Titel: Robert Stephenson's neue Locomotive.
Fundstelle: Band 84, Jahrgang 1842, Nr. LVII., S. 322
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LVII. Robert Stephenson's neue Locomotive. Aus dem Civil Engineer and Architects' Journal. Febr. 1842, S. 83. Stephenson's neue Locomotive. Hr. Robert Stephenson hat in Erwägung, daß der Dampfwagen jezt gleich anderen Maschinen von ausgedehntem Gebrauche diejenige Periode erreicht habe, wo die ökonomische Frage von größter Wichtigkeit wird, seine Aufmerksamkeit auf Verminderung der Brennmaterial-Consumtion und auf eine einfache Anordnung des Mechanismus gerichtet, und diese beiden Punkte bei seiner neuen Maschine, welche gegenwärtig auf der York- und North-Midland-Eisenbahn läuft, besonders berüksichtigt. Ein ökonomischer Erfolg in Betreff der Consumtion an Brennmaterial wurde dadurch erreicht, daß man die Länge der Röhren bedeutend vermehrte, ohne den Abstand zwischen den Vorder- und Hinterachsen der Maschine zu vergrößern. Der Raum, welchen die Maschine einnimmt, ist also ganz derselbe geblieben, und erfordert daher keine Aenderungen an den Drehscheiben oder anderen zu dem Dienst einer gewöhnlichen Locomotive gehörigen Einrichtungen. Dadurch, daß man die Achsen aller Räder unter den cylindrischen Theil des Dampfkessels verlegte, so daß die Achse der Vorderräder dicht an die Rauchkammer und die Achse der hinteren Räder dicht an das vorderste Ende anstatt an den hinteren Theil der Feuerkammer zu liegen kam, ist der Mechanismus vereinfacht worden. Diese Anordnung gestattet, die Achse der Treibräder in die Mitte zwischen die beiden anderen Achsen oder in einen solchen Abstand von beiden zu verlegen, welchen man in Beziehung auf die beweglichen Theile für den zwekdienlichsten hält. Die Abänderung in der Construction des Dampfkessels und des Röhrensystems liefert eine Heizoberfläche von 800 Quadratfuß, während dieselbe bei der gewöhnlichen Locomotive selten 450 Fuß übersteigt, so daß man also der neuen Construction zufolge eine um 350 Quadratfuß größere Heizfläche erhält. Dieser Gewinn hat den Erfolg, daß die Temperatur der in den Rauchfang entweichenden Luft die Temperatur des Wassers in dem Dampfkessel kaum übersteigt — ein Umstand, welcher neben der Brennmaterialersparniß noch einen weiteren Vortheil hat. Denn es hat sich gezeigt, daß durch die Vermehrung der Heizoberfläche und durch die nüzliche Verwendung der ganzen Feuerwärme ein minder heftiger Luftzug nöthig ist. Die Folge hievon ist, daß sehr wenig heiße Asche aus dem Rauchfang geweht wird — eine Eigenthümlichkeit, welche bei der gegenwärtig im Betrieb befindlichen Maschine sehr merklich hervortritt. Vor Kurzem machte diese Maschine eine Fahrt von 90 Meilen, während welcher keine Asche aus der Mündung des Rauchfangs herausgeweht wurde; zugleich zeigte sich die Anhäufung der Asche in der Rauchbüchse sehr unbedeutend, indem sie den vierten Theil der gewöhnlichen Quantität nicht überstieg. Da das Auswerfen von Asche aus dem Rauchfang von der Geschwindigkeit abhängt, so darf nicht übergangen werden, daß die Geschwindigkeit nie unter 20 Meilen per Stunde betrug, in der Regel aber 30 Meilen überstieg, und daß auf die Streke mehrerer Meilen eine Geschwindigkeit von 48 Meilen per Stunde gleichförmig beibehalten wurde, und zwar mit fünf beladenen Kutschen. Das Brennmaterial-Consum betrug bei dem obigen Versuch mit einem Train von 8 Wagen auf die halbe Streke (45 