Titel: | Ueber Anwendung der Elainsäure statt des Olivenöhls zum Einfetten der Wolle; von Hrn. Zurhelle, Director der Tuchfabrik zu Namiest in Mähren. |
Fundstelle: | Band 84, Jahrgang 1842, Nr. XC., S. 436 |
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XC.
Ueber Anwendung der Elainsaͤure statt des
Olivenoͤhls zum Einfetten der Wolle; von Hrn. Zurhelle, Director der Tuchfabrik zu Namiest in
Maͤhren.
Zurhelle, über Elainsäure zum Einfetten der Wolle.
Seit vielen Jahren sind von Zeit zu Zeit verschiedene Surrogate erfunden worden, um
das zur Vorbereitung der Wolle zum Spinnen bisher gebräuchliche Baumöhl ganz oder
theilweise zu ersparen und durch andere Ingredienzien oder Compositionen ganz zu
ersezen. Es wird wenige Tuchfabrikanten geben, welche nicht mehrere solcher neuer
Verfahrungsarten versucht hätten, keine derselben hat sich aber bisher bewährt und
den oft hoch gepriesenen Erwartungen entsprochen, so daß man endlich, von dem
Grundsaze ausgehend, daß kein Fett die Feinheit des Baumöhls besize, keines also
sich so vollständig auf das feine Wollhaar vertheilen lasse, nach so vielen
mißlungenen Versuchen die späteren neuen Entdekungen dieser Art ganz von sich abwies
und um so mehr mit Mißtrauen betrachtete, als manche Experimente sowohl beim Spinnen
der Wolle, als bei den nachherigen Operationen, denen die Wollwaare unterliegt,
entschiedene Nachtheile zur Folge hatten. Es ist daher nicht zu wundern, daß auch
dieses neue Mittel, die Elainsäure, nicht gleich Eingang sand und selbst heute noch
kaum in Anwendung kommt, obwohl es die größte Aufmerksamkeit verdient. Man fürchtet,
und zwar nicht ohne Grund, einen nachtheiligen Einfluß auf die Wolle und Waare, weil
dieselbe bei der Kerzenfabrication durch Schwefelsäure von der Stearin geschieden
wird und daher ein Rükstand dieser Säure zu vermuthen ist, welcher selbst in
kleineren Theilen nicht allein die Wirkung des Einfettens der Wolle stören, sondern auch den
weiteren Operationen und den Farben schädlich seyn kann, so daß der Vortheil auf
einer Seite durch den Nachtheil auf der anderen Seite aufgehoben würde.
In Folge der NachrichtenMan vergl. polyt. Journal Bd. LXXVIII. S. 69 u. Bd. LXXXI. S. 484., daß die bei Erzeugung
der Stearinkerzen in Frankreich gewonnene Elainsäure in den dortigen Tuchfabriken
zur Einfettung der Wolle mit Vortheil benuzt werde, habe ich bereits im vorigen
Herbste angefangen, diese Fette, aus zwei verschiedenen Kerzenfabriken bezogen, erst
versuchsweise, dann nach günstigen Resultaten im Großen und endlich nach Beseitigung
der noch gefundenen Schwierigkeiten in der Namiester Fabrik allgemein anzuwenden,
und bin nun, nachdem bereits viele so behandelte Waare ausgefertigt worden ist, in
den Stand gesezt, die Resultate treulich darzulegen.
Die Elainsäure im reinen ungemischten Zustande ist ein
vollkommenes Surrogat des Olivenöhls zum Schmalzen oder Einfetten der Wolle vor dem
Spinnen; sie wird in demselben quantitativen Verhältnisse als jenes angewendet und
leistet dieselben Dienste, schadet weder der Waare selbst und den nachfolgenden
Operationen, noch der Farbe, im Gegentheile finde ich die Gespinnste glatter und
weicher; sie erfordert jedoch folgende Bedingungen:
1) Sie muß von Schwefelsäure und schwefelsauren Salzen frei seyn, welche sowohl der
Zartheit und Weichheit der Wolle, als den Farben nachtheilig, den Schrobeln und
Krazen aber, womit die Bearbeitungsmaschinen bekleidet sind (wie ich es nach einigem
Gebrauche selbst gefunden habe), verderblich werden, indem sie sowohl den feinen
Draht angreifen, als das Leder, in welches derselbe eingesezt ist, hart machen, was
ein Abspringen des Drahtes zur Folge hat, ein Uebelstand, den man erst nach längerer
Zeit bemerkt und der wohl auch in Frankreich nicht gleich entdekt worden ist, es sey
denn, daß dort die Elainsäure ganz rein und von Schwefelsäure frei wäre.
