Titel: | Ueber Seidenwürmerzucht; Bericht über die von Hrn. Robinet im Departement der Vienne im Jahre 1840 angestellten Versuche. Vom Grafen Gasparin, Pair von Frankreich und Mitglied der Akademie der Wissenschaften. |
Fundstelle: | Band 83, Jahrgang 1842, Nr. LXXVI., S. 408 |
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LXXVI.
Ueber Seidenwuͤrmerzucht; Bericht
uͤber die von Hrn. Robinet im Departement der Vienne im Jahre 1840 angestellten Versuche.
Vom Grafen Gasparin, Pair
von Frankreich und Mitglied der Akademie der Wissenschaften.
Aus dem Echo du monde savant, 1841, No. 686, S. 708 u. No. 689, S. 735.
Gasparin, über Seidenwürmerzucht.
Kaum hatte Hr. Robinet seine ausgezeichnete Abhandlung
über die Varietäten der Maulbeerblätter herausgegeben, als dieser unermüdete
Forscher wieder eine neue Ernte in diesem Jahre gemachter interessanter Beobachtungen
lieferte.Notice sur les éducations des vers à soie, faites
en 1840, par M. Robinet. Die Aufgaben, welche sich der Verf.
gesezt, halten sich genau an die Praxis der Seidenwürmerzucht und können ihren
Fortschritten nur förderlich seyn, während sie zugleich die Theorie in Punkten, wo
sie noch zweifelhaft war, ergänzen.
Hinsichtlich der Zucht in Poitiers im Jahre 1840 erklärt Hr. Robinet, daß die Maulbeerbäume, welche er nach Verabredung mit Hrn. Millet gepflanzt, noch nicht weit genug gediehen seyen,
um schon benuzt werden zu können. Er stellte seine Versuche nur noch in kleinem
Maaßstabe und mit in der Umgegend eingekauften Blättern an. Was aber seinen
Versuchen sehr viel Interesse verleiht, sind die vielen Varietäten von
Seidenwürmern, mit welchen sie angestellt wurden; es waren deren 34, deren
Eigenschaften und Mängel er, wenn auch nicht vollständig constatiren, doch
wenigstens einigermaßen beobachten konnte. Nach diesen vorläufigen Bemerkungen
folgen wir nun dem Verfasser auf dem langen Wege seiner Untersuchungen.
§. 1. Gestalt der Eier.
Der Verf. bestätigt, daß alle Eier der verschiedenen Racen eine runde und
linsenförmige Gestalt haben, mit Ausnahme jener der kleinen schwefelgelben, im
Departement der Vienne schon lange naturalisirten Race, welche eine eiförmige oder
ovale Gestalt hat. Diese Beobachtung sollte die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf
sich ziehen, denn der dieser Race eigenthümliche Charakter zeigt eine tief genug
gehende Verschiedenheit an, um glauben zu machen, daß sie ursprünglich von der
Einführung einer besondern Species des Seidenwurms in die alten französischen
Zuchtanstalten herrühre. Nachrichten, welche sich der Verf. eingeholt, lassen ihn
muthmaßen, daß diese Race aus Friaul gekommen sey.
§. 2. Charakter der Eier zur Zeit des
Auskriechens.
Das dem Auskriechen sich nähernde Ei wird blasser, läßt aber durch seine Schale
hindurch den jungen, sichelförmig gebogenen Wurm wahrnehmen, welcher zwei Drittheile
des Umkreises des Eies einnimmt; der glatte, unbehaarte Kopf stemmt sich gegen die
Schale und bildet gegen das spizigste Ende hin einen kleinen schwarzen Punkt.
Bekanntlich haben die Chinesen das Studium dieser Veränderungen sehr weit getrieben
und den am Ei stattfindenden Farbenwechsel in zehn Abtheilungen gebracht.
Allein es sind noch ausgedehntere Untersuchungen anzustellen, welche, wenn sie gleich
zunächst nur der Theorie nüzlich zu seyn scheinen, doch auch für die Praxis
wesentliche Resultate liefern könnten; ich meine nämlich die Veränderungen des Eies
von der Zeit an, wo es gelegt wurde, bis zur Bebrütung. Ich habe mich mit dieser
Untersuchung beschäftigt und konnte beobachten, daß die mit der Befruchtung
anfangende organische Bewegung das ganze Jahr und bis zur Auskriechzeit fortdauert.
