Titel: | Ueber den Ursprung, die Fabrication und die Zusammensezung des Lakmus, wie es im Handel vorkommt; von M. Amadäus Gélis. |
Fundstelle: | Band 82, Jahrgang 1841, Nr. XV., S. 50 |
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XV.
Ueber den Ursprung, die Fabrication und die
Zusammensezung des Lakmus, wie es im Handel vorkommt; von M. Amadaͤus Gélis.
Aus dem Journal de Pharmacie, Aug. 1841, S.
477.
Gélis, über den Ursprung des Lakmus etc.
Vor ungefähr achtzehn Monaten faßte ich den Vorsaz, wo möglich einige dunkle Punkte
in der Geschichte der von den Färbeflechten in den Handel kommenden Producte
aufzuhellen. Ich wurde in dieser Arbeit unterbrochen, hoffte aber, sie in Kurzem
wieder aufnehmen zu können; da nun aber in einem der neuesten Hefte der Annales de Chimie et de Physique gemeldet wird, daß Hr.
Robert Kane sich mit demselben Gegenstand beschäftigte,
und daß jener Theil seiner Arbeit, in welchem er vom gewöhnlichen Lakmus handelt,
mit Nächstem erscheinen wird, entschließe ich wich, meine wenigen Resultate bekannt
zu machen. Es thut mir indessen sehr leid, daß ich hiedurch verhindert bin, meiner
Arbeit einen größeren Grad von Vollkommenheit zu geben.
Der Name Lakmus (Tournesol) wurde nach und nach einer
Menge in ihrer chemischen Beschaffenheit sehr Verschiedener Körper beigelegt, welche
sich aber darin gleichen, daß alle gefärbt sind und mit Geweben verbunden oder
vielmehr auf dieselben aufgetragen werden. Später erhielt dieser Name eine noch
ausgedehntere Bedeutung, indem man ihn auf erdige Stükchen von blauer Farbe
erstrekte, welche Holland in den französischen Handel brachte. Pommet, Lemery und alle älteren Schriftsteller, die über Handelswaren
geschrieben haben, beschreiben in ihren Werken ein Baumwollenlakmus (Tournesol en coton), zweierlei verschiedene
Tournesolläppchen und das Lakmus in Stükchen. Das Baumwollenlakmus wurde so benannt,
weil die Farbsubstanz auf plattgeschlagene Baumwolllappen von der Größe eines
Fünffrankenstüks abgesezt ist; diese Sorte, welche ich in der Waarensammlung meines
Freundes, Hrn. Manzini, vorfand, kam, wie man sagt, aus
Portugal; sie wurde aus Cochenille bereitet und diente zum Rothfärben von
Flüssigkeiten und Fruchtgelées. Eine Sorte der Tournesolläppchen wurde eben
so angewandt, wie die vorhergehende; sie war aus einem sehr feinen Zeug bereitet und
kam aus Konstantinopel; die zweite Sorte war französisches Fabricat aus
Grand-Galluarges bei Nîmes; das Lakmus in Stüken endlich kam aus
Holland. Gegenwärtig kennt man im Handel nur mehr das Tournesol aus der Provence und
das Lakmus in Stükchen.
Durch die Nachforschungen Nisolle's und de Montet's herrscht heutzutage kein Zweifel mehr über
den Ursprung der Tournesolläppchen; man weiß, daß dieselben von Croton tinctorium erhalten werden. Das Verfahren ihrer
Bereitung ist auf das Genaueste in de Montet's Abhandlung
beschrieben, welche außerdem noch sehr interessante Angaben über die Ernte dieser
Pflanze enthält; ich bemerke nur, daß seitdem dieser Industriezweig wenig
Verbesserung erfuhr. Hr. Louis Figuier, welcher
Augenzeuge dieser Fabrication war, versicherte mich, daß die einzige Veränderung,
die bei derselben eingetreten, die Anwendung von Mist anstatt des früher benuzten
Gemenges aus Kalk und gefaultem Urin sey. Man reibt die Lappen in dem ausgepreßten
Saft der Pflanze, läßt sie in einem starken Luftstrome troknen und bringt sie
zwischen zwei Lagen Mist; nach einigen Stunden haben sie eine intensiv blaue Farbe
angenommen.
