Titel: Miszellen.
Fundstelle: Band 84, Jahrgang 1842, Nr. XCVI., S. 462
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XCVI. Miszellen. Miszellen. Technischer Bericht über das unglükliche Ereigniß auf der Paris-Versailler-Eisenbahn; vom Ingenieur Combes. Hr. Combes hat der Pariser Akademie der Wissenschaften uͤber das Ungluͤk, welches sich am 8. Mai d. J. auf der Paris-Versailler-Eisenbahn ereignete, folgendes Naͤhere berichtet: „Die Wagenreihe, welche an diesem Sonntage zwischen 5½ und 6 Uhr Abends von Versailles nach Paris zuruͤkkehrte, wurde von zwei Locomotiven gezogen, einer kleinen vierraͤderigen, welche sich mit ihrem Tender an der Spize des Zugs befand, waͤhrend unmittelbar nach ihr eine große sechsraͤderige (von Sharp und Roberts verfertigte) Locomotive mit ihrem Tender folgte und hierauf die Waggons mit den Reisenden. Der Zug mochte ungefaͤhr noch 47 Meter von der Departement-Straße No 40, welche die Eisenbahn durchschneidet, entfernt seyn, als die vordere Achse der kleinen Locomotive an ihren beiden Enden (in der Naͤhe der Verstaͤrkungen, welche in die Radbuͤchsen eingelassen sind) brach. Diese Achse fiel auf die Bahn zwischen die zwei Schienenlinien, wo man sie auffand: der Bruch des Eisens war großblaͤtterig. Die Achse hatte 9 Centimeter (3″ 4′″ Linien) im Durchmesser. Die Locomotive, welcher nun ihre vordere Achse fehlte, lief weiter. Erst an der Stelle, wo die Eisenbahn von der gleich hohen Departement-Straße No. 40 durchschnitten wird, fingen die vordersten Wagen des Zugs an den Boden aufzuwuͤhlen: daselbst erfolgte naͤmlich ein Stoß gegen den parallel zur Schiene angebrachten Eisenstab, welcher mit lezterer eine Nuthe bildet, worin der vorspringende Rand des aͤußeren Rades der Locomotiven circulirt. Die kleine Locomotive an der Spize des Zugs lief noch beilaͤufig 25 Meter von dieser Stelle aus fort und wurde dann in kurzer Entfernung von der Departement-Straße an der Boͤschung des Grabens, worin die Eisenbahn angelegt ist, aufgehalten. Die Treibachse der hinteren (großen) Locomotive war an einer einzigen Stelle gebrochen und der Bruch schien durch Torsion veranlaßt worden zu seyn. Der Tender der kleinen Locomotive war umgeworfen und zerbrochen; die große Locomotive von Sharp und Roberts, welche auf die erste folgte, war quer uͤber die Bahn umgeworfen, lag auf der Flanke, den Rost gegen die kleine Locomotive gekehrt. Die Achsen dieser Locomotive waren von ihr abgerissen, gewunden, aber nicht zerbrochen. Der zerbrochene Tender der großen Locomotive lag neben derselben. Die Kessel waren nicht zerbrochen, weder derjenige von der großen, noch der von der kleinen Locomotive; nur das Rauchgehaͤuse der großen Maschine und der Dekel von einem der Treibcylinder waren durch den Stoß gegen die vordere Locomotive eingedruͤkt und zerbrochen. Es scheint, daß die fuͤnf ersten Wagen mit Reisenden die Locomotiven aneinander stießen und daß die brennenden Kohlen der großen Locomotive auf den Kessel der kleinen Locomotive und die Personenwagen geschleudert wurden. Das Feuer griff wunderbar schnell um sich und verzehrte zuerst die Kaͤsten oder hoͤlzernen Gehaͤuse der Locomotiven-Kessel, welche ihm Nahrung gaben. Die Flamme ergriff dann die geschlossenen Personenwagen, wovon einer, wie es scheint, in Zeit von zehn Minuten verzehrt wurde; alle Reisenden, welche sich in diesem Wagen befanden, wurden verbrannt, so zwar, daß ihre Koͤrper ganz unkenntlich waren.