Diese Untersuchungen waren zu wenig vorangeschritteu, um veröffentlicht werden zu
können und ihre Fortsezung wurde durch die von Hrn. Hérold publicirte, vollendete Arbeit unnöthig gemacht; in diesem Werke und
den es begleitenden Abbildungen sind die Veränderungen des Eies von der Legung bis
zur Befruchtung für jeden Tag beschrieben und abgebildet; sie dauern so lange fort,
als das Ei einer Temperatur von 12,5° C. genießt, beschleunigen sich in dem
Grade, als die Temperatur steigt, bedürfen aber doch, außer in Ausnahmsfällen, eines
vollen Jahres, um den Keim zum Auskriechen vorzubereiten.
Diese Untersuchungen lehren die Ursachen, warum die Eier des Jahrgangs, wenn sie im
Herbste der Bebrütung unterworfen werden, nicht oder so schwer auskriechen. Offenbar
fehlte ihnen die vorbereitende Bearbeitung; andererseits sieht man, daß, wenn die im
Frühjahr gelegten Eier am Anfang des Winters in einem Eiskeller einer kalten
Temperatur ausgesezt werden, welcher Versuch von Hrn. Loiseleur-Deslongchamps so schön angestellt wurde, diese
Entwikelung innehält und erst dann wieder anfängt, wenn man ihnen wieder
12,5° C. Temperatur gibt; daß man sich also durch 15 Monate vorher, nicht
aber durch nur 3 Monate vor der Zucht gelegte Eier eine Herbstauskriechung
verschaffen kann.
Auch bemerkte Hr. Hérold, daß er Eier erhielt, welche
auskrochen, obwohl sie nicht befruchtet waren. Diese Thatsache ist übrigens für uns
Praktiker im Süden nicht neu; man hat mich oft versichert, daß Madame David de Roquemaure, welche jährlich viele Eier legen ließ und
der man sie mit Vertrauen abkaufte, ihre Weibchen nur alle zwei Jahre begatten ließ,
und daß dadurch die Tüchtigkeit zur Zeugung sich zwei Generationen hindurch
verlängert habe. Die wissenschaftlichen Untersuchungen des Hrn. Hérold bestätigen diese Erfahrungen. Man sieht hieraus,
wie wichtig es ist, den Versuch zu wiederholen und die Wirkungen desselben auf die
daraus hervorgehenden Producte zu verfolgen, weil er den Seidenzüchter immer auf
zwei Jahre einer mühsamen Operation entheben würde.
§. 3. Verlust, welchen die Eier von der
Legung an bis zum Auskriechen erleiden.
Wenn Hr. Robinet seine Aufmerksamkeit nicht auf die
Mysterien der Organisation richtete, welche im Innern des Eies vorgehen, so
verfolgte er doch sorgfältig andere Veränderungen, welche sich unbezweifelt an die
eben besprochenen knüpfen und sie zu bestätigen scheinen, nämlich die
Gewichtsabnahme desselben vor der Bebrütung; allein er verfolgte diese Untersuchung
nur vom 30. Jan. bis zum 26. Mai und wünscht sie vom Augenblik der Legung an bis zur
Bebrütung zu wiederholen.
Die erhaltenen Resultate sind folgende: 1) die Seidenwurmeier verlieren, der freien
Luft ausgesezt, im Mittel 4Proc. ihres Gewichts im Zeitraum von 3 Monaten, nämlich
vom Februar bis zum Mai. Den Verf. befremdete es, daß vom 30. Jan. an bis zum 15.
