Titel: | Neue Erfahrungen über Maulbeerbäume und Seidenwürmer. |
Fundstelle: | Band 86, Jahrgang 1842, Nr. LXXXVII., S. 387 |
Download: | XML |
LXXXVII.
Neue Erfahrungen uͤber
Maulbeerbaͤume und Seidenwuͤrmer.
Aus dem Echo du monde savant, Sept. 1843, Nr.
24.
Neue Erfahrungen über Maulbeerbäume und Seidenwürmer.
Die Frage, ob der Boden von ganz Frankreich zur Seiden-Industrie geeignet ist,
ist von sehr hoher Wichtigkeit. Hr. Robinet untersuchte
dieselbe an allen Punkten, wo er sich selbst hinbegab, und beantwortete sie
bejahend. Wenn man an manchen Orten nur mangelhaftes Product erhielt, so ist dieses
traurige Resultat dem unvollkommenen Spinnverfahren und der nachlässigen Behandlung
zuzuschreiben. Ueberall aber kann man nach ihm schöne Cocons sammeln, welche
befriedigende Seide liefern, wenn sie erfahrnen Spinnerinnen übergeben werden.
Der Darcet'sche Apparat wird gegenwärtig als die
unerläßlichen Bedingungen der Ventilation auf möglichst einfachem Weg erfüllend betrachtet. Auch Hr. Robinet führte denselben ein; doch gibt er einige
Verbesserungen desselben an, deren Vorzüge einleuchtend sind. Die erste bezieht sich
auf die Stellung des Ventilators. Hr. Darcet bringt
denselben unter dem Dach an. Nun hat man sich aber überzeugt, daß die durch dieses
Verfahren erhaltene Geschwindigkeit beim Strom der erneuerten Luft weit hinter der
von der Theorie angegebenen zurükbleibt. Sorgfältig angestellte Versuche haben
diesen Unterschied aufgedekt. Diese Ungleichheit durfte aber nicht nur gefunden,
sondern mußte auch verbessert werden. Hr. Robinet fand
das Mittel hiezu in der Stellung des Ventilators; er räth an, denselben in der
Luftkammer selbst anzubringen, indem man in seinem Durchmesser eine in der Richtung
seiner Achse angebrachte Leitung ausmünden läßt, welche die äußere frische Luft
zuführt. In diesem Falle wirkt der Ventilator nicht mehr als eine zurükdrükende
Maschine.
Die zweite Verbesserung im Innern der Seidenanstalten besteht in der geneigten statt
horizontalen Stellung der Hürden. Nach dem Naturgesez muß die Luft auf einer
geneigten Ebene eine viel schnellere Bewegung erhalten, als auf einer horizontalen
Fläche; auf der erstern wird sie gerne fortgleiten, was sie auf der leztern nicht so
wohl kann. Die Würmer erhalten hiedurch mehr frische Luft. Diese Einrichtung kann zu
den Vortheilen der drehenden Hürden der Vasseur'schen
Vorrichtung verhelfen, welche nicht ohne Mängel ist.
Hr. Robinet widmet sich auch der Sichtung der
verschiedenen, zur Gewinnung der Seide gangbaren Species von Würmern. In der
Dauphiné findet sich eine in frühern Zeiten eingeführte, durchaus den Vorzug
verdienende Race. Man kennt ihren Ursprung nicht und kann daher nur für ihre
Verbreitung thätig seyn.
Die Bestimmung der Zeit, zu welcher das Auskriechen vorbereitet werden soll, ist sehr
schwer. Man muß die zum Einspinnen nöthige Zeit in Zusammenhang bringen mit jener,
wo der Maulbeerbaum gehörig entwikelt ist; nun ist aber die Beschaffenheit der
Blätter von den Verschiedenheiten des Klima's und der Jahreszeiten abhängig.
