Titel: Ueber galvanische Aezung Daguerre'scher Lichtbilder; von W. R. Grove, Professor der Experimentalphysik an der London Institution.
Fundstelle: Band 83, Jahrgang 1842, Nr. LVI., S. 274
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LVI. Ueber galvanische Aezung Daguerre'scher Lichtbilder; von W. R. Grove, Professor der Experimentalphysik an der London Institution. Aus dem Philosophical Magazine. Jan. 1842, S. 18. Grove, über galvanische Aezung Daguerre'scher Lichtbilder. Dr. Berres in Wien war meines Wissens der erste, welcher ein Verfahren Lichtbilder zu äzen, bekannt machte. Er überzieht zu diesem Zweke die Platten mit einer Lösung von arabischem Gummi und taucht sie dann in Salpetersäure von gewisser Stärke. Ich habe keine so behandelten Platten gesehen, aber die wenigen Versuche, welche ich mit Salpetersäure anstellte, lieferten mir einen verwischten und unvollkommenen Umriß und die Manipulation ist ungemein schwierig, weil die Säure die Platte niemals gleichförmig und überall gleichzeitig angreift.Man vergl. polytechn. Journal Bd. LXXIX. S. 388. Jedoch ist bei vorliegender Mittheilung mein Zwek nicht, ein Verfahren zu tadeln, welches ich vielleicht nicht richtig ausführte und von keiner geübten Hand ausführen sah, und dessen Erfinder den Dank Aller, die sich für Physikalische Wissenschaft interessiren, verdient; sondern ein anderes bekannt zu machen, welches den Vorzug der größten Einfachheit besizt, welches jeder, auch in chemischen Operationen Ungeübte mit gutem Erfolge ausführen kann, und wodurch eine vollkommene geäzte Nachbildung des Originals erreicht wird, so zwar, daß eine auf meine Art geäzte Platte von einem wirklichen Daguerreotypbilde kaum unterschieden werden kann, indem es die mikroskopische Genauigkeit der feinsten Theile des Lichteindruks beibehält. Ein einziger Saz wird das Geheimniß dieses Verfahrens enthüllen; es besteht darin, das Daguerreotypbild zur AnodeStreng genommen ist dieß eine falsche Anwendung des Faraday'schen Ausdruks; derselbe benannte so die Oberflaͤche des Elektrolyts; da aber alle Schriftsteller des Continents, und sogar viele englische (unter welchen ich Whewell nenne) diesen Ausdruk fuͤr die positive Elektrode anwandten, und ein Terminus fuͤr dieselbe sehr noͤthig ist, so nahm ich keinen Anstand, ihn so zu gebrauchen. einer galvanischen Kette zu machen, in einer Lösung, welche für sich allein weder Silber noch Queksilber angreift, deren Anione aber beim Elektrolysiren diese Metalle ungleich angreift. Diesen Gedanken hatte ich sogleich, als Daguerre's Verfahren bekannt wurde; da ich aber damals auf dem Lande war und mir keine Platten verschaffen konnte, ließ ich die Sache ruhen, auf welche ich, durch andere Gegenstände abgehalten, einige Zeit nicht mehr zurükkam. Da ich nun in der jüngsten Zeit über die Aus- oder Unausführbarkeit geäzter Daguerreotyp-Platten viel sprechen hörte, stellte ich einige Versuche zur Ausführung meines frühern Gedankens an. Hr. Gassiot verschaffte mir mit gewohnter Zuvorkommenheit und Liberalität eine hinlängliche Anzahl Daguerre'scher Lichtbilder, und seiner thätigen und einsichtsvollen Mitwirkung verdanke ich auch so entschiedene Resultate, daß sie der Veröffentlichung werth scheinen. Fünf Punkte bieten sich dem Experimentator hier natürlich zur Beachtung dar: 1) die Quantität des elektrischen Stroms; 2) seine Intensität; 3) die Entfernung zwischen der Anode und Kathode; 4) die Dauer, welche man dem Proceß geben soll, und 5) die anzuwendende Auflösung. 