Febr. gar kein Verlust stattfindet, und er schloß daraus, daß die organische Arbeit
zu dieser Zeit erst anfange. Wahrscheinlich hätte er richtiger gesagt, sie fange
jezt wieder an, und wenn er die Beobachtungen im vorausgehenden Sommer schon gemacht
hätte, so hätte er die Gewichtsverminderung vom Augenblike der Legung an bis zum
Anfang der Kälte schon gefunden, indem die Arbeit der Organisation von der
Verdunstung der flüssigen Substanzen des Eies begleitet ist, wie dieß die
Beobachtungen über Bebrütung der Vogeleier zeigen und es der Verf. für diese
lezteren selbst bestätigte. Diese Gewichtsverminderung wurde durch die Vergrößerung
der zu einem Gramm nöthigen Anzahl Eier dargethan; man brauchte hiezu im Januar im
Mittel 1475 Eier, im Mai nur 1420. Die Sina-Eier sind schwerer als andere
Varietäten; man brauchte deren im Monat Januar zu einem Gramm nur 1310 von jenen von
Ardèche und 1335 von den in Poitiers gesammelten.
Der Verf. erinnert hierauf auf eine der Praxis Nuzen versprechende Beobachtung. Die
gegen den 1. Mai in gläsernen Gefäßen von Paris nach Poitiers gesandten Eier waren
auf der Reise durch verdunstetes Wasser befeuchtet worden; die im Eiskeller
aufbewahrten waren vollkommen troken; hieraus ist es erklärlich, daß die
Aufbewahrung der Eier im Eise nicht gelingen wollte, wenn sie, vorher in Gefäßen
eingeschlossen, wo sie eine Temperatur über 12,5° C. hatten, Wasser einziehen
und dann später in den Eiskeller gebracht werden, wo dieses Wasser gefriert. Auch
sollen nach der von Hrn. Loiseleur-Deslongchamps
angegebenen Regel die Gefäße immer nur eine im Verhältniß zu ihrem Volumen kleine
Quantität Eier enthalten, damit, wenn Verdunstung stattfindet, die Feuchtigkeit
nicht so bedeutend seyn kann, um ihnen zu schaden.
Der Verf. widmet hierauf einige Seiten den Versuchen, welche er zur Bekämpfung des
Vorurtheils angestellt hatte, daß die Vogeleier während der Bebrütung an Gewicht
zunehmen. Er fand, daß die Hühnereier am 19ten Tage ihrer Bebrütung 15 und die
Enteneier 16 Proc. ihres ursprünglichen Gewichts verloren hatten. Wir wollen uns
aber bei dieser bekannten Thatsache nicht länger aufhalten.
§. 4. Einfluß des Datums der Legung auf das
Auskriechen.
Die Versuche wurden mit Eiern derselben Race, welche am 11. und 15. Jul. und Ende
September gelegt worden waren, angestellt. Die Tücher, worauf sie gelegt waren,
zeigten eine gleiche Anzahl freiwilliger Auskriechungen für diese verschiedenen
Daten. Es scheint daher unnüz Cocons zu opfern, um gerade an einem und demselben
Tage gelegte Eier zu erhalten. Doch bemerkt der Verf., daß die Eierlegung des Monats
September Seidenwürmer erzeugte, welche durchaus schwächer blieben.
§. 5. Einfluß der Temperatur auf das
Auskriechen.
Hr. Robinet bezeichnet die Uebelstände der von vielen
Autoren für das Auskriechen der Seidenwürmer vorgeschriebenen Temperatur von
30° C.; es ist schwierig, diese hohe Temperatur gleichmäßig zu erhalten,
schwierig, die kaum ausgekrochenen Würmer in eine geringere Temperatur
überzubringen, schwierig, die bei größerer Wärme nothwendig vermehrte Anzahl von
Mahlzeiten, schwierig, den Raum bei einer Feuchtigkeit von 80° C. zu
erhalten. Er ließ bei einer Temperatur von 25° C. auskriechen, die Würmer
kamen am 7., 8. und 9. Tag heraus; im verflossenen Jahre, wo die Temperatur auf
30° C. gehalten wurde, fand die Auskriechung später statt.
§. 6. Temperatur, welche die Eier ertragen
können.