“ Hr. Elie de Beaumont bemerkt bei dieser Gelegenheit, daß ihm die gleichzeitige Anwendung zweier Locomotiven fuͤr eine Wagenreihe sehr gefaͤhrlich scheine und nicht mehr geduldet werden solle. „Kommt eine Locomotive in Unordnung, so strebt sie gewoͤhnlich zum Stillstand zu gelangen und die Geschwindigkeit kann sich oft noch bedeutend verringern, ehe ein Stoß erfolgt. Wenn aber von zwei verbundenen Locomotiven nur eine in Unordnung kommt, so noͤthigt diejenige, welche in Gang bleibt, die andere fortzulaufen und vergroͤßert dadurch die Gefahr fuͤr die Personenwagen, indem sie ihnen die erlangte Geschwindigkeit zu erhalten strebt, welche alsdann das Hauptuͤbel ist. Wenn zwei Locomotiven verbunden sind, so ist jede von ihnen bloß in Folge dieser Verbindung in einer unguͤnstigeren Lage, als wenn sie allein liefe. Zu den Ursachen, welche bei ihr moͤglicherweise einen Bruch veranlassen koͤnnten, kommen naͤmlich noch neue, indem sie nun mit einem complicirten System verflochten ist, welches sie nicht, wie sich selbst, reguliren kann. Die Reaction der einen Maschine auf die andere ist eine neue Quelle von Stoͤßen und Zerrungen, welche die Lage jeder von ihnen verschlimmert. Wenn eine Locomotive, welche auf eine Kruͤmmung uͤbergeht, durch eine andere, die nichts zuruͤkhaͤlt, fortgestoßen wird, so muͤssen daraus nothwendig unregelmaͤßige Anstrengungen entstehen, welche vorzugsweise auf die vordere Achse der vorausgehenden Locomotive wirken koͤnnen. Zu Bellevue war es diese Achse, welche brach und das ganze Ungluͤk verursachte. Es ist schon sehr schwer zwei Uhren zu verfertigen, welche ganz uͤbereinstimmend gehen; wie kann man hoffen, daß zwei Locomotiven uͤbereinstimmend laufen, besonders bei Aenderungen in der Geschwindigkeit und Richtung?“ (Comptes rendus. Mai 1842, No. 19.) Ueber die Anwendung vierräderiger Locomotiven auf Eisenbahnen. Hr. Seguier und andere franzoͤsische Ingenieure schreiben das Ungluͤk auf der Verfailler Eisenbahn, naͤmlich den Bruch der vorderen Achse der vierraͤderigen Locomotive, dem Umstande zu, daß bei vierraͤderigen Locomotiven die Last so ungleichfoͤrmig vertheilt ist, indem die Treibraͤder zwei Drittel vom ganzen Gewicht der Maschine tragen muͤssen, waͤhrend auf die vorderen freien Raͤder nur ein Drittel davon kommt. Da nun die Locomotiven bloß in Folge der Adhaͤsion ihrer Raͤder an den Schienen vorwaͤrts getrieben werden, die vordere Achse bei vierraͤderigen aber so wenig belastet ist, so strebt eine derartige Locomotive, um einen trivialen Ausdruk zu gebrauchen, bestaͤndig auf dem Steiß zu gehen, aber auf eine so ungestuͤme Weise, daß die Vorderachse den ganzen Stoß empfaͤngt. (Hr. Seguier schlaͤgt auch wirklich vor, die zwei Treibraͤder vorne an den vierraͤderigen Locomotiven anzubringen.) Die Englaͤnder haben sich ganz besonders mit dem bedauernswerthen Ereigniß auf der Versailler Eisenbahn beschaͤftigt; folgender Versuch macht ihrer Kaltbluͤtigkeit alle Ehre. Hr. Bury, Locomotivenfabrikant, befuhr in Gesellschaft des Oberingenieurs der London-Birmingham-Eisenbahn einen Theil dieser Bahn auf einer vierraͤderigen Locomotive, deren Vorderachse so weit durchsaͤgt worden war, daß sie aus dem Wege brechen mußte. An diese Locomotive waren mehrere mit Passagieren besezte (!) Waggons angehaͤngt. Die Achse brach auch wirklich, aber