Wären alle Theile der Geschichte der Lakmusarten eben so aufgehellt, so hätte ich
diese Arbeit nicht unternommen. Aber sobald man am Lakmus in Stüken hält, beginnt
die Ungewißheit. Die Widersprüche der Autoren lassen den Ursprung desselben im
größten Dunkel, und die Aufklärungen, welche man von Seite der Handelswelt darüber
erhalten kann, sind zur Lösung der Frage wenig geeignet. Die Ursache dieser
Unkenntniß ist in der wenigen Anwendung des Lakmus in Stükchen zu suchen. In der Normandie, sagt
man, bedient man sich desselben, um dem Cyder die bei den Consumenten beliebte
Rosafärbung zu geben. Die Liqueurfabrikanten brauchen es in geringer Menge, um
einige ordinäre Liqueure damit zu färben; die Färber aber machen beinahe gar keinen
Gebrauch mehr von demselben; die Papiermacher endlich haben seine Anwendung längst
aufgegeben, weil die davon ertheilte Farbe so wenig Beständigkeit hat. Beinahe alles
Lakmus in Stüken kömmt aus Holland. Man hat die Bereitung desselben allerdings in
Frankreich schon mehreremal versucht; doch fielen alle diese Versuche unglüklich
aus; unsere Fabrikanten konnten die Concurrenz der Holländer nicht aushalten,
welche, ungeachtet des beträchtlichen Eingangszolles (1 Fr. 10 Cent, per Kilogr.) dieses Körpers, dennoch die schönste Waare
zu einem billigeren Preise liefern konnten. Andererseits hat man, weil beinahe das
ganze Fabricat unserer mittäglichen Provinzen an Tournesolläppchen nach Hamburg,
Lübeck, Rotterdam u.s.w. versendet wird, die Vermuthung ausgesprochen, daß unser
(französ.) Lakmus zur Bereitung des ihrigen diene und daß sie uns in Gestalt kleiner
vierekigen Stükchen die Substanz zurükschiken, welche wir in Form von Lappen ihnen
zusenden. Diese älteste Meinung, welche Nisolle und Montet unterstüzten, und zu deren Verbreitung die
Holländer selbst nicht wenig beitrugen, wird auch noch von Hrn. Quibourt in der lezten Ausgabe seiner trefflichen
Waarenkunde nach reiflicher Prüfung als die zulässigste angenommen.
Die meisten Chemiker jedoch halten es für wahrscheinlicher, daß das Lakmus in
Stükchen von einem Kryptogamen herkomme, welcher dem die Orseille liefernden
nachsteht; wieder andere glauben, daß alle Pflanzen, die Orseille geben, auch zur
Fabrication des Lakmus dienen können; unter dem Einflüsse der Luft und des Ammoniaks
nämlich nähmen diese Pflanzen zuerst eine purpurrote Färbung, mit der Zeit aber eine
blaue Farbe an; im ersten Falle nenne man das Product Archil (englisch, Orseille), im lezteren Litmus (englisch, Lakmus).
Wir werden unten auf diese beiden Meinungen zurükkommen, vorher aber die Frage
erörtern, ob das Croton Tinctorium in irgend einer Weise
zur Bereitung des Lakmus in Stükchen verwendet wird.
§. 1. Tournesolläppchen.
Durch Vermittelung eines Pariser Kaufmanns ließ ich einen Fabrikanten in Dornsdreth
fragen, was von obiger Meinung zu halten sey, ob er das Färbecroton (la Maurelle, Croton Tinctorium) bei seiner Fabrication
anwende, und zu welchem Zwek die Tournesolläppchen nach Holland gesandt werden. Er
antwortete mir, daß er nie, weder von dieser Waare, noch von dieser Pflanze gehört
habe, daß alles Lakmus seines Hauses aus einer kleinen, sehr theuren Seeflechte
(uneigentlich Seemoos) bereitet werde, von welcher er mir ein Muster schikte; er
ließe, sezte er hinzu, diese Pflanze von den canarischen Inseln herkommen, wo sie
von Sträflingen gesammelt werde.
Zur selben Zeit hatte ich auch an Hrn. Bérard nach
Grand-Gallargues geschrieben, welcher sich speciell mit der Fabrication der
Tournesolläppchen beschäftigt; ich stellte mehrere, den Gebrauch und den Handel mit
diesem Artikel betreffende Fragen an ihn, worauf ich folgende Antwort erhielt:
„Zur Beantwortung der in Ihrem Briefe vom 13. August an mich gestellten
Frage erhalten Sie durch den Postwagen ein Paket Tournesolläppchen und einige
Exemplare der Färbecrotonpflanze, welche allein zu ihrer Bereitung dient.....
Alle verlangten näheren Angaben bestehen darin, daß die Tournesolläppchen nur
zum Holländer Käse gebraucht werden.“
Die Richtigkeit dieser beiden Antworten ward, wie man sehen wird, durch die
Untersuchung der mir übersandten Körper bestätigt. Die aus Grand-Gallargues
erhaltene Pflanze war allerdings Croton Tinctorium L.,
Crozophora tinctoria nach Jussieu.
