Titel: | Constructionen auf der Versailler Eisenbahn. |
Fundstelle: | Band 83, Jahrgang 1842, Nr. VII., S. 34 |
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VII.
Constructionen auf der Versailler
Eisenbahn.
Aus dem Civil Engineers and Architects' Journal August
1841, S. 250.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Constructionen auf der Versailler Eisenbahn.
Die Eisenbahn endigt sich in einen 23 Fuß hohen Damm, welcher hinsichtlich der Anlage
von Gebäuden, Drehscheiben und anderen soliden Constructionen ernstliche
Schwierigkeiten darbietet. Die Bahn verzweigt sich an ihrem Ende in drei Wege mit
einer Platform zu beiden Seiten für die ankommenden und abfahrenden Passagiere. Das
Ganze war mit einem halbkreisförmigen eisernen Dache bedekt, welches bald nach
seiner Errichtung während eines Orkans herabstürzte. Die Halbkreisform ohne
rechtwinkelige Streben ist jederzeit eine gefährliche Constructions-Methode
der Gebäude, da wo sie den mächtigen Einwirkungen des Windes ausgesezt sind, indem
seine Kraft, auf welchen Theil sie auch gerichtet seyn mag, durch das ganze
System sich fortpflanzt. Folgt nun fortwährend ein Windstoß auf den andern, so wird
die Fortpflanzung dieser Stöße immer gefährlicher, und muß zulezt zur Zerstörung
eines jeden Gebäudes führen, welches aus so dünnen Materialien als das in Rede
stehende aufgeführt ist. Die Construction des Daches ist indessen hinsichtlich der
Leichtigkeit und Eleganz seiner Form sehr sinnreich, weßhalb wir ungeachtet seines
Mißlingens keinen Anstand nehmen, über seine Construction einen Bericht zu
liefern.
Das Dach ist halbkreisförmig, 164 Fuß lang und besteht aus dreizehn Hauptrippen oder
Bögen, welche im Lichten 12′ 6″ von einander abstehen. Zehn derselben
hatten 57′ Spannung, und drei an dem äußersten Ende der Station befindliche
hatten eine Spannung von 70′. Ein Durchschnitt des Daches ist in den Figuren 1 und
2
dargestellt, wobei jedoch vier der tangentialen krummlinigen Streben weggelassen
sind. Die Hauptrippen erheben sich von einer senkrechten gußeisernen Basis (Fig. 2), welche
auf dem Balkenwerk steht, das den Gehweg oder die Platformen für die Passagiere
trägt. Diese Balkenverbindung läuft quer über die Eisenbahn ungefähr 3 Fuß unter der
Oberfläche der Schienen und wird durch starke schmiedeiserne Bänder
zusammengehalten. Die Rippen bestehen unmittelbar über der Säule Fig. 2 aus fünf
schmiedeisernen Stangen, wovon die zwei äußeren ½ Zoll dik und 1 Zoll breit,
die zwei folgenden ½ Zoll dik und 1½ Zoll breit sind, die mittlere
aber eine Dike von 1½ Zoll und eine Breite von 2 Zoll besizt. Sämmtliche
Stangen sind durch Bolzen miteinander verbunden. Ungefähr in ⅔ der Höhe
bestehen die Rippen nur noch aus vier Stangen, wobei die mittlere wegfällt und der
Rest besteht nur aus den beiden äußeren Stangen. Zur Verstärkung der Nippen dienen
tangentiale krumme Streben. Diese bestehen aus schmiedeisernen ¾ Zoll im
Gevierte haltenden Stangen, welche in diagonaler Richtung angebracht, in der Mitte
durch die ornamentale Kuppelung n, Fig. 5, und an beiden
Enden durch die Fig.
6 im Detail sichtbare Hängesäule x an die
Hauptrippen befestigt sind. Von denselben Hängesäulen springen unter rechten Winkeln
ähnliche krumme Streben ab, welche die im unteren Theile von Fig. 3 sichtbaren
Querstangen tragen und zur Unterstüzung des Sparrenwerks dienen; die unteren
tangentialen Streben stüzen sich auf den Obertheil der schmiedeisernen 1½
Zoll im Durchmesser haltenden Säulen (Fig. 2). Die Hängestüzen
(Fig. 6).
bestehen aus einer gußeisernen Geländersäule (baluster).
Durch den oberen Theil a der lezteren gehen sowohl die
zwei Stangen der Hauptrippe, als auch unter rechten Winkeln die erwähnte Querstange.
Die vier Enden der tangentialen Stangen sind in die an den vier Eken der Basis c befindlichen Löcher eingelassen. Leztere steht mittelst einer
Schraubenmutter und eines durch die Mitte der Hängesäule gehenden Schraubenbolzens
mit den Stangen der Rippe in Verbindung. Die Figuren c
und c′ stellen die Lage dieser Löcher dar; das in
der Mitte befindliche Loch dient zur Aufnahme des eben erwähnten Bolzens; die an den
vier Eken befindlichen Löcher nehmen die tangentialen Streben auf. Der Knauf e mit dem Kragen d verbirgt
den Bolzen, und der untere Theil der Säule paßt mit seinem konisch gestalteten Ende
in den ornamentalen Knauf e.