Der Verf. sezt eine Reihe von 12 kleinen, oben offenen Röhrchen, wovon jedes 5
Decigramme Seidenwurmeier enthält, in ein Wasserbad; ein 13tes ähnliches wird
nebenhin gestellt, um als Vergleichungspunkt zu dienen. Das Marienbad wird erwärmt,
die erste Röhre herausgenommen, wenn die Temperatur 35° C. erreicht hat, und
so die anderen von 5 zu 5 Graden; es wird so bis auf 100° C. (80° R.)
erhizt. Man bringt diese Eier in das Brützimmer; die drei ersten Röhren, welche 35
bis 45° C. Wärme erhielten, geben vom ersten Tage der Auskriechung an
reichlich Eier; die vierte, welche 50° C. hatte, bleibt um einen Tag zurük,
gibt aber vom anderen Tage an ebenfalls viele Würmer. In den folgenden Röhren findet gar keine Geburt
statt; aber vier Tage darauf gibt Nr. 5, auf 55° C. erhizt, deren einige, und
am anderen Tage kriechen sie alle aus. In den über 55° C. erhizten Röhren
kriechen keine Würmer aus.
Der Verf. variirte diesen Versuch und konnte die Eier 8 Tage lang eine Temperatur von
35 bis 40° C. ertragen machen, ohne daß sie das Vermögen auszukriechen,
verloren.
§. 7. Aufbewahrung der Eier im
Eiskeller.
Es gelang Hrn. Robinet im vorigen Jahre nicht, die Eier im
Eiskeller zu erhalten, was er irgend einer Vernachlässigung in der Ausführung der
von Hrn. Loiseleur-Deslongchamps gegebenen
Vorschriften zuschreibt; dieses Jahr hielt er sich gewissenhaft an dieselben, und
zwar mit folgendem Resultat.
Man hatte die Eier auf den Tüchern gelassen und in gut verkittete Gefäße gebracht. Am
20. Mai aus dem Eiskeller gebracht, gaben sie eine herrliche Auskriechung. Einen
Monat später aber, am 24. Jun., zog er andere Gefäße aus der Eisgrube und fand
sogleich, daß eine gewisse Menge Eier verdorben war. Sie waren eingefallen und
ausgetroknet; einige einzelne, welche sich vom Tuche losgemacht hatten, schienen
noch gut, wurden aber nach einigen Tagen schwarz und fielen ein. Von denjenigen auf
dem Tuche krochen einige ganz, die anderen theilweise aus, ohne daß man sich die
Verschiedenheit hätte erklären können, wenn nicht etwa die größere oder geringere
Dike des Tuches daran Schuld war.
Am 24. Jun. sezte man in die Eisgrube eine Flasche, deren Eier in gutem Zustande zu
seyn schienen; man brachte sie in einen tiefen Keller, dessen Temperatur zwischen 10
und 12° C. variirte; am 17. Aug. wurden sie der Bebrütung unterworfen, es
kroch kein einziger Wurm aus.
Am 9. Sept. wurden 9 Eierproben aus der Eisgrube genommen, auf dem Tuche befindliche
und lose; man unterwarf sie der sorgfältigsten Bebrütung; am 1. Okt. krochen nur
fünf Würmer aus.
Der Verf. fügt hinzu, daß er nur einen einzigen Vorwurf sich machen zu müssen glaube,
daß er nämlich zu spät, am 31. März erst, die Würmer in die Eisgrube brachte; er
nimmt sich vor, dieses Jahr seinen Versuch zu wiederholen, um die zum Gelingen
unerläßlichen Vorsichtsmaßregeln zu bestimmen. Gewiß ist, daß die Aufbewahrung der
Eier viele Anomalien darbietet, welche man sich noch nicht recht erklären kann. Der
Berichterstatter erhielt im August Eier, welche von Hrn. Loiseleur-Deslongchamps Ende März in die Eisgrube gebracht worden
waren und schön auskrochen, während andere diesen Erfolg nicht hatten. Neue Untersuchungen,
welche die Ursachen dieser Anomalien verschwinden machen, wären daher für das
Gelingen der zweiten Zucht von sehr großem Werth.
§. 8. Metamorphose der
Seidenwürmer.
In diesem Paragraph beschreibt der Verf. sorgfältig alles, was bei der merkwürdigen
Erscheinung der Seidenwürmer-Metamorphose vorgeht. Er wurde zu diesen
interessanten Beobachtungen durch den Wunsch veranlaßt, Hrn. Andouin die abgestreifte Haut dieser Insecten in dem Augenblike, wo sie
sie verlassen, zu verschaffen. Diese Beschreibungen gestatten keinen Auszug; wir
begnügen uns, darauf aufmerksam zu machen und auf die Originalabhandlung zu
verweisen.
