Titel: | Ueber giftige Zukerbäkerwaaren (eine Verordnung der Pariser Polizei). |
Fundstelle: | Band 83, Jahrgang 1842, Nr. LXXV., S. 404 |
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LXXV.
Ueber giftige Zukerbaͤkerwaaren (eine
Verordnung der Pariser Polizei).
Aus dem Journal de Chimie médicale. Decbr. 1841, S.
687.
Ueber giftige Zukerbäkerwaaren.
Es wurde schon früher (zu Paris) eine Verordnung in Betreff der gefärbten Zukerwaaren
gegeben, in deren Folge die Anwendung von Substanzen, welche der Gesundheit
schädlich sind, aufhörte. Bei den jährlichen Visitationen der Zukerbäker des
Seine-Departements hatten auch wirklich die damit beauftragten Abgeordneten
des Gesundheitsraths den Fabrikanten beinahe gar nichts vorzuwerfen. Seitdem aber
scheint sich die Sache geändert zu haben. Eines der Mitglieder des genannten Rathes,
Hr. Chevallier, bekam zur Untersuchung 1) Bonbons, die
mit chromsaurem Blei gefärbt waren, 2) Bonbons, welche mit 40 Proc. Kupferoxyd
enthaltendem Ultramarin (Bremerblau, Mineralblau) gefärbt waren. Auch in der Provinz
hatte Hr. Andouard zu Breziers im Depart. de l'Herault
der Gesundheit schädliche Substanzen in Zukerwaare aufgefunden, die mehr oder
weniger schwere Unglüksfälle bei mehreren Personen herbeiführten. Eine neue
Bekanntmachung der Verordnung in Betreff der gefärbten Zukerwaaren ist daher
nothwendig geworden.
Verordnung in Betreff der Liqueure,
Zukerwaaren, Dragées und gefärbten Zeltchen.
In Anbetracht, daß in Paris ein bedeutender Absaz von Liqueurs, Bonbons, Dragées und
gefärbten Zeltchen stattfindet; daß um diese Waaren zu färben oft giftige
Mineralsubstanzen angewandt werden und daß diese Unvorsichtigkeit schwere Unfälle
veranlaßt hat; daß eben solche Unfälle Folge waren des Saugens an geglätteten oder
mit Mineralsubstanzen, z. B. Bleiweiß, Zinkweiß, Kupferoxyd, Chromgelb,
Scheele'schem oder Schweinfurter Grün gefärbten Papieren, in welche die
Zukerwaare gewikelt oder eingegossen wird, verordnen wir wie folgt:
Artik. 1. Es ist ausdrüklich verboten, sich irgend einer mineralischen Substanz, mit
Ausnahme des Berlinerblaues und des Ultramarins zum Färben der Liqueure, Bonbons,
Dragées, Zeltchen und aller Arten Zuker- und Bakwerk zu bedienen.
Es sind zum Färben derselben nur vegetabilische Substanzen, mit Ausnahme des
Gummigutts und des Aconitum napellus (ächter Eisenhut,
blauer Sturmhut), anzuwenden.
Artik. 2. Es ist verboten, Zukerwerk in weißes geglättetes Papier oder in mit
mineralischen Substanzen, mit Ausnahme des Berlinerblaues und Ultramarins, directe
einzuwikeln oder zu gießen.
Auch ist es verboten, die Bonbons in Schachteln zu bringen, welche innerlich mit
Papier belegt sind, das mit mineralischen Substanzen gefärbt ist, und sie mit
ausgeschnittenem Papier dieser Art zu bedeken.
Artik. 3. Es ist verboten, ein Knallpräparat in die Bonbonshüllen zu bringen.
Gleichfalls ist es verboten, sich metallener Drähte zu Stielen künstlicher Früchte zu
bedienen. Diese müssen vielmehr von Fischbein, Stroh oder Holz seyn.Man kann sich hiezu auch der Darmsaiten bedienen.
Artik. 4. Die Zukerbäker, Specereihändler oder andere Kaufleute, welche gefärbte
Liqueure, Bonbons u. s. w. verkaufen, müssen dieselben in Papier eingewikelt
liefern, welches Etiquetten mit ihrem Namen, Gewerbe und ihrer Wohnung enthält.
Artik. 5. Die Fabrikanten und Kaufleute sind für Unglüksfälle, welche durch die von
ihnen fabricirten oder verkauften Liqueurs etc. entstehen, persönlich
verantwortlich.
Artik. 6. Es werden jährlich Visitationen bei den Fabrikanten und Detailleurs
stattfinden, um die Befolgung der durch gegenwärtige Verordnung gegebenen
Vorschriften zu constatiren.
Paris, den 22. Sept. 184l.