Die Querstange und die krummen Streben werden durch die Kupplung g, Fig. 7 befestigt; Fig. 8 zeigt
die Verbindung der Querstangen und der Sparren h, welche
aus 3 Zoll breiten und ¾ Zoll diken, 18 Zoll von einander abstehenden
schmiedeisernen Stangen (Fig. 4) bestehen. Das Dach
war mit galvanisirtem Eisenblech gedekt.
Den oberen Theil des Daches bildete ein unter einem Winkel von 25° angelegter
Aufsaz mit Fensteröffnungen; der untere Theil desselben wurde von leichtem
ornamentalem Eisenwerk getragen (Fig. 3), welches selbst
durch die tangentialen Träger unterstüzt wurde. Wir lassen hier das Gewicht der
Haupttheile folgen:
Basis der Säule
5
Pfund
Capital
9¼
—
Gußeiserne Haͤngesaͤulen
26
—
Großer S
foͤrmiger Laternenpfosten
36¼
—
Die Theile
m
10½
—
n
7¾
—
o aus Gußeisen
7¼
—
p
3¾
—
h
¾
—
Das Totalgewicht der gegossenen Theile des Daches betrug 5 Tonnen 6 Cntr., das des
übrigen Eisenwerks 13 Ton. 5 Cntr.
Die Totalkosten mit Einschluß der Malerei und Glaserarbeit beliefen sich auf 25,000
Fr.; da die Oberfläche des ganzen Gebäudes ungefähr 1000 Quadrat-Yards
betrug, so macht dieß auf den Quadrat-Yard 25 Fr. oder 1 Pfd., ein ohne
Zweifel ausnehmend geringer Preis.
Aus der vorangegangenen Beschreibung ersieht man, aus welch einer großen Anzahl
gußeiserner Hängestüzen und Kupplungen dieses Dachwerk zusammengesezt ist, zugleich
aber bemerkt man, daß nicht vielerlei Constructionsformen vorhanden und nur wenige
Modelle erforderlich sind. Um in Schmiedeisen diese Abwechslung in der Form zu
erlangen, hätte jedes Stük einzeln geschmiedet werden müssen, was viele Handarbeit erfordert
haben würde. Man bemerkt ferner, daß alle Stüke einfach in die Länge geschnitten
sind, ohne nachgeschmiedet oder gefeilt zu seyn. Das Eisen wird, so wie es von der
Schmiede kommt, kalt in die nöthige Form gebogen und dann mit Hülfe von Bolzen in
die gußeisernen Hängesäulen befestigt, so daß es nicht nöthig ist, Eisen feinerer
Qualität, welches warm bearbeitet werden kann, anzuwenden.
Dieß ist die Einrichtung, worauf wir die Aufmerksamkeit zu lenken wünschten, indem
sie das Beispiel eines eisernen Daches liefert, welches leicht zusammengesezt werden
kann, und das Minimum des Gewichtes an Guß- und Schmiedeisen darbietet. Es
versteht sich, daß eine solche Bauconstruction an einem entfernten Orte ausgeführt
und dann an Ort und Stelle aufgerichtet werden kann. Man braucht nur die
Hängesäulen, Kupplungen und rohen Eisenstangen, welche das Dachwerk bilden, an Ort
und Stelle zu liefern; leztere werden dann auf dem Plaze zurecht geschnitten und den
Umständen gemäß gebogen. Da die Kupplungsstüke aus Gußeisen bestehen, so kann man
denselben durch Einführung von Ornamenten beim Guß ohne große Kosten ein elegantes
Aussehen geben. Neben diesen Vortheilen hat Hr. Fauconnier am Gebäude Linien in Anwendung gebracht, welche feste
geometrische Figuren bilden. Wir nehmen schließlich keinen Anstand, die Construction
für ein ausgezeichnetes Werk zu erklären.
Auf derselben Station führt zur Herstellung der Communication zwischen der Hauptbahn
und der mit derselben parallelen Wagenremise eine Seitenbahn von der Hauptbahn nach
der Vorderseite der Remise (Fig. 9). Die leztere
enthält vier von Vorn bis hinten sich erstekende Eisenbahnen, und außerhalb
derselben sind fünf weitere Bahnen für die Gepäkwagen angebracht. Längs der Fronte
der Wagenremise ist rechtwinkelig zu den erwähnten Bahnen ein Schienenpaar mit 7 Fuß
4 Zoll Spurweite und 9 Zoll unter der Fläche jener Eisenbahnen gelegt, worauf ein
Fig. 10
und 11
abgebildeter Wagen rollt. Quer über diese Wagen laufen in gleicher Höhe mit den
Schienen der Hauptbahn correspondirende, auf einem Balkengestell ruhende
Bahnschienen. Das Balkengestell ist auf die Achsen von sechs gußeisernen, 20 Zoll im
Durchmesser haltenden Rädern gelagert. Leztere laufen auf jenen 7′ 4″
von einander abstehenden Schienen und dienen zur Wegschaffung des Blokwagens nach
irgend einer in der Wagenremise befindlichen Reservebahn. Diese Einrichtung
beseitigt die Mühe und den Kostenaufwand, welche die jedem Schienenpaare
gegenüberstehenden Drehscheiben veranlassen.
Die Locomotivremise bildet ein Polygon, welches 12 Bahnen umschließt, in deren Mitte
eine mit dem ganzen System communicirende Drehscheibe angebracht ist. Die Construction der
Uebergangspunkte ist aus Fig. 12 ersichtlich.