Im dritten Capitel berichtet Hr. Robinet über seine
Seidenzucht im Jahre 1840. Diese fand an zwei verschiedenen Pläzen statt, in
Cataudière mit drei Hauptracen von Seidenwürmern, und in Poitiers mit vielen Racen
und unter verschiedenen Umständen. Leztere Zucht verdient wahrhaft den Namen einer
durch Erfahrung bestätigten; in einer der dazu bestimmten Stuben fand die zu einer
guten Zucht gehörige normale Behandlung statt; dann wurden neben dieser mehrere
andere getrennt, vorzüglich zu dem Zwek eingerichtet, die Wirkungen der Feuchtigkeit
und der Trokenheit auf die Seidenwürmer zu studiren.
Um die sich darbietenden Fragen zu lösen, veranstaltete der Verf. vier Zuchtversuche;
sie wurden mit vollkommen gleichen Würmern angestellt; es wurden nämlich
gleichartige Serien dreier verschiedener Seidenwürmerracen im zweiten Lebensalter in
vier gleiche Theile getheilt. Diese Racen waren die Sina, die von Touraine und die
von Loudun. Die Mahlzeiten wurden in gleicher Menge und zu gleicher Stunde gegeben;
ein und dasselbe Blatt diente für alle vier Zuchten. Die Ausräumung geschah mittelst
Neze; endlich war man bemüht, in allen vier Stuben eine gleichmäßige Temperatur zu
erhalten und jeden der Feuchtigkeit, deren Wirkungen man studiren wollte,
entgegenwirkenden Einfluß fern zu halten.
§. 9. Normale Zuchten.
Die Resultate der normalen Zucht waren folgende:
1) Gewicht der drei
Coconsracen.
Sina
1,47
Gelbe von Tours
1,78
Loudun
2,34
2) Gewicht der
Seidensubstanz.
Sina
0,22
Gelbe von Tours
0,29
Loudun
0,42
Es folgt hieraus, daß jeder Seidenwurm von Loudun beinahe
zweimal so viel Seide liefert als der der Sinarace, und daß, wenn man die Cocons
beider Racen spinnen will, 100 Kilogr. Sinacocons 14,9 Kilogr. Seide enthalten, ohne
daß man jedoch verlangen dürfe, daß man beim Spinnen auch so viel erhält, indem es
immer etwas Abgang gibt. Der für die Zucht einzuräumende Vorzug hängt also von der
Frage ab: sind die Sinacocons zweimal so theuer als die Louduncocons verkäuflich?
und für die Spinner: ist die Sinaseide im Vergleich zur Loudunseide zu einem wie 18
zu 15 Fr. sich verhaltenden Preise verkäuflich? Es versteht sich, daß mehrere
aufeinander folgende Versuche, welche mit dem hier auseinandergesezten
übereinstimmen, zu den wichtigsten Resultaten für die Praxis führen würden.
§. 10. Trokene Zucht.
Diese Zucht fand auf dem Fußboden eines schon an und für sich sehr trokenen Zimmers
statt, welcher noch mit mehreren Decalitern oft erneuerten gebrannten Kalks bedekt
wurde.
Der äußere Hygrometer zeigte im Mittel 75° und der der
Normal-Seidenzuchtanstalt 70°; unter 60° konnte derjenige in
der trokenen Zuchtanstalt nicht gebracht werden.
Die Dauer der Zucht war 25 Tage, wie in der Normalanstalt. Die Würmer wurden nicht so
dik, die Cocons zweier Racen, der Sina- und der Loudunrace, wurden schwächer;
die der Tourainerace stärker. Das Verhältniß der Seidensubstanz blieb dasselbe, aber
ihr absolutes Gewicht war etwas geringer. Im Allgemeinen scheint der Einfluß der
Trokenheit nicht günstig gewesen zu seyn.
§. 11. Feuchte Zucht.
