Titel: Methode den Essig auf seinen Gehalt zu prüfen. Von Hrn. Dr. C. Wagenmann.
Fundstelle: Band 84, Jahrgang 1842, Nr. XCII., S. 453
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XCII. Methode den Essig auf seinen Gehalt zu pruͤfen. Von Hrn. Dr. C. Wagenmann. Aus den Verhandlungen des Vereins zur Befoͤrderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1842, 1ste Lieferung. Wagenmann's Methode den Essig auf seinen Gehalt zu prüfen. Als ich im Jahre 1826 die neue Methode entdekte, eine schwache spiritushaltige Flüssigkeit in Essig zu verwandeln, welche jezt allgemein unter dem Namen Schnell-Essigbereitung bekannt ist, und meine Methode zur Schnell-Essigbereitung vielfach Andern zur praktischen Benuzung mittheilte, mußte ich natürlich auf ein Mittel bedacht seyn, den Essig auf eine für Jeden leicht verständliche und ausführbare Art auf seinen Gehalt zu prüfen, da von der genauen Kenntniß des jedesmaligen Säuregehalts der richtige Gang der Essigbildung auf den von mir so genannten Essigbildern, und die Beurtheilung der richtig ausgeführten Operationen abhängig war. Die bis dahin angewendete Methode, den Essig durch Neutralisation mit reinem kohlensaurem Kali zu prüfen, war wegen der Unmöglichkeit, dieses Salz in vollkommen trokenem und reinem Zustande zu bekommen und unverändert zu erhalten, vollkommen unpraktisch, abgesehen von der Umständlichkeit der Untersuchung und dem Bedürfnisse genauer Waagen und Gewichte dazu. Da man jedoch allgemein gewöhnt war, als Maaßstab des Säuregehalts des Essigs die Anzahl Grane von reinem kohlensauren Kali, welche zur Neutralisation einer Unze (2 Loth) desselben erforderlich waren, zu benuzen, so wollte ich zugleich meine verbesserte Prüfungsmethode mit dem in ganz Deutschland eingeführten Gebrauch in Einklang bringen, der mir selbst durch meine als Apotheker verlebten Jahre zur Gewohnheit geworden war. Da schon die Kohlensäure des kohlensauren Kali's oder des kohlensauren Natrums, dessen man sich in Frankreich allgemein mit nicht geringerer Unbequemlichkeit und Unsicherheit bedient, diese Salze ganz ungeeignet macht, so nahm ich meine Zuflucht zu einer Auflösung von Aezkali, welches ich jedoch bereits vom Jahre 1827 an mit Aezammoniak vertauschte. — Es kam nun darauf an, sich auf eine für jeden Ungeübten leichte Weise eine Probeflüssigkeit zu erzeugen, welche einer gewissen Anzahl von Granen kohlensauren Kali's auf ein Maaß von dem Volumen einer Unze Wasser entsprach. Um diesem zu genügen, verschaffte ich mir zuerst eine Normalsäure, welche keiner Veränderung durch die Zeit unterworfen ist, und überdieß leicht an jedem Orte gleichmäßig bereitet werden kann. Ich vermischte nämlich 2 Theile concentrirte (weiße englische) Schwefelsäure von 1,845 specifischem Gewicht mit 33 Gewichtstheilen Wasser und erhielt dadurch eine verdünnte Schwefelsäure, wovon ein Unzenmaaß 40 Gran reines kohlensaures Kali sättigen mußte. Das Gemisch von 2 Theilen Schwefelsäure mit 33 Theilen Wasser bekommt nämlich ein specifisches Gewicht von 1,036, mithin nehmen die 35 Gewichtstheile einen Raum von 35/1,036 = 33,8 Theilen destillirten Wassers ein. Ein Theil Schwefelsäure ist in einem Raume enthalten, den 16,9 Theile Wasser einnehmen. Nimmt man nun das Mischungsgewicht der Schwefelsäure zu 49, so wird dasselbe für einen Raumtheil der verdünnten Säure 16,9 × 49 = 828, welches ziemlich genau dem 12fachen Mischungsgewicht des reinen kohlensauren Kali's = 69,2 × 12 = 830 entspricht, mithin auf einen Essig paßt, der den zwölften Theil seines Gewichts kohlensaures Kali, also für die Unze 480/12 = 40 Gran neutralisirt. Mein Essigprober ist ein etwa 10 Zoll langes Glasrohr von ½ Zoll Durchmesser, unten zugeblasen, oben offen. Etwa 3 Zoll von Unten ist ein Theilstrich mit 0 bezeichnet. Ein zweiter, dem untern Raume bis 0 vollkommen gleicher Raum, wird gleichfalls durch einen Theilstrich begränzt und mit 40 bezeichnet. Der Raum zwischen 0 und 40 wird in 40 gleichgroße, von 