnitt, Flächen- und Seitenansicht von einem der Leiträder. Fig. 9, 10 und 11 Ansicht und Durchschnitt von dem Sperrrade und seinem Mechanismus, nebst dem Stüke, an welchem die zwei Sperrkegel angebracht sind. Fig. 12 Seitenansicht des Tenders oder Transportwagens für Wasser und Kohlen. Fig. 13 das gegliederte Gestell, welches den Tender trägt, von Oben angesehen. Dieselben Buchstaben bezeichnen dieselben Stüke in den Fig. 1, 2, 3 und 4. A der cylindrische Dampfkessel, durch dessen ganze Länge die Röhren A¹ gehen, durch welche die Wärme zieht. B der cylindrische Feuerraum. B¹ der Rost. B'' die Heizöffnung. C eine auf dem Dampfkessel befindliche Kuppel. der Raum, welcher die zwei Cylinder einschließt, und in welchem sich der Rauch vereinigt, wenn er aus der Röhre A kömmt. Die Pfeile zeigen seine Richtung an. D die zwei Dampfcylinder. E der Kamin von Blech, welcher über den Dampfkessel hervorragt, hier aber wegen Mangel an Raum nicht in seiner ganzen Höhe gezeichnet werden konnte. F das Eintrittsrohr des Dampfes; es ist gekrümmt und an seinem oberen Ende erweitert. Das andere Ende ist nach Unten gekrümmt und steht mit der Dampfbüchse des Cylinders in Verbindung. Die Pfeile zeigen die Richtung des Dampfes an. G ein Rohr, welches Dampf von dem Cylinder D in den Kamin ausströmen läßt, um dadurch den Zug des Feuers zu vermehren. H die Kolbenstange. I eine gekrümmte Eisenstange aus einem einzigen Stüke; sie ist an der Kolbenstange befestigt, und ihre beiden Enden sind an das Führungsstük I' geschraubt, welches zwischen den Leitschienen R, R gleitet. J eine Lenkstange, welche mit dem Führungsstük I' verbunden ist, und mit Hülfe der Kurbel M die hin- und hergehende Bewegung des Kolbens in eine kreisförmige verwandelt. L eine mit Zähnen versehene Scheibe, welche auf der Kurbelachse bleibend befestigt ist. Die Achse mit den Kurbeln K wird durch zwei eiserne Lager M getragen. N Achse der Treibräder O, O. O', O', O¹ die Leiträder, sechs an der Zahl. P eine auf der Achse N befestigte, an ihrem Umfang gezahnte Scheibe; sie ist um ein Fünftel größer als die Scheibe L. Q eine Kette ohne Ende, welche die Scheiben L und P umfaßt, und deren Glieder in die Zähne derselben eingreifen; sie dient, die Wirkung der Triebkraft auf die Achse N und folglich auf die zwei Räder O, O überzutragen. Man spannt sie mit Hülfe einer Stellschraube. S ein Schiebventil, durch welches der Dampf über und unter den Kolben geleitet werden kann; es erhält seine hin- und hergehende Bewegung durch die Stange T', welche mit einem Excentricum, das auf der Achse der Kurbeln K, K sizt, verbunden ist. T die messingene Speisepumpe mit Kugelventilen. Ihre Kolbenstange ist mit der Stange I verbunden, durch welche sie bewegt wird. T'' das mit einem Hahne versehene Speiserohr; es geht bis zu dem Wasserreservoir, welches auf dem Tender befindlich ist. Diese Pumpen sind doppelt, und man kann noch eine dritte an dem Plaze V vor der Heizthüre anbringen, um den Dampfkessel auch zu speisen, während der Wagen still steht, wenn man es für nöthig erachtet. U, U die Sicherheitsventile, welche auf dem Obertheile des Dampfkessels angebracht sind. Auch befinden sich an dem Kessel zwei Scheiben von leichtflüssigem Metalle, drei Probirhähne, ein Wasserstandszeiger und ein Manometer. X der Siz des Conducteurs. Y ein Kreuz, wodurch der Conducteur auf den Mechanismus einwirkt, welcher dem Wagen die gewünschte Richtung mittheilt. Z ein Hebel mit einem Handgriff, der mit dem Hahne, durch welchen der Dampf in den Cylinder D eintritt, verbunden ist; er befindet sich an der Seite des Conducteurs, der ihn dreht, wenn er die Bewegung einstellen will. S' Befestigungspunkt für den Tender. Beschreibung der Räder und des Mechanismus zum Lenken des Wagens. (Fig. 1, 3 und 4 auf Taf. III.) Die Treibräder O, O haben eine doppelte Reihe Speichen. (Fig. 5 und 6.) a, a die Speichen von Holz, wovon immer zwei einander gegenüber stehen. b, b die doppelten Felgen, welche in zwei Lagen übereinander liegen und durch Schrauben c, c vereinigt sind. d ein Zwischenstük, durch welches die Speichen von einander getrennt werden. e, e die Zapfen der