Diese Zucht fand unter einem unter dem Boden befindlichen, an und für sich schon sehr
feuchten Gewölbe statt, dessen Boden noch fortwährend besprengt wurde. Es befand
sich ein beständig mit Wasser angefülltes Gefäß zur Verdunstung auf dem Ofen, und
nasse Tücher waren um die Hürden herum gehangen und wurden immerfort, Tag und Nacht,
erneuert. Der Hygrometer zeigte im Mittel 89,2, also 13° mehr als in freier
Luft, 19,2 mehr als in der großen Seidenzuchtanstalt und 24° mehr als in der
trokenen. Folgendes waren die Resultate.
1) Die Würmer wurden größer als in der trokenen und in der Normalzuchtanstalt. Die
mittlere Zahl ihrer Zunahme ist 11 Proc.; ihre Zunahme an Gewicht betrug 14
Proc.
2) Die in der feuchten Zuchtanstalt erhaltenen Cocons sind schwerer als die der
anderen, und zwar im Verhältniß von 11,2 Proc. zur Normal- und von 12,4 Proc. zur trokenen
Anstalt; die Cocons aller wurden erst dann gewogen, nachdem das hygrometrische
Gleichgewicht wieder unter ihnen hergestellt war.
3) Das Verhältniß der Seidensubstanz im Sina- und dem Seidenwurm von Tours
bleibt sich gleich; im Louduncocon nahm es im Vergleich zur Normalanstalt um 2 Proc.
und zur trokenen Anstalt um 4 Proc. zu; da aber die Cocons aller drei Racen an
Gewicht gewonnen hatten, so folgt hieraus, daß bei gleicher Coconsanzahl die feuchte
Zucht mehr Seidensubstanz erzeugt.
4) Das Volumen der Cocons blieb dasselbe, woraus folgt, daß, da das Verhältniß der
Seide zunahm, sie härter und dichter sind.
Die Feuchtigkeit war demnach der Gesundheit der Seidenwürmer offenbar zuträglich,
vorausgesezt daß häufige Ausräumungen ihr keine Einwirkung auf den Mist der Würmer
durch Begünstigung der Gährung gestatten.
§. 12. Zucht mit befeuchteten
Blättern.
Der Verf. hielt es nicht für hinreichend, die Einwirkung der Feuchtigkeit auf die
Seidenwürmer durch Vermittelung der Luft darzuthun; da er wohl wußte, wie viel man
in neuerer Zeit auf das Troknen der durch den Regen befeuchteten Blätter hält, so
beschloß er, die Resultate einer aus reichlich mit Wasser besprengten Blättern
bestehenden Nahrung durch Versuche zu ermitteln.
Die Lebensdauer der Würmer blieb sich gleich; es gab keine erkrankten; das Volumen
der Würmer war größer; die Gewichtszunahme betrug 17 Proc. gegen die Würmer der
normalen, 7 Proc. gegen die der feuchten, und 28 Proc. gegen die der troknen Zucht.
Das Gewicht der Cocons hatte um 12 Proc. im Vergleich zu jenen der normalen Zucht
zugenommen.
Das Verhältniß der Seidensubstanz schien abgenommen zu haben, oder mit anderen
Worten, das Gewicht der Puppe war im Verhältniß größer als das der Seidenhülle;
dieser Unterschied aber wird durch das absolute Gewicht der Cocons mehr als
ausgeglichen; so ist die nöthige Anzahl Cocons, um 1 Kilogr. auszumachen, in der
troknen Anstalt 565; in der Anstalt mit feuchten Blättern 491; ein Unterschied von
64 oder von 13 Proc. Nun ist der Verlust an Seidensubstanz nur 1/21 oder 0,05. Man
sieht also, daß bei gleicher Anzahl Würmer ein reeller Mehrbetrag an Gewicht
vorhanden ist.
Das Volumen der Cocons war etwas größer, aber um weniger, als das der Seidensubstanz,
weßhalb sie sehr hart sind. Beim Oeffnen der Cocons fand man einige Würmer todt, die
aber ihre Arbeit vollendet hatten.
Der Verf. behauptet also, ohne gerade den Schluß ziehen zu wollen, daß man das
Verfahren des Besprengens der Blätter einführen solle, daß man weder die vom Regen,
noch die vom Thau benezten Blätter zu fürchten habe. Wir müssen aber in dieser
Hinsicht für Klimate, deren Luft nicht ganz rein ist, Ausnahmen vorbehalten.