Der Staatsrath, PolizeipräfectG. Delessert.
I. Angabe
der färbenden Substanzen, welche von Zukerbäkern oder Destillateuren zu Bonbons,
Zeltchen, Dragées und Liqueurs gebraucht werden dürfen.
Blaue Farben.
Sogenannter niedergeschlagener Indigo oder Indigkarmin, das Berlinerblau und reiner
Ultramarin. — Diese Farben mischen sich leicht mit allen andern zu
zusammengesezten Farben.
Rothe Farben.
Cochenille, Carmin, Carminlak, Fernambuklak, Orseille.
Gelbe Farben.
Safran, Avignon-Beeren, Kreuzbeeren, Quercitronrinde, Curcuma, Gelbholz, die
Thonerdelake aus diesen Substanzen.
Zusammengesezte Farben. — Gruͤn.
Diese Farbe kann durch Mischen von Blau mit mehreren gelben Farben erzeugt werden;
eine der schönsten aber ist die aus dem Berlinerblau und Kreuzbeeren erhaltene, sie
gibt in ihrem Glanze dem giftigen Schweinfurter Grün nichts nach.
Violett.
Campecheholz (Blauholz) und Berlinerblau. Durch passende Mischungen erhält man alle
gewünschten Nuancen.
Violbraun (pensée).
Carmin und Berlinerblau. Diese Mischung gibt die schönsten Farben.
Alle andern zusammengesezten Farben können durch Mischung der verschiedenen
angegebenen Farbstoffe erzeugt werden, die der Zukerbäker oder Destillateur seinem
Bedarfe anpassen kann.
Liqueurs.
Der Liqueurfabrikant kann alle hier oben angegebenen Farben anwenden, braucht aber
noch mehrere andere. Aus folgenden Substanzen kann er noch mehrere besondere Farben
bereiten.
Fuͤr den hollaͤndischen
Curaçao.
Campecheholz.
Fuͤr blaue Liqueurs.
In Alkohol aufgelösten Indig.Man erhaͤlt diese Aufloͤsung durch Aufloͤsen des Indigs
in Schwefelsaͤure, Saͤttigen mit Kreide, und Vermischen der
Fluͤssigkeit mit Alkohol, welcher die faͤrbende Substanz
aufnimmt und eine schoͤne blaue Fluͤssigkeit
gibt.
Fuͤr Absynth
(Wermuthliqueur).
Safran mit niedergeschlagenem Indigo (sogenanntem Indigkarmin oder Neublau)
gemischt.
II. Substanzen, deren Gebrauch zum Färben der Bonbons, Zeltchen, Dragées und
Liqueurs verboten ist.
Alle Mineralsubstanzen, mit Ausnahme des reinen Ultramarins und des Berlinerblaues,
und zwar:
Die Kupferoxyde (Bergblau, Mineralblau).
Die Bleioxyde, das Massicot,
die Mennige, das Schwefelqueksilber oder der Zinnober.
Das Chromgelb (chromsaure Blei), welches aus zwei giftigen
Substanzen (Bleioxyd und Chromsäure) besteht.
Das Schweinfurter Grün oder Scheele'sche Grün, das Mitis- (Wiener-) Grün, heftige
Gifte, welche Kupfer und Arsenik enthalten.
Das Bleiweiß.Der Zukerbaͤker etc soll auch keine Farbe nehmen, welche mit Bleiweiß
gemengt seyn koͤnnte.
Die Zukerbäker sollen für ihre Liqueurs nur Blättchen von Feingold oder-Silber
anwenden; man schlägt jezt das Messing (Chrysocalque)
beinahe so fein wie das Gold; da es aber Kupfer und Zink enthält, darf es der
Liqueurfabrikant nicht anwenden.
Einige Destillateurs bedienen sich des essigsauren Bleies oder Bleizukers, um ihre
Liqueurs zu klären; dieses Verfahren kann schwere Unfälle herbeiführen, da diese
Substanz giftig ist.
Papier zum Einwikeln der Bonbons.
In der Auswahl des zum Einwikeln der Bonbons bestimmten gefärbten und weißen Papiers
muß man sehr sorgfältig seyn. Das geglättete, weiße oder gefärbte Papier wird oft
mit sehr gefährlichen Mineralsubstanzen bereitet. Solches darf nicht zum Einwikeln
der Bonbons, Zukerwaaren, eingemachten oder candirten Früchte gebraucht werden,
welche, wenn sie feucht werden, sich an das Papier hängen und, in den Mund gebracht,
Unglük veranlassen könnten. Das mit Pflanzenlaken bereitete gefärbte Papier kann
ohne Anstand gebraucht werden. Da die Kinder häufig Papiere zum Munde führen, in
welchen Bonbons eingewikelt waren, so muß man sie, in was sie auch eingewikelt
gewesen seyn mögen, davon abhalten, um mögliche Unglüksfälle zu verhüten.
