Titel: Ueber die Bereitung der Phosphorpaste und ihre Anwendung zur Tödtung der Mäuse und Ratten. Von Prof. Schumann in Plieningen.
Fundstelle: Band 87, Jahrgang 1843, Nr. CV., S. 387
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CV. Ueber die Bereitung der Phosphorpaste und ihre Anwendung zur Toͤdtung der Maͤuse und Ratten. Von Prof. Schumann in Plieningen. Schumann, uͤber die Bereitung der Phosphorpaste und ihre Anwendung zur Toͤdtung der Maͤuse und Ratten. Die ungeheure Anzahl von Mäusen, von denen im vorigen Sommer die Felder überschwemmt waren, ließ auf allerhand Mittel denken, sich dieser Plage zu entledigen. Von allen Mitteln, die zu ihrer Ausrottung angewendet wurden, hat aber wohl keines durch die Sicherheit und Schnelligkeit der Wirkung sich so bewährt und einen solchen Ruf erlangt, als die Phosphorpaste. Ihre beste Bereitung und zwekmäßigste Anwendung dürfte daher einer allgemeineren Bekanntmachung werth seyn. Um sie zu bereiten, werden 10 Loth Phosphor in einem geräumigen irdenen oder hölzernen Gefäße mit etwa 24 Pfd. (3 1/2 Pfd. = 1 Maaß) siedend Wasser übergossen und sogleich 10 Pfd. Mehl unter tüchtigem Umrühren der Flüssigkeit zugesezt. Die erhaltene Masse muß einen diken Brei darstellen; sollte noch uneingerührtes Mehl vorhanden seyn oder der Brei eine zu starke Consistenz haben, so sezt man noch so viel siedend Wasser zu, als zur angegebenen Beschaffenheit nöthig ist. Es ist durchaus erforderlich, siedend Wasser anzuwenden und gut durch einander zu arbeiten, weil sonst der Phosphor nicht gehörig flüssig, nicht fein vertheilt und daher nicht gleichmäßig in der ganzen Masse verbreitet werden könnte. Die so zubereitete Masse wurde von mir zu 16 kr. per Pfund abgegeben. Das Phosphorgift auf dem Felde auf schikliche und zwekdienliche Weise zu legen, hat man verschiedene Arten angewendet, es dürfte indessen die folgende einen entschiedenen Vorzug vor manchen andern haben, da bei ihrer Befolgung keine Paste unnöthig verbraucht wird. Sie besteht darin, daß man die Paste nicht aufs Gerathewohl in die Löcher legt, sondern am Abend, ehe man sie aufs Feld bringen will, alle Löcher zutritt und zuschlägt und erst am andern Morgen das Gift und zwar in die über Nacht von den Mäusen wieder frisch gegrabenen Löcher einbringt, ohne diese aber wieder einzufüllen. Das Einbringen der Paste bewerkstelligt man dadurch, daß man kleine hölzerne Stäbchen an einem Ende mit Paste bestreicht und diese in die Löcher legt. Auffallend ist die Wirkung des Phosphors; es vergeht kaum eine halbe Stunde, so sieht man schon todte Mäuse umherliegen oder im Todeskampf begriffene herumtaumeln. Man muß sich wundern, daß sie den pikanten und unangenehmen Geruch, den der Phosphor veranlaßt, nicht scheuen; ihre Begierde, diese Paste zu fressen, soll aber so weit gehen, daß sie selbst die Stäbe, auf die die Paste gestrichen war, stark annagen. Ueber die Vortrefflichkeit der Phosphorpaste zur Tödtung der Feldmäuse ist unter den Landleuten auf den Feldern nur Eine Stimme. Was das Verhältniß des Phosphors zum Mehl und Wasser betrifft, so halte ich das oben angegebene für sehr zwekmäßig, einmal, weil bei diesem Verhältniß nach den bisherigen Erfahrungen und den darüber angestellten Versuchen, wie unten gezeigt werden wird, keine Gefahr vorhanden ist, daß brennbare Körper, auf welche die Paste etwa zu liegen kommen sollte, dadurch entzündet werden. Es kommen auf 1 Loth Paste zu 240 Granen nicht volle 2 Grane, wenn bei ihrer Darstellung auch kein Phosphor, was aber nicht verhindert werden kann, verbrennt, oder auf 100 Theile etwa 5/6 Theile, was gewiß wenig ist. Sodann ist obiges Mischungsverhältniß zwekmäßig, weil es nach der Erfahrung doch so viel Phosphor enthält, als zum sichern und schnellen Tödten der Mäuse nöthig ist. Die Paste muß nämlich so viel Phosphor haben, daß diese Thiere mit Einem Male genug bekommen. Würde man weniger