Der Zwek dieser Versuche ist übrigens unbestritten erreicht und die Feuchtigkeit
erscheint als ein den Seidenwürmern günstiger Umstand, wenn sie von oft erneuerter
warmer Luft und Sorgfalt für Reinlichkeit und Ausräumung begleitet ist.
Der Verf. beabsichtigt, die Cocons aller Versuche besonders spinnen zu lassen und die
Resultate davon später mitzutheilen.
§. 13. Wirkung der
Temperatur-Uebergänge.
Die Temperatur-Uebergänge wurden schon oft als von schädlichem Einfluß auf die
Gesundheit der Seidenwürmer bezeichnet. Hr. Robinet hat
diesen Einfluß nicht untersucht und theilt nur einige einzelne Versuche über die
Uebergänge vom feuchten in den troknen Zustand mit. Bei 10 Proben trat nicht eine
einzige erhebliche Veränderung ein und alle denselben unterworfenen Seidenwürmer
machten ihre Cocons.
§. 14. Einfluß der Spätzuchten.
Der Verf. vergleicht zuerst das Gedeihen der im Julius und der im September gelegten
Eier; die lezteren waren kleiner, indem man von ihnen 1470, von den ersteren aber
nur 1335 zu einem Gramm brauchte. Die Herbsteier wogen also 1/10 weniger als die
Sommereier.
Der Unterschied wurde sehr auffallend bei den Cocons; man bedurfte von Sommereiern
680 zu 1 Kilogr.; ihr mittleres Gewicht war 1,47 Gr.; das Verhältniß der Seide 14
Proc.; Herbsteier gingen 800 auf das Kilogr., ihr mittleres Gewicht war 1,25 Gr.;
das Verhältniß der Seide 11 Proc.
Man soll sich daher niemals Eier zweiter Zucht bedienen.
§. 15. Zucht in freier Luft.
In der Baumschule zu Poitiers findet man durchlöcherte Blätter, worauf sich
Seidenwürmer niedergelassen haben, die von Schmetterlingen herrühren, welche im
vorigen Jahre von Zöglingen der Anstalt dahin gebracht wurden, allen
Temperaturveränderungen des Sommers, des Winters und des Frühlings getrozt hatten
und in den ersten Tagen des Mai's auskrochen.
Man umhüllte die Bäume mit einem Neze, um die Seidenwürmer gegen die Vögel zu
schüzen; sie wurden aber von den Ameisen angefallen; man versah die Stämme mit
Baumwollringen, welche diese neuen Feinde aufhielten; aber durch das Zerreißen des
Maulbeerblattes verloren die Würmer ihre Stüze und fielen in großer Anzahl zur Erde,
wo sie verzehrt wurden. Am 29. Mai waren nur mehr wenige da, welche sehr schön
waren; am 10. Junius waren sie alle verschwunden, ohne daß man die Ursache davon
sich hätte denken können.
§. 16. Zucht mit Farbstoffen.
Man hat viel von der Zucht mit Blättern, die mit Farbstoff getränkt sind, gesprochen,
wodurch eine Seide erzielt werden soll, welcher sich die Farbe schon einverleibt
hat; der Verf. hat dieses Verfahren mit Indigo, Cochenille, Krapp, Alkannawurzel und
Gelbholz versucht. Die Würmer bissen das Blatt nur ungerne und vom Hunger gezwungen
an. Die Cocons waren schwach und gerade nicht ungefärbt, aber die Farbe mit der
Seide nicht bleibend verbunden. Der Faden wurde vom Wurm beschmuzt, dessen Körper
sich über die mit Farbstoffen bedekten Blätter dahinschleppte und ihn im Innern der
Cocons absezte.
Im vierten Capitel gibt der Verf. nähere Details über seine thermometrischen und
hygrometrischen Beobachtungen und über die Schwierigkeit, zu gleicher Zeit eine hohe
Temperatur und einen hohen Grad von Feuchtigkeit zu erreichen.