Vier Species des Maulbeerbaums werden in der Regel cultivirt, nämlich Morus multicaulis der Sauvageon der Moretti und der gepfropfte M. rosea. – Der Morus
multicaulis, welchen die Würmer vorzuziehen scheinen und der am meisten
Wasser enthält, ist der wenigst nahrhafte und der Entwikelung der Raupe und
Erzeugung der Cocons am wenigsten förderliche. Es folgt dann der Sauvageon, hierauf der Moretti und endlich der gepfropfte Maulbeerbaum, welcher troz des
bedeutenden Blätterverlustes in Folge seiner Härte, nichtsdestoweniger der
nahrhafteste ist. Würmer und Cocons von demselben verdienen unbestritten den
Vorzug. Diese von Hrn. Robinet beinahe mit mathematischer
Genauigkeit ermittelte Vorzüglichkeit wird auch von den meisten Sachverständigen
bestätigt.
Doch sind die Verschiedenheiten nicht nur Folge der Species; auch die verschiedenen
Entwikelungsgrade des Baums führen merklich abweichende Resultate herbei. Um diese
näher kennen zu lernen, machte Hr. Robinet vom 15. April
bis zum 16. August sieben aufeinanderfolgende Zuchten mit denselben Eiern und
denselben Blättern. Er behandelte zu gleicher Zeit zwei Racen, die von Sina und die
von Turin, und fand, daß die dreimal häutenden Würmer zur Zeit ihres Aufsteigens im
Durchschnitt 3 Gramme wiegen; die mit M. multicaulis
aber gefütterten wogen nur 2 1/2 Gramme. Die mit dem leztern gefütterten Sinawürmer
wogen um 1/3 weniger als die mit dem rosenblätterigen Maulbeerbaum gefütterten. Der
M. multicaulis gab bei beiden Racen auch die
kleinsten Cocons; es folgen dann der Sauvageon und der
Moretti. Der Vorzug gebührt gänzlich dem
rosenblätterigen.
Hinsichtlich der fortschreitenden Entwikelung der Blätter, fand Hr. R., daß mit jeder
spätern Zucht die Würmer kleiner und die Cocons leichter und kleiner wurden. Mit
jeder Zucht wurde ein geringeres Product erhalten troz aller Sorgfalt, die Anzahl
der Eier gleich zu machen.
Die Anzahl der den Würmern zu reichenden Mahlzeiten betreffend, gab Hr. Robinet sonst unter gleichen Umständen sich befindenden
Würmern, zum Theil 8, zum Theil nur 4 Mahlzeiten, die zusammen jedoch immer gleich
groß waren. Die achtmal gefütterten krochen um zwei Tage früher aus.
Ob es vortheilhaft sey, den Würmern angefeuchtete Blätter zu geben, ist noch eine
Streitfrage, welche Hr. Boulenois verneinend beantwortet.
Hr. R. aber bejaht dieselbe, vorausgesezt, daß man das Blatt auf der Streu sich
nicht zersezen lasse, wodurch es allerdings ungesund wird. Während der erstere
behauptet, daß die vom benezten Blatt sich entwikelnde Feuchtigkeit eine der
Hauptursachen der Muskardine sey, behauptet dieser, daß sie eines der besten Mittel
zu ihrer Verhütung sey. Leztere Meinung wird auch von Hrn. Agosto Bassi unterstüzt, welcher sagt: „Je mehr der
Muskardine-Same vor dem Zutritt der Luft geschüzt ist, desto besser
erhält er sich und gedeiht, während zu große Feuchtigkeit den in dem Wurm, in
welchem er erzeugt wurde, haftenden Keim schwächt und vernichtet, welcher dann
durch die von der Feuchtigkeit herbeigeführte Zersezung ebenfalls verändert und
zersezt wird.“
Endlich behauptet Hr. R. aus Erfahrung, daß der Wechsel von Kälte und Wärme nur
geringen Einfluß auf die Zucht und jedenfalls bei weitem nicht die ihm oft
beigemessene schädliche Einwirkung hat.