der Wagenzug wurde nicht aufgehalten und die von drei Raͤdern gezogene Locomotive konnte die naͤchste Station erreichen und nach London mit einer Geschwindigkeit von 20 engl. Meilen per Stunde zuruͤkkehren; bei der Ruͤkkehr trat sie jedoch aus den Schienen und fing an den Sand aufzuwuͤhlen. Es fand gar kein Unfall statt. Diese Maschine hatte einen inneren Rahmen, diejenige auf der Versailler Eisenbahn aber einen aͤußeren. Hr. Arago bemerkt, daß man auch die sechsraͤderigen Locomotiven mit einem inneren Rahmen versehen sollte, indem diese Vorrichtung das Abspringen der Raͤder von den Schienen beim Bruch einer Achse zu verhindern scheint. (Echo du monde savant, No. 734) Neues Brükensystem von Giraud. Dieß System besteht in einer eigenthuͤmlichen Art der Verbindung zwischen den Stuͤken, welche sich von einem Ende oder einem Pfeiler zum anderen erstreken und dabei einen horizontalen (scheitrechten) Bogen ohne Unterstuͤzung und Kruͤmmung bilden. Seit ziemlich langer Zeit schon hat man versucht, Bruͤkenboͤgen auf diese Art zu bilden, indem man den an den Widerlagern anstehenden, mit einander verbundenen und fortlaufenden Bogenstuͤken (Gewoͤlbsteine, voussoirs) hinreichende Staͤrke gab, um der Last, gleich als waͤren sie zusammen ein einziges Stuͤk, widerstehen zu koͤnnen. Aber diese verschiedenen Zusammensezungen, welche entweder durch Dreieke oder durch Bogenstuͤke von geraden und krummen Theilen gebildet worden, bieten alle nicht die Vortheile des Giraud'schen Systems. Um dasselbe am besten zu verstehen, muß man auf ein einfacheres zuruͤkgehen. Man denke sich naͤmlich eine Reihe zusammengefuͤgter Balken von Roh- oder Gußeisen und dicht neben derselben eine zweite gleiche Balkenkette, welche jedoch so gelegt ist, daß ihre Fugen oder Zusammenstoͤße allemal in die Mitte der Balken der ersten Reihe kommen. Eiserne Baͤnder oder Buͤgel umschließen an jedem Zusammenstoße beide Balkenlagen und geben dem Ganzen eine Steife, welche einestheils von der Staͤrke der Baͤnder, anderntheils von der Staͤrke der Balken selbst abhaͤngt. Diese Methode wuͤrde aber weder etwas Neues bieten, noch besonders vortheilhaft seyn, indem sie zu viel Material erfordert. Das, was die obengenannte Idee von Giraud auszeichnet, ist, jedem Stuͤk des gestrekten Bogens oder jedem Balken die Form eines Koͤrpers von gleichem Widerstande, naͤmlich einer halben Ellipse, gegeben zu haben, deren Curve unterhalb, der Mittelpunkt aber oberhalb sich befinden. Statt der Baͤnder oder Buͤgel hat er ferner ein von allen bisherigen verschiedenes Verbindungssystem angewandt. Dasselbe erfordert statt zweier Reihen Balken oder Bogenstüke, deren wenigstens drei und uͤberhaupt eine ungleiche Anzahl. Der Deutlichkeit wegen wollen wir deren so wenig als moͤglich, also bloß drei annehmen, da, wie man spaͤter sehen wird, dieselben Bemerkungen sich auch leicht auf jede andere ungerade Zahl erstreken. Die Baumeister geben einer solchen Kette von Balkenstuͤken (es mag hier der franzoͤsische Ausdruk beibehalten werden) den Namen Ferme (armirter Balken); die Zusammenstoͤße einer jeden Ferme treffen in der Mitte der Balkenstüke der angraͤnzenden Reihe zusammen. Eiserne Baͤnder oder Drahtseile sind uͤber die untere Curve jedes Bogenstuͤks gelegt und haften an der Laͤnge nach liegenden Vorstekeisen, welche uͤber die Querriegel oder Traghoͤlzer der Bruͤke gelegt sind. Die