Speichen. f, f Holzstüke, welche auf dem Umfang der Felgen b aufgenagelt sind; sie sind nebeneinander gestellt und zwischen zwei eisernen Reifen h, h eingeschlossen, welche auf jeder Seite des Rades aufgeschraubt sind und ungefähr 4 Centimeter über die Felgen vorstehen. Die 20 eisernen Stüke g, g von gleichen Größen sind quer über die Felgen gesezt und zwischen die Reifen h, h eingenietet. Die leeren Räume, welche zwischen diesen Eisenstüken entstehen, werden durch die schon erwähnten über Hirn gestellten Holzstüke f, f (von Eichen- oder Ulmenholz) ausgefüllt und fest genagelt; wenn sie abgenüzt sind, können sie leicht wieder ersezt werden. Diese Holzfütterung am Umfange der Treibräder hat den Zwek, die Stöße des Wagens auf holperichten Wegen zum Theil aufzuheben. Die Leiträder O', O', Fig. 7 und 8, welche zwischen drehbaren Bügeln O'', O'' nach Art der Bettrollen aufgezogen sind, sind auf dieselbe Art wie die Treibräder construirt, haben jedoch nur einfache Speichen K und Felgen, welche wie gewöhnlich mit einem eisernen Ring l umgeben sind. Die Speichen sind in eine Nabe eingefügt und treten mit einem Zapfen in die Felge m. Zwei Scheiben n, n, wovon die eine mit der Nabe aus einem Stüke gegossen ist, halten die Speichen fest zwischen sich. Die Achsen V' der Bügel O'' drehen sich mit geringer Reibung in den Halsringen C'', C'', welche an die Seitenwände des Kessels aufgeschraubt sind. Die Federn D', D' sind sehr kräftig, aber durch ihre besondere Einrichtung federn sie sich in beträchtlichen Gränzen; sie sind über den kleinen Rädern angebracht und werden durch zwei Stangen E', E' gehalten; sie können durch zwei Schraubenmuttern o, o, welche auf die Enden der Stangen E', E' aufgeschraubt werden, nach Belieben gespannt werden; diese Federn stüzen sich beständig auf das Ende der Achsen der Bügel O'', und dadurch folglich auf die Achsen der kleinen Räder O'. F', ', Fig. 3, Zugstangen, welche sich längs des Dampfwagens erstreken und wodurch man auf die zwei hinteren Räder einwirkt; sie sind durch ein Gelenke mit den Hebelarmen I', I', die an den Bügeln O'' befestigt sind, verbunden; mit denselben kann man die Räder in eine Stellung bringen, welche zu der beschreibenden Curve tangential ist, wie es die punktirten Linien anzeigen. G' andere Stangen, welche dazu dienen, die vier vorderen Räder untereinander zu verbinden. H' Stangen, welche an den zwei hinteren Rädern der vorderen Abtheilung befestigt sind, und sich in eine Zahnstange K' endigen. Die Stange F' endigt ebenfalls in eine Zahnstange, in welche ein Getriebe J' eingreift, wie man in Fig. 1 sieht. Dieses Getriebe schiebt, wenn es gedreht wird, die Stangen F' und H' abwechselnd vor- und rükwärts. L', L', Fig. 3 und 4, sind zwei querüber stehende Achsen, auf deren äußeren Enden die Getriebe J' und auf deren anderen, nach Innen stehenden Enden die konischen Räder M', M' sizen, welche durch ein Getriebe P' geführt werden; lezteres ist auf der verticalen Lenkstange N' aufgezogen, welche durch das daran befindliche Kreuz Y von dem Conducteur gedreht werden kann. Die Stangen F', G', H' sind mit den Leiträdern durch Hebelarme I', I', I' mittelst der doppelten Gelenke U', U' verbunden. Wenn man die Einrichtung dieses Mechanismus wohl begriffen hat, wird es nicht mehr schwer seyn, die Wirkung zu verstehen, durch welche dem Dampfwagen die gewünschte Richtung der Bewegung mitgetheilt wird. Nehmen wir an, daß der Conducteur die Steuerstange N' links drehe, so werden durch die Verbindung der Getriebe mit den Winkelrädern und den Zahnstangen die vier vorderen Räder ebenfalls genöthigt werden, sich links zu drehen, während die zwei hinteren Räder sich rechts drehen. (Fig. 3.) Die entgegengesezte Bewegung erhält man, wenn man die Steuerstange rechts dreht. Man wird bemerken, daß die Arme der Hebel I', I' an den vorderen Rädern kürzer, als die der anderen Räder sind. Durch diese Einrichtung convergiren die zwei vorderen Räder mehr als die übrigen (wegen ihrer Entfernung von dem Mittelpunkte der Drehung, welcher sich in der großen Treibachse befindet), damit die Achsenlinien aller Räder, wie eben so viele Radien nach dem