Phosphor nehmen, um einer vermeinten Gefahr von Brandunglük vorzubeugen, so könnten diese Thiere leicht zu wenig bekommen und sich von einigen empfundenen Schmerzen abhalten lassen, weiter zu holen. Die von mir gemachten Versuche, ob nicht eine geringere Menge Phosphor unter die Paste gemengt werden könnte, ohne ihrer Wirksamkeit Eintrag zu thun, lehrten mich aufs Bestimmteste, daß das gegebene Verhältniß nicht abgeändert werden dürfe, weßhalb ich mich für Beibehaltung von 10 Loth Phosphor zu 10 Pfd. Mehl aussprechen muß. Daß unter diesen Umständen eine Vermehrung der Phosphormenge zweklos sey, versteht sich von selbst, abgesehen davon, daß eine starke Vermehrung der Phosphormenge doch Brandgefahr herbeiführen könnte, auch vielleicht die Mäuse von dem Genuß der Paste durch den stärkeren Geruch nach Phosphor abgehalten werden könnten. Aus der so auffallenden, schnell tödtlichen Wirkung des Phosphors auf die Mäuse läßt sich schon vermuthen, daß er auch andern Thieren schädlich sey. Die Erfahrung bestätigt dieß auch vollkommen und man sah im Laufe dieses Herbstes, in welchem viel Phosphorpaste für die Mäuse gelegt wurde, hie und da Vögel, namentlich Raben, dann Kazen, sogar Hunde todt auf dem Felde liegen. Von den Hunden ist es freilich nicht gewiß, ob sie durch Phosphor getödtet wurden, und man weiß es auch von den andern Thieren nicht zuverlässig, doch ist es von den erstern aus ihrer Neigung, Mäuse zu fressen, zu vermuthen. Jedenfalls aber ist der Phosphor für alle Thiere, auch den Menschen, starkes Gift, weßwegen man die Paste mit großer Vorsicht anwenden muß, damit Niemand Schaden nehme. Ein Fall kam mir indessen doch vor, in welchem der Phosphor nicht tödtlich wirkte; aus Unvorsichtigkeit bekam nämlich vor etwa 3 Jahren zu Plieningen eine Kuh etwa 1 Loth Phosphorpaste, die für Ratten bestimmt war, ohne daß man an ihr im Mindesten ein Unwohlseyn bemerken konnte, obwohl man sie genau beobachet hat. Will man die Paste in den Häusern zur Vertreibung der Mäuse und Ratten anwenden, so streicht man sie auch auf Holz, oder aber besser auf weiches Brod, weil sie von diesem mehr angelokt werden. Auf diese Weise geboten zeigte sich die Paste sehr wirksam, besonders gegen Ratten. Es entsteht nun die Frage: wird die Phosphorpaste, wenn sie mit Holz und leicht entzündlichen Dingen in Berührung kommt, durch den Phosphor, der sich im reinen Zustand bei leichtem Reiben von selbst entzündet und eine so große Hize bei seinem Verbrennen entwikelt, daß Kupfer davon schmilzt, kein Brandunglük veranlassen können? Diese Frage gründlich zu erörtern, dürfte schon deßhalb nöthig seyn, um ängstliche Personen zu beruhigen, wenn sie bei Nacht ein leuchtendes Stükchen Holz sehen oder zufällig einen Topf mit Phosphorpaste umrühren, dessen Inneres wie eine Feueresse glüht. Allerdings rührt dieses Leuchten vom Verbrennen des Phosphors her, jedoch hat es damit keine Noth, man kann an diesem Licht kein Schwefelholz anzünden. Daß die feuchte Phosphorpaste kein Holz oder dergleichen anzünden werde, steht wegen ihres großen Wassergehalts zu erwarten; anders könnte es sich aber verhalten, wenn die Paste troken wird. Doch auch bei der trokenen Paste kann man schon im Voraus vermuthen, daß sie nicht gefährlich wirken werde, wenn man bedenkt, daß auf 10 Pfd. Mehl nur 10 Loth Phosphor kommen und also in 100 Theilen trokener Masse nur 3 Theile Phosphor enthalten sind. Allerdings macht in den Reibzündhölzchen Phosphor einen hauptsächlich wirksamen Bestandtheil aus und es ist Jedem bekannt, daß diese gar schnell und mit Heftigkeit durch Reiben oder Stoß entglühen und dann das brennbare Holz mit in Brand überführen, wie denn auch durch sie schon manche Brände veranlaßt worden sind. Bei der Beurtheilung der übrigen Bestandtheile der Zündmasse aber zeigt es sich, daß der bei weitem größere Theil derselben neben Schwefel aus Salpeter oder chlorsaurem