Querriegel, welche die Baͤnder und Vorsteknaͤgel der mittleren Ferme tragen, druͤken stark gegen den Mittelpunkt der die zweite Ferme bildenden Bogenstuͤke, und umgekehrt wieder druͤken alle Querriegel, welche den Baͤndern der ersten und dritten Ferme entsprechen, auf die Mitte der Bogenstuͤke der mittleren Ferme. Im ersten Fall wird der Querriegel von vier Baͤndern umfaßt, und ruht auf der zweiten Ferme, im zweiten hingegen traͤgt er nur zwei Baͤnder und stuͤzt sich auf die erste und dritte Ferme. Die Verbindung der Seile oder Baͤnder und Vorstekeisen laͤßt sich sehr einfach herstellen, entweder durch ein Oehr an dem aͤußersten Ende eines jeden Bandes, oder man legt die Seile doppelt, so daß sie die Vorsteknaͤgel umschließen. Jeder der lezteren wird an jedem Ende von einem Drahtseil oder Band gehalten. Ein jeder Querriegel, welcher durch zwei der ersten und dritten Ferme entsprechende Vorsteknaͤgel gehalten wird, druͤkt in seiner Mitte auf die zweite Ferme; er preßt hingegen an seinen beiden Enden die aͤußersten Fermen, wenn er durch einen Vorsteknagel der mittleren Ferme gehalten wird. Man hat auf diese Weise zwei Systeme dicht aneinander haͤngender Polygone, und zwar in gerader Linie ausgespannt. Jede geringe Biegung, in der Verbindung dieser Stuͤke, entweder durch ihr eigenes Gewicht oder durch eine aͤußere Last hervorgebracht, muß die Winkel in der Zusammenfuͤgung herausdruͤken und ein heftiges Ziehen an den Baͤndern erzeugen. Die Einwirkung dieser Traction auf ein und dasselbe Bogenstuͤk ist von der Art, daß seine Mitte niedergedruͤkt, die beiden Enden aber gehoben werden, wodurch es in die statische Lage eines in der Mitte belasteten, an den beiden aͤußeren Enden aber unterstuͤzten Koͤrpers versezt wird. Man begreift somit, daß die halbe Ellipsenform, welche den Bogenstuͤken unterhalb gegeben, die geeignetste sowohl fuͤr den Widerstand, als auch fuͤr Ersparniß an Kosten ist. Die Festigkeit der hier mitgetheilten Construction haͤngt lediglich von dem Tragvermoͤgen der Baͤnder oder Seile ab, da dieselben betraͤchtlichen Ausdehnungen unterworfen sind. Die Berechnung dieser Dehnungen ist eine Aufgabe der Statik, welche vom Erfinder mit Gluͤk geloͤst wurde. Dabei stellte sich zugleich eine Regel heraus, welche werth ist, in die Lehrbu㙤cher der auf Baukunst angewandten Mechanik eingetragen zu werden. Wir wollen sie hier mittheilen: Ist die Last gleichfoͤrmig auf die Laͤnge vertheilt (wie dieß meist der Fall ist), so nimmt die Ausdehnung der Baͤnder von den Stuͤzpunkten nach der Mitte des Bruͤkenbogens hin zu, gleich den Ordinaten einer Parabel mit verticaler Achse. Das Maximum der Kraft, welche auf diese Mitte einwirkt, ergibt sich so genau als moͤglich durch das Product aus dem Gewicht des Bogens, multiplicirt durch das Viertel der Zahl von Bogenstuͤken, so daß sie proportional ist dem Gewicht eines Bogenstuͤks und dem Quadrat ihrer Anzahl. Die zur Pruͤfung dieses Bruͤkensystems bestimmte Commission wollte sich von der Kraft der Baͤnder, so wie der Bogenstuͤke, auf eine freitragende Bruͤkenlaͤnge von 8 Meter uͤberzeugen. Die Bruͤke wurde durch drei Reihen Balken gebildet, von denen jede aus drei dicht aneinander gefuͤgten Fermen bestand; jedes der 9 oder 10 Bogenstuͤke hatte 1 Meter Laͤnge. Man fand, daß die elliptischen Bogenstuͤke, um sowohl das Gewicht der Bruͤke als auch eine Last von 200 Kilogr. auf