Titel: | Ueber Fabrication und Raffinirung des Borax; von Payen. |
Fundstelle: | Band 82, Jahrgang 1841, Nr. XXXI., S. 116 |
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XXXI.
Ueber Fabrication und Raffinirung des Borax; von
Payen.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. Jul. 1841, S.
322.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Payen, über Fabrication und Raffinirung des Borax.
Ehedem wurde der durch Verdampfung der kleinen Salzseen gewonnene Borax aus Indien,
China, Persien, der Insel Ceylan, der südlichen Tartarei und Peru bezogen; er kam
zuweilen nur unvollkommen gereinigt und in kleinen Krystallen unter dem Namen halb
raffinirter Borax in Europa an.
Das Geschäft ihn zu raffiniren, wozu das Verfahren in Venedig lange geheim gehalten
wurde und sich dann nach Holland zog, wurde von den Gebrüdern Lécuyer nach Paris verpflanzt; die Schwierigkeiten, welche es
darbot, wurden erst in der jüngsten Zeit ihrer Natur nach kennen gelernt und
besiegt. Bis zum Jahre 1815 wurde der raffinirte Borax zu 7 bis 8 Fr. per Kilogramm verkauft; zu jener Zeit begann in
Frankreich die Fabrication desselben aus toskanischer Boraxsäure und künstlicher
Soda. Bei dem Raffiniren dieses Borax stund anfänglich die Kleinheit und geringe
Festigkeit der erhaltenen Krystalle dem Verkauf desselben sehr im Wege, indem man
glaubte, daß gewisse eigenthümliche Substanzen einen Einfluß auf die Krystallisation
ausüben, wodurch ein solches Vorurtheil zu Gunsten des holländischen Borax
unterhalten wurde, daß man, um das neue Product anzubringen, nicht nur allein die
bräunliche Färbung des holländischen Borax und seine Verpakung nachzuahmen gezwungen
war, sondern sogar die Kanten der Krystalle abstumpfen mußte, um ein ähnliches
Ansehen hervorzubringen, wie es das fremde Salz in Folge der Reibung durch den
Transport zu Land erhielt. Dieses leztere konnte nun die Concurrenz nicht mehr aushalten,
durch welche der alte Preis um 50 Proc. vermindert wurde.
Es gelang jedoch Hrn. Cartier und mir bald, den Borax
regelmäßig in großen, festen Krystallen nach einem genau bestimmten Verfahren und
mittelst Apparaten zu fabriciren, welche ich hier unter Hinzufügung der neuesten, in
Gemeinschaft mit Hrn. Buran eingeführten Verbesserungen
beschreiben will. Auch werde ich die lange unbekannt gebliebene Ursache der
beträchtlichen Wandelbarkeit des Ergebnisses an Borax aus gleichen Quantitäten der
verarbeiteten Boraxsäure und des Natrons angeben, welche sowohl in Fabriken als in
Laboratorien bemerkt wurde.
Rohstoffe. – Wir bemerkten, daß die toscanische
Boraxsäure nach und nach immer unreiner wurde: das nach Frankreich versandte Product
enthält gegenwärtig nur 74 bis 83 Proc. krystallisirter
Säure; die Ursache des größeren Gehalts an fremdartigen Stoffen scheint
darin zu liegen, daß die minder unreine Säure von Monte-Rotondo zum Gebrauch
der in Livorno errichteten Boraxfabrik im Lande bleibt.
Die 17 bis 26 Proc. fremdartiger Substanzen in der gegenwärtig eingeführten Säure
bestehen in Wasser, Ammoniak-, Magnesia-, Kalk- und
Thonerdesulphat, Eisenchlorür, salzsaurem Ammoniak, Spuren von
Schwefelwasserstoffsäure, Thon, Sand, Schwefel, einem gelben Farbstoff und einer
stikstoffhaltigen, in Alkohol löslichen organischen Substanz; die schwefelsauren
Salze und Chloride, welche in der Boraxsäure enthalten sind, verursachen den
Fabrikanten einen beträchtlichen Aufwand an Natron; es erzeugen sich daraus
schwefelsaures Natron und kohlensaure Magnesia- und Kalksalze. Die Spuren von
Thonerde und Eisenoxyd bilden mit den übrigen unauflöslichen Substanzen einen
starken Bodensaz, aus welchem die von ihm noch zurükgehaltene Lösung nicht mit
Vortheil ausgezogen werden kann.