Kali besteht – Materien, die nicht nur, was den meisten sonstigen Körpern abgeht, eine große Menge Sauerstoff in ihrer Mischung haben, sondern auch noch die ausgezeichnete Eigenschaft besizen, ihn in Berührung mit brennbaren Körpern oft schon bei mechanischen Veranlassungen, wie Druk, besonders aber auf chemische Einleitungen leicht fahren zu lassen und an jene abzugeben. Bei dieser Uebertragung des Sauerstoffs tritt Temperaturerhöhung ein, und zwar oft in solcher Stärke, daß die Körper erglühen und der Brand auf andere, mit ihnen in Berührung stehende, minder brennbare Substanzen mitgetheilt werden kann. Bei den Phosphorreibzündhölzchen wird nämlich der Phosphor durch die beim Reiben erregte Wärme zunächst flüssig und entzieht dann, begünstigt durch diese Wärme, dem Salpeter oder chlorsauren Kali Sauerstoff; hiedurch vermehrt sich die Hize und steigert sich sogar bis zum Glühen, welches nun den zugemengten Schwefel und zulezt selbst das Holz in Brand sezt. Von dieser leichten Entzündlichkeit darf aber nicht auf eine gleiche in der getrokneten Pastenmasse geschlossen werden, denn dem Mehl fehlt nicht nur der reichere Sauerstoffgehalt, es geht ihm auch noch gänzlich die Fähigkeit ab, ihn an brennbare Körper abzugeben, und somit fehlt nicht nur der einleitende chemische Proceß, wenn auch der Phosphor beim Reiben der Paste schmelzen wird, sondern auch der eine Entzündung durch seine Verbindung möglich machende Sauerstoff. Um die Frage über die Feuergefährlichkeit der Phosphorpaste noch einer genaueren Erörterung zu unterwerfen und mit Bestimmtheit über sie ein Urtheil aussprechen zu können, habe ich verschiedene Versuche angestellt, die ich in Folgendem vorlege. 1) Ich troknete eine Portion frisch bereiteter und reich mit Phosphortheilchen durchsezter Paste bei einer so geringen Wärme, daß kein Phosphor verbrennen konnte, auf einem Stük Tannenholz vollständig ein. Die Lage dieser Paste hatte eine abwechselnde Dike von 1/2–1 Linie. Nach ein paar Tagen schabte ich die Paste ab, um zu erfahren, ob nicht irgend eine Brandspur sich auf dem Holz finde, konnte aber nicht die geringste Schwärzung entdeken. 2) Um zu erfahren, wie sich diese Paste beim Reiben mit Holz verhalte, ward eine eben so zubereitete, auf Holz haftende Phosphorpaste mit trokenen feinen Hobelspänen und wieder mit einem Stükchen rauhen Holzes lang und stark gerieben. Bei diesem Verfahren zeigten sich wohl schwache Spuren der starken mechanischen Einwirkung auf die Paste, denn es entstand der bekannte, nach Schweiß riechende Phosphorgeruch und ein schwacher Rauch, aber eine Spur von Entzündung oder Feuer konnte nicht beobachtet werden. Ohne Zweifel würde man im Dunkeln ein Leuchten gesehen haben, aber dieses beweist nichts für eine gefahrvolle Entzündung, da, wie oben erwähnt, auch der flüssige Phosphorteig leuchtet. 3) Da der Schwefel nicht nur sehr entzündlich ist und, wie bekannt, schon auf einer sehr heißen Eisenplatte ohne zugebrachtes Licht sich von selbst entzünden kann, auch sich mit dem Phosphor leicht zu einer sehr und zwar von selbst entzündlichen Substanz verbindet, so wählte ich ihn als Repräsentanten leicht entzündlicher Körper und rieb eine ganz getroknete und eine noch feuchte Portion Phosphorpaste zuerst mit einem Schwefelhölzchen, dann mit einer Schwefelstange und endlich, nachdem vorher auf beide Phosphorpasten gewaschene Schwefelblumen, also reiner Schwefel in sehr vertheiltem Zustand, aufgestreut worden waren, mit feinen tannenen Hobelspänen, wieder mit dem gleichen Erfolg, nämlich ohne eine andere Erscheinung, als die beim bloßen Reiben mit Holz beobachtete, zu erhalten und ohne Zeichen von Entzündung. Ja selbst unter der Loupe zeigte sich durchaus keine Spur von Fleken oder von Flüssigwerden, welche sich doch hätte zeigen sollen, wenn Phosphor und Schwefel sich verbunden hätten, da der Phosphorschwefel flüssiger ist, als