Titel: | Ueber die neuere Verbesserung des Daguerreotyps, und die Anwendung desselben zum Portraitiren lebender Personen. |
Fundstelle: | Band 80, Jahrgang 1841, Nr. LVIII., S. 229 |
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LVIII.
Ueber die neuere Verbesserung des Daguerreotyps,
und die Anwendung desselben zum Portraitiren lebender Personen.
Ueber die neuere Verbesserung des Daguerreotyps zum Portraitiren
lebender Personen.
Als vor zwei Jahren die erste Kunde von Daguerre's
wunderbarer Entdekung durch die Zeitungen kam, gab man sich der schönen Hoffnung
hin, durch die Camera obscura mittelst der neuen
Procedur Portraite erhalten zu können, gegen welche alle andern, selbst von der
größten Künstlerhand verfertigten, wenigstens in Bezug auf Aehnlichkeit zurükstehen
müßten; allein Arago's Ausspruch, daß man wohl schwerlich
nach Daguerre's Verfahren Portraite von lebenden Personen
werde abnehmen können, da es doch nicht wohl möglich sey, 10 bis 12 Minuten, oder im
Schatten noch länger ruhig und ohne Augenblinzeln zu sizen, machte die gehegte
Hoffnung, wenn auch nicht ganz scheitern, doch den gewünschten Erfolg sehr
zweifelhaft. – Indessen hatte bald darauf ein Schweizer, der Maler Isenring von St. Gallen, doch versucht, mit Hülfe des
Daguerreotyps von lebenden Personen Portraite zu verfertigen, und wenn sie auch die
zu wünschende Schärfe und Reinheit nicht hatten, so lag der Grund davon einmal in
der zum Sizen der im Sonnenlichte befindlichen Person erforderlichen zu langen Zeit,
und dann darin, daß er die Köpfe in solcher Größe abbildete, wie sie die angewendete
Linse nie, selbst beim ruhigsten Sizen der Person, scharf hätte darstellen können.
Daher das Verwaschene dieser Portraite, das besonders an den Augen störend
hervortreten mußte, und dem Isenring dadurch abzuhelfen
suchte, daß er das Glänzende des Auges durch Bloßlegen oder Rizen der Silberplatte
an der entsprechenden Stelle darstelle.
Auch in England hat man sich des Daguerreotyps zur Herstellung von Portraits lebender
Personen bedient, und erst jüngst ließ sich Richard Beard
am Egremont Place in Middlesex, ein Patent auf eine neue Einrichtung des
Daguerreotyps und sein Verfahren die Platten zu präpariren, verleihen (Repertory of Patent-Inventions März 1841, S.
137). Er wendet, statt wie bisher Linsen, einen Hohlspiegel von 7 Zoll Oeffnung und
12 Zoll Brennweite an, der in einem passenden Kasten an der Rükseite befestigt, mit
der Spiegelfläche gegen das Object gekehrt ist, und so in der Vereinigungsweite der
Strahlen ein Bild von demselben entwirft. In einer mit der Achse des Spiegels
parallelen Nuth ist ein Träger verschiebbar, auf welchem in einem eigenen Rahmen die
zur Aufnahme des Bildes bestimmte 2 1/2 Zoll lange und 2 Zoll hohe Platte so
befestigt wird, daß ihre
Mitte senkrecht auf der Achse des Spiegels steht; das Einstellen erfolgt durch
Verschiebung des Trägers in der Nuth, bis auf einer Probeplatte ein scharfes Bild
vom Gegenstande erscheint. – Die silberplattirten Kupferplatten werden
paarweise mit den Silberflächen gegen einander gelegt und nachdem sie zuvor mit
Baumwolle und verdünnter Säure gereinigt worden, durch Plättwalzen fünf- bis
sechsmal getrieben; sodann geglüht und noch einmal so gewalzt, daß sie dabei etwas
dünner werden. Diese Operation wird so lange wiederholt, bis die Silberflächen eine
hohe Politur angenommen haben. Das Reinigen der Platten geschieht mit Baumwolle und
Trippel, zuerst mit Salpetersäure, dann troken. Das Verfahren beim Jodiren ist vom
bisherigen insofern verschieden, als hier nicht Jod allein, sondern entweder
Jodauflösung mit Salpetersäure, oder mit Brom, oder mit beiden, oder mit Bromsäure
angewendet wird, wodurch die Empfindlichkeit der Platten erhöht werden soll.
– Die weiteren Operationen erfolgen nach der von Daguerre angegebenen Methode, wobei jedoch der Optiker Davidson (Jameson's
new philosophical Journal, Januar 1841, S. 178) angibt,
daß man, um ein lebhaftes von dem bekannten blauen Tone, den die französischen
Bilder zeigen, freies Bild zu erhalten, das Queksilber sehr langsam, etwa 10 Minuten
lang, bis zu der Höhe von etwa 75° C. steigen lassen müsse.
Beard's Anrichtung wird jedoch ihrem Zwek zum
Portraitiren deßwegen nicht genügen, weil die zu portraitirende Person durch von
einem Spiegel reflectirtes Sonnenlicht beleuchtet wird, was Niemand auch nur eine
halbe Minute auszuhalten im Stande ist.
