Titel: Neues chlorometrisches Verfahren; von Hrn. Lassaigne.
Fundstelle: Band 86, Jahrgang 1842, Nr. XXVI., S. 103
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XXVI. Neues chlorometrisches Verfahren; von Hrn. Lassaigne. Aus den Comptes rendus, Sept. 1842, Nr. 10. Lassaigne's neues chlorometrisches Verfahren. Es wurden schon verschiedene Verfahrungsarten empfohlen, um entweder das in Wasser aufgelöste freie Chlor oder dasjenige, welches die unterchlorigsauren Salze durch ihre Zersezung mittelst Säuren geben können, quantitativ zu bestimmen. Diese für die Fabriken, wo die genannten Substanzen angewandt werden, so nüzlichen Methoden gründen sich entweder: 1) auf die Quantität einer als Probeflüssigkeit dienenden Indigauflösung, welche ein Volumen trokenes Chlorgas (bei 0° Temperatur und 0,76 M. Druk gemessen) entfärben kann, oder 2) auf die Reaction, welche dieses Gas auf eine Auflösung von arseniger Säure ausüben kann.Noch andere Probirmethoden wurden im polyt. Journal Bd. LXXXV. S. 292 beschrieben.A. d. R. Lezteres Verfahren, wofür Hr. Gay-Lussac eine ausführliche Anleitung bekannt gemacht hatPolyt. Journal Bd. LX. S. 128., ist dem anderen vorzuziehen, welches oft unrichtige Resultate geben muß, weil die Indigauflösung durch den Einfluß des Lichts und nach längerer Zeit sogar in der Dunkelheit eine Veränderung erleidet. Das Verfahren, welches ich in Vorschlag bringe, ist ebenfalls der älteren Probirmethode mit Indigauflösung vorzuziehen, indem die anzuwendende Probeflüssigkeit ganz unveränderlich ist und man damit genaue und constante Resultate erhält. Es gründet sich auf die Menge troknen Chlorgases, welche ein bestimmtes Gewicht reines Jodkalium zersezen kann, um sich gänzlich in Chlorkalium und Jodsuperchlorid, zwei in Wasser lösliche Verbindungen, zu zersezen. Ob das Jodkalium vollständig zersezt ist, erkennt man leicht durch ein wenig Stärkmehllösung, welche, wenn man sie der Probeflüssigkeit in dem Augenblik zusezt, wo man die Chlorlösung hineingießt, sich augenbliklich färbt und von Blau in Violett, Grün, Roth und Gelb übergeht, so lange noch eine Spur freies Jod übrig ist; sobald die Zersezung beendigt ist, wird die entfärbte Probeflüssigkeit wieder klar und farblos wie destillirtes Wasser. Bei Anwendung schwefelsaurer Indiglösung bleibt die Flüssigkeit bekanntlich in dem Augenblik, wo die Probe beendigt ist, immer mehr oder weniger stark röthlichgelb gefärbt. 1 Aequivalent reines und geschmolzenes Jodkalium erfordert zu seiner vollständigen Zersezung in Chlorkalium und Jodperchlorid 6 Aequivalente trokenes Chlor; die Producte der Reaction sind 1 Aeq. Chlorkalium und 1 Aeq. Jodperchlorid, welches leztere dadurch gebildet wurde, daß sich das abgeschiedene Aeq. Jod dann mit 5 Aeq. Chlor verband. Hienach zersezt 1 Liter trokenes Chlorgas (bei 0° Temp. und 0,76 Met. Druk gemessen), welcher 3 Gr., 208 wiegt, 2 Gr., 482 Jodkalium. Löst man also in einem Liter destillirten Wassers diese Quantität Jodkalium auf, so erhält man eine Normalauflösung, welche zur vollständigen Zersezung ihr gleiches Volumen Chlorgas erfordert. Diese Normalauflösung läßt sich in einer luftdicht verschließbaren Glasflasche mit weiter Oeffnung sehr gut aufbewahren. Um sie anzuwenden, nimmt man mit einer kleinen graduirten Saugröhre ein bekanntes Maaß davon heraus, läßt es in ein gewöhnliches Trinkglas auslaufen und sezt dann ein wenig Stärke-AuflösungDiese Auflösung bereitet man, indem man 1 Gramm Stärkmehl in Grammen destillirten Wassers mittelst Erwärmens auflöst, dann abkühlen läßt und filtrirt.Man kann aber auch das Stärkmehl in einem Agatmörser troken zerreiben, um seine Hüllen zu zerreißen und es dann mit derselben Menge