Die Tournesolläppchen gleichen keiner derjenigen Sorten, welche mir in Paris im
Handel vorkamen. Sie sind von außerordentlich grober Pakleinwand gemacht, geben
einen äußerst übelriechenden Geruch nach gefaultem Harne von sich und sind von
schmuzig und röthlich blauer Farbe; Wasser entzieht ihnen allen Farbstoff und läßt
das Gewebe völlig entfärbt zurük. Ihre wässerige Lösung ist nicht blau, sondern
lilas; die Farbe des Weingeistaufgusses ist schöner; doch kann sie nicht mit jener
des wässerigen Aufgusses vom holländischen Lakmus verglichen werden. Das Wasser
entzieht den Läppchen offenbar verschiedene Substanzen; denn die Auflösung ist dik,
klebrig, geht nicht gerne durch das Filter, und wenn man sie bis zur Syrupdike
abdampft und dann mit Alkohol behandelt, so scheidet derselbe ein dikes und
grauliches Magma daraus ab; die überstehende Flüssigkeit färbt sich stark und
hinterläßt nach dem Abdampfen einen hochgefärbten granatrothen, zerfließlichen, in
Aether unlöslichen Rükstand. Ich komme vielleicht wieder auf diese Substanz zurük;
jezt ist mein einziger Zwek, sie von der das Lakmus in Stükchen färbenden zu
unterscheiden. Nun aber halte ich diese beiden Substanzen gar nicht für
vergleichbar, was ihre oberflächlichste Untersuchung schon zu beweisen scheint.
Jene Substanz, welche die Tournesolläppchen färbt, ist außerordentlich veränderlich;
man braucht ihre wässerige Lösung nur zum Kochen zu bringen oder einige Tage an der
Luft stehen zu lassen, so ändert sich schon ihre Farbe und geht vom Lilas ins
Weinrothe über. Sie besizt ferner nicht die charakteristische Eigenschaft, welche
das holländische Lakmus als Reagens auf Säuren und Alkalien so schäzbar macht, und
Guibourt, der das Gegentheil behauptet, muß offenbar
mit verfälschter Waare zu thun gehabt haben. Zwar verliert die wässerige Lösung,
wenn sie mit einer Säure behandelt wird, ihre Lilasfärbung und geht ins Rothe über,
aber dieses Roth ist die Weinfarbe, welche sie auch in Folge der Wärme annimmt, und
sie wird einmal roth, nicht mehr lilas; Alkalien scheinen, statt sie wieder zu ihrer
Farbe zurükzuführen, sie noch wesentlicher zu verändern.
Die von mir angefochtene Meinung ist demnach eine irrthümliche, denn es findet gar
keine Aehnlichkeit statt zwischen den Tournesolläppchen und dem holländischen Lakmus in Stükchen. Ich unterscheide hier
absichtlich, weil Hr. Chevalier mich versicherte, im
Jahre 1832 aus Croton tinctorium Lakmus in Stükchen
bereiten gesehen zu haben; aber diese Stükchen, welche im Uebrigen keine
Aehnlichkeit mit dem holländischen Lakmus haben, werden, wie man sagt, zum Färben
des Zukerpapiers angewandt. Die Tournesolläppchen scheinen ebenso angewandt zu
werden und überdieß zur äußeren Färbung der holländischen Käse; ich konnte mich sehr
leicht davon überzeugen, daß solche Käse wirklich mit diesem Körper gefärbt sind.
Uebrigens ist der Handel mit dieser Substanz sehr unbedeutend, und ihr Preis
niedrig; sie wird gegenwärtig 50 bis 60 Fr. per 50
Kilogr. kosten.
Das Croton tinctorium wird von den es sammelnden Bauern
Tournesol, Maurelle, Héliotrope, herbe aux
verrues (Warzenkraut) genannt. Diese beiden lezten Namen erhielt es
wahrscheinlich, weil man einige Aehnlichkeit desselben mit der Pflanze aus der
Familie der Boragineen zu finden glaubte, welche heutzutage noch diesen Namen führt;
denn, wie Montet berichtet, versuchte man, nachdem man
aus dem Färbecroton einen Farbstoff zu gewinnen gelernt hatte, jedoch ohne Erfolg,
einen ähnlichen auch aus der fraglichen Pflanze zu produciren. Vielleicht wäre man
glüklicher gewesen, wenn man, von wissenschaftlichern Ideen geleitet, die Versuche
mit Pflanzen aus derselben Familie angestellt hätte. Dieß wird allen jenen
wahrscheinlich seyn, welche die intensivblaue Farbe beobachteten, die gewisse
Species des Geschlechts Mercurialis (Bingelkraut),
vorzüglich die Mercurialis perennis (das ausdauernde
Bingelkraut), bei ihrer Aufbewahrung in Herbarien annehmen.