Je unzulänglicher die bisher angegebenen Vorrichtungen und je unvollkommener die
damit erhaltenen Resultate waren, desto vollendeter sind jene Portraits, welche
durch einen von den Optikern Voigtländer und Sohn in Wien verfertigten Apparat erhalten werden. Es
gehört dem k. k. Professor der höheren Mathematik an der Wiener Universität, Petzval, das Verdienst, die Krümmungshalbmesser der an
diesem Apparate befindlichen Linsen durch eine äußerst schwierige und große Rechnung
bestimmt zu haben, wobei derselbe, wie aus guter Quelle bekannt, durch das
persönliche Interesse S. k. k. Hoheit des Erzherzogs Ludwig unterstüzt wurde.
– Das Objectiv des neuen Voigtländer'schen
Apparats besteht aus zwei in einer Entfernung von etwa 2 Zoll von einander
befindlichen Linsen, deren eine 18, die andere 19 Wiener Linien reine Oeffnung hat. Die Brennweite des Systems beträgt 4
par. Zoll, und die Wirkung desselben erfolgt so schnell, daß in gegenwärtiger Zeit
(April) von einem von der Sonne beschienenen Objecte in 30 Secunden ein lebhaftes Bild erhalten wird.
Portraits von im Schatten sizenden Personen werden in größter Reinheit, so daß man
selbst den Glanz der Pupille sieht, in 2–2 1/2 Minuten erhalten.
Das Reinigen der Platten erfolgt, indem man zuerst die erhizte und sodann abgekühlte
Platte mit Oehl und Trippel, dann mit Oehl und feinem Knochenmehl, und hierauf mit
trokenem Knochenmehl so lange mit reiner Baumwolle abreibt, bis alles Oehl von der
Platte beseitigt ist, was man daran erkennt, daß wenn man nachher dieselbe mit
Knochenmehl und destillirtem Wasser puzt, das Wasser überall gleichförmig die Platte
benezt. Zulezt wird das Reinigen mit trokenem Knochenmehl und trokener Baumwolle
noch einige Zeit fortgesezt, wobei eine weit vollkommnere Politur, als sie Daguerre's Verfahren gibt, erzwekt wird. Bei der
Operation des Queksilberns erhizt man, ehe man die Platte in den dazu gehörigen
Kasten bringt bis 75° C., und erst dann wird dieselbe eingesezt und darin
behalten, bis das Bild die gehörige Lebhaftigkeit hat.
Noch weit überraschender aber sind die Resultate, die mit demselben Linsensystem
durch ein ganz jüngst von dem k. k. österreichischen Beamten Kratochwilla und den Gebrüdern Natterer
erfundenen Verfahren, die Silberplatte empfindlicher zu machen, erhalten werden.
– Die Operation, wodurch diese außerordentliche Empfindlichkeit der Platte
mitgetheilt wird, besteht einfach darin, daß man die rein gepuzte, schön goldgelb
jodirte Platte einige Secunden lang über Chlorwasser oder Chlorkalk hält, wodurch
die gelbliche Färbung dunkler wird, und die Platte ist am empfindlichsten, wenn die
Färbung einen Stich ins Rothe bekommt. Noch empfindlicher soll die Platte werden,
wenn man dem Chlor etwas Brom beimischt. Mit solchen empfindlichen Platten und mit
Voigtländer's
Camera obscura werden nun bei trübem Wetter binnen 5 bis
6 Secunden, bei einem hellen Tage (im Schatten) binnen 2 Secunden, und im directen
Sonnenlichte in der unmeßbaren Zeit des Abnehmens und schnellen Wiederschließens des
vor den Linsen angebrachten Dekels, Portraite und andere Bilder gemacht, die alle
Erwartungen weit übertreffen. Ganze Familiengruppen hat man schon auf diese Weise
daguerreotypirt, in denen die einzelnen Personen die sprechendste Aehnlichkeit
besizen; belebte Straßen, in denen Menschen und Thiere das bunte Gewirre des Tages
darstellen, Bilder verschiedener naturhistorischer Gegenstände etc. Mit solchen
empfindlichen Platten können selbst bei dem gewöhnlichen Lampenlichte Lichtbilder
erzeugt werden, indem ein Kupferstich binnen 35 Minuten copirt wurde, während eine
auf gewöhnliche Weise jodirte Silberplatte nach einer einstündigen Einwirkung keine Spur eines Bildes
an sich trug und bloß die Flamme der Lampen schwach bezeichnete.
Durch diese neuen Verbesserungen und Entdekungen der
Wiener Gelehrten ist der Daguerre'schen Erfindung ein
weit höherer praktischer Werth verliehen worden, indem wir der vor ein paar Monaten
in der Allgemeinen Zeitung enthaltenen Nachricht, daß Daguerre nun der Platte eine solche Empfindlichkeit verleihen könne, daß
kaum eine Secunde das Licht einzuwirken habe, um so weniger Glauben schenken
möchten, als seitdem derselbe Ludwig Philipp in einer Zeit von 3 1/2 Minuten auf dem
Balcon der Tuilerien portraitirte.