Die Kosten für kohlensaures Natron und der Verlust an Borax, welcher in dem Bodensaz,
den fremdartigen Salzen und der Mutterlauge steken bleibt, verringern noch mehr den
Werth der ohnedieß durch die Transportkosten für diese verunreinigenden Körper
vertheuerten Boraxsäure.
Ich habe ein Verfahren angegeben, diesen Uebelständen zu begegnen, nämlich die Säure
an Ort und Stelle der Erzeugung selbst zu reinigenPolytechn. Journal Bd. LXXX. S.
269., und bemerke nur noch, daß eine bei 100° C. bewirkte Austroknung,
indem sie die Hälfte des in der feuchten Säure enthaltenen Wassers entfernt, den Gehalt an
wirklicher Säure in dem versandten Product auf 56 bis
72 Proc. steigern und in demselben Verhältniß alle Kosten der Einführung verringern
würde. Die durch diese einfachen Verbesserungen erzielten Vortheile würden die
Quantität der in demselben Gewichte versandten verwerthbaren Säure verdoppeln, oder
man würde die Kosten der Verpakung, Fracht, des Eingangszolls, der Lagerung etc.,
welche sich bei ihrer Ankunft in Paris auf 15 Fr. für 100 Kilogr. belaufen, um mehr
als die Hälfte verringern.
Die Verwandlung der Boraxsäure in Borax und die Krystallisation dieses Salzes bieten
das sicherste Mittel dar, um die fremdartigen Körper aus der Säure vortheilhaft
abzuscheiden; endlich gewähren die Gestalt und die Kennzeichen der Boraxkrystalle
den Käufern alle wünschbare Garantie.
Bereitung des rohen Borax.
Um 1000 Kilogr. Boraxsäure zu behandeln, braucht man 1200 Kilogr. krystallisirten
kohlensauren Natrons oder dessen Aequivalent an wasserfreiem Salz (Sodasalz) und
beiläufig 2000 Kilogr. Wassers, abzüglich derjenigen Menge, welche an Mutterlauge
von einer vorausgehenden Operation oder durch die Verdichtung des zur Erhizung
angewandten Dampfes hinzukommt.
Man löst das kohlensaure Natron zuerst in einer mit Blei belegten Kufe A, Fig. 26, auf, welche
mittelst des in einem Dampfkessel C erzeugten Dampfes
erhizt wird, den man durch Drehen eines Hahns nach Belieben in ein Rohr einläßt,
welches bis auf den Boden der Kufe reicht, wo es horizontal im Kreise herum geleitet
ist.
In diesem unteren Theile des Rohrs befinden sich Löcher, welche den Dampf austreten
lassen und ihm eine Richtung rings um den Boden geben. Wenn das kohlensaure Salz
aufgelöst und die Temperatur bis nahe an 100° C. gestiegen ist, fängt man an,
die gröblich gepulverte Boraxsäure in Partien von 4 bis 5 Kilogr. einzuwerfen. Die
Einrichtung der Kufe gestattet, die Gase durch eine Röhre d in einen Condensator D zu leiten, welcher
Schwefelsäure enthält, um das entwikelte kohlensaure Ammoniak zu gewinnen, wenn die
toscanische Säure noch lange in so unreinem Zustande wie gegenwärtig versandt werden
sollte.
Jedenfalls ist es gut, die Kufe bedekt zu halten, damit nicht viel Wärme verloren
geht; die Boraxsäure muß nach und nach hinzugesezt werden, damit die Flüssigkeit
durch ein zu starkes Aufbrausen nicht übersteigt. Wenn alle Säure eingeschüttet ist,
soll die Lösung am Baumé'schen Aräometer ungefähr 21° zeigen und die
Temperatur bis zum
Sieden, d.h. auf 105° C. gesteigert werden. Man hört dann auf Dampf
einzulassen, dekt die Oeffnung a zu, durch welche das
Natron und die Säure eingebracht wurden, und läßt zehn bis zwölf Stunden lang
absezen.
Wenn die Flüssigkeit sich aufgehellt hat, läßt man sie durch den Hahn r in die hölzernen Krystallisirgefäße B ablaufen, welche mit dikem Blei belegt und nicht mehr
als 50 Centimeter tief sind.
Nach Beendigung der Krystallisation läßt man die Mutterlauge durch Ausziehen eines
hölzernen, mit Blei überzogenen Zapfens i in die
gußeisernen Gefäße F ab. Hierauf löst man die rings an
den Wänden in Platten angehäuften Krystalle mit eisernem Meißel und Hammer ab; die
Krystallplatten werden zum Abtropfen auf eine geneigte Fläche G gelegt, die ebenfalls mit Blei belegt ist, von welcher aus die
Mutterlauge in ein mit einer Abzugsrinne f
correspondirendes Beken geleitet wird.