1) In Bezug auf das erste Element oder die Quantität haben mich viele vorgängige Versuche überzeugt, daß um das Maximum oder die gleichförmigste quantitativeIch sage quantitative Wirkung; denn wo große Intensitaͤt noͤthig ist, wie bei der Zersezung von Alkalien u. s. w., moͤchte es rathsam seyn, die Elektroden einander zu naͤhern, so daß sie der Reaction der befreiten Elemente eine kleinere Oberflaͤche darbieten. Wirkung einer Volta'schen Kette hervorzubringen, die Elektroden dieselbe Größe haben müssen, wie die erzeugenden Platten, oder mit andern Worten, daß die Durchschnittsfläche des Elektrolyts durch den ganzen Volta'schen Strom dieselbe seyn soll. Es ist unbegreiflich, daß dieser Punkt so allgemein übersehen wurde, wie es wirklich der Fall war; Niemand würde jemals eine Batterie zusammensezen, deren eines Plattenpaar kleiner wäre als die übrigen; und doch wurden die Elektroden — welche, während sie schon von selbst wegen der Unoxydirbarkeit der Anode dem Strome Widerstand leisten, und folglich um so mehr, wenn sie klein sind — gewöhnlich ohne Vergleich kleiner gemacht, als die erzeugenden Platten; ich wandte daher ohne weitere Versuche dieses Princip auf das zu beschreibende Verfahren an. 2) Die Intensität des galvanischen Stroms. — Hier schien mir, daß, da bei der Elektrotypie, wo die sichtbare Action an der Kathode vor sich geht, ein gewisser Intensitätsgrad das Metall krystallinisch, eine stärkere Intensität es als Metallplatte und eine noch stärkere als eine pulverige Masse niederschlägt, jener Intensitätsgrad, welcher an dem negativen Niederschlag die feinsten Eindrüke von der Kathode zeigt, auch an der Anode die subtilsten Aushöhlungen erzeugen muß, und daß folglich eine Intensität, welche beinahe den Punkt noch erreicht, wobei sich Sauerstoff von der zu äzenden Platte entwikelt, die zwekmäßigste seyn dürfte; jedoch wurde dieser Punkt nicht ohne sorgfältige Versuche angenommen, um so mehr, als es Hrn. Gassiot einmal gelang, eine sehr schöne Aezplatte mit einer zehnpaarigen Salpetersäure-Batterie zu erhalten; die Resultate wiederholter Versuche aber, wobei man, was die Intensität betrifft, mit einer sechzehnpaarigen bis einpaarigen Salpetersäure-Batterie wechselte, sielen bedeutend zu Gunsten obiger Idee aus und bewiesen also, daß ein einziges Paar den erfolgreichsten Intensitätsgrad zu besagtem Zwek gibt. 3) Der Abstand zwischen den Platten. — Da durch de la Rive dargethan wurde, daß in einer elektrolytischen Lösung, wenn die Elektroden in einem gewissen Abstand sich befinden, die Wirkung sich etwas über die parallelen Linien hinaus erstrekt, welche die Gränzen der Elektroden in Verbindung sezen würden, so daß der Strom divergirt und convergirt, so schien es räthlich, die Elektroden einander so viel möglich zu nähern, damit über der ganzen Platte eine gleichförmige Wirkung stattfindet. Vorausgesezt nun, daß man eine Lösung benuzt, welche an der Kathode kein Gas entwikelt, so bin ich zu glauben geneigt, daß man die Platten mit Vortheil aufs Unbestimmte einander nähern darf; da dieß nun aber mit der Lösung, welche ich zu dem größten Theil der Versuche wählte, nicht der Fall war, so wurden 0,2 Zoll als Abstand bestimmt, so daß das von der Kathode entwikelte Gas sich an der Anode nicht anhängen und so der Wirkung störend entgegentreten konnte. 4) Die Dauer, welche dem Proceß gegeben werden soll. — Dieser Punkt konnte nur durch Versuche entschieden werden, und er muß je nach der angewandten galvanischen Kette und der Lösung verschieden seyn. Bei einem einzigen Plattenpaar der Salpetersäure-Batterie wurden nach einer großen Anzahl Versuche 25 bis 30 Secunden als die gehörige Zeit festgesezt, und da man die Platte zu jeder Zeit aus der Flüssigkeit nehmen und untersuchen kann, so sollte der erste Versuch niemals länger als 25 Secunden dauern, wo dann, wenn sie noch nicht vollendet ist, die Platte wieder der Elektrolyse unterworfen werden kann. 5) Anzuwendende Auflösung. — Hier stand ein weites Feld offen und bleibt noch künftigen Experimentatoren geöffnet. Nimmt man die gewöhnliche Erklärung der Daguerreotypie an, nach welcher die lichten Stellen Queksilber und die dunkeln Silber sind, so besteht die Aufgabe darin, eine Lösung anzuwenden, welche eines derselben