Meilen) und mit 5 Wagen auf die übrige Streke 19.2 Pfd. per Meile. Hiebei ist das zum Anmachen des Feuers bis zur Dampfentwikelung verwendete Brennmaterial mitgerechnet. Wir können offen behaupten, daß uns nie ein Beispiel vorgekommen ist, wo Geschwindigkeit und Oekonomie in einem so hohen Grade vereinigt gewesen wären. Es ist übrigens zu bemerken, daß dieses Resultat einem einzelnen Versuch angehört, und daß man sich durch isolirte Versuche nicht irre führen lassen darf; indessen hat, wie wir vernehmen, die Compagnie der Linie, auf welcher die Locomotive gegenwärtig im Betrieb ist, ein genaues Protokoll über ihre Leistungen und über das Brennmaterial-Consum während jeder Fahrt angeordnet, dessen Ergebniß hoffentlich veröffentlicht werden wird. Nach mehreren vorangegangenen Versuchen führte Stephenson schmiedeiserne anstatt der messingenen oder kupfernen Röhren ein, um eine größere Heizoberfläche ohne entsprechende Kostenerhöhung zu erlangen. Während der lezten zwölf Monate arbeiteten, unter seinen Augen mehrere Dampfkessel mit eisernen Röhren, bloß um zu bestimmen, in wie weit er sie für den allgemeinen Gebrauch empfehlen könnte. Das Resultat war so günstig, wie er es nur erwarten konnte, weßwegen er auch die neue Einrichtung mit größerem Vertrauen einführte. Wir gehen nun zu Stephenson's Abänderungen in der mechanischen Einrichtung über. Bei den gewöhnlichen Locomotiven geräth der Mechanismus zur Bewegung der Schiebventile leicht in Unordnung und nüzt sich bedeutend ab. Diesen Theil der Maschine hat Stephenson sehr vereinfacht, indem derselbe nur eine einfache Verbindung zwischen den excentrischen Scheiben und den Schiebventilen erfordert, so daß eine beträchtliche Anzahl beweglicher Theile wegfällt, welche bisher zu mehr Unfällen als irgend ein anderer Theil der gewöhnlichen Locomotive Veranlassung gegeben haben. Dieser Zwek wird dadurch erreicht, daß man die Schiebventile senkrecht zu den Seiten der Cylinder, anstatt wie früher an der oberen Seite derselben anordnet, so daß die Richtung der schiebenden Bewegung der Ventile und die Centrallinie der Ventilstangen die Centrallinie der Hauptwelle an der Stelle, wo die Excentrica angebracht sind, schneidet. In diesem Falle stehen die Excentricumstangen, ohne die sonst üblichen Zwischenhebel und Gewichtsstangen, unmittelbar mit der Verlängerung der Ventilstangen in Verbindung; außerdem liegen die Schiebventile beider Cylinder in einer zwischen den Cylindern angebrachten Dampfbüchse. Eine andere Verbesserung bezieht sich auf das Spiel der Speisungspumpen, und besteht darin, daß man die Pumpenstangen mit den zur Rükbewegung der Maschine dienlichen Excentriken verbindet. Dadurch wird die Geschwindigkeit des beweglichen Theiles der Pumpe bedeutend vermindert, und eine größere Regelmäßigkeit in ihr Spiel gebracht. Außerdem sind noch mehrere kleinere Abänderungen vorgenommen worden, welche wir ohne detaillirte Abbildungen nicht genugsam erläutern können. Folgendes sind die Hauptdimensionen der gegenwärtig auf der York-Nord-Midland-Eisenbahn im Gang befindlichen Maschine: Durchmesser der Cylinder 14 Zoll Laͤnge des Kolbenhubs 20 Durchmesser der Treibraͤder Fuß — der kleineren Raͤder 3 150 Roͤhren mit einer Heizoberflaͤche von 765 Quadratfuß Kupferne Feuerkammer mit einer Heizoberflaͤche von 30 Laͤnge des Kessels mit Einschluß der Feuer- und Rauchkammer 17 Fuß Gewicht der Maschine im betriebsfaͤhigen Zustande 15 Tonnen.