den Quadratmeter zu tragen (wie es bei den Versuchen verlangt wurde), in Gußeisen 5 Centimeter Dike und in der Mitte 60 Centim. Hoͤhe haben muͤssen, und daß die Baͤnder, durch welche sie mit Huͤlfe der Vorstekeisen und Querriegel zusammengehalten werden, aus 1 Centim. starkem und 8 Centim. breitem Schmiedeisen bestehen muͤssen. Diese ziemlich betraͤchtlichen Dimensionen vermindern sich natuͤrlich verhaͤltnißmaͤßig mit der Last, welche die Bruͤke zu tragen hat. Bei einer militaͤrischen Expedition waͤre man im Stande, eine genuͤgende Anzahl von Bogenstuͤken sammt den Baͤndern und Querriegeln mit sich zu fuͤhren, um an solchen Orten Uebergaͤnge zu bewerkstelligen, wo es an langen Hoͤlzern mangelt. Besondere Vortheile dieses Bruͤkensystems sind, daß an den Stuͤzpunkten weder Schub noch Zug erzeugt wird und, wenn es erforderlich ist, hinreichende Hoͤhe fuͤr den Durchgang der Flußschiffe bleibt. Es sey hiemit aber keineswegs behauptet, daß diese Construction alle bisher gebrauchten vollkommen erseze, obgleich man nicht in Abrede stellen kann, daß dieselbe als auf eine sehr richtige Theorie basirt wohl verdient, daß ihr Werth in der Praxis durch mehrfache Versuche bestimmt werden moͤchte. (Aus den Comptes rendus, Bd. XIII. S. 973 im polyt. Centralblatt, Nr. 32.) Uhr, welche 1/1000 Secunden angibt. Der geschikte Berliner Uhrmacher Ferdinand Leonhardt hat eine Uhr gefertigt, welche die Zeit bis auf 1/1000 Secunde angibt, und fuͤr eine preuß. Behoͤrde bestimmt ist. Ein solches Instrument ist besonders fuͤr die Artillerie von Werth. Die Artillerie pruͤft die Geschuͤze und ihre Ladungen, um zu ermitteln, in welchem Grad das Kanon seinem Zwek entspricht. Es kommt dabei vor Allem darauf an, zu wissen, welche Schnelligkeit die Kugel gebraucht, um von der Muͤndung des Kanons die Scheibe zu erreichen. Die Entfernung von 1500 Schritten wird von einer Paßkugel in nicht vollen 2 Secunden, von einer Bombe in etwa 5–6 Secunden durcheilt, das sind allgemeine Erfahrungen; aber um nun abzumessen, ob in solcher Schnelligkeit eine Kugel noch schneller als die andere geht, dazu reichen auch unsere besten Chronometer nicht aus und, der Gedanke kann die Moͤglichkeit kaum fassen, daß hierin etwas Zufriedenstellendes zu leisten waͤre. Leonhardt erhielt den Auftrag, ein solches Instrument darzustellen, und es steht gegenwaͤrtig vollendet da, den kuͤhnsten Anforderungen mehr als die Besteller verlangten, genuͤgend. Wir sehen eine metallene Uhrscheibe in tausend Theile getheilt, uͤber welche sich ein haarduͤnner Zeiger in einer Secunde hinweg bewegt, mit der Vorrichtung, daß der Zeiger nach dem Willen der Beobachtenden jeden Augenblik in Bewegung gesezt und wieder angehalten werden kann. Wenn man nun in dem Moment, wo die Kugel das Kanon verlaͤßt, den Zeiger aushebt, und in dem Augenblik, wo die Kugel einschlaͤgt, das Instrument anhaͤlt, so erlangt man die genaueste Zeitbestimmung uͤber den Lauf der Kugel, indeß wuͤrde diese nur immer unzuverlaͤssig seyn, wenn man der Hand des Menschen die Operation uͤberlassen haͤtte, da von dem Gedanken bis zur That immer ein Zeitverlust erfolgt und Irrthuͤmer nicht zu vermeiden waͤren. Es sind daher die Entdekungen der neuesten Zeit hiebei nuzbar in Anwendung gebracht worden. Ein galvanischer Draht vermittelt eine Verbindung zwischen dem Kanon, der Scheibe und dem Instrument. Die Kugel hebt durch