angreift und das andere nicht. Könnte eine gefunden werden, die das Silber und nicht das Queksilber angreift, um so besser, weil man dann eine positive Gravirung erhielte, d. h. eine mit Licht und Schatten der Natur gemäß, während man im umgekehrten Falle eine negative bekäme. Leider aber sind Silber und Queksilber in ihrem elektrischen Verhalten sehr verwandt. Ich stellte mehrere Versuche mit reinem Silber und Queksilber an, die ich als Anode einer galvanischen Kette anwandte, fand aber, daß jede Lösung, welche das eine angriff, auch auf das andere wirkte. Alles, was demnach erwartet werden konnte, war eine Verschiedenheit im Grade der Wirkung. Mit den Daguerreotypplatten wandte ich folgende Flüssigkeiten an: Verdünnte Schwefelsäure, verdünnte Salzsäure, Lösungen von schwefelsaurem Kupfer, schwefelsaurem Kali und essigsaurem Blei. Der Grund der Anwendung des essigsauren Bleies war folgender: mit dieser Lösung wird auf die Anode Bleisuperoxyd niedergeschlagen, und da diese Substanz in Salpetersäure unlöslich ist, hoffte ich, daß, da die reinen Silbertheile der Platte dichter mit einer Schichte Peroxyds überzogen werden als die verqueksilberten Theile, diese leztern beim Eintauchen in jenes Menstruum angegriffen, und so eine negative Aezung geben würden. Auch hoffte ich eine gute Wirkung von dem Farbenspiel des auf diese Weise niedergeschlagenen dünnen Häutchens; hierin hatte ich mich aber getäuscht; die Farben hatten wenig Glanz. Beim Eintauchen in Salpetersäure von verschiedener Stärke wurden die Platten ungleich angegriffen und die Aezung fiel verwischt und unvollkommen aus. Von den andern Flüssigkeiten wurde nach vielen Versuchen die Salzsäure entschieden als die beste gefunden, was ich auch wegen der nahen Verwandtschaft des Chlors zum Silber erwartet hatte. Ich werde nun das von Hrn. Gassiot und mir im Laboratorium der London Institution mit stets gleichem Erfolge angewandte Verfahren beschreiben. Man verschafft sich einen hölzernen Rahmen, der mit zwei 0,2 Zoll von einander entfernten Falzen versehen ist, in welche die zu äzende Platte und eine Platinplatte von derselben Größe geschoben werden können. Um eine schnelle und gleichförmige Wasserstoffgasentwikelung sicher zu bezweken, wird leztere Platte nach Smee's Verfahren verplatint; denn wenn der Wasserstoff einem Theil der Kathode sich anhängt, so ist die Wirkung auf die entgegengesezten Theile der Anode um so geringer. Die Rükseite und Ränder der Daguerreotypplatte werden mit einer Schellaklösung gefirnißt, welche an einer Kante wieder weggekrazt wird, damit die metallische Verbindung hergestellt werden kann. Der Holzrahmen mit seinen zwei Platten wird nun in ein Glas- oder Porzellangefäß gepaßt, welches mit einer Mischung von 2 Theilen Salzsäure und 1 Theil destillirten Wassers (1,1 spec. Gewicht) gefüllt ist; zwei starke Platindrähte, welche von einem einfachen Paar der Salpetersäure-Batterie ausgehen, läßt man den Rand der Platten berühren, während ein Gehülfe die Zeit zählt; diese darf, wie oben schon gesagt, 30 Secunden nicht überschreiten. Nachdem die Platte aus der Säure genommen ist, muß sie mit destillirtem Wasser abgespült werden und stellt nun (wenn das Metall homogen ist) eine schöne rostgelbe Zeichnung des Originalbildes dar, welche durch ein Häutchen des gebildeten Oxychlorids entsteht. Man bringt sie nun in eine offene Schale, welche sehr schwache Ammoniakauflösung enthält und wischt die Oberfläche gelinde mit sehr zarter Baumwolle ab, bis der ganze Niederschlag sich aufgelöst hat; sobald dieß geschehen ist, wird sie sogleich herausgenommen, in destillirtes Wasser getaucht und sorgfältig getroknet. Hiemit ist der Proceß beendigt und man hat ein der Originalzeichnung vollkommen treues Aezbild, welches beim Abdruken ein positives Bild gibt, oder ein Bild, das seine Lichter und Schatten an der natürlichen Stelle hat und in dieser