III. Anleitung, wie man zu verfahren habe, um die chemische Beschaffenheit der
vorzüglichsten färbenden Stoffe zu erkennen, deren Gebrauch den Zukerbäkern
untersagt ist.
Weiße Farben.
Das kohlensaure Blei oder Bleiweiß gibt, wenn man es
mittelst eines Messers in einer dünnen Schicht auf eine ungeglättete Karte bringt,
die man anzündet, metallisches Blei, welches in sehr zahlreichen kleinen Kügelchen
erscheint, wovon die größten einem kleinen Steknadelkopf gleichkommen. Macht man
diese Operation über einem weißen Bogen Papier oder einem Porzellanteller, so fallen
die Kügelchen darauf und sind dann leicht wahrzunehmen. Das mit Bleiweiß geglättete
Einwikelpapier gibt beim Verbrennen dieselben Kügelchen; ferner umgibt den
verbrennenden Theil des Papiers ein gelber Kreis. — Endlich werden das
kohlensaure Blei und das damit geglättete Papier etc. braun, wenn man sie mit einem
Schwefelwasserstoff enthaltenden Mineralwasser übergießt.
Gelbe Farben.
Das Massicot oder Bleioxyd verhält sich wie das
Bleiweiß.
Eben so ist es mit dem Chromgelb oder chromsauren Blei; jedoch muß man dasselbe vorher sehr
genau mit einem Viertheil seines Volumens gepulverten Salpeters mengen; man breitet
das Gemenge über die Karte aus, entzündet diese und die Bleikügelchen erscheinen in
dem Maaße, als die Verbrennung vorwärts schreitet. Durch Uebergießen mit einem
Schwefelwasser wird diese Farbe braun; ebenso das Massicot.
Das Gummigutt, in Wasser gerührt, gibt eine gelbe Milch,
welche auf Zusaz von Aezammoniak roth wird. Auf glühende Kohlen geworfen, erweicht
es sich, brennt dann mit Flamme und hinterläßt Kohle und Asche.
Rothe Farben.
Der Zinnober oder das Schwefelqueksilber, auf stark glühende Kohlen geworfen, brennt mit
blaßblauer Farbe und gibt denselben Geruch wie der geschwefelte Theil eines
brennenden Schwefelhölzchens; ein Stük mit Sand gepuzten Kupfers, welches über den
Rauch oder weißen Dunst gehalten wird, überzieht sich mit einer weißlichen Schichte
metallischen Queksilbers. — Mit Zinnober gemengter Carmin verhält sich ebenso.
Die Mennige oder das rothe
Bleioxyd verhält sich wie das Massicot oder das Bleiweiß.
Gruͤne Farben.
Das Schweinfurter Grün, das Scheele'sche Grün, das Mitisgrün sind arsenigsaure Kupfersalze; in einem Glase mit Ammoniak oder
flüchtigem Alkali zusammengebracht, lösen sie sich auf und geben eine blaue
Flüssigkeit. Wirft man so viel davon, als man zwischen zwei Fingern fassen kann, auf
glühende Kohlen, so verbreiten sie einen weißen Rauch, der stark nach Knoblauch
riecht; man muß die Einathmung dieses Rauches bestens vermeiden. — Mit diesen
Substanzen gefärbte Papiere entfärben sich in Berührung mit Ammoniak; ein einziger
Tropfen desselben reicht hin, um das Papier an dem Punkte, den er berührt, zu
bleichen, worauf es sogleich blau wird. Endlich geben diese Papiere beim Verbrennen
einen Knoblauchgeruch und die zurükbleibende Asche hat eine röthliche Farbe und
besteht größtentheils aus metallischem Kupfer.
Blaue Farben.
Das Mineralblau oder Bremerblau (kohlensaures Kupferoxyd
mit Kupferoxydhydrat) gibt mit Ammoniak eine blaue Auflösung.
Vom reinen Ultramarin wird Aezammoniak nicht gefärbt; wenn
derselbe aber mit kohlensaurem Kupferoxydhydrat verfälscht ist, erhält er dadurch
die Eigenschaft das Ammoniak blau zu färben, was das charakteristische Merkmal der
Gegenwart einer Kupferverbindung ist.
Messing- (Chrysokalk-)
Blaͤttchen.
Sie lösen sich nach und nach in Ammoniak auf, welches schnell blau gefärbt wird.
Vorstehende Anleitung wird unserer Verordnung vom 22. Sept. 1841 beigefügt.
Der Staatsrath, PolizeipräfectG. Delessert.