Im fünften Capitel werden praktische Details über die Zucht gegeben; er behandelt
nacheinander die Blätterscheren, von welchen er jener des Hrn. Geoffroy den Vorzug gibt; die Hürden und die Ausräumung, von welchen er
schon in einer andern Abhandlung gesprochen und deren Vorzüge er bestätigt; die
Papierneze, welche er verwirft, außer um als Uebergang zu den Fadennezen zu dienen;
die Vorzüge der Rübsamen- (Colza-) Besen für das Getäfel; die
geregelten Nachtwachen in der Weise, daß die Arbeiter sich in zwei Sectionen
theilen, wovon die eine sich früh niederlegt, um des Morgens um 3 Uhr aufzustehen
und die andere bis Mitternacht wacht. Die Fütterung wird demnach während 3 bis 4
Stunden aufgehoben, ohne daß diese Aufhebung irgend einen übeln Einfluß auf die
Dauer der Zucht üben könnte.
Das sechste Capitel handelt von der Erstikung der Puppen. Der Verf. gibt dem heißen
Wasserdampfe den Vorzug, ein Verfahren, welches wohlfeil und leicht ist, wenn es gut
ausgeführt wird, und der Zug stark genug ist, um den ganzen Raum der Vorrichtung mit
Dampf zu erfüllen und ihn dann, ohne daß Verdichtung eintritt, entweichen zu
lassen.
Im siebenten Capitel wird gezeigt, daß es nicht wohl möglich ist, mittelst gebrannten
Kalks die Feuchtigkeit behufs des Austroknens hinreichend zu absorbiren.
Nach diesem Berichte reichte Hr. Loiseleur-Deslongchamps folgende Beobachtungen ein:
Im Jahre 1823 machte ich meine ersten Versuche, das Auskriechen der Eier des
Seidenwurms durch die Kälte der Eisgruben zu verzögern. Da diese Versuche gelangen,
sezte ich sie im Jahr 1824 fort und machte nacheinander fünf Zuchten, die lezten
drei mit Eiern, welche sich 3, 4 und 5 Monate in der Eisgrube befunden hatten. Die
lezte dieser Zuchten, am 19. August angefangen, war erst am 4. Oktober vollendet. In
den Jahren 1825, 1826 und 1827 hatten die unternommenen zweiten und dritten Zuchten
alle denselben Erfolg; doch betrieb ich dieselben nicht mehr so spät in die
Jahrszeit hinein; die späteste war am 12. August vollendet.
Die Cocons der zwei oder drei ersten Zuchten waren im Gewichte immer ziemlich gleich,
die der vierten und fünften aber waren um 1/6 oder gar um 1/5 schwächer.
Indem ich meine Eier in die Eisgrube sezte, conservirte ich sie größtentheils
dadurch, daß ich sie in lange gläserne Flaschen (Phiolen) brachte, welche ich nur zu
1/10 oder 1/12 anfüllte, und so oft diese gut verstopft und verkittet waren, krochen
sie beinahe alle aus. Unter 14 bis 15malen war nur 3mal durch irgend eine Schuld
Feuchtigkeit in die Phiolen gedrungen, die Eier nahmen einen schimmligen Geruch an,
konnten nicht auskriechen und waren durchaus verloren.
Boissier de Sauvages war, wie ich glaube, der erste,
welcher Versuche über die Temperatur anstellte, welche das Seidenwurmei noch
ertragen kann. Nach seinen Versuchen krochen Eier, der directen Sonnenhize
ausgesezt, bei welcher das Thermometer auf 36° R. stieg, nichtsdestoweniger
aus. (Siehe l'Art d'élever les vers à soie, nouvelle
édit. Avignon 1788.) Andererseits können diese Eier nach den Versuchen der
HHrn. Pomarè de und Amans-Carrier und den meinigen einer Kälte von 17 bis 18°R.
unbeschadet ausgesezt werden; folglich können sie einen Wechsel zwischen 60°
C. ertragen.
Das Auskriechen der nicht befruchteten Eier kann meines Erachtens nur in möglichst
zweifelhafter Form ausgesprochen werden. So viel kann ich versichern, daß eine
ziemliche Anzahl Weibchen, welche ich jährlich von den Männchen nicht begatten ließ,
immer nur leere Eier legten. Es wäre zu wünschen, daß Hr. Robinet hierüber mit gewohnter Sorgfalt neue Versuche anstellte.