eine sinnreiche Vorrichtung von selbst den Zeiger aus, indem sie das Kanon verlaͤßt, und haͤlt auch selbst den Zeiger wieder an, wenn sie in die Scheibe schlaͤgt; der elektrische Funke, dessen Geschwindigkeit fuͤr 1500 Schritt fast Null ist, bildet den Vermittler. Betrachten wir nun das merkwuͤrdige Instrument an sich, das uns die Secunde in 1000, die Minute in 60,000, die Stunde in 3 Millionen 600,000 Theilchen zerlegt, so ist fast Alles an ihm neu und Erfindung. Auf den gewoͤhnlichen Secundenuhren springen die Secunden, was die Beobachtung taͤuscht, indem Halt und Sprung erfolgen und so die Secunde an sich nicht recht zur Erscheinung kommt. Hier ist dem Zeiger eine rotirende Bewegung gegeben, so daß man dadurch erst recht klar wahrnimmt, was eigentlich eine Secunde fuͤr ein Zeitabschnitt ist. Uebrigens ist das Instrument auch mit der vollen Secunde, Minute und Stunde versehen, was als Buͤrgschaft des Vergleichens mit einem Regulator dient, um die Sicherheit der zu beobachtenden einzelnen Secunde darzuthun. Als Regulator des Werks hat Hr. Leonhardt ein rotirendes Secundenpendel angewendet und zwar empfaͤngt dieses Pendel von ganz eigenthuͤmlicher Construction seine Rotationskraft oben uͤber der Aufhaͤngung desselben von dem Werk. Das Ganze ist mit einem massiven Gehaͤuse versehen, in welchem es ohne Gefahr zu Wagen transportirt werden kann, und der Preis zwischen 1500 und 1600 Thlr. (Leuch's polytechn. Ztg., Nr. 49.) Kohlenwasserstoff in Kugeln von kohlensaurem Kalk eingeschlossen. Seit einiger Zeit bemerkte ich kleine weiße Koͤrnchen an einigen Gaslichtbrennern angesammelt, die ich zu meiner Verwunderung aus Kalk bestehend fand. Die Brenner waren mehr als eine engl. Meile von den Gaswerken entfernt, und ich war uͤberzeugt, daß sie nur von den Reinigungsapparaten herruͤhren konnten, welche Kalk enthalten. Bei naͤherer Untersuchung entdekte ich eine große Anzahl hohler Kuͤgelchen, die von kohlensaurem Kalk gebildet und mit Kohlenwasserstoff angefuͤllt waren. Dieselben haben einen Durchmesser von 1/40 bis 1/20 Zoll, und da ihre Rinde duͤnn ist, werden sie von dem durch die Roͤhren stroͤmenden Gas leicht bis zu den in mehr als eine engl. Meile entfernten Raͤumen befindlichen Brennern gefuͤhrt. John H. Blake. (The american Journal of science etc. Bd. XLII. S. 214) Felsenbohren durch chemische Mittel. Hr. Pridaux fand, daß ein entzuͤndeter Wasserstoff- und Sauerstoffgasstrahl auf einen Granitblok geleitet, sogleich eine bedeutende Temperaturerhoͤhung bewirkt und daß der Felsen, wenn man ihn hierauf mit kaltem Wasser besprengt, muͤrbe und zerreiblich wird und dem Werkzeuge gerne nachgibt. Er versichert, den Versuch sehr oft und immer mit gutem Erfolge wiederholt zu haben. (Echo du monde savant, No. 726.) Ueber die blaue und grüne Färbung der künstlichen Ultramarine. Ich habe vor kurzer Zeit (im polyt. Journal Bd. LXXXIII. S. 461) gezeigt, welches der Grund der blauen und gruͤnen Faͤrbung der kuͤnstlichen, im Handel vorkommenden Ultramarine sey. Seit Bekanntwerdung dieser Beobachtung theilte mir auch Hr. Dr. Rammelsberg mit, daß ebenfalls bei Untersuchung kuͤnstlicher Ultramarine in seinem Laboratorium die Beobachtung gemacht worden sey, daß die durch Salzsaͤure ausgeschiedene Kieselerde noch Schwefel enthalten habe, welcher sich deutlich durch Wegbrennen mit blauer Flamme beim Gluͤhen der Kieselerde zu