1 bis 40 bezeichnete Abtheilungen eingetheilt, und diesen Abtheilungen vollkommen gleiche über 40 hinaus, bis 60 oder mehr hinzugefügt und mit fortlaufenden Zahlen bezeichnet. Um nun die Probeflüssigkeit aus Aezammoniak zu bereiten, verfährt man folgender Weise: man nimmt eine beliebige Quantität Aezammoniak und prüft es, in Ermangelung eines andern Instruments, mit dem Alkoholometer, und bemerkt die Procente, welche es an demselben zeigt. Nun nimmt man 7 Maaßtheile von dem Aezammoniak und sezt so viele Maaßtheile Wasser zu, als die gefundene Procentenzahl die Zahl 7 übersteigt. Zeigt z. B. das Ammoniak 30 Proc., so werden 7 Maaßtheile Aezammoniak mit 23 Maaßtheilen Wasser vermischt. Hiedurch erhält man eine Flüssigkeit, welche jedenfalls stärker ist, als die gewünschte Probeflüssigkeit. Man gießt nun in den Essigprober von der Probesäure bis 0, und von der verdünnten Aezammoniak-Flüssigkeit bis 30, wirft ein kleines quadratisches Blättchen Lakmuspapier hinein und schüttelt, indem man die Mündung des Essigprobers mit dem Daumen fest zuhält, einige Zeit gut um. Ist das Lakmuspapier noch roth, so sezt man unter jedesmaligem Umschütteln so lange kleine Quantitäten von der verdünnten Aezammoniak Flüssigkeit zu, bis das Lakmuspapier lila oder schwach violett gefärbt erscheint. Man sieht nun an der Scala, wie viele Maaßtheile von der Ammoniak-Flüssigkeit verbraucht sind. Gesezt es wären 36 Theile verbraucht, so sieht man leicht, daß, um die Probeflüssigkeit zu erhalten, wovon 40 Theile die bis 0 enthaltene Probesäure neutralisiren sollen, 36 Theile des verdünnten Aezammoniaks in einen Raum von 40 Theilen ausgedehnt werden, mithin auf 36 Maaße noch 4 Maaße Wasser zugesezt werden müssen, und allgemein auf so viel Maaße Aezammoniak, als die Scala angibt, so viele Maaße Wasser, als an 40 fehlen. Man macht nun die Probe von Neuem, indem man wieder den Essigprober bis 0 mit Probesäure füllt und mit der annäherungsweise richtigen Probeflüssigkeit neutralisirt. Man findet dieselbe entweder jezt genau richtig, oder, wenn die Messungen nicht mit aller Genauigkeit gemacht wurden, um eine Kleinigkeit differirend, welchem man durch einen entsprechenden Zusaz von Wasser oder Aezammoniak abhelfen kann. Auf diese Weise bedarf man bei Bereitung der Probeflussigkeit, wenn man nur richtige Probesäure hat, keines anderen Instrumentes, als des Essigprobers selbst, und die Genauigkeit ist so groß, als man sie überhaupt mit diesem Instrumente erreichen kann und bezwekt. Die Prüfung des Essigs selbst ist nun einfach die, daß man den Essigprober bis 0 mit dem zu prüfenden Essig füllt und mit der Probeflüssigkeit neutralisirt, bis ein hineingeworfenes Stükchen Lakmuspapier lila oder schwach violett gefärbt erscheint. Die an der Scala befindliche Zahl, bis zu welcher die Flüssigkeit nach der Neutralisation reicht, gibt unmittelbar die Grane reinen kohlensauren Kali's an, welche eine Unze des probirten Essigs genau neutralisiren würden. Ohne der umfassendern Arbeit des Hrn. Professors Dr. OttoSiehe dessen Abhandlung im polytechn. Journal Bd. LXXVI. S. 280.A. d. Red. über diesen Gegenstand ihre Verdienste schmälern zu wollen, so finde ich dennoch weder die von ihm angegebene Methode, die Probeflüssigkeit zu bestimmen, noch die Bestimmung des Essigs nach Procenten des Gehalts an reiner Essigsäure, so folgerecht sie auch ist, für den allgemeinen Gebrauch geeignet, da einmal nicht jedem Essigfabrikanten die Mittel zu Gebote stehen, das specifische Gewicht des Aezammoniaks bis auf die dritte und vierte Decimalstelle genau zu bestimmen; zweitens aber, wie bereits erwähnt, es bis jezt noch allgemein üblich ist, den Gehalt des Essigs nach seiner Eigenschaft zu bestimmen, reines kohlensaures Kali zu neutralisiren. Ich glaube daher, so häusig ich auch meine Vorschrift zur Prüfung des Essigs mitgetheilt habe, dennoch vielen, die sie nicht kennen, durch öffentliche Mittheilung derselben nüzlich seyn zu können.