kalten, destillirten Wassers zu behandeln.A. d. O. zu. Will man den Gehalt einer bloßen Auflösung von Chlor in Wasser bestimmen, so füllt man damit das graduirte Maaßgläschen (burette), dessen man sich gewöhnlich bei Chlorproben bedientEs ist beschrieben in Gay-Lussac's neuester Abhandlung über Chlorometrie im polyt. Journal Bd. LX. S. 128 und abgebildet auf Tab. II. Fig. M.A. d. R., und gießt davon tropfenweise in das Volumen der mit Stärkelösung vermischten Jodkaliumlösung. Sobald der erste Tropfen hineinfallt, entsteht blaue Jodstärke, welche durch das freigewordene Jod allmählich dunkler blau wird; bald wird aber diese Jodstärke zersezt und die Flüssigkeit durchläuft vor ihrer vollständigen Zersezung die oben angegebenen Farben. Die Menge Chlorauflösung, welche bei der Operation zur vollständigen Entfärbung verbraucht wurde, steht in umgekehrtem Verhältniß mit ihrem Chlorgehalt; wenn man also bei dem Versuche 20 Maaß Chlorauflösung zugießen mußte, um 10 Maaß der Jodkalium-Normallösung zu zerstören, so enthält die probirte Flüssigkeit nur die Hälfte ihres Volumens Chlor, oder 50 Proc. Dieses sehr einfache Probirverfahren läßt sich ohne neue Apparate leicht ausführen; man benuzt dazu das Maaßgläschen (burette) von Gay-Lussac's neuem Chlorometer, ein graduirtes Saugröhrchen und ein Trink- oder Becherglas, welches man auf ein weißes (auf dem Tisch ausgebreitetes) Papierblatt stellt, um die Entfärbung besser beurtheilen zu können. Das Glas, in welches man das Maaß Jodkalium-Auflösung mit acht bis zehn Tropfen Stärke-Auflösung versezt, gegossen hat, muß man bei den Versuchen in der linken Hand halten und ihm eine kreisende Bewegung ertheilen, während man mit der rechten Hand die in dem Maaßgläschen (der burette) enthaltene Auflösung des Chlors oder unterchlorigsauren Salzes ausgießt. Der Gehalt eines unterchlorigsauren Alkali's wird auf dieselbe Weise bestimmt, indem man eine frische Auflösung dieses Salzes, im Verhältniß von 10 Grammen desselben per Liter Wasser bereitet, zu dem Versuche anwendet. Nur muß man dabei, um die Operation schnell und mit Genauigkeit ausführen zu können, der mit Stärke versezten Probeflüssigkeit einen oder zwei Tropfen concentrirte Schwefelsäure zusezen, damit sich Chlor entwikelt, sobald man die Auflösung des unterchlorigsauren Salzes hineingießt. Wenn man dieses unterläßt, kann die Probe nur langsam und mit einigen Unterbrechungen ausgeführt werden; auf die Färbung und Entfärbung, welche die ersten Tropfen des unterchlorigsauren Salzes in der nicht angesäuerten Probeflüssigkeit hervorbringen, stellt sich nämlich von selbst eine neue Färbung ein, die man durch einige Tropfen unterchlorigsauren Salzes sogleich zerstört, und dieß findet noch fünf- bis sechsmal nach einander statt, bis das Jodkalium zersezt ist. Bei dieser langsamen Reaction der Auflösungen unterchlorigsauren Alkalien erhält man immer ein etwas niedrigeres Resultat, als wenn man die Probeflüssigkeit mit ein wenig Schwefelsäure versezt; zu diesem Fehler kommt noch der Uebelstand, daß die Operation längere Zeit erfordert, während außerdem die Probe in einer halben Minute beendigt ist. Ein Zusaz von einigen Tropfen Schwefelsäure zur anzuwendenden Jodkalium-Auflösung gewährt also offenbar einen Vortheil und der Versuch läßt sich dann gerade so schnell beendigen wie mit Indigauflösung, in welche man die Auflösung des unterchlorigsauren Salzes bekanntlich rasch hineingießt. Wiederholt man nach diesem Verfahren die Proben öfters mit derselben Auflösung eines unterchlorigsauren Alkali's (Chloralkali's), so erhält man gleiche Resultate – ein Beweis, daß die Probirmethode eben so genau ist wie die mit arseniger Säure als Probeflüssigkeit.