erkennen gegeben habe. Es scheint daher bei der chemischen Untersuchung der Ultramarine durchaus noͤthig zu seyn, daß man mit einer und derselben Sorte zwei Analysen unternimmt, um den Schwefelgehalt darin richtig zu bestimmen, naͤmlich einmal den Totalschwefelgehalt durch Oxydation mittelst rauchender Salpetersaͤure und das anderemal durch Erhizen mit Salzsaͤure, um aus diese Weise denjenigen Antheil Schwefel zu bestimmen, welcher sich als Schwefelwasserstoffgas entwikelt, so wie ich es in der oben angefuͤhrten Untersuchung gethan habe. Um alle moͤglichen Zweifel zu beseitigen, die etwa noch stattfinden koͤnnten, obwohl auch der geringe Schwefeleisengehalt, wie ich gezeigt und behauptet habe, der Grund der blauen und gruͤnen Faͤrbung in den Ultramarinen seyn moͤchte, erlaube ich mir noch folgende Beobachtung bekannt zu machen. Hr. Kreßler hat die Versuche im Kleinen sowohl wie im Großen in seinem Laboratorium anstellen lassen und die einzelnen zu der Darstellung der Ultramarine erforderlichen Substanzen in den verschiedensten Formen, wie sie theils im Handel, theils in der Natur vorkommen, dazu verwandt, aber jedesmal und immer gefunden, daß die Anwesenheit des Eisens durchaus noͤthig war, um einen blauen oder gruͤnen Ultramarin zu erzeugen. Es wurde in groͤßeren Mengeverhaͤltnissen eine Mischung gemacht von 100 Theilen eisenfreiem kieselerdehaltigem Thon, 200 trokner Soda und 100 Schwefel; diese Substanzen, innig gemengt, gaben nach dem Gluͤhen nur eine gelbliche Masse. Wurde dieser Masse aber Eisen (als Schwefeleisen oder sonst ein schwefelsaures Eisensalz) zugesezt. so entstand nach Maaßgabe des Zusazes und der Temperatur, welche beim Gluͤhen angewandt wurde, eine schwarze, gruͤne oder blaue Faͤrbung; ja schon durch diese Versuche wurden ganz leidliche Farbennuͤancen erhalten. Diese Versuche zeigen aber im Großen ganz dasselbe, was mir meine im Kleinen ausgefuͤhrten Versuche gezeigt hatten, und sie dienen nur zur Bestaͤtigung dessen, was ich in der oben citirten Abhandlung ausgesprochen habe. Dr. Elsner. (Erdmann's u. Marchand's Journal fuͤr prakt. Chemie 1842, Nr. 10.) Recept zur Bereitung von Ultramarin. Hr. v. Tiremoult, franz. Artillerie-Capitaͤn, hat Hrn. Dumas das Recept, wonach er blauen Ultramarin bereitet, mitgetheilt. Sein Verfahren unterscheidet sich von dem bekannten nur dadurch, daß er einen kleinen Theil des Schwefels in Verbindung mit Arsenik anwendet. Seine Mischung ist naͤmlich folgende: 100 Theile roher Thon, gepulvert und gesiebt, 7 wasserfreie Thonerde, in gallertartigem Zustande angewandt, 1075 krystallisirtes kohlensaures Natron oder 400 Th. entwaͤssertes, 221 Schwefelblumen, 5 gelbes Schwefelarsenik (Operment). (Echo du monde savant.) Ueber Seidenzucht in Frankreich. Die Seidenzucht in Frankreich macht fortwaͤhrend betraͤchtliche Fortschritte theils ruͤksichtlich der Verbesserung der Methoden in den Gegenden, wo die Seidencultur alt und allgemein verbreitet ist, theils in ihrer Ausbreitung auf neue Provinzen. Frankreich producirt gegenwaͤrtig fuͤr 150.