§. 2. Lakmus in
Stükchen.
Nachdem es nun erwiesen ist, daß die Tournesolläppchen eine vom holländischen Lakmus
völlig verschiedene Substanz sind, kommen wir auf die beiden von jenen Chemikern
aufgestellten Meinungen zurük, welche lezteres für ein aus einem kryptogamischen
Gewächse gewonnenes Product halten.
Die einen glauben, wie gesagt, daß die dazu gebrauchte Pflanze jener verwandt sey,
welche zur Bereitung der Orseille dient, daß sie jedoch eine davon verschiedene
Pflanze sey. Die andern hingegen halten es für wahrscheinlich, daß beide Substanzen
aus denselben Gewächsen bereitet werden und die zwischen beiden obwaltenden
Verschiedenheiten nur dem Umstände zuzuschreiben seyen, daß das Lakmus einer viel
länger fortgesezten Gährung unterworfen werde.
Von vornherein scheint die Meinung der erstem begründeter zu seyn, und wenn gleich
nur wenige Flechtenarten den Gegenstand specieller Untersuchungen ausmachten, besizt
die Wissenschaft doch einige wenige Thatsachen, welche zu Gunsten dieser Ansicht
sprechen. Westring, der sich besonders mit der Anwendung
dieser Gewächse zum Färben beschäftigte, und in sieben, in den Jahren 1792 bis 1797
in den Abhandlungen der Akademie zu Stokholm nacheinander erschienenen
Dissertationen sehr interessante Details über die Farben gegeben hat, welche man aus
beinahe allen nordischen Flechten erhalten kann, scheint in jedem der von ihm
untersuchten Gewächse die Existenz einer besondern, eine mehr oder weniger schöne
Farbe zu liefern fähigen Substanz anzunehmen. Nach Robiquet, welcher die Variolaria analysirte,
und nach Heeren, der die Roccella
tinctoria untersuchte, enthalten diese Gewächse einen farblosen Stoff,
welcher unter dem Einflusse der Luft und des Ammoniaks die schönste violette Farbe
annimmt; unter allen Versuchen, welche mit diesem Stoff angestellt wurden,
berechtigt aber keiner die Möglichkeit anzunehmen, ihn in eine blaue, dem Lakmus
ähnliche Substanz umzuwandeln. Wenn mehrere Flechten violette Producte geben, wäre
es deßhalb nicht unmöglich, daß andere unter gleichen Einflüssen blaue Verbindungen
erzeugen.
Diejenigen, welche die entgegengesezte Meinung in Schuz nehmen, machen lediglich
darauf aufmerksam, daß in allen Etablissements, welche Lakmus in den Handel liefern,
auch Orseille fabricirt werde, und daß diese, wenn sie alt wird, eine immer dunklere
Farbe annimmt, die sich jener des Lakmus nähert.
Bei der Analyse einer großen Menge Lakmussorten erster Qualität fand ich, daß sie
alle 20 Theile organische Ueberreste und 12 bis 15 Theile kohlensaures Kali oder Natron enthalten. Die
Asche der Orseille hingegen enthält niemals eine erhebliche Menge eines auflöslichen
alkalischen kohlensauren Salzes. Sie besteht beinahe immer aus kohlensaurem Kalk,
und man weiß wirklich, daß die Orseille-Fabrikanten stets gelöschten und
gepulverten Kalk der gährenden Mischung zusezen. Manchmal heißt es, sezen einige
nach der Fabrication noch Kreide hinzu, um das Gewicht des Products zu vermehren.
Dieß veranlaßte mich einige Versuche anzustellen, welche ich hier kurz beschreiben
will.
Hr. Bovin erklärte die Flechte, welche ich aus Holland
erhalten hatte, für Roccella tinctoria im
keimkörnertragenden Zustande (sporidifère). Ich
mengte eine gewisse Quantität dieses Lichens mit der Hälfte seines Gewichts
kohlensauren Kali's und befeuchtete das Gemenge etwas mit Urin, welcher vorher mit
kohlensaurem Ammoniak gesättigt worden war.Der Urin wirkt auf die Flechte nur durch seinen Gehalt an kohlensaurem
Ammoniak; denn ich habe in einigen Versuchen die Harnflüssigkeit mit einer
Losung dieses Salzes ersezt und der Erfolg war derselbe. So lange die Operation dauerte, sezte ich immer von dieser Flüssigkeit
hinzu, so oft die Mischung deren bedurfte, d.h. so oft kein ammoniakalischer Geruch
mehr zu bemerken war. Nach dreitägiger Berührung wurde die Flüssigkeit braun oder
schmuzigroth, später nahm sie ein dunkleres Roth an, nach 20 bis 25 Tagen war sie
purpurroth; 10 Tage darauf war sie blau; endlich, in vierzehn Tagen ungefähr,
erhielt ich ein dem schönsten holländischen Lakmus ähnliches Product.