2) Sie sollte aber auch, wo nicht ganz vollkommen, doch mehr als bisher von der noch
in ziemlich bedeutender Menge darin befindlichen Stearinsäure befreit seyn, weil
diese in körnigem Fette bestehenden Theile die feine Vertheilung der Elainsäure auf
das Wollhaar erschweren und auf den bearbeitenden Maschinen eine zähe Schmiere
erzeugen, welche an die Wolle anklebt, ein öfteres Reinigen der Maschinen erfordert
und somit einen größeren Abgang an Wolle verursacht.
3) Sie muß beim Einfetten der Wolle erwärmt und in einer höheren Temperatur erhalten
werden, weil sie eher stokt als Baumöhl. Auch in den Werkstätten der
Vorbereitungs- und Spinnmaschinen. ist mehr Wärme erforderlich, um das Fett in der Wolle
weich zu erhalten.
Die bisher bezogene Elainsäure war noch immer verschieden; bei mancher ist kaum ein
saurer Geschmak auf der Zunge bemerkbar, bei anderen ist dieß stärker der Fall und
zeigt sich auch in der Bearbeitung mehr Beigehalt von Schwefelsäure, indem die damit
manipulirenden Menschen einen starken Reiz und selbst Aufbeißen der Haut an Händen
und Armen erfuhren; auch der Beigehalt an Stearinsäure zeigte sich bisher sehr
verschieden.
Die chemische Analyse der Elainsäure betreffend kann ich nicht umhin, zu bemerken,
daß, wie aus den oben erwähnten Thatsachen hervorgeht, der Bestand an Schwefelsäure
in der Elainsäure nicht so unbedeutend ist, um keine Nachtheile nach sich zu ziehen.
Die bekannte Verwandtschaft der Schwefelsäure zum Wasser bestimmte mich zur
Herstellung eines einfachen Apparates, um die Elainsäure beim ersten Versuch mit
kaltem, da aber dieses durch die Stokung und geringere Trennung der Fetttheile nicht
den hinlänglichen Effect machte, mit heißem Wasser zu waschen, womit dieses
Hinderniß beseitigt und nach einer solchen Reinigung die Elainsäure ohne Anstand zum
Einfetten jeder Wolle geeignet ist.
Ein anderer Vortheil, den ich in dieser so gereinigten Elainsäure gefunden, ist ihre
Verwendung zum Schmieren der Maschinen und Getriebe aller Art; auch zu diesem Zwek
ist bisher das Baumöhl, wenn auch etwas theurer, doch immer geeigneter befunden
worden, als andere fette Ingredienzien und Compositionen. Die Elainsäure ersezt
solches auch zu diesem Zwek vollständig und ist hier der Beigehalt an Stearinsäure
eher vortheilhaft, weil dieselbe consistenter, daher das Fett weniger flüssig ist,
besser anhält und daher mehr ausgibt. Maschinen, die sonst zweimal des Tages mit
Baumöhl geschmiert werden mußten, bedürfen desselben mit Elainsäure nur einmal
täglich. Diese muß aber zu diesem Zwek besonders rein von Schwefelsäure seyn, weil
sonst (wovon ich Anfangs selbst eine kleine Erfahrung gemacht) die Metalle gleich
angegriffen werden.