–200 Mill. Franken rohe Seide und dazu fuͤhrt es noch fuͤr wenigstens 60 Millionen fremde Seide ein. Seide ist vielleicht das einzige Product, das von der Concurrenz der Erzeugung nichts zu fuͤrchten hat, denn der Verbrauch dehnt sich in demselben Maaße aus und scheint einer ganz unbeschraͤnkten Zunahme faͤhig zu seyn. In der Umgegend von Bordeaux, wo fruͤher keine Seide producirt wurde, sind in den lezten Jahren 500,000 Maulbeerbaͤume gepflanzt worden, und in den Landes hat die Gesellschaft von Arrachin eine Pflanzung von 300,000 Baͤumen und eine Pflanzschule von 200,000 angelegt. Die unvortheilhaften Bedingungen, unter denen die Weincultur von Bordeaux leidet, bildet einen maͤchtigen Hebel, um die Seidenproduction zu befoͤrdern, indem im Allgemeinen dieselben Localitaͤten beiden zutraͤglich sind. In der Bretagne hat man angefangen Maulbeerbaͤume zu pflanzen und hofft dort darin eine Entschaͤdigung fuͤr die durch die Maschinenspinnerei gaͤnzlich ruinirte Handspinnerei von Flachs zu finden, da naͤchst dieser die Seidencultur am meisten weibliche Arbeit erfordert und sie weit besser bezahlt als Spinnerei, obgleich sie keine das ganze Jahr dauernde Beschaͤftigung darbietet. In den Provinzen, wo diese Cultur neu ist, wird sie zuerst immer von großen Gutsbesizern eingefuͤhrt, welche sich die neuesten Methoden zu eigen machen, und verbreitet sich so nach und nach unter den besten Bedingungen des Gedeihens. Die große Schwierigkeit der Einfuͤhrung besteht uͤbrigens nicht in der Production der Seide selbst, sondern in dem Abhaspeln; so lange jeder Producent seine eigene Seide haspelt, geschieht dieß schlecht und mit unverhaͤltnißmaͤßigen Kosten, waͤhrend er noch am Ende die groͤßte Muͤhe hat, das Product zu verkaufen, weil Fabrikanten nicht gern mit kleinen Partien zu thun haben, sondern Ballen von 1 Cntr. voͤllig gleichfoͤrmiger Seide verlangen. Daher bilden die Departements gemeinschaftliche Seidenspinnereien, in welchen die Cocons gekauft, sortirt und gehaspelt werden, und dieß ist das einzige Mittel, dem Product seinen wahren Werth zu geben. Die Tendenz der Seidenzuͤchter ist so viel moͤglich die drei Hauptzweige ihrer Industrie, die Production der Blaͤtter, die eigentliche Zucht der Raupen und die Spinnerei zu trennen, was nothwendig zu der groͤßten Vollkommenheit jedes dieser Zweige fuͤhren muß; aber dieß kann nur in dem Verhaͤltniß geschehen, als die Industrie in einem District allgemein wird, damit die Concurrenz den Gewinn moͤglichst gleich unter alle vertheile. Gegenwaͤrtig berechnet man den Verkaufswerth von 100 Kilogr. Blaͤtter auf 10 bis 12 Fr., und dieß ist ein so guter Ertrag, daß in den Theilen von Frankreich, wo der Blaͤtterverkauf allgemein ist, die Hektare von Maulbeerbaͤumen in vollem Ertrag um 8–10,000 Fr. verkauft wird. Die wissenschaftliche Art, mit welcher die neuen Seidenzuͤchter verfahren, bildet einen großen Contrast mit der nachlaͤssigen Routine der Bauern im Suͤden. Die Art der Baͤume, ihr Beschneiden, ihre Duͤngung, die Art, wie die Blaͤtter gebrochen werden, die Behandlung der Raupeneier, die Fuͤtterung in jedem Alter der Raupe, das Schneiden der Blaͤtter, die Reinigung der Gestelle, die Heizung des Seidenhauses, die Krankheiten des Thieres, die Bedingungen des Einspinnens, das Toͤdten der Puppe und mehr als Alles das Haspeln sind Objecte zahlloser Beobachtungen, und das Resultat im Ganzen ist, daß jezt Seidenhaͤuser nach den besten Methoden mit demselben Quantum Blaͤtter die doppelte Quantitaͤt Seide liefern, als die gewoͤhnlichen Erzieher im Suͤden erhalten, und daß die Kosten, welche diese sorgfaͤltigere Behandlung erfordert, durch den groͤßeren Ertrag sehr reichlich ersezt werden. (Augsb. Allg. Ztg.)