Wenn das der Mischung zugesezte kohlensaure Ammoniak völlig verschwunden ist, nimmt
die gährende Masse einen angenehmen, an den der Veilchen erinnernden, Geruch an.
Dieser Geruch scheint allen Färbeflechten eigen zu seyn und konnte jene Autoren in
Irrthum führen, welche angaben, daß das Lakmus und die Orseille des Handels vom
Zusaz einer gewissen Quantität Violenwurzelpulver (Iris)
herrühre.
Die aus Holland erhaltene Pflanze ist demnach wohl eine zur Bereitung des Lakmus
geeignete Pflanze; ist sie aber auch die einzige hiezu brauchbare? Um diese Frage zu
beantworten, behandelte ich alle Färbeflechten, welche ich mir verschaffen konnte,
ebenso, und erhielt bald das schönste Lakmus aus einigen zur Fabrication der
Orseille dienenden Pflanzen, nämlich der Roccella
tinctoria im schüsselchentragenden Zustande, Roccella fuciformis, und dem Gemenge von Parella
palescens und Isidium corallinum, welches im
Handel unter dem Namen Auvergner Orseille bekannt ist; doch muß bemerkt werden, daß mir das Product
dieser leztern Pflanzen weniger hübsch vorkam, als jenes der beiden andern.
Alle zur Darstellung der Orseille dienenden Färbeflechten können demnach auch zur
Lakmusbereitung dienen.
Es war von Interesse zu untersuchen, ob die Gegenwart eines auflöslichen kohlensauren
Salzes zur Verwandlung der farblosen Flechten in blaugefärbte Producte unerläßlich
sey. Was die Rolle des Kalks bei der Orseille-Fabrication betrifft, so weiß
man, daß er zur Austreibung des Ammoniaks, welches sich bei der Fäulniß des Urins
bildet, dient; die zu diesem Behufe hinzugesezte Menge ist sehr unbedeutend und wird
wohl nicht mehr als 5 Proc. vom Gewicht der Pflanze betragen.
Um die nöthigen Hauptelemente dieser beiden Fabricationen kennen zu lernen, stellte
ich ziemlich viele Versuche an, wovon ich aber nur die drei folgenden angebe, deren
Resultate zur Beantwortung der Frage genügen.
Ich brachte in drei gleiche Flaschen eine gleiche Menge (30 Gramme) Roccella tinctoria; in der Flasche Nr. 1 sezte ich 15
Gr. kohlensaures Kali hinzu; in der Flasche Nr. 2 2 Gramme gelöschten Kalks; in Nr.
3 nichts. Vierzig Tage lang dauerte die Operation, während welcher ich den Inhalt
aller drei Flaschen mit der Urinflüssigkeit, deren Zusammensezung oben angegeben
wurde, gleichmäßig und sorgfältig befeuchtete; auch rührte ich jeden Tag öfters um.
Nach Verlauf dieser Zeit enthielt die Flasche Nr. 1 das schönste Lakmus, die beiden
andern aber Orseille von sehr schöner Farbe. Die Gegenwart des Kalks hatte die
Umwandlung nicht erheblich gefördert. Diese beiden Flaschen mit Orseille behielten,
nachdem sie noch mehrere Monate mit der Urinflüssigkeit befeuchtet worden waren,
ihre schöne violette Farbe bei, und die verlängerte Gährung trug nur dazu bei, die
Intensität der Färbung zu erhöhen.
Aus diesen vergleichenden Versuchen geht deutlich hervor, daß die Färbeflechten unter
dem Einflüsse der Luft und des Ammoniaks nur Orseille geben; daß die Flechte aber,
wenn man diesen beiden Einflüssen noch jenen eines auflöslichen kohlensauren
Alkali's hinzugesellt, in derselben Zeit (5 Wochen) eine ganz andere Veränderung
erleidet, und wenn auch dargethan würde, daß die Gegenwart dieser Körper zur
Hervorrufung der Modifikationen des Erythrins, welches vom Lakmus getrennt werden
kann, nicht unerläßlich ist, so kann doch nicht geläugnet werden, daß sie dieselbe
bedeutend erleichtert. Uebrigens kann die erhöhte Färbung der Orseille, wenn sie
älter wird, durch die eine oder die andere Hypothese leicht erklärt werden. Die beim
Einäschern des Lakmus zurükbleibende Asche enthält nur kohlensaures Kali, jedoch findet
man noch eine Menge Körper in derselben, welche bei seiner Bildung gar keine Rolle
spielten, nämlich eine beträchtliche Menge kohlensauren oder schwefelsauren Kalks,
welchen die Fabrikanten wahrscheinlich zusezen, damit er einen Theil der
Feuchtigkeit aufsaugt und der Masse eine zum Formen in kleine Stükchen geeignete
Consistenz gibtDie zum Formen des Lakmus dienende Maschine ist sehr einfach; sie besteht aus
zwei stählernen oder messingenen Theilen, welche ineinander passen, und ein
4 Zoll langes und 5 Zoll breites Vierek bilden. Einer dieser Theile ist
durch Scheidewände in Viereke von der Größe der Lakmusstüke abgetheilt; der
andere ist an einem Brett befestigt, auf welchem Viereke von Eisenblech auf
eisernen Stäben befestigt sind, welche genau in die Höhlungen des ersten
Theils hineinpassen. Um die Stüke nun zu formen, drükt man die Masse in die
Form, so daß sie die leeren Viereke ausfüllt, nimmt auf beiden Seiten das
Ueberschüssige mit einer Holzspatel hinweg, und bedient sich des zweiten
Stüks derart, daß die eisernen Viereke in die vierekigen Höhlungen eintreten
und die Lakmusstükchen herausdrüken.; vielleicht sezen sie auch gegen das Ende der Operation eine kleine
Quantität gelöschten Kalks hinzu, um die lezten Spuren Ammoniaks auszutreiben. Diese
Asche enthält auch Thonerde, Kieselerde, Eisenoxyd, Chlor, Schwefelsäure,
Phosphorsäure und ohne Zweifel noch andere Körper, welche ich weiter zu erforschen
für unnüz hielt.
Das Lakmus in Stüken wurde bisher noch sehr wenig studirt; alles was man über
dasselbe weiß, beschränkt sich auf einige zerstreute Beobachtungen über seine
wässerige Auflösung. Hr. Desfosses hat zwar ein Verfahren
zur Reindarstellung seines Färbestoffs bekannt gemacht; man wird aber aus dem
Folgenden ersehen, daß das Lakmus seine Farbe nicht einer einzigen, sondern vier
verschiedenen gefärbten Substanzen verdankt.
Das Lakmus in Stükchen tritt an Wasser beinahe alle seine Farbe ab; verdünnter
Alkohol löst, und zwar je nach seiner Verdünnung, eine ziemliche Quantität desselben
auf. Im Aether und wasserfreien Alkohol hingegen ist es völlig unlöslich. Der von
Wasser erschöpfte Rükstand ist noch gefärbt, und kann noch eine kleine Menge
färbender Substanz an alkalische Flüssigkeiten abtreten.
Die Einwirkung verdünnter Säuren auf seine Lösungen ist höchst merkwürdig.
Bekanntlich wird die blaue Farbe des wässerigen Lakmus-Aufgusses durch
Vermischen mit einer Säure roth; aber diese Farbenveränderung ist auch die einzige
bisher beobachtete Erscheinung, sie findet allerdings statt, wenn die Säure einer
sehr verdünnten Lösung zugesezt wird; stellt man aber den Versuch mit sehr
concentrirten Flüssigkeiten an, so erscheinen sie nur dann durchsichtig, wenn man
sie, um sie zu betrachten, zwischen das Auge und das Licht hält, trübe hingegen,
wenn man sie von Oben nach Unten betrachtet. Versucht man sie zu filtriren, so ist die
zuerst abfließende Flüssigkeit sehr stark gefärbt; bringt man sie aber öfters auf
das Filter zurük, bis die Poren des Papiers beinahe ganz verstopft sind, so erhält
man eine vollkommen durchsichtige Flüssigkeit, welche nur sehr wenig färbende
Substanz mehr mit fortnimmt, und wenn die äußerst langsam vor sich gehende
Filtrirung beendigt ist, so findet man auf dem Papier eine Substanz vom prächtigsten
Roth, welche zuerst mit angesäuertem Wasser, das gar nicht auflösend darauf
einwirkt, und dann mit destillirtem Wasser, welches nur Spuren davon auflöst,
ausgewaschen werden muß.
Seit langer Zeit nimmt man das Vorhandenseyn einer schleimigen Substanz in der
wässerigen Lakmuslösung an, und hat sogar derselben die merkwürdige Entfärbung
zugeschrieben, welche die Flüssigkeit bei ihrer Aufbewahrung in vor dem Zutritt der
Luft geschüzten Flaschen erfährt. Ich glaubte, daß man der Gegenwart eben desselben
Stoffes die Schwierigkeit zuschreiben könne, womit die Farbstoffe des Lakmus sich zu
Boden sezen, so wie die lange Zeit, welche sie zum Filtriren brauchen. Da die mit
einer Mischung von 2 Theilen Wasser und 1 Th. Alkohol von 33° Baumé
bereitete Lakmuslösung in verschlossenen Gefäßen sich eine unbestimmte Zeit lang
aufbewahren läßt und den von Hrn. Abbé Nollet
zuerst beobachteten Veränderungen nicht ausgesezt ist, so fühlte ich mich veranlaßt,
das Verhalten der Säuren gegen diesen hydroalkoholischen Aufguß zu prüfen, und der
Versuch bestätigte meine Hypothese; einige Tropfen Schwefel- oder Salzsäure
schlugen sogleich rothe Floken in großer Menge nieder, welche ich mittelst des
Filters in einigen Augenbliken sammeln konnte. Doch können diese Floken auch durch
ein anderes Verfahren erhalten werden.
Man erschöpft nämlich das Lakmus mit Wasser, kocht den Rükstand in einer schwachen
Auflösung von äzendem Kali oder Natron, vermischt alle Flüssigkeiten und fällt mit
basisch essigsaurem Blei. Wenn die Lösung hinlänglich alkalisch ist, so entfärbt
sich die Flüssigkeit vollständig und der erzeugte Niederschlag ist schön blau; man
wäscht ihn mittelst Decantation, bis dieser Niederschlag, welcher in mit Salzen
beladenem Wasser unlöslich, in reinem Wasser aber etwas löslich ist, die Flüssigkeit
etwas zu färben anfängt; hierauf läßt man einen Strom Schwefelwasserstoffgas
hindurchstreichen, bis keines mehr aufgenommen wird; hat dieses seine Einwirkung
vollendet, so läßt man die Mischung einige Zeit lang sieden oder sezt sie der Wärme
aus, um den Ueberschuß von Schwefelwasserstoff zu verjagen, und bringt dann das
Ganze auf ein Filter. Die abtropfende Flüssigkeit ist beinahe völlig farblos und
läßt, wenn man bis zur Trokne abdampft, einen Rükstand von weißen Floken, welche ein
Zufall weiter zu untersuchen mich verhinderte. Aller Farbstoff bleibt mit dem
Schwefelblei auf dem Filter zurük. Um diese von einander zu trennen, läßt man die
Masse mit ammoniakalischem Wasser digeriren, wobei man eine stark blau gefärbte
Flüssigkeit erhält. Dieser Lösung sezt man Schwefel- oder Salzsäure zu,
welche schön rothe Floken daraus niederschlägt. Diese sammelt man auf einem Filter,
wäscht sie zuerst mit angesäuertem, dann mit destillirtem Wasser, und troknet sie
stark aus.
Wenn man es nur mit kleinen Quantitäten Lakmus zu thun hat, läßt sich das auf dem
Filter zurükgebliebene Product nicht immer leicht sammeln; man muß es zu diesem
Zweke mit ammoniakalischem Wasser auswaschen, welches die rothe Substanz auflöst,
und die Lösung mittelst einer Säure fällen. Nur, wenn man eine sehr kleine Quantität
Flüssigkeit zu filtriren hat, kann man sich eines äußerst kleinen Filters
bedienen.
Durch welches Verfahren die eben erwähnten gefärbten Floken auch erhalten worden seyn
mögen, so ist immer die nach der Präcipitation mit einer Säure beim Filtriren
abfließende Flüssigkeit von einer dem Auge äußerst angenehmen orangerothen Farbe,
welche sie dem ersten Farbstoff A verdankt; die
Quantität desselben ist stets äußerst gering und je nach der in Untersuchung
genommenen Lakmussorte verschieden.
Um diesen Farbstoff abzutrennen, sättigte ich die Flüssigkeiten mit Ammoniak und
dampfte sie ab. Je mehr die Concentration vorwärts schreitet, desto mehr scheidet
sich die Substanz ab und schwimmt auf der Oberfläche der Flüssigkeit in
schwärzlichen Häutchen; man filtrirt die siedende Flüssigkeit, und der Farbstoff
bleibt größtentheils auf dem Papiere zurük; nachdem er mit Wasser gehörig
ausgewaschen wurde, löst man ihn in Alkohol auf, welcher mit einigen Tropfen
Salzsäure angesäuert wurde, filtrirt noch einmal und dampft zur Trokne ab. Der
zuerst mit Alkohol, dann mit destillirtem Wasser ausgewaschene Rükstand ist
flohfarben wie das Bleisuperoxyd, im Wasser, Alkohol und Aether unauflöslich, in
verdünnten Säuren hingegen und in Alkalilösungen, welche er weinroth färbt,
löslich.
Die auf dem Filter gebliebene Substanz enthält, obgleich sie im Verhältniß zum
angewandten Lakmus einen unbedeutenden Raum einnimmt, dennoch beinahe allen
Farbstoff des Lakmus. Wenn die Floken wohl ausgewaschen wurden, enthalten sie keine
Spur mehr von der Säure, welche zu ihrer Darstellung diente. Eine kleine Menge
dieser, mittelst Schwefelsäure dargestellten Substanz gab, in einer Glasröhre mit
salpetersaurem Kali erhizt, einen Rükstand, dessen Auflösung in Wasser von
salzsaurem Baryt nicht gefällt wurde, und die mittelst Salzsäure dargestellte Substanz gab nach
gleicher Behandlung mit salpetersaurem Silber kein Chlorsilber. Doch sind diese
Floken kein reiner Farbstoff, denn wenn man sie einäschert, hinterlassen sie 3 bis 4
Proc. Asche, und ich habe nicht weniger als dreierlei Farbstoffe daraus
abgeschieden.
Behandelt man nämlich die purpurrote Substanz mit rectificirtem Aether, bis die
Flüssigkeit sich nicht mehr merklich färbt, so erhält man eine orangegelbe
Flüssigkeit, welche nach freiwilliger Verdunstung einen glänzend rothen Rükstand
hinterläßt, worin kleine nadelförmige Krystalle in großer Anzahl wahrnehmbar sind,
die diesem Stoffe ein schönes sammtartiges Ansehen geben. Dieser Stoff B ist in Wasser unlöslich; Alkohol aber löst ihn leicht
auf; alkalische Lösungen lösen ihn ebenfalls auf und nehmen eine sehr schöne
violette Färbung an.
Wird die beträchtliche Quantität, welche Aether nicht auflöste, mit Alkohol
behandelt, so färbt sie denselben blutroth. Diese Lösung gibt, freiwillig
verdunstet, eine beträchtliche Menge einer Substanz C
von Purpurrother Farbe mit reichem Goldreflex. Dieser Farbstoff ist im Lakmus am
reichlichsten vorhanden.
Der in Wasser, Alkohol und Aether unlösliche Rükstand endlich enthält den in Alkalien
leicht löslichen Stoff D. Dieser kann mittelst Säuren
aus leztern gefällt und also leicht dargestellt werden.
Diese drei Substanzen haben eine sehr große Aehnlichkeit unter sich und können kaum
anders von einander unterschieden werden, als durch die Verschiedenheit ihrer
Auflöslichkeit in Wasser, Alkohol und Aether und durch ihre Farben, wenn sie isolirt
sind. Alle drei lösen sich in Alkalien auf und werden von Säuren aus ihren Lösungen
niedergeschlagen; alle drei scheinen Stikstoff zu enthalten, weil in den Producten
ihrer trokenen Destillation Ammoniak enthalten ist. Von essigsaurem Blei, salzsaurem
Baryt, salzsaurem Eisenoxyd u.s.f. werden alle drei gefällt; vorzüglich auffallend
aber ist die Aehnlichkeit zwischen den Substanzen C und
D. Sie haben beinahe dieselbe Nuance von Purpurroth;
ihre Lösung in Alkalien ist blau und erinnert an die Farbe des
Lakmus-Aufgusses; sie sind an der Luft unveränderlich, geruch- und
geschmaklos. Chlor und Salpetersäure zerstören sie rasch, concentrirte Schwefelsäure
löst sie auf, ohne sie zu verändern; diese concentrirten Auflösungen sind alle
völlig gleich dunkelamaranthroth und Wasser schlägt die rothen Substanzen ohne
Zersezung daraus nieder. In verdünnten Säuren sind sie unlöslich. Ihre
ammoniakalischen Lösungen sind blau, verlieren beim Erhizen einen Theil ihres
Ammoniaks und hinterlassen nach dem Verdunsten einen in Wasser löslichen, violetten Rükstand.
Kohlensaures Natron und Kali färben sie blau wie die äzenden Alkalien.
Aus den in dieser Abhandlung mitgetheilten Thatsachen geht hervor:
1) daß die Tournesolläppchen vom Lakmus in Stüken ganz verschieden sind, zu dessen
Bereitung sie niemals verwendet wurden;
2) daß alle zur Fabrication der Orseille dienenden Pflanzen auch zur Lakmusbereitung
gebraucht werden können;
3) daß die auflöslichen kohlensauren Alkalien eine sehr wichtige Rolle bei der
Erzeugung des Lakmus spielen;
4) daß die Farbe des Lakmus nicht einem einzigen Stoffe, wie man bisher glaubte,
sondern vier verschiedenen Farbstoffen zuzuschreiben ist, die leicht von einander
getrennt werden können.