Die Mutterlauge und das Wasser, womit die Bodensäze gewaschen wurden, dienen, um eine
neue Sättigung wieder damit anzufangenWenn die Mutterlauge zu viel schwefelsaures Natron, Kochsalz, organische
Materie u.s.w. enthält, so dampft man sie zur Trokne ab, nachdem man den
Borax bei 33° C. und nachher das schwefelsaure Natron unter dieser
Temperatur hat krystallisiren lassen.; die abgetropften Krystallplatten sind roher Borax, welcher nun gereinigt
werden muß.
Die Bodensäze in der Kufe A werden nach dem Decantiren
der Flüssigkeit durch einen weiten Hahn b abgelassen;
sie fallen in ein gußeisernes Reservoir E, aus welchem
sie dann zum Auswaschen genommen werden.
Raffinirung des Borax.
Wir sagten, daß die Hauptschwierigkeit dieser Operation darin liegt, daß man große
und feste Krystalle erhalten muß; die Größe derselben hängt von der Masse der Lösung
und von dem langsamen, vorzüglich aber regelmäßigen Gang der Erkaltung ab; die
Festigkeit kann nicht anders erzielt werden als durch Vermeidung des Erzitterns der
Krystalle durch die Einwirkung der kalten Luft beim Abziehen der Mutterlauge; auf
folgende Weise werden diese Bedingungen zugleich erreicht.
Man macht die Lösung in einer mit Blei ausgelegten Kufe A, Fig.
25, welche ungefähr 9000 Kilogr. Borax fassen kann. Die Lösung muß in der
Wärme mittelst Dampf, welcher aus dem Dampfkessel durch eine Bleiröhre auf den Boden
des Gefäßes geleitet wird, geschehen.
Der rohe Borax und die kleinen Krystalle von früheren Raffinirungen kommen in einen
Korb von Eisenblech P, der an einer in einer Rolle
laufenden Kette hängt; man läßt diesen Kessel etwas unterhalb des Niveaus der
Flüssigkeit eintauchen, und da die Lösung, wenn sie dichter wird, niederzusinken
strebt, so entstehen Strömungen, welche die Auflösung erleichtern, sie reguliren und
das mühsame Umrühren der Flüssigkeit überflüssig machen.
Auf den metrischen Centner Borax sezt man ungefähr 8 Kilogr. krystallisirtes
kohlensaures Natron zu, bringt die Lösung auf einen Dichtigkeitsgrad von 21°
Baumé und läßt dann die ganze siedende Flüssigkeit in ein von Holz gut
zusammengefügtes, dik mit Blei belegtes Krystallisirgefäß abfließen, welches mit
Dekeln versehen ist, die ebenfalls mit Blei überzogen sind.
Diese großen Krystallisirgefäße müssen von einander getrennt stehen, damit die zum
Herausnehmen der Krystalle nöthigen Stöße nicht eine die Krystallisation
benachtheiligende Erschütterung mittheilen. Auch sind einige Vorsichtsmaßregeln
nöthig, um das Fallen der Temperatur mehr stufenweise geschehen zu machen. Man
versieht nämlich zu diesem Zwek die Seiten mit einer doppelten Hülle
zusammengefügter Bretter, füllt den Raum zwischen dem Krystallisirgefäß und der
doppelten Hülle mit Kohlenpulver aus, und überzieht endlich die obere Seite des
Dekels mit zwei oder drei Lagen eines groben Zeuges.
Unter dem Krystallisirgefäße befindet sich, wie die Abbildung zeigt, ein Pflaster vonvou harten Steinen oder glasirten Baksteinen, dessen Abhang die etwa aus
einigen Fugen in den Löthungen entweichende Flüssigkeit in ein kleines Beken leitet.
Uebrigens wird die Löthung nicht nur dauerhafter und leichter, sondern gestattet der
Bleiausfütterung auch eine freiere Ausdehnung, wenn sie nach dem von Hrn. Desbassayes de Richemont angegebenen Verfahren mit Blei
gemacht wird.Polyt. Journal Bd. LXXIII. S. 76.