Von weniger Bedeutung habe ich die angeblich zur Ersparung von Seife beim Waschen und
Walken der Tücher angerühmten Vortheile gefunden. Nachdem die feine Tuchwaare
größtentheils in der Wolle gefärbt wird, so ist das gewebte Tuch mit Farbeschmuz,
mit dem Oehl, welches zum Spinnen beigegeben wird, mit dem Leim der Kette und
anderen Unreinigkeiten beladen. In diesem Zustande wird das Tuch genoppt; unter
diesem Roppen versteht man die äußerliche Reinigung. Da jedoch viele fremdartige
Theile wegen dem in dem Tuche befindlichen Schmuze nicht gleich sichtbar sind, so
wird es gewaschen, um
hierauf der Operation des sogenannten Reinnoppens unterlegt zu werden. Durch dieses
Waschen soll zwar wohl der Farbeschmuz, Leim u. dergl., so wenig als möglich aber
das Oehl oder Fett, womit die Wolle geschmalzt worden, entfernt werden, weil
dasselbe zur Beförderung des darauf folgenden Walkens beiträgt. Es wird daher
entweder Urin oder andere schwache Alkalien oder aufgelöste geschlemmte Walkererde
zu solchem Waschen genommen. Seife oder, was dasselbe wäre, eine Verseifung des
Oehls durch Sodalauge würde das ganze Fett mit fortwaschen und die Operation des
Walkens erschweren. Weißgesponnene und gewebte Waare, zu welcher man auch beim
Spinnen viel weniger Oehl verwendet, wird wohl, besonders wenn sie für feine Farben
bestimmt ist, mit Seife gewaschen und hier findet durch Anwendung einer schwachen
Soda- oder Potaschelauge eine Ersparniß an Seife statt, jenes Fett mag nun
aus Baumöhl oder Elainsäure bestehen. Bei verschiedenen Versuchen, welche ich beim
Walken der Tücher durch den Zusaz der Sodaauflösung gemacht, habe ich keinen
Vortheil gefunden. Wiewohl durch Vereinigung der Soda mit der Elainsäure eine
unverzügliche Verseifung erfolgt, so wird dagegen durch die zu schnelle Trennung des
Fettes das Walken erschwert, erfordert längere Zeit und dasselbe Quantum Seife,
welches gewöhnlich erforderlich ist; für manche difficile öder nicht ganz ächte
Farben würde die Sodalauge sogar nachtheilig seyn.
Auch der Nuzen einer Reinigung oder Verseifung der verschiedenen fetten Abfälle durch
Alkalien ist so unbedeutend, daß sich wenige Fabrikanten damit befassen können. Die
guten brauchbaren Abfälle bei der Spinnerei werden gewöhnlich durch Beimischung
starker Wollen gleich wieder benuzt, die schlechtesten aber aus den Schrobeln und
Krazen werden hier mit Vortheil zur Leuchtgaserzeugung verwendet, und wo dafür die
Einrichtungen nicht bestehen, finden sich noch arme Weber, welche solche kaufen,
reinigen und mit guter Wolle vermischt noch ordinäre Tuch- oder andere
Wollwaare erzeugen.
Immerhin steht es fest:
1) Daß die Elainsäure zu mehreren industriellen Zweken von wesentlichem ökonomischem
Ruzen ist, daß sie die Fabrication der Stearinkerzen sehr befördert und indem sie
als inländisches Product angesehen werden muß, dem thierischen Fett einen höheren
Werth gibt, somit auch auf die Viehzucht und Landwirthschaft eine nüzliche
Rükwirkung nicht verfehlen kann.
2) Daß durch diese Entdekung dem Staate selbst ein bedeuten der Vortheil erwächst,
indem die Kosten vieler tausend Cntr. Olivenöhls, welches bisher bei weitem zum
größten Theile vom Auslande bezogen und demselben baar bezahlt wird, im Lande
bleiben.
Wenn aber jene Vortheile der Elainsäure zur allgemeinen Auwendung dauerhaft erreicht
werden sollen, so ist es unumgänglich erforderlich, daß dieselbe so rein als möglich
dargestellt und in solchem Zustande von den Wollwaarenerzeugern mit Vertrauen
bezogen werden könne. (Verhandlungen des niederösterreichischen
Gewerbevereins.)