Mittelpunkte des Kreises gerichtet sind, der von dem Wagen beschrieben wird. Die beiden Treibräder sizen frei auf der Achse; sie sind mit ihr nur durch ein Sperrrad (Fig. 9, 10 und 11), welches fest an dem Rade angeschraubt ist, verbunden, um ihnen die bewegende Kraft der Maschine mitzutheilen. Dieser Mechanismus besteht in Folgendem: das Stük mit den Armen p, p, Fig. 9, ist bleibend auf der Achse u durch zwei Schließen befestigt; mit diesen Armen sind zwei Sperrkegel q, q durch Scharniere verbunden; diese Sperrkegel stüzen sich beständig im Innern des Rades gegen die Zähne t, t, durch die Federn r, r angedrükt. Das Sperrrad s, s ist fest an die Speichen des Rades (Fig. 5) geschraubt. Die Dekplatte (Fig. 11) ist außerhalb des Rades aufgeschraubt. Die Schrauben i, i dienen, das Sperrrad zu befestigen, und die Speichen a, a zusammenzuhalten. Diese Einrichtung, die Räder lose auf die Achse zu sezen, ist zum Lenken des Wagens unumgänglich nothwendig. Nehmen wir an, daß man den Wagen von seiner Richtung rechts ablenken wolle, so wird das rechte Rad allein, durch seine Berührung mit dem Boden, den Wagen vorwärts bewegen, denn das Rad auf der linken Seite wird genöthigt seyn, eine größere Geschwindigkeit anzunehmen, weil es einen größeren Kreis beschreibt. Wenn die Achse u, Fig. 9, durch ihre Kreisbewegung in der durch einen Pfeil angedeuteten Richtung das Stük mit den Armen p, p mit sich fortführt, so ist klar, daß auch das Sperrrad genöthigt ist, dieser Richtung zu folgen, weil die Sperrkegel q, q sich gegen die Zähne t, t stüzen. Hat im Gegentheil das Rad eine schnellere Bewegung als die Achse, was bei demjenigen Rade stattfindet, welches den größeren Kreis beschreibt, wenn der Wagen seine Richtung ändert, so werden die Sperrkegel keinen Widerstand mehr finden, sie werden durch die Neigung der Zähne des Sperrrades nach Innen gedrängt und biegen dadurch die Federn r, r zurük, so daß folglich keine Verbindung zwischen der Achse und dem Rade mehr stattfindet. Jedes Treibrad ist übrigens noch mit einer großen Feder Q' versehen, deren Mitte sich auf die Achse stüzt und deren Enden an dem Dampfkessel befestigt sind. Eine Stellschraube R¹ dient zum Spannen dieser Federn. Der Tender oder Transportwagen für Wasser und Kohks ist in Fig. 12 und 13 auf Tab. IV in einer Seitenansicht und von Oben dargestellt. A ist das Wasserreservoir von Blech, in dessen Mitte ein freier Raum zur Aufnahme von Kohks sich befindet. B, B sind Tragrahmen von Holz, welche durch die Bolzen D, D unter dem Boden des Wagens gehalten werden. C, C zwei Ketten, deren Enden mit den Sectoren C', C' verbunden sind. Diese Ketten kreuzen sich in der Art, daß die zwei Wagenabtheilungen dadurch unter einander verbunden werden. Durch diese Einrichtung wird, wenn sich die vordere Abtheilung rechts dreht, die hintere sich links drehen, und so umgekehrt. E, E sind Federn, an den Rahmen und den Achsen befestigt. Die hintere Wagenabtheilung ist der vorderen ähnlich. F eine doppelte Zugstange von Eisen, welche nahe an den Rädern I mit der Wagenachse durch ein Gelenk verbunden ist. Dieses Stük endigt sich in eine Dülle H; ein doppeltes Scharnier dient, den Tender mit dem Dampfwagen zu verbinden. K Zugstangen von derselben Construction wie die vorigen; sie dienen, den Tender mit dem nächstfolgenden Wagen zu verbinden. Diese Wagen sind bestimmt, Personen oder Waaren aufzunehmen, und sind ebenfalls durch Gelenke verbunden; sie sind mit 4, 6 oder 8 Rädern versehen, je nach der Last, die sie zu tragen haben. Wenn es ein Wagen mit 6 Rädern ist, so können die zwei mittleren nicht verstellt werden; das Verstellen der vorderen und hinteren Räder geschieht wie in Fig. 13. Hat der Wagen 8 Räder, so sind alle acht zu verstellen; in diesem Falle convergiren die zwei vorderen und die zwei hinteren Räder mehr, als die vier mittleren. Der Mechanismus, um die Bewegung zu erzeugen, ist derselbe wie der vorhergehende, nur sind die Längen der Sectoren, an welchen die Ketten befestigt sind, einander nicht gleich. Bei den Wagen mit 8 Rädern drehen sich die 4 vorderen rechts, während die 4 hinteren sich links drehen, und so umgekehrt.