Hinsicht richtiger ist, als das Original-Lichtbild, weil die Seiten nicht verkehrt werden; Gedruktes kann daher direct gelesen werden, und in so gewonnenen Porträts befinden sich die rechte und die linke Seite des Gesichts in ihrer rechten Stellung. Doch hat es mit dem Abdruk von Daguerreotypplatten nothwendig folgende Schwierigkeit: sind die Platten so tief geäzt, daß sie sich deutlich abdruken, so müssen mehrere der feinen Linien des Originals unvermeidlich ineinander laufen, wodurch der Hauptvorzug dieser ausgezeichneten Bilder verloren geht; läßt man hingegen den Proceß nur so lange dauern, daß man ein genaues Aezbild nach der Originalzeichnung erhält, was auf das Vollkommenste geschehen kann, so vernichtet das starke Puzen derselben von Seite des Drukers ihre Schönheit, und da die Theilchen der Drukerschwärze größer sind als die Vertiefungen der Aezplatte, so wird der Druk unvollkommen. Aus diesem Grunde scheint es mir, ist zur Zeit der wichtigste Theil dieses Verfahrens das Mittel, welches es an die Hand gibt, Daguerreotypbilder durch Elektrotypie in unbestimmter Zahl zu vervielfältigen. Ein gewöhnliches Daguerreotypbild gibt bekanntlich beim Elektrotypiren einen matten Abguß, wird aber dabei ganz zerstört, und dieser Abguß kann nicht fortgesezt werden; aber von einer an der Volta'schen Anode geäzten Platte kann jede beliebige Anzahl Copien gemacht werden. Um eine Vorstellung von ihrer vollkommenen Genauigkeit zu geben, erwähne ich, daß auf dem Abdruk eines von mir geäzten Lichtbildes 5 Linien Inschrift eines 0,1 Zoll breiten und 0,06 Zoll hohen Aushängschildes mittelst des Mikroskops deutlich gelesen werden können. Die großen Vorzüge der galvanischen Aezmethode vor der chemischen scheinen mir folgende zu seyn. 1) Bei der erstern können unendlich viele Arten von Flüssigkeiten gebraucht werden, wie Lösungen von Säuren, Alkalien, Salzen, vorzüglich die Classe der Haloide, Sulphuride, Cyanmetalle, kurz jedes durch Elektrolyse frei zu machende Element kann man auf die Platte wirken lassen. 2) Die Wirkung ist allgemein und locale galvanische Strome werden vermieden. 3) Die Dauer der Operation kann genau bestimmt und jede erforderliche Tiefe der Aezung erreicht werden. 4) Der Proceß kann zu jeder Zeit unterbrochen und nach Belieben wieder in Gang gesezt werden. Die von mir angegebene Zeit ist für Versuche berechnet, welche mit einem Paar der Salpetersäure-Batterie angestellt worden. Es ist jedoch keineswegs nöthig, daß diese angewandt wird; jede andere Batterie mit constantem Strom eignet sich dazu. Sehr nothwendig ist es, daß das Silber bei den diesem Proceß zu unterwerfenden Platten homogen ist. Streifen, welche in der Original-Daguerreotypplatte unsichtbar sind, kommen durch die Wirkung der entstehenden Anione sogleich zum Vorschein; wahrscheinlich würde sich durch galvanische Fällung erhaltenes Silber am besten zu solchen Platten eignen. Nachschrift des Verfassers (1. Novbr. l84l). — Wenige Leser werden Gelegenheit haben, Abdrüke so geäzter Lichtbilder zu sehen, und da die Aezung nicht tief genug ist, um genug Abdrüke für das philosophical Magaz. liefern zu können, so will ich eine Vorstellung davon geben, indem ich bemerke, daß in einem mir gegenwärtig vorliegenden Abdruk eines Porträts alle Gesichtszüge aufs Deutlichste ausgedrükt, die Pupille des Auges und der Lichtpunkt auf derselben genau bezeichnet, der Glanz des Haares und der Atlas-Cravate pünktlichst vorhanden sind. Das mikroskopische Detail allein scheint auf Papier nicht übertragen werden zu können; da dieß aber, wie gesagt, bei der geäzten Platte aufs Vollkommenste der Fall ist, beabsichtige ich Versuche anzustellen, um zartere Substanzen als Papier und Drukerschwärze beim Abdruken zu substituiren. Ich möchte vorschlagen, unterschwefligsaures Natron statt des Ammoniaks anzuwenden, um das Oxychlorid von der geäzten Platte zu beseitigen.