der Phosphor und Schwefel für sich. 4) Zulezt legte ich ein mit Paste überzogenes Stük Tannenholz auf ein schwach flammendes Feuer. Sobald die Paste heiß geworden war, zog ich sie heraus und sah, daß die ganze Fläche mit einer sehr großen Menge kleiner leuchtender Punkte von brennendem Phosphor überzogen war, die aber alsbald erloschen. Bei 6–8maligem Wiederholen dieses Verfahrens hatte ich das gleiche Schauspiel, indem nach eingeleitetem Brande des Phosphors der Brand nie allgemein wurde, obwohl die Paste ganz troken und Phosphor genug vorhanden war. Das Feuer hatte die Paste nur noch stärker ausgetroknet und ihre Oberfläche verbrannt, dadurch den unter der Oberfläche befindlichen Phosphor bloßgelegt und sodann entzündet; die unteren Lagen von Phosphor blieben aber durch die über ihnen liegenden Schichten geschüzt, bis auch diese verbrannt wurden. Aus allen diesen Versuchen, so wie aus obiger Deduction dürfte nach meiner Ansicht wohl zuversichtlich der Schluß gezogen werden, daß von der Phosphorpaste im trokenen und noch viel weniger im feuchten Zustande, wenn sie mit Holz oder gar Schwefel in gewöhnlicher Temperatur in Berührung kommt oder mit diesen gerieben wird, ganz und gar keine Entzündungsgefahr zu befürchten sey. Anders würde sich die Sache freilich verhalten, wenn der Phosphor in höherem Verhältniß zur Paste gesezt und sie in Berührung mit sauer stoffreichen Substanzen stark gerieben würde, wie namentlich mit Salpeter, Schießpulver oder chlorsaurem Kali. Doch ein Zusammenkommen mit diesen Materien ist ungewöhnlich und mit chlorsaurem Kali gar nicht denkbar. Außer dem günstigen Umstande, daß das Mehl durch seine bindende Eigenschaft zur Darstellung der Paste sich vorzüglich eignet und von den Mäusen gesucht wird, erscheint sein Zusaz noch deßhalb sehr zwekmäßig, weil es mit heißem Wasser angerührt zu einer derben, hornartigen und nicht so leicht pulverisirbaren Masse eintroknet, welche den Phosphor also fest einschließt und ihn hindert, seine leichte Entzündlichkeit zu äußern. Wie lang die Phosphorpaste wirksam bleibe, ist kurz dahin zu beantworten: so lange sie noch eine erklekliche Menge Phosphor enthält. Dieß erkennt man am Geruch der Paste nach Phosphor und auch daran, ob sie im Dunkeln beim Umrühren leuchtet. Ist die Masse in einem Topf und dergleichen gut aufbewahrt, so hält sie sich sehr lange gut und wirksam. Eine vor mir liegende vor 8 Wochen bereitete Paste ist noch ganz mit Phosphor imprägnirt und also auch noch unverdorben. Auch eine eingetroknete Paste enthält noch längere Zeit ihren Phosphorgehalt ganz, wie mich meine Versuche überzeugten. Noch wäre eine Frage zu berühren, nämlich die, ob die Phosphorpaste auf dem Felde gelegt den Pflanzen nicht nachtheilig sey, wenn sie mit ihnen in Berührung kommt? Ich glaube sie deßhalb beantworten zu müssen, weil sie von einem Landmann an mich gestellt worden. Des Phosphors ist aber so wenig in der Paste, daß er im Erdreich, vollends durch Akern und dergleichen vertheilt, wohl keine Wirkung ausüben kann. Würde er aber durch Berühren einer Wurzelfaser diese tödten, so hört mit diesem auch seine Wirkung auf die Pflanze auf, weil dann keine weitere Aufnahme in diese möglich wäre. Indessen ist eine Einsaugung des Phosphors gar nicht möglich, weil er in Wasser nicht löslich ist und nur in Wasser Aufgelöstes von den Wurzeln aufgenommen wird. Bloße Berührung organischer Körper mit Phosphor ist nicht tödtlich. Wenn aber der Phosphor mit der Luft in Berührung kommt, so wird er zu Phosphorsäure und diese verbindet sich sogleich mit Kalk, der wohl nie in einem Akerlande fehlt, zu phosphorsaurem Kalk. Jeder Landwirth weiß nun aber wohl, daß dieser der Vegetation nicht nur nicht schadet, sondern sogar in gewissen Düngerarten auf das Feld gebracht wird, denn die Knochen bestehen größtentheils aus phosphorsaurem Kalk. (Riecke's Wochenblatt, 1843, Nr. 3 und 4.)