Die Krystallisation geht in 25 bis 30 Stunden, je nach der äußern Temperatur, vor
sich. Man erkennt ihre Beendigung, wenn das Thermometer in der Lösung nicht mehr
über 25–30° C. zeigt. Man leert dann eilends mittelst eines weiten
Hebers alle Mutterlauge aus, läßt von Schwämmen schnell alle am Boden zwischen den
Gipfeln der Krystalle zurükgebliebene Flüssigkeit aufsaugen, legt den Dekel auf und
wartet 5 bis 10 Stunden, bis die Krystallmasse sich mit den umgebenden Körpern
ziemlich ins Gleichgewicht der Temperatur gesezt hat.
Es steigen dann in das vollkommen geöffnete Krystallisirgefäß zwei Personen und machen nach
und nach, von Oben nach Unten zu, mittelst eines Meißels und Hammers die an den
Wänden haftenden Krystalle los; die weißesten befinden sich oben an allen
Verticalwänden. Gegen den Boden zu sind sie größer, trüber und von graulicher Farbe,
welche leztere den Käufern nicht unlieb ist; jedenfalls werden die vom Boden
genommenen Krystalle besonders gehalten, um sie zu reinigen, was auf die Art
geschieht, daß man sie von einander ablöst und in eine abgesezte Mutterlauge
hineinsiebt.
Uebrigens müssen alle Krystalle mittelst eines kleinen Hakmessers auf einem zur
Auslesung derselben bestimmten Tische von einander getrennt werden, worauf sie dann
in einen hürdenartigen Korb kommen, welcher alle kleinen, zum Umkrystallisiren
bestimmten Krystalle absondert.
Die ausgelesenen Krystalle werden in den holländischen ähnliche, netto 60 Kilogr.
enthaltende Kisten verpakt.
Die Darstellung des raffinirten Borax in Oktaëdern unterscheidet sich darin,
daß die Lösung so stark seyn muß, daß sie am Baumé'schen Aräometer bei 100° C. 30° zeigt, worauf sie
dann in das Krystallisirgefäß kommt: der oktaëdrische Borax fängt an sich zu
bilden, wenn die Temperatur bis auf 79° gefallen ist, und hört bei +
56° C. auf. Man muß sodann die Mutterlauge eilends mittelst des Hebers
entfernen, damit sich nicht prismatischer Borax über demselben ansezt.
Die Operation wird wie im obigen Fall zu Ende geführt, aber die Krystalle hängen so
fest aneinander, daß sie weit entfernt sich beim mindesten Stoße zu trennen, in
klingenden und sehr harten Platten miteinander vereinigt bleiben; es ist daher
leicht, ihn in Stüken von jeder beliebigen Größe zu erhalten. Bekanntlich
unterscheidet sich dieses boraxsaure Salz vom andern dadurch, daß es statt 10 nur 5
Aequivalente Wasser enthält, in feuchter Luft efflorescirt und daß sein specifisches
Gewicht statt 1705 = 1815 ist.
Die in große Beken abgezogene Mutterlauge läßt prismatischen Borax in reichlicher
Menge niederfallen, der abgetropft und getroknet zur Verfertigung von Emailüberzügen
und anderem Gebrauch angewandt werden kann, wobei er aufgelöst oder in Pulverform
aufgetragen wird. Da jedoch diese Krystallform nicht leicht genug unterschieden
werden kann, um im Handel die gehörige Garantie zu leisten, so wird nur den großen
Consumenten und namentlich den Fabrikanten feiner Fayence, solcher Borax
geliefert.
Der oktaëdrische Borax wird in Platten verkauft, deren Oberfläche weder
Seitenflächen, noch Kanten regelmäßiger Krystalle sehen läßt; die Ursache hievon ist
ein altes Vorurtheil der Käufer, welche diesen oktaëdrischen Borax als
geschmolzenen Borax bezeichnen und gewöhnlichen prismatischen Borax zu erhalten
glauben würden, wenn man ihnen Platten schikte, welche auf einer Seite krystallinische Erhabenheiten
hätten. Man pflegt daher mit dem Hakmesser alle diese Erhöhungen hinwegzuschlagen,
während sie doch eigentlich der wahre Stempel der Reinheit dieses Fabricates
wären.
Es ist einleuchtend, daß die Entstehung eines boraxsauren Salzes, welches anstatt 40
Proc. troknen Salzes, wie der gewöhnliche Borax, davon 70 enthält, viele Irrthümer
hinsichtlich der Berechnung der Rentabilität der Säure bei der Fabrication im Großen
und selbst bei Versuchen in Laboratorien veranlassen mußte, so lange die Umstände
und Vorgänge bei der Bildung dieser